Schwellwert Milchsäure/Lactat & dessen Entstehung in der Gärung

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qwe
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Schwellwert Milchsäure/Lactat & dessen Entstehung in der Gärung

#1

Beitrag von qwe »

Hallo zusammen,
ich stelle mir die folgenden Fragen schon länger und habe hier bisher noch keine Infos darüber gefunden, daher mach ich einmal ein neues Thema auf.

Laut https://braumagazin.de/article/von-der- ... rauwasser/ entstehen während der Gärung in etwa 50-300mg/l Milchsäure:
400 mg/l gelten als Geschmacksschwellenwert hin zu einer milchsauren Note. Dies alleine würde eine Enthärtung um bis zu 12°dH Restalkalität erlauben. Da in der Gärung jedoch je nach Hefe zwischen 50-300 mg/l Milchsäure entstehen können, sollte der Wert konservativer angesetzt werden.
In Anbetracht des Geschmacksschwellwerts von 400mg/l ist die Spannweite von 50-300 ja ziemlich hoch. Leider finde ich nirgendwo Informationen darüber, was genau für die Menge Milchsäureentstehung während der Gärung verantworlich ist, bzw. wie man den Wert für einen konkreten Sud einschätzen kann. Wenn man immer sicherheitshalber 300mg/l annimmt (also höchstens 100mg/l zugibt), macht das die Wasseraufbereitung mit Milchsäure relativ schwierig.

1. Wie entsteht die Milchsäure eigentlich bei der Gärung, und was genau ist dafür verantwortlich?
2. Kann man die Menge im Bezug auf ein bestimmtes Rezept auch genauer als 50-300mg/l abschätzen?
3. Kann man die entstehende Menge evtl. sogar irgendwie nach unten hin steuern?
4. Schlupfs Wasserrechner warnt ab einem Lactatwert von 300mg/l. (nimmt also vermutlich an, dass in der Gärung 100mg/l entstehen?) Worauf basiert dieser Wert?
Zuletzt geändert von qwe am Dienstag 24. Mai 2022, 09:40, insgesamt 1-mal geändert.
qwe
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Re: Milchsäure/Lactat - Entstehung in der Gärung

#2

Beitrag von qwe »

Nachtrag:
Die Begriffe Lactat & Milchsäure werden in dem Kontext immer wieder wild vertauscht / synonym verwendet. (Auch in meinem Eingangspost :redhead )
Sehe ich das richtig, dass das Mengenmäßig keinen nennenswerten Unterschied macht, da der Unterschied in der Masse von Lactat C3H5O3 und Milchsäure C3H6O3 ja nur ein H-Atom ist, also in etwa 1,1% der Masse ausmacht?
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Ladeberger
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Re: Schwellwert Milchsäure/Lactat & dessen Entstehung in der Gärung

#3

Beitrag von Ladeberger »

Die Produktion von organischen Säuren entfaltet sich irgendwo zwischen Stammgenetik und Gärungskinetik. Es gibt Stämme wie Weißbierhefen, Kveik und noch einige belgische und englische Hefen, die tendenziell mehr organische Säure produzieren. Es können auch mehr als 300 mg/l gebildet werden, man schmeckt diese Säure schließlich bei einigen der vorgenannten Kandidaten wie manchen Kveiksuden oder Weizenbieren sogar ganz ohne Wasseraufbereitung heraus.

Den Einfluss der Gärungskinetik könnte man vereinfacht wohl so zusammenfassen, dass alle Maßnahmen die organische Säure minimieren, die der Hefe die Arbeit erleichtern. Zum Beispiel: Höhere Anstellrate, niedrige Stammwürze, höhere Belüftung, höhere Gärtemperatur, hohes Nährstoffangebot, etc. Gewisse Aspekte davon stehen allerdings im Widerspruch zur best practice (z.B. Over-pitching und zu hohe Gärtemperatur -> potenziell alkoholische, leere, schlecht abgerundete Biere) oder ergeben sich aus dem Rezept (Stammwürze, Hefestamm) und sind daher keine guten Stellschrauben.

Der Schwarmintelligenz sind die eher "säurebetonten" Hefestämme ja bekannt, am Ende bleibt im Zweifelsfall bei diesen Kandidaten nur, auf andere Mittel der Wasseraufbereitung auszuweichen und diese so zu wählen, dass idealerweise auch auf eine Maische-/Würzesäuerung verzichtet werden kann. Zum Beispiel die Enthärtung mittels Mineralsäuren, wenn Chlorid- und Sulfatkonzentrationen das hergeben, oder eben der Verschnitt mit VE-Wasser aus Ionenaustauschern oder Umkehrosmose.
qwe hat geschrieben: Dienstag 24. Mai 2022, 09:31 Nachtrag:
Die Begriffe Lactat & Milchsäure werden in dem Kontext immer wieder wild vertauscht / synonym verwendet. (Auch in meinem Eingangspost :redhead )
Sehe ich das richtig, dass das Mengenmäßig keinen nennenswerten Unterschied macht, da der Unterschied in der Masse von Lactat C3H5O3 und Milchsäure C3H6O3 ja nur ein H-Atom ist, also in etwa 1,1% der Masse ausmacht?
Jo, 89,07 g/mol (Lactat) ggü. 90,08 g/mol (Milchsäure) stellt dieses eh schon unscharfe Intervall von 50 - 300(+) mg/l nicht auf den Kopf. Zunächst scheidet die Hefe mal H+ und Lactat getrennt aus. Das ist aber am Ende egal, da der Dissoziationsgrad von Milchsäure in wässriger Lösung nur von deren Säurekonstante und dem pH-Wert der Lösung abhängt.

Gruß
Andy
qwe
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Re: Schwellwert Milchsäure/Lactat & dessen Entstehung in der Gärung

#4

Beitrag von qwe »

Vielen Dank
Ladeberger hat geschrieben: Dienstag 24. Mai 2022, 11:00 Der Schwarmintelligenz sind die eher "säurebetonten" Hefestämme ja bekannt, ...
Gibts diesbezüglich vielleicht irgendwo eine Liste?
Mich würde speziell interessieren welche Hefen wenig Säurebetont sind, wo ich also bei der Zugabe von Milchsäure ohne Probleme auf ~250mg/l gehen könnte.
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