Helles lagern bei Kellertemperatur?

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Claus
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Helles lagern bei Kellertemperatur?

#1

Beitrag von Claus »

Hallo in die Runde.

Ich habe jetzt ein paar mal Helles gebraut mit Gärung und Reifung im Kühlschrank. Reifung in kleinen Fässchen oder Flaschen. Soweit so gut.

Allerdings habe ich nur einen "Braukühlschrank" und einen Partykühlschrank - mit anderen Worten ich kann die nächste Runde Helles erst Brauen wenn genug weggetrunken ist.

Jetzt frage ich mich ob die Lagerung (also die Zeit nach den 10+ Wochen Reifung im Kühlen) des fertigen Hellem tatsächlich auch stets kalt erfolgen muss, oder ob man das fertige Bier dann nicht einfach auch im Keller bei ca 19 Grad stehen lassen kann. Bei allen anderen, obergäriges Biersorten machen ich das ja auch so. Und gekauftes Helles wird ja auch nicht kühl gelagert.

Gibt es dazu Erfahrungen/Meinungen?

Danke und Gruß :Drink
Claus
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schwarzwaldbrauer
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#2

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Das lässt sich nicht exakt beantworten. Die gesamte mögliche Lagerzeit (MHD) wird sich eben verringern. Wie schnell sich das im Geschmack niederschlägt ist schwer zu sagen.
Ich wollte schon immer mal einen Vergleich durchführen mit warm und kalt geälagerten Flaschen über längere Zeit. Durch deine Anfrage komme ich darauf zurück und führe das jetzt durch mit verschiedenen Sorten ug sowie og.
Werde dann mal berichten.
Grüßle Dieter
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nPlusEins
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#3

Beitrag von nPlusEins »

Meiner Erfahrung nach funktioniert das gut. Mir ist noch kein Bier aufgrund der Lagerzeit im Keller schlecht geworden. Es steht da je nach Jahreszeit bei ~10-20° zur Nachgärung und Lagerung.

Noch wichtiger als absolute Kälte sind glaube ich geringe Temperaturschwankungen und Schutz vor Sonneneinstrahlung / zu viel Licht. Das ist im Keller meistens gegeben.
rauchbier
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#4

Beitrag von rauchbier »

Hab genau den gleichen Engpass mit dem Gärkühlschrank. Lager deshalb auch zwangsläufig mein Helles bei Kellertemperatur nach Abschluss der Nachgärung. Bisher hatte ich keine Probleme mit meinen Hellen.
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Johnny H
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#5

Beitrag von Johnny H »

Viele Prozesse hängen von der Temperatur ab.

In Deinem Fall (neutrales (!) Helles) wäre als erstes die Oxidation und Bieralterung (Hintergründe im Braumagazin) zu nennen. Da wir als Hobbybrauer nicht sauerstofffrei in Flaschen abfüllen können, haben wir hier ein potenzielles Problem, das (wenn überhaupt) nur zum Teil durch die noch vorhandene Hefe in der Flasche kompensiert wird. Mit anderen Worten: je höher die Lagertemperatur, desto geringer bzw. kürzer die Geschmacksstabilität. Oxidations- bzw. Alterungsaromen sind vermutlich das häufigste Problem, mit dem Hobbybrauer zu kämpfen haben. (Es betrifft Dich in diesem Fall nicht, aber ganz schlimm ist diese Problematik auch in kaltgehopften Bieren, weil über den nicht gekochten Hopfen weitere Enzyme ins Bier kommen, die u.a. dafür sorgen, dass das Hopfenaroma verschwindet und die Biere stark nachdunkeln).

Diese Prozesse können wir quasi nicht verhindern, aber ein Schritt zur Reduzierung ist eben eine möglichst kalte Lagerung. Zur Not eben so kühl wie möglich lagern, und ein Keller mit konstant (das ist auch wichtig, wie schon weiter oben geschrieben wurde) 10-15°C ist auf jeden Fall schon eine Verbesserung ggü. Raumtemperatur (20-25°C).

Weiterhin fallen bei kalter Lagerung ggf. noch vorhandene Proteinkomplexe als Kältetrub an, der mit der Zeit sedimentiert. Wird das Bier nun warm gelagert, dann bleiben diese Proteine in Lösung - und der Ausfällungsprozess setzt erst ein, wenn man das Bier vor dem Trinken in den Kühlschrank stellt. Das beeinflusst die Optik (Bier wird trüb) und ggf. auch den Geschmack (Mundgefühl). Ich habe solche Effekte in meiner Anfangszeit, als ich kaum Kühlkapazitäten hatte oder der Keller im Sommer zu warm wurde, öfter mal beobachtet. (Führt man solche Warm-Kalt-Zyklen übrigens öfters durch, dann kann es sein, dass die Trübung dauerhaft bestehen bleibt.)
Nachtrag: Wobei bei Dir nach 10+ Wochen kühler (?) Reifung und Lagerung dieser Vorgang bereits abgeschlossen sein könnte.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#6

Beitrag von Claus »

Vielen Dank für die Hinweise (jetzt habe schon mal eine Hinweis warum mein kalt gehopftes Pale Ale dunkler als erwartet ist).

Ich verwende eine Bierpistole zum Abfüllen mit der ich die Flaschen mit CO2 vorfülle, denke also Oxidation sollte gering sein.

Ich habe mal eine fertige Flasche aus dem Kühlschrank genommen und mach in 2 Monaten einen Geschmackstest.
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Alt-Phex
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#7

Beitrag von Alt-Phex »

Der Vergleich mit Kaufbier hinkt schon alleine deshalb, weil das i.d.R. filtriert wurde. Wenn man sein Bier, aufgrund mangelnder Kühlkapazitäten, warm lagern muss, dann muss man es eben auch schneller austrinken. Im Gegensatz zum filtrierten und ggf. pasteurisierten Kaufbier, reift unser Selbstgebrautes immer weiter.

Und bei warmen Temperaturen wird aus Reifung sehr schnell Alterung. Bei einem Imperial Stout wird das nicht unbedingt negativ auffallen, bei einem "Hellen" sieht das schon ganz anders aus. Alles über 10°C ist daher keine wirklich gute Idee.

Das ist eins der größten Probleme die die Crafties haben. Wenn das NEIPA im Bottleshop ungekühlt im Regal rumgammelt, schmeckt das sehr schnell einfach nicht mehr.

Bier braucht Kälte.
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#8

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Alt-Phex hat geschrieben: Sonntag 5. Juni 2022, 19:18
Bier braucht Kälte.
Und das gilt für ug wie für og absolut gleich.
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Johnny H
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#9

Beitrag von Johnny H »

Ja, genau!

Bier ist eigentlich ein Frischeprodukt, so wie Milch! So hat es Michael Zepf bei einem der ersten Doemens-Seminare mal auf den Punkt gebracht!
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#10

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Ist doch ein tolles Erlebnis, wenn man im Februar / März bei Kellertemperatur von <10° C ein Pils oder Märzen gebraut hat und das dann am einem langen, hellen Abend so wie heute auf der Terasse geniessen kann. Dazu muß man Erfahrung zur Umgebung kriegen, in der das Bier reift.
Deshalb starte ich ab morgen eine kleine Verkostungsreihe. Werde ein paar Flaschen dieser Biere und auch obergärige aus der Kühlung nehmen und sie im August mit den Kollegen vergleichen, die bis dahin kalt bleiben.
Grüßle Dieter
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#11

Beitrag von Claus »

So, um meine eigene Frage zu beantworten habe ich dann ja mal ein Helles testweise nach der Reife aus dem Kühlschrank genommen und 8 Wochen im Keller liegen lassen. Danach verkostet und mit einer Flasche verglichen, die in den 8 Wochen im Kühlschrank war.

Ergebnis: Helles bleibt bei mir in Zukunft im Kühlschrank.

Das kalt gelagerte Helle war nach meiner Einschätzung deutlich runder und weicher im Geschmack.
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#12

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Im Urlaub hab ich mich schon heimlich auf die geplanten Vergleichsproben gefreut (#10). Bin wieder zurück und werde ab morgen jeden Tag einen Vergleich machen.
In einer Woche berichte ich über Braunbier, Spezial, Märzen und 2x Pils. Sind zwar lauter ug, aber wenn sich da eine eindeutige Tendenz zeigt, gilt das natürlich genauso für og.

Grüßle Dieter
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schwarzwaldbrauer
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#13

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Hier das Ergebnis:
Was ich vorher nicht ohne weiteres glauben wollte ist, dass jegliches heimgebraute Bier nach der Nachgärung in die Kälte gehört!
Das habe ich versuchsweise bei 5 untergärigen Sorten gemacht und nach einer gewissen Zeit je eine Flasche in Raumtemperatur weiter gelagert. Vor der Vergleichsverkostung kam diese natürlich wieder einen Tag in den Kühlschrank.
Das Ergebnis war so eindeutig, dass ich mir die 5. Probe, ein Märzen sparte.
Alle durchgehend kalt gelagerten Biere sind schön klar, haben den gewohnten runden Geschmack und im Gaumen wirken alle Aromakomponenten lange nach. Das ist bei den teilweise warm gelagerten Proben nicht so. Sind zwar gute Biere, der Schaum ist vergleichbar aber sie wirken weniger intensiv im Gaumen. Die Hefe am Boden ist weniger kompakt.
Da kann man davon ausgehen dass diese weiterhin schneller abbauen und evtl. schon über dem Höhepunkt sind.
Auf dem Bild noch die genauen Daten der kalt/warm - Tage.

Mit so einem eindeutigen Ergebnis hätte ich nicht gerechnet.

Grüßle Dieter
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#14

Beitrag von Colindo »

Hi Dieter,

das sind sehr interessante Erkenntnisse und decken sich auch mit den Empfehlungen für untergärige Biere. Einen Einwand sehe ich allerdings, nämlich dass du die Flaschen am Ende nur einen Tag im Kühlschrank aufbewahrt hast. Dadurch wird die Kohlensäure nicht perfekt eingebunden sein, was zumindest ein stärkeres Lösen der Hefe am Boden erklärt. Mindestens zwei Tage, am besten vier, sollten es dann doch sein.
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schwarzwaldbrauer
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Re: Helles lagern bei Kellertemperatur?

#15

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Colindo hat geschrieben: Mittwoch 24. August 2022, 07:42 Hi Dieter,

das sind sehr interessante Erkenntnisse und decken sich auch mit den Empfehlungen für untergärige Biere. Einen Einwand sehe ich allerdings, nämlich dass du die Flaschen am Ende nur einen Tag im Kühlschrank aufbewahrt hast. Dadurch wird die Kohlensäure nicht perfekt eingebunden sein, was zumindest ein stärkeres Lösen der Hefe am Boden erklärt. Mindestens zwei Tage, am besten vier, sollten es dann doch sein.
Danke für den Hinweis. Das erklärt warum die warm gelagerten Proben im Glas trüber sind.

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