w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

Morgenkröte
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w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#1

Beitrag von Morgenkröte »

Hallo zusammen,
ich habe mich vom Ober- zum Untergärigen entwickelt, nutze dafür ausschließlich w34/70. Meine Rezepte leite ich meist von MMUM ab. Dort werden fast immer Anstell- und Gärtemperaturen zwischen 9 und 11°C genannt mit leichtem Anstieg nach hinten heraus. Das erfordert natürlich hohen Einsatz von (Trocken-) Hefe und vor allem viel Geduld.
Fermentis selber hat nun in einem Webinar und auch in schriftlich veröffentlichten Quellen eine eigene umfangreiche Studie dokumentiert, in der vor allem die Auswirkungen verschiedener Gärtemperaturen bis hin zu 20°C (!) auf die Sensorik / den Geschmack untersucht wurden.
Das Ergebnis ging - kurz zusammengefasst - dahin, dass es messtechnisch in der Zusammensetzung der geschmackbildenden Stoffe sehr wenig Unterschiede gab, die dann sensorisch kaum feststellbar waren.
Ich frage mich nun, ob ich nicht die Vorteile einer höheren Gärtemperatur von z.B. 13°C nutzen sollte (geringerer Hefeeinsatz / kürzere Gärzeit), wenn es keine Nachteile gibt. Kann man dem Hersteller nicht eigentlich vertrauen, der doch ein Interesse daran haben müsste, dass seine Hefe sich keinen schlechten Ruf erwirbt?
Habt ihr vergleichende Erfahrungen gesammelt?
Gruß von
Bendix
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Seed7
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#2

Beitrag von Seed7 »

Versuch macht schlau. Teile eine sud auf.

Ingo
"Wabi-Sabi" braucht das Bier.
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indiana1972
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#3

Beitrag von indiana1972 »

Ich wäre an deinen Ergebnissen dann auch sehr interessiert, ich habe gerade einen Sud Pils mit W-34/70 vergoren, ebenfalls bei 20°, allerdings unter druck (Kegmenter, 20psi) dem Bier fehlt noch die Lagerung, aber nach dem coldcrush kann ich schon mal sagen,daß außer ganz leichtem Schwefel(oxid?) und Resthefigkeit keine Fehlaromen feststellbar sind (für mich) aber ich melde mich dazu gerne noch mal in drei bis vier Wochen, wenn das Bier in Flaschen und klar ist. Ich kenne allerdings auch noch nicht so viele verschiedene (Hefe-)Fehlaromen, Orange (von der Kveik) oder grüner Apfel (kenne ich auch vom Sauerteig) ist jedenfalls nicht drin. Auch sonst keine Fruchtigkeit oder Fuselalkohole-/Ester (da kenne ich ein paar), ich habe mit Hallertauer Mittelfrüher aber auch keine erwartet, das Bier kommt schon recht clean rüber. Fazit: Meiner Meinung nach geht zumindest unter Druck auch Fermentation bei Raumtemperatur bei der W-34/70.
Lieben Gruß,
Oli
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coyote77
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#4

Beitrag von coyote77 »

Nichts gegen Forscherdrang, im Gegenteil.
Allerdings wird diese Sau mit schöner Regelmäßigkeit durchs Forum getrieben. Das für mich einleuchtendste Gegen-Argument lautet: wenn den Unterschied wirklich keiner schmecken würde, würden Brauereien warm vergären, das spart nämlich Kosten.
Warum Fermentis das anders bewirbt, kann man nur spekulieren.

Edit: wenn du das machen willst und es für dich taugt, dann mach es so! Erlaubt ist, was gefällt...
Zuletzt geändert von coyote77 am Mittwoch 26. Mai 2021, 20:26, insgesamt 1-mal geändert.
Grüße, Andreas :Drink

Zum Biere drängt, am Biere hängt doch alles.
(Frei nach J. W. von Goethe)
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#5

Beitrag von DerDallmann »

Das wurde hier schon mehrfach getestet und heiß diskutiert. Am Ende kam immer dabei raus, dass das kalt vergoren Bier eben doch besser war. Einfach mal suchen. Komm immer mal wieder auf daß Thema
Rippchen85
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#6

Beitrag von Rippchen85 »

Moin,

Hierzu gibt es ein interessantes Experiment von brulosophy. Kurz: split batch einmal 10 Grad und einmal 21 Grad mit der w34/70. Von 26 Leuten konnten nur 12 das Bier aus der kalten Gärung erkennen.

Einfach Mal ausprobieren und Mal gucken ob es dir reicht :Drink

https://brulosophy.com/2016/02/08/ferme ... t-results/

Gruß
Daniel
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#7

Beitrag von Morgenkröte »

Ok, um halbwegs Klarheit zu bekommen, müsste ich wohl tatsächlich einen Sud aufteilen. Ist bei meinen Gerätschaften aufwendig. Fermentis hatte eigentlich ein sorgfältiges Setting bei der Studie...
@Andreas: Was die großen Brauereien angeht, kann es sich bei anderen Hefen ja durchaus anders verhalten.
Ich habe gerade einen Sud bei 13°C vergoren, nach einer Woche auf 15°C ansteigend.
Werde berichten, wie es geworden ist.
Gruß
Bendix
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#8

Beitrag von Morgenkröte »

Danke Daniel,
habe deinen Beitrag zu spät gesehen. Bin gespannt was hinter dem Link drin steht. Aber auf den ersten Blick finde ich 12 von 26 gar nicht so wenig.
Bendix
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#9

Beitrag von Rippchen85 »

Ja, dachte ich mir auch. War auch die falsche Wort wahl. Richtig ist sie konnten es von dem aus der warmen Gärung unterscheiden. In einer nachfolgenden Befragung fanden dann aber 10 von dem 12 das Bier aus der warmen Gärung besser

"In terms of overall preference, a majority of 10 tasters chose the warm ferment beer as the one they liked most, while the other 2 preferred the cool ferment sample"
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#10

Beitrag von indiana1972 »

Äh - nö! Wenn ich drei Gläser habe und ich soll herausfinden, welches sich von den beiden anderen unterscheidet, habe ich eine 33% Chance, es durch Zufall "herauszufinden" also zumindest richtig zu benennen (ohne überhaupt zu probieren). Das wären schon 8,66 Personen (Da würde ich aufrunden, aus ethischen Gründen).
Deshalb ist das Signifikanzniveau (Welches beschreibt, wie sehr sich das Ergebnis einer Untersuchung (alle probieren und geben sich Mühe, als ob ihr Leben davon abhinge) von einem zufälligen Ergebnis unterscheidet, (also alle haben angekreuzt ohne zu probieren)) bei diesen Dreiecks-Tests immer recht hoch angesetzt und daher bedeutet 12 eben, dass das noch die natürliche Schwankung in einem Testsetup ist.
Dies bedeutet im oben genannten Experiment, dass unterhalb von 13 von 26 richtig identifizierten Proben kein signifikanter Unterschied besteht (p=0.083). Eine Signifikanz von P<0.05 bedeutet, dass wenn man diesen Test mit drei identischen Bieren (von denen man den Probanden zum Beispiel nur zum Schein sagen würde, eins unterscheide sich von den anderen) wiederholen würde (und man würde man das Experiment unendlich oft wiederholen) bei je 20 Versuchen genau einmal (also in 5% der Fälle) zufällig zum gleichen Ergebnis kommen würde, wie bei einem Versuch wo 13/26 Leuten 1 von drei Bieren unterscheiden können.
Lieben Gruß,
Oli
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#11

Beitrag von Innuendo »

Morgenkröte hat geschrieben: Mittwoch 26. Mai 2021, 19:20 Fermentis selber hat nun in einem Webinar und auch in schriftlich veröffentlichten Quellen eine eigene umfangreiche Studie dokumentiert, in der vor allem die Auswirkungen verschiedener Gärtemperaturen bis hin zu 20°C (!) auf die Sensorik / den Geschmack untersucht wurden.
Hat jemand einen Link auf diese Studie? Ich würde das gern lesen.
In vielen Quellen ist nachzulesen, dass die Anstellrate und Temperatur zwei Hebel zur Gärführung sind. Niedrige Temperaturen bewirken ein moderat schnelles Wachstum der Hefe und das bewirkt moderate Nebenprodukten und Aromakomponenten im Bier. Darauf wird auch hier im Forum immer wieder hingewiesen, dass in den ersten Stunden bei Lager Hefe niedrige Temperaturen zu vorteilhaften Aromen führen. Hohe Temperaturen bewirken eine sehr hohe Aktivität beim Zellwachstum mit einer hohen Raten an Stoffwechselnebenprodukten. Zu höheren Temperaturen schreibt auch Fermentis, dass diese auch die Ester und Diacetyl Bildung erhöht. Zum Abbau bestimmter Nebenprodukte empfehlen viele im letzten Drittel oder Viertel die Temperatur bei Lagerhefe zu erhöhen. Zur Flockung empfiehlt auch Fermentis am Ende der Gärung eine niedrige Temperatur.

Wenn es messtechnisch nur wenig Unterschiede gibt, dann müssten auch Ester, höhere Alkohole und ähnliches in vergleichbaren Mengen vorhanden sein. Das wäre ein Widerspruch zu dem, was (zumindest ich) aus den vielen Quellen zu diesem Thema verstanden habe. Es soll jeder machen, wie er es für richtig hält. Ich persönlich mag die schnellen warmen Schwefelstinker nicht.
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#12

Beitrag von metaler143 »

Hier gibt es einige Daten zu den Experimenten von Fermentis. Ob ein richtiges Paper dazu existiert weiß ich leider nicht.
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#13

Beitrag von indiana1972 »

Hallo Innu,
Das mit der Quellenlage ist immer so eine Sache, Bier wird seit 6000 Jahren gebraut, in Deutschland gibt es tradiertes Wissen seit dem Mittelalter, trotzdem ist keine der Quellen „zuverlässig“, da sie selbst, wenn sie alles Wissen der Zeit zusammenträgt eben das ständig hinzugekommene Wissen nicht berücksichtigt. Gerade bei den Hefen und den Techniken zur Gärführung gibt es eine Menge „das haben wir schon immer so gemacht - das machen wir auch weiter so...“ (auch hier im Forum) auf der einen Seite und viel Experimentierfreude auf der anderen (siehe als Beispiel Brülosophy). Ich habe neulich hier zum Beispiel in einem Lehrbuch gelesen, das alle Hefen den gleichen Vergärungsgrad haben... und das man UG-Hefen immer kalt anstellen muss, auf der anderen Seite gibt es Kveiks wie die Lutra und die Krispy, die wohl bis 30°C neutral vergären, find das mal in nem Lehrbuch...
Ich denke, das jeder seinen eigenen Weg finden muss, sei es traditionell, oder eben modern. Wenn das Ergebnis unter beiden Bedingungen das gleiche ist (oder halt einfach nicht zu unterscheiden) dann ist es halt eine Frage der Vorliebe, genauso, als ob man lieber ein Papierbuch, oder ein ebook liest...
Was man meines Erachtens nicht tun sollte, ist eine Sache zu verteufeln, nur weil sie anders ist, als gewohnt. (Damit meine ich nicht dich).
Lieben Gruß,
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#14

Beitrag von Boludo »

Rippchen85 hat geschrieben: Mittwoch 26. Mai 2021, 21:05 Moin,

Hierzu gibt es ein interessantes Experiment von brulosophy. Kurz: split batch einmal 10 Grad und einmal 21 Grad mit der w34/70. Von 26 Leuten konnten nur 12 das Bier aus der kalten Gärung erkennen.
Ich finde 12 von 26 viel. Es ist ja nicht gesagt, dass die alle wirklich gute Verkoster sind.
Wenn man brulosophy glaubt, dann ist alles so ziemlich egal, man schmeckt nie einen Unterschied, egal was man macht. Meiner Meinung nach liegt das eher an den Leuten, die das verkosten und nicht am Bier.
Wenn ich mit der 3470 zu warm anstelle, schmeckt das Bier seltsam estrig nach Marzipan und das geht kaum weg. Da bin ich mittlerweile richtig allergisch dagegen.
Und ja, Brauereien geben nicht umsonst viel Geld für Kühlung aus.
Aber die Diskussion um warm und untergärig werden wir hier wohl noch bis ans Ende aller Tage führen, erfüllt sie doch den großen Wunsch vieler Hobbybrauer, kein Geld in Kühlung zu investieren.

Stefan
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#15

Beitrag von indiana1972 »

Hallo Stefan,
Das ist die Sache mit Statistik, man sucht sich immer das, was zur eigenen Meinung passt, das nennt sich „Confirmation Bias“. Deshalb legt man ja vor dem Test fest, welches Signifikanz-Niveau gefordert ist. Und in diesem Fall (P>0.05) ist das Ergebnis deshalb „nicht signifikant“, es ist übrigens das gleiche Signifikanzniveau festgelegt (P<0.05) wie bei DLG Verkostungen (Dreieckstests)...
Ausserdem, wenn 12/23 viel ist, dann ist 10 von 12 überragend, oder? Denn 10 von den 12, welche einen Unterschied festgestellt haben (wollen), fanden das warm vergorene besser. Und das Testpanel bestand nach den Angaben durchaus aus qualifizierten Leuten (BJCP-judges, Craft-brewer, Brewtuber...)

EDIT: Und um dem Argument vorzubeugen - ich fermentiere und konditioniere mit voller Temperaturkontrolle in Gärkammern. Aber eben bei selbst gewählten Temperaturen zwischen 3 und 30°C
Lieben Gruß,
Oli
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#16

Beitrag von Innuendo »

indiana1972 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 07:42 Das mit der Quellenlage ist immer so eine Sache, Bier wird seit 6000 Jahren gebraut, in Deutschland gibt es tradiertes Wissen seit dem Mittelalter, trotzdem ist keine der Quellen „zuverlässig“, da sie selbst, wenn sie alles Wissen der Zeit zusammenträgt eben das ständig hinzugekommene Wissen nicht berücksichtigt.
Der Themenstarter schreibt
... schriftlich veröffentlichten Quellen eine eigene umfangreiche Studie dokumentiert ... dass es messtechnisch in der Zusammensetzung der geschmackbildenden Stoffe sehr wenig Unterschiede gab
Hier geht es nicht um Erfahrungen und vererbtes Wissen, sondern um eine "umfangreiche Studie" mit Zahlen, Messergebnissen und den daraus gewonnenen Erkenntnissen bzw. Beurteilungen von Fermentis. Das würde ich sehr gern lesen.

Ich unterstelle einfach mal, dass eine Gegenüberstellung von Geschmackskomponenten in gr/l oder ppm von kalt und warm vergorenem Lager jeder lesen kann. Weiter unterstelle ich, dass man nicht verstehen muss, durch welche enzymatischen Prozesse eine Komponente entstanden ist. Wenn ein Messergebnis A größer ist als Messergebnis B und die Geschmacksschwelle C größer B aber kleiner A ist

Code: Alles auswählen

 B < Geschmacksschwelle C < A
dann muss Probe A einen anderen Geschmack/Aroma bzw. Geruch als B aufweisen. Mit diesem Ansatz würde ich typische geschmacksbildende Komponenten durchgehen und vergleichen: versch. Ester, Fuselalkohole, Diacetyl, organische Säuren, Schwefelverbindungen, Phenole usw. Ich würde gern auf so eine Tabelle schauen, Du nicht?
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#17

Beitrag von Boludo »

Ihr könnt euer untergäriges Bier vergären wie ihr wollt, das ist euer gutes Recht.
Ich persönlich hab da schon so viel schlechte Erfahrung gemacht, dass ich nie wieder warm anstellen werde. Man muss ja schließlich aus seinen Fehlern lernen.
Das Thema Brulosophy wurde hier schon sehr oft diskutiert und ich vertraue deren Ergebnissen überhaupt nicht mehr.

Stefan
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#18

Beitrag von Innuendo »

Boludo hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 11:03 Ich persönlich hab da schon so viel schlechte Erfahrung gemacht, dass ich nie wieder warm anstellen werde.
Dito! :Drink
Die "umfangreiche Studie" interessiert mich trotzdem
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#19

Beitrag von Dawnrazor »

Boludo hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 11:03 Ihr könnt euer untergäriges Bier vergären wie ihr wollt, das ist euer gutes Recht.
Ich persönlich hab da schon so viel schlechte Erfahrung gemacht, dass ich nie wieder warm anstellen werde. Man muss ja schließlich aus seinen Fehlern lernen.
Das Thema Brulosophy wurde hier schon sehr oft diskutiert und ich vertraue deren Ergebnissen überhaupt nicht mehr.

Stefan
Ich habe das auch schon mit der w34/70 getestet
80 L gebraut
40L bei 9 Grad
40L bei 13 Grad

Das mit 13°C vergärte Bier war deutlich schlechter
Grüße aus Dortmund
Jens
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#20

Beitrag von Boludo »

Das Problem ist wohl, was man unter "schlechter" versteht.
Ich kann mir gut vorstellen, dass vielen ein zu warm vergorenes untergäriges Bier mit den entsprechenden Fruchtestern deutlich besser schmeckt als ein kalt vergorenes. Und dann kann man lange diskutieren, was die bessere Methode ist.
Für mich sind das halt eindeutige Bierfehler.

Stefan
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#21

Beitrag von §11 »

Dazu hab ich zwei Meinungen. Helles ist in Deutschland grad ein kleiner Trend und insgesammt ist UG Bier auch in USA bei Craftbrauern auf dem Vormarsch. Aus dem Grund habe ich mit einigen kleinen Brauereien zu tun, die gerade dabei sind UG Biere oder Helles zu etablieren.

Drei Brauereien haben dazu Testreihen gemacht, die ich mit verfolgt habe. Dabei ging es um den Unterschied zwischen frischer Hefe aus der Propagation und Trockenhefe. Die sensorischen Unterschiede waren eindeutig und die sensorischen Panels haben die frische Hefe in allen Fällen bevorzugt. Ich hab nur teilweise die Biere verkostet und auch mir ist ein "harter, leicht metalischer" Beigeschmack bei der Trockenhefe im direkten Vergleich zur frischen Propagationshefe aufgefallen. Warum ich das schreibe? Meiner Meinung muss man bei Versuchen zur Anstelltemperatur durchaus unterscheiden ob es sich um frische Hefe oder Trockenhefe handelt, da Trockenhefe (zumindest die die verwendet wurde) scheinbar, auch wenn sie kalt geführt wird, mehr Nebengeräusche mitbringt als Propagationshefe. D.h. evtl. wird dadurch der Unterschied zwischen kalter und warmer Führung gar nicht mehr als so extrem wahrgenommen.

Die andere Meinung gilt eher den Versuchen von Brulosophy. Ehrlich gesagt verstehe ich deren Vorgehensweise in den meisten Fällen nicht. In diesem Fall gilt meine Kritik dem Rezept (wie so oft). Wenn ich Nuancen sensorisch feststellen will, dann sorge ich für wenig Störfaktoren. Warum man dann aber ein Rezept mit fast 30 IBU und sehr späten Aromagaben wählt erschliesst sich mir einfach nicht. Das in einem kräftigen Export die Gärungsnebenprodukte weniger Rolle spielen als in einem balancierten Münchner Hell, sollte jedem klar sein. Ich hab manchmal das Gefühl das bei Brulosophy halt schon vorher feststeht welches Ergebnis man sehen will (meisten eben das die Lehrmeinung nicht stimmt) und dann wird das Experiment entsprechend designed.

Gruss

Jan
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#22

Beitrag von indiana1972 »

@Jan, danke für deine sehr differenziert und unaufgeregt vorgetragenen Argumente, das hilft mir sehr, die Ergebnisse einzuordnen.

@Innu, mein Kommentar war keinesfalls als Angriff gegen dich gemeint. Vielmehr wollte ich bei dem Kommentar zur Quellenlage nur darauf hinweisen, das zu jedem Thema schon sehr viel aufgeschrieben wurde, wovon sich im Nachhinein einiges als unrichtig bzw., Unsinn erwiesen hat. Das ist das Wesen des wissenschaftlichen Diskurses. Und oft sehen sich Traditionalisten dadurch bestärkt - aber einen Weg gefunden zu haben, der funktioniert, heißt noch lange nicht, zu verstehen, warum er funktioniert. Ein mechanistisches Verständnis könnte dabei neue unentdeckte Wege eröffnen. Aber ich Maße mir keineswegs an, mehr zu wissen als ihr.
Ich würde mir also gerne eine solche wissenschaftliche Aufbereitung zum Beispiel in Form einer Tabelle wünschen.

@Jens, danke das du dein Ergebnis mit uns teilst, hattest du Trockenhefe oder propagierte benutzt?

@Stefan, auch dich wollte ich nicht angreifen, ich weiß, das du ein sehr erfahrener Brauer bist, und würde gerne auch in Zukunft auf deinen Rat zurückgreifen. Ich bin nur von Haus aus Chemiker und Mathematiklehrer daher fällt es mir mitunter schwer eines Kommentars zu enthalten, wenn es um statistische Interpretation von Experimenten geht, sorry...
Zuletzt geändert von indiana1972 am Donnerstag 27. Mai 2021, 16:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#23

Beitrag von renzbräu »

§11 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 13:57 Dabei ging es um den Unterschied zwischen frischer Hefe aus der Propagation und Trockenhefe. Die sensorischen Unterschiede waren eindeutig und die sensorischen Panels haben die frische Hefe in allen Fällen bevorzugt. Ich hab nur teilweise die Biere verkostet und auch mir ist ein "harter, leicht metalischer" Beigeschmack bei der Trockenhefe im direkten Vergleich zur frischen Propagationshefe aufgefallen.
Interessant, dass Du das so beschreibst. Ich habe noch aus meiner ersten Phase (das Forum war noch gelb und die Craftbierwelle noch nicht da) im Hinterkopf gehabt, dass damals die Empfehlung war bei UG wenn möglich auf Trockenhefe zu verzichten.
Grüße Johannes

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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#24

Beitrag von §11 »

renzbräu hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 16:30
§11 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 13:57 Dabei ging es um den Unterschied zwischen frischer Hefe aus der Propagation und Trockenhefe. Die sensorischen Unterschiede waren eindeutig und die sensorischen Panels haben die frische Hefe in allen Fällen bevorzugt. Ich hab nur teilweise die Biere verkostet und auch mir ist ein "harter, leicht metalischer" Beigeschmack bei der Trockenhefe im direkten Vergleich zur frischen Propagationshefe aufgefallen.
Interessant, dass Du das so beschreibst. Ich habe noch aus meiner ersten Phase (das Forum war noch gelb und die Craftbierwelle noch nicht da) im Hinterkopf gehabt, dass damals die Empfehlung war bei UG wenn möglich auf Trockenhefe zu verzichten.
Ja, dem ist nach wie vor noch so. Im Profibereich kenne ich viele die OG Trockenhefen verwenden, aber ich kenne sehr wenige die im UG Bereich auf Trockenhefen ausweichen.
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#25

Beitrag von §11 »

Wer sich wirklich mit dem Thema im Detail auseinandersetzen will, dem sei die Promotion von Kollege Frithjof Thiele als Einstieg ans Herz gelegt. https://mediatum.ub.tum.de/doc/603764/603764.pdf

Gruss

Jan
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#26

Beitrag von Innuendo »

indiana1972 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 16:21 @Innu, mein Kommentar war keinesfalls als Angriff gegen dich gemeint.
Das habe ich auch gar nicht so verstanden. Ganz im Gegenteil :Greets
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#27

Beitrag von Boludo »

indiana1972 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 16:21
@Stefan, auch dich wollte ich nicht angreifen, ich weiß, das du ein sehr erfahrener Brauer bist, und würde gerne auch in Zukunft auf deinen Rat zurückgreifen. Ich bin nur von Haus aus Chemiker und Mathematiklehrer daher fällt es mir mitunter schwer eines Kommentars zu enthalten, wenn es um statistische Interpretation von Experimenten geht, sorry...
Alles prima, ich bin selber Chemielaborant und weiß was du meinst. (Vermutlich sind wir sogar gleich alt, wenn ich deinen Nick richtig interpretiere).
Wenn aber der gesamte Versuch von vorne herein so ausgelegt ist, dass die Ergebnisse nicht zu gebrauchen sind, dann hilft auch die ganze Statistik danach nichts.
Und was die Hefehersteller alles sagen oder auf ihre Packungen schreiben ist ein Kapital für sich. Die wollen ihre Produkte schließlich verkaufen und niemanden mit aufwendigen Methoden erschrecken.
Wie gesagt wurde hier schon sehr oft über Brulosophy diskutiert. Laut deren Experimenten kann man so ziemlich die gesamte wissenschaftlich erarbeiteten Erkenntnisse der Brauwissenschaft der letzten Jahrzehnte vergessen, weil eh keiner einen Unterschied schmeckt.
Und wenn man genau hin schaut war es so wie Jan geschrieben hat: Man nimmt vollkommen ungeeignete Rezepte, die sämtliche Fehler übertünchen oder macht sonstige Fehler.
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#28

Beitrag von indiana1972 »

Naja, da mein Hochdruck/Hochtemperatur-Pils mit W-34/70 bald trinkreif ist, kann ich nach dem Lutra-Pils ja mal ein Tieftemperatur/Niederdruck-Pils (Name ist in Arbeit) nach dem gleichen Rezept ansetzen, genug Erntehefe sollte ich dann haben...
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#29

Beitrag von Juergen_Mueller »

Darf ich mal zwischenfragen? Ist Trockenhefe in zweiter Führung immer noch "Trockenhefe" oder Propagationshefe? :Grübel
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Gruß
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#30

Beitrag von Tommi123 »

Boludo hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 16:54
indiana1972 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 16:21
@Stefan, auch dich wollte ich nicht angreifen, ich weiß, das du ein sehr erfahrener Brauer bist, und würde gerne auch in Zukunft auf deinen Rat zurückgreifen. Ich bin nur von Haus aus Chemiker und Mathematiklehrer daher fällt es mir mitunter schwer eines Kommentars zu enthalten, wenn es um statistische Interpretation von Experimenten geht, sorry...
Alles prima, ich bin selber Chemielaborant und weiß was du meinst. (Vermutlich sind wir sogar gleich alt, wenn ich deinen Nick richtig interpretiere).
Wenn aber der gesamte Versuch von vorne herein so ausgelegt ist, dass die Ergebnisse nicht zu gebrauchen sind, dann hilft auch die ganze Statistik danach nichts.
Und was die Hefehersteller alles sagen oder auf ihre Packungen schreiben ist ein Kapital für sich. Die wollen ihre Produkte schließlich verkaufen und niemanden mit aufwendigen Methoden erschrecken.
Wie gesagt wurde hier schon sehr oft über Brulosophy diskutiert. Laut deren Experimenten kann man so ziemlich die gesamte wissenschaftlich erarbeiteten Erkenntnisse der Brauwissenschaft der letzten Jahrzehnte vergessen, weil eh keiner einen Unterschied schmeckt.
Und wenn man genau hin schaut war es so wie Jan geschrieben hat: Man nimmt vollkommen ungeeignete Rezepte, die sämtliche Fehler übertünchen oder macht sonstige Fehler.
:Drink

Stefan
Da muss ich im konkreten Fall widersprechen.

Das Rezept ist zwar nicht 100% PiMa und nur Bittergabe, aber doch ein sehr helles, unauffälliges Lager.

Keiner sagt, dass unter Idealbedingungen nicht ein Unterschied zu erahnen wäre. Aber ich persönlich will wissen, ob in einem Bier, dass ich auch brauen würde, der Aufwand einer kalten Gärung gerechtfertigt ist.

Und da finde ich die Rezepte von Brulosophy meistens (nicht immer) gelungen. Aber die Jungs wollen das ja auch trinken wenn sie es brauen, da darf es auch achmecken. Das Argument, dass dann 10 Jahre Forschung für die Füße wäre, überzeugt mich nicht.

LG
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#31

Beitrag von Dawnrazor »

indiana1972 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 16:21
@Jens, danke das du dein Ergebnis mit uns teilst, hattest du Trockenhefe oder propagierte benutzt?
Das war damals Trockenhefe
Mittlerweile habe ich allerdings zwei Magnetrührer und nutze nur noch Flüssighefe.
Ich hatte immer den Eindruck das ich mit Flüssighefe bessere Biere hinbekomme.
Grüße aus Dortmund
Jens
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#32

Beitrag von Innuendo »

§11 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 16:43 ... von Kollege Frithjof Thiele als Einstieg ans Herz gelegt. https://mediatum.ub.tum.de/doc/603764/603764.pdf
Einstieg? Bei so vielen P und F Werten in Kap 4. :puzz
Die Zusammenhänge zw. Stammwürze, Hefegabe und Temperatur versch. Hefestämme sind interessant. Jetzt kann doch jeder für sich in den Grafiken den Einfluss auf das Bieraroma für die W34/70 ablesen.
Die meisten Hefestämme bilden mit steigender Stammwürze überproportional viel Ester damit hat ein mit High Gravity hergestelltes Bier nach dem Rückverdünnen noch eine deutlich höhere Konzentration an Estern, verglichen mit einem Bier, das ohne High Gravity hergestellt worden ist.
Je mehr man liest, desto schwieriger das Selbstgebraute ...
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#33

Beitrag von Commander8x »

Juergen_Mueller hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 17:18 Darf ich mal zwischenfragen? Ist Trockenhefe in zweiter Führung immer noch "Trockenhefe" oder Propagationshefe? :Grübel
Nein, würde ich nicht sagen. Es kommt drauf an, wie sehr du die Hefe quälst vor dem nächsten Sud (lange Lagerung in Wasser bei Kühlschranktemperatur) oder gut behandelst (zB mit einer Starter-Vorkultur)

Gruß Matthias
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#34

Beitrag von indiana1972 »

@Jens, danke für die Info, ich mache es inzwischen ähnlich, ich habe zwar einige Trockenhefen da, wegen der langen Haltbarkeit, gehe aber den Weg über den Starter und lege gleich eine Reservekultur als Tiefkühlhefe an, so spare ich mir das ständige Neukaufen. Ziel sind die roundabout 10 Standard-Hefen für meine bevorzugten Biere immer vorrätig zu haben und innerhalb einer Woche propagieren zu können. Von der W34/70 habe ich übrigens noch keine Kultur angelegt, fahre inzwischen aber den dritten Sud auf der gleichen Hefe, einer wird’s noch mehr werden, dann denke ich ist es gut.
Zuletzt geändert von indiana1972 am Donnerstag 27. Mai 2021, 19:29, insgesamt 1-mal geändert.
Lieben Gruß,
Oli
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#35

Beitrag von Alt-Phex »

Die ewige Leier vom warm vergorenen Untergärigen. :puzz

Solange es Hobbybrauer gibt die ihr Pils gerne im Heizungskeller vergären möchten, wird es auch Hefen geben die das angeblich ohne Fehlaromen können. Und das werden täglich mehr - Sowohl Brauer als auch Hefen. Hier ist ein riesen Geschäft zu machen, um nichts anderes geht es dabei. Die steigende Zahl von ungelernten Quereinsteigern im Craftbiermarkt beflügelt das dann noch zusätzlich.

Ich habe schon unzählige untergärige Hobbybiere getrunken, die allein wegen falscher Gärführung "Fehlaromen" aufwiesen. Nicht zuletzt als Judge auf der HBCon. Das es viele einfach nicht schmecken, ist ein anderes Thema. Nämlich Sensorik. Nur weil ich etwas nicht schmecke, heisst es nicht das es nicht da ist. Das ist genauso wie mit der lieben Oxidation. Das merken/schmecken viele einfach gar nicht. Also gibt es das nicht und ist auch überhaupt kein Problem. Man plätschert einfach weiter.

Was Brulosophy angeht, schliesse ich mich restlos Jan und Stefan an. Die Experimente taugen einfach nichts und sind absolut nichtssagend. Das die keinen wissenschaftlichen Anspruch haben, schreiben sie ja selber. Das ist dann aber wieder das bewusste rausfiltern von Informationen, die man nicht haben will. Schliesslich ergeben die Experimente ja genau das was man gerne hören will.

Wem sein durchoxidiertes 20°C Pils schmeckt, der hat meinen Segen. Denn das ist die Hauptsache. Aber das wiederlegt doch nicht die wissenschaftliche Forschung von Jahrzenten. Und das Gegenargument, Brauereien würde ja ganz andere Hefen verwenden stimmt so nicht. Gerade die 34/70 ist der am meisten genutze Stamm in der industriellen Brauerei.

Das es da gravierende Unterschiede zwischen den Propagationshefen in der Brauerei und dem Tütchen Trockenhefe gibt, liegt ja auf der Hand. Auch da bin ich ganz bei Jan, das es vermutlich deswegen keinen Unterschied macht, weil die Ergebnisse gleich schlecht sind. Egal bei welcher Temperatur. Was man jetzt aus der Schlussfolgerung macht, ist jedem selber überlassen.

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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#36

Beitrag von Seed7 »

Innuendo hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 17:45 Je mehr man liest, desto schwieriger das Selbstgebraute ...
:)

Nein. Das ziel der lehserei ist das vergroessern der kritischen masse an kenntnisse. Ab einem bestimmten moment faengen sachen an zusammen zu passen. Unbemerkt schleicht sich dan so einiges ins selbstgebraute.

Der groesste teil der schreiberi ist fuer grossbrauerein gedacht und deren prozesse. Die lassen sich nicht auf einem 10l sudwerk uebersetzen. Die basis ja, die details nein. Besonders bei der gaerung is unser 20 l fass wie ein stilles meer, wo in riesen zkf es eine zsunami gibt.

Gehe so oft wie moeglich zurueck zur basis, wie haben die das vor 100 - 200 - ... jahren gemacht und warum. Das ist viel naeher an unseren mengen.

Ingo (jedes jahr wird das brauen einfacher. Jedes jahr flieg mehr an "hardware" aus der brauerei)
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#37

Beitrag von Barney Gumble »

Ohne jetzt zu philosophisch zu werden aber phänomenologisch gesehen, haben alle die einen Splitsud machen, was ja wiederum die Grundlage für die Beurteilungen und Schlussfolgerungen sein soll, ein Problem. Wer sagt, dass immer wirklich der Split repräsentativ war, dh kann man es wirklich ausreichend homogen bekommen seine Versuchs-Suppe? Bestimmt im industriellen oder wissenschaftlichen Maßstab eher als bei der viel zitierten brülosophiererei.
Sorry, das musste ich loswerden..
Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich es sofort auf - das Lesen! (frei nach Henry Youngman)
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#38

Beitrag von Seed7 »

Barney Gumble hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 19:43 Wer sagt, dass immer wirklich der Split repräsentativ war, dh kann man es wirklich ausreichend homogen bekommen seine Versuchs-Suppe?
An fuer sich ist das kleinere der Bru probleme. Das meist problematische ist die einfache frage "welches der drei ist anders" ohne jede weitere information. Auch wenn alle drei gleich sind moechte mann doch gerne das andere richtig haben. Das eben ist aber nicht wo es um geht.

Eine ganz andere frage waehre, wir haben hier zwei verschiedene biere. Eins ist warm vergoren und wir erwarten dort einen fruchtkorb. Welches ist das? Oder gibt es keinen unterschied? Die letzte ist wichtig und wird bei Bru nicht gefragt.

Lese Meilgaard. Besonders die ersten drei vier kapittel https://books.google.de/books?id=F_A-Yt ... &q&f=false

Ingo
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#39

Beitrag von Frommersbraeu »

:Grübel Wenn ich mir das alles so durchlese, dann kann ich nur schlussfolgern, dass die Gärtemperatur egal ist (und jetzt kommt das große ABER) solange die Rahmenbedingungen passen:
- ordentlich Hopfenaroma
- ordentlich Körper (Caramalz etc.)
- gut propagierte Hefe

... dann kann ich aber auch genauso gut OG arbeiten :Waa
Schöne Grüße
Patrick


Brauen ist wie ein Überraschungsei:
Spiel, Spaß und Scho.. ach ne Bier!
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#40

Beitrag von indiana1972 »

Seed7 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 20:22
An fuer sich ist das kleinere der Bru probleme. Das meist problematische ist die einfache frage "welches der drei ist anders" ohne jede weitere information. Auch wenn alle drei gleich sind moechte mann doch gerne das andere richtig haben. Das eben ist aber nicht wo es um geht.

Eine ganz andere frage waehre, wir haben hier zwei verschiedene biere. Eins ist warm vergoren und wir erwarten dort einen fruchtkorb. Welches ist das? Oder gibt es keinen unterschied? Die letzte ist wichtig und wird bei Bru nicht gefragt.
@Ingo, das ist aber die typische Fragestellung bei den meisten Bierverkostungen, erst wenn man sich "qualifiziert" hat, also das richtige Bier als anders identifiziert hat, wird in die Tiefe gefragt. Weil sonst alles mögliche in vermeintliche Unterschiede hineingedichtet wird (zum Beispiel auch, wenn ich drei identische Biere ausgebe und sie nur unterschiedlich markiere). Denn man schmeckt letztlich, was man erwartet (Das nennt sich Bias). Nur wenn man nicht weiss, was an welchem Bier unterschiedlich ist (Blindtest, bzw Doppelblindtest, wenn auch der Ausgebende nicht weiss, welches Glas welches Bier enthält), kann man unvoreingenommen urteilen. Das machen alle Lebensmittelkonzerne genau so, wenn sie neue Rezepturen testen.
Die Ausgangshypothese ist dabei entweder, es gibt einen Unterschied, dann schmecken ausreichend viele Probanden (geschult oder nicht) ihn, oder es gibt keinen Unterschied, dann können eben nicht ausreichend viele das unterschiedliche Bier herausschmecken und Ende.


Das dazu passende Märchen ist "Des Kaisers neue Kleider", wenn mir gesagt wird etwas ist da, dann fange ich an, ihm EIgenschaften zuzuschreiben, auch wenn die Grundannahme falsch ist. Daher ist das Studium der Psychologie angefüllt mit Statistik und Stochastik um signifikante Tests zu entwickeln um Einbildung und Wahrnehmung voneinander zu unterscheiden.
Lieben Gruß,
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#41

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Mein einzig richtig schlechtes Ergebnis in 4 Jahren war bei einem Pils, W34/70, bei 13° angestellt. Ergab einen speziellen thread hier unter "Pattex Pils".
Werde ich nie wieder tun.

Grüßle Dieter
Brau, schau wem.
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#42

Beitrag von Seed7 »

indiana1972 hat geschrieben: Donnerstag 27. Mai 2021, 20:52 Nur wenn man nicht weiss, was an welchem Bier unterschiedlich ist (Blindtest, bzw Doppelblindtest, wenn auch der Ausgebende nicht weiss, welches Glas welches Bier enthält), kann man unvoreingenommen urteilen.
Bevor man mit der probe anfaengt lernt man die verkoster die stoffe A und B zu identifizieren, sonnst macht alles das keinen sinn. Dreiecksblindtest von Bier Wein Highend audio usw ... na ja, der resultat wird sein "das ist besser". Besser iss da eine geschmackssache.

Bierliebhaber verkosten anders als bierjuroren verkosten anders als profi bierverkoster. Die pro verkoster bei der grossen brauerei hier im dorf koennen anfangs, nach 14 tage training, zehn verschiedene stoffe im bier identifizieren. Die besten koennen fast 40 qualifizieren und quantifizieren. Haben alle aber beispielsweise keine ahnung was der unterschied zwischen IPA und Porter ist.

Das ist der weg bei gaerungstes, UG warm oder kalt. Fuer rezeptentwicklung, marketingtests funktioniert es anders den der mensch hat eingebackene vorzuege, "lauter ist immer besser, suesser is immer besser usw."

Ingo
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Rech

#43

Beitrag von indiana1972 »

Ich denke, das hängt sehr von der Fragestellung ab, wenn ich die Hypothese aufstelle, es gibt keinen Unterschied zwischen A und B, dann ist der Dreieckstest genau das Mittel der Wahl. Dann ist außer einem gesunden Sensorik-Apparat (Geruchs-/Geschmackssinn) nichts weiter notwendig, auch keine Schulung auf wie auch immer geartete Aromen, entweder es ist gleich, oder nicht.
Kann ich keinen Unterschied feststellen, ist der Test damit beendet, so gehen Firmen oft vor. Wenn ich was ändere, um es zu verbessern, dann schalte ich diesen Test vor (auch bei geschultem Personal) um diejenigen auszusortieren, die eben auf die Veränderung zu wenig sensibel reagieren, um sie zu beurteilen.
Erst nach bestandenem Dreieckstest lasse ich diejenigen einen Fragebogen ausfüllen, der dann auf tiefergehende Unterschiede eingeht. Dafür brauche ich dann auf jeden Fall geschulte Leute.
Das ist aber bei Brulosophy in der Regel nicht die Fragestellung, sondern eben nur, ob es unterscheidbar ist, oder nicht. Wenn beides Mist ist, ist es möglicherweise auch nicht unterscheidbar und das testdesign ist wie @Jan ja schon ausgeführt hat ggf. Fragwürdig, wenn ich z.B. stark hopfe und nach subtilen Fehlaromen suche, dann werde ich vermutlich keine finden.
Lieben Gruß,
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Rech

#44

Beitrag von Seed7 »

indiana1972 hat geschrieben: Freitag 28. Mai 2021, 09:46 Kann ich keinen Unterschied feststellen, ist der Test damit beendet, so gehen Firmen oft vor. Wenn ich was ändere, um es zu verbessern, dann schalte ich diesen Test vor (auch bei geschultem Personal) um diejenigen auszusortieren, die eben auf die Veränderung zu wenig sensibel reagieren, um sie zu beurteilen.
Mach ein mal im jahr die kleine aenderung die man nicht heraus schmeckt im dreiecks test, zehn jahre lang. Nimm dann deine zeitreisemachine und verkoste bier 0 gegen bier 9.

Ingo
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#45

Beitrag von rakader »

Morgenkröte hat geschrieben: Mittwoch 26. Mai 2021, 19:20 Das Ergebnis ging - kurz zusammengefasst - dahin, dass es messtechnisch in der Zusammensetzung der geschmackbildenden Stoffe sehr wenig Unterschiede gab, die dann sensorisch kaum feststellbar waren.
Vor dem Hintergrund, dass Firmen solche Untersuchungen nie ohne Marketingabsicht machen, muss man bei einer singulären Untersuchung generell skeptisch sein. Wenn die Evidenz unabhängig aus mehreren Untersuchungsreihen bestätigt würde, müsste man ernsthaft darüber diskutieren. So nicht.

Unter meinen Verkostern (mit Verkostungsbogen) sind sensorisch geschulte Gaumen. Ich kann sagen, Unterschiede von 2°C werden bei regelmäßig gebrauten Bieren von den geschulten Gaumen bemerkt, 4°C von allen.

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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#46

Beitrag von indiana1972 »

OffTopic:
Ich frage mich, ob es für die Wahl der Gärtemperatur eventuell auch mehr oder weniger simple anlagentechnische Gründe gibt. Im Hobbybereich ist ja die Kühlung ohne Einbauten in gewissem Maße kein Problem. Erhöhe ich aber die Temperatur um 10°C steigt die Umsatzrate und damit die produzierte Wärme um das 2-4fache (RGT-Regel). Bei obergärigen Hefen muss im Hobbybereich in der Regel nicht gekühlt werden, da der Wärmeaustausch an der Oberfläche ausreichend ist, dabei bleiben Wärmeproduktion und Abfuhr ziemlich im Gleichgewicht. Vergäre ich mit UG-Hefen ohne Temperaturkontrolle (oder in großen Volumina) kommt es bei Raumtemperatur schon schnell zu Übertemperaturen von 1-2 °C (Selbst bei meinem 29L Kegmenter in der Gärkammer mit Temperaturkontrolle stieg die Temperatur mit W34-70 bei 2bar auf 21°C und damit 2°C über die eingestellte Temperatur)
Mit anderen Worten, wenn ich so einen 40000L-Tank mit W34/70 bei 20°C fahre, muss ich in den Spitzen evtl. viermal mehr Wärme über die Oberfläche abführen als bei 10°C, was zu Temperaturinhomogenitäten führt, daher kann so ein Prozess dann ziemlich schnell instabil werden, mit den dami verbundenen Nachteilen, wie zum Beispiel off-flavours und nachlassender Hefevitalität/absterben der Hefe. Die Lösung wäre einen Kühlanlage, die trotz höherer Gärtemperatur deutlich stärker ausgelegt sein müsste, da sie die Energieproduktion der Spitzen abfangen können müsste. Der wirtschaftliche Nutzen einer höheren Gärtemperatur würde sich dadurch stark relativieren. bessere Durchmischung während der Gärung, damit es nicht zu lokaler Aufheizung/Unterkühlung kommt, ist bestimmt auch keine angestrebte Lösung, ebensowenig wie Einbauten, welche bei der Reinigung deutlichen Mehraufwand verursachen würden.
Also ist es möglicherweise keine alleinige Qualitäts- sondern eine Technische und Wirtschaftlichkeitsüberlegung, die die optimale Gärtemperatur für den Prozess bestimmt.
Lieben Gruß,
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#47

Beitrag von §11 »

Was halt, gerade bei einigen Bieraromen, wichtig ist, die Eignung der Verkoster als solches zu testen. Ein Mitstudent von mir, zum Beispiel, konnte Diacetyl nicht schmecken. Es gibt einige, die ich kenne, die Oxidationsaromen nicht wahrnehmen. Will ich, wie eben Brulosophy in diesem Fall, sensorisch feststellen ob ein warm angestelltes Bier mehr Gärungsnebenprodukte enthält oder nicht, muss ich vorher feststellen ob meine Panelmitglieder Gärungsnebenprodukte in der erwarteten Konzentration auch feststellen können. Stell ich das nicht sicher und mache einen Dreieckstest, kann ich zwar sagen Bier XY wird als anders wahrgenommen, ich kann aber nicht sagen das die Gärtemperatur das Unterscheidungskriterium ist.

Das ist der Grund, warum wir, zum Beispiel, unser gesamtes Personal, auf freiwilliger Basis, sensorisch scannen und auch schulen. Such ich nach bestimmten Attributen, zum Beispiel Vanille, kann ich so auf ein Panel zurückgreifen, von dem ich weiss das es Vanille auch schmecken kann. Für bestimmte Attribute (die für uns besonders wichtig sind), gehen wir sogar einen Schritt weiter und bestimmen die Schwellenwerte der Personen. Wollen wir also ganz genau wissen ob, um beim Beispiel zu bleiben, sich ein Batch Vanille von einem anderen unterscheidet, greifen wir auf Leute mit einer geringen Schwelle zurück.

All diese Hintergünde blendet aber Brulosophy komplett aus. Sie geben sich sogar den Anstrich als wären die Ergebnisse besonders belastbar, wenn sie angeben das bei den Verkostern auch X professionelle Brauer dabei waren. Arbeite ich in einer Weissbierbrauerei und verkoste seit 25 Jahren jeden Tag Weissbier, werde ich Ester anders wahrnehmen als ein Kollege der in einer Brauerei arbeitet die ausschliesslich "cleanes" Pils braut. Unser Körper ist erstaunlich und kann sich recht gut anpassen. Jemand der neben den Bahngleisen wohnt, kann die Geräusche sehr gut ausblenden, während derjenige, der in einem einsamen Haus im Wald wohnt, bereits Fahradgeräusche als störend empfindet.

Es gibt, gut dokumentierte Verfahren um solche Effekte zu minimieren. Die interessieren Brulosophy nur leider nicht.

Gruss

Jan - der übrigens, unter anderem, geschulter Verkoster für Babynahrung ist :Pulpfiction :Shocked
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Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
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#48

Beitrag von Seed7 »

§11 hat geschrieben: Freitag 28. Mai 2021, 16:42 Arbeite ich in einer Weissbierbrauerei und verkoste seit 25 Jahren jeden Tag Weissbier, werde ich Ester anders wahrnehmen als ein Kollege der in einer Brauerei arbeitet die ausschliesslich "cleanes" Pils braut.
Die Kollegen meiner nachbargrossbrauerei (Grolsch) machen jedes jahr eine verkostung bei unserem Gilde wettbewerb. Das gibt schoene diskussionen. Was ist eine abweichung? Im standard Pilsner waere es eins, aber im Saison? Schmeckt man diese abweichung heraus wenn es in ein Stout ist, oder wird es verdeckt? Usw. Sehr lehrreich fuer die hobbybrauer sowie fuer die verkoster.

Dann noch, wir brauchen hier fuer immer noch menschen. Sogar die modernsten geraete konnen noch nicht alles. Besonders wenn gipfel mehrere stoffe sich im spectrum ueberlagern. Auch haben nicht alle geraete die aufloesung die wir haben (koennen, in der tat wie Jan sagt person gebunden).

Ingo
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#49

Beitrag von rakader »

§11 hat geschrieben: Freitag 28. Mai 2021, 16:42 Unser Körper ist erstaunlich und kann sich recht gut anpassen. Jemand der neben den Bahngleisen wohnt, kann die Geräusche sehr gut ausblenden, während derjenige, der in einem einsamen Haus im Wald wohnt, bereits Fahradgeräusche als störend empfindet.
Absolut richtig. Das kann jeder sogar an seinem eigenen Bier testen - egal ob Fehlaroma oder gewünschtes Aroma: Das erste Schluck lässt aufmerken, dann nimmt das Hervorstechende innerhalb einer Zeitlinie mit regelmäßigen Schlücken ab. Der Gewöhnungseffekt tritt ein. Man trinkt dann ein anderes Bier, wieder bis zum Gewöhnungseffekt und wechselt erneut auf das erste. Das Hervorstechende ist wieder da.
Das kann man anhand von Verkostungsbögen empirisch gut nachvollziehen.
Um diesem Effekt abzuschwächen, neutralisiert man - mit Wasser.

Den Effekt kennt wohl jeder, wenn es um scharfes Essen geht.

Radulph
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Re: w34/70 Gärtemperatur quasi egal - hat Fermentis Recht?

#50

Beitrag von §11 »

Dann noch, wir brauchen hier fuer immer noch menschen. Sogar die modernsten geraete konnen noch nicht alles. Besonders wenn gipfel mehrere stoffe sich im spectrum ueberlagern. Auch haben nicht alle geraete die aufloesung die wir haben (koennen, in der tat wie Jan sagt person gebunden).
Solche Matrix Effekte kommen noch dazu. Aromen schwächen sich ab oder verstärken sich. Die Komposition macht das Gesamtaroma. Das Beipspiel das mit meine Kaffee- Kollegen immer erzählen, im Kaffee sind einige Hundert Aromastoffe bekannt und isoliert. Kein einziger davon schmeckt aber nach Kaffee. :P
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