Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

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Brauknecht96
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Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#1

Beitrag von Brauknecht96 »

Liebe Braugemeinde,

zu dem Vergärergebnis meines zweiten Sudes habe ich eine Frage an euch.

Ich habe ein Altbier nach dem Rezept von Gunnar Martens (http://meinsudhaus.de/bier-rezepte/ober ... e/altbier/) gebraut. Der Brautag verlief relativ reibungslos. Jodprobe war ok. Gestern habe ich das Jungbier gespeist und zur Nachgärung in Bügelflaschen abgefüllt. Zur Gärung habe ich, abweichend vom Rezept, die Hefe S-33 von Fermentis verwendet. Die Hefe habe ich 6 Stunden vor der Zugabe aufbereitet. Sie sah sehr vital aus. Die Hauptgärung verlief bei 20 °C.

Ich habe den Verlauf der Hauptgärung per Refraktometer "messtechnisch begleitet" und über das Tool auf http://maischemalzundmehr.de/index.php? ... ktorechner in °P umgerechnet, um zu wissen, wann die Hauptgärung abgeschlossen ist. Folgende Ergebnisse (Standardformel):

SW: 12,5 Brix | 12,1 °P
nach 24 h: 9,5 Brix | TRE: 8,4 °P | TEVG: 31 % | Alk: 2,4 %
nach 36 h: 7,5 Brix | TRE: 5,8 °P | TEVG: 52 % | Alk: 4,1 %
nach 48 h: 7,5 Brix | TRE: 5,8 °P | TEVG: 52 % | Alk: 4,1 %
nach 6 Tagen: 7,5 Brix | TRE: 5,8 °P | TEVG: 52 % | Alk: 4,1 %

SW: Stammwürze
TRE: Tatsächlicher Restextrakt
TEVG: Tastsächlicher Endvergärungsgrad
Alk: Alkoholgehalt in Volumen-%

Da ich nach 48 h den gleichen Wert gemessen habe, wie nach 36 h, hatte ich die Vermutung, dass die Gärung ins Stocken geraten ist und habe den gärenden Sud einmal richtig aufgerührt (wie Belüftung vor Hefezugabe).

Bei der Gärung war nach 24 h eine schöne geschlossene Schaumdecke zu beobachten, die nach 48 h wieder komplett, bis auf ein paar "Schaumflecken" verschwunden war.

Da ich die folgenden Tage unterwegs war, habe ich das Gärfass bei 20 °C stehen gelassen. Als ich zurück war (nach 6 Tagen), habe ich vor dem Abfüllen das letztemal gemessen und festgestellt, dass die Gärung trotz der langen Zeit und trotz des Aufrührens nicht weiter fortgeschritten ist. Aus den Messergebnissen würde ich mit meinen noch laienhaften Kenntnissen vermuten, dass die Hauptgärung nach ca. 1,5 Tagen abgeschlossen war.

Aber: Im Rezept wird für die abgeschlossene Hauptgärung ein Alkoholgehalt von 5,2 % angegeben. Da liegt der Sud deutlich drunter. Für den Geschmack ist das ja ein entscheidender Punkt. Jetzt natürlich die Frage:

Woran kann es liegen? Hat jemand von euch eine Erklärung?

Grobe Messfehler und Fehler bei der Umrechnung würde ich erst einmal ausschließen. Soviel kann man hier nicht verkehrt machen.

Eine Vermutung habe ich selber. Bin mir aber nicht sicher, ob hier was dran ist: Ich habe die Maische im Edelstahltopf unter Rühren bis auf die Rasttemperaturen hochgefahren und kurz nachgerührt, damit nichts anbrennen kann. Dann den Herd ausgeschaltet und die Maische über die Rastdauer, ohne Rühren und ohne Heizen, sich selbst überlassen. Das Thermometer hat anscheinend in einem "Wärmepolster" o.ä. gesteckt. Jedenfalls hat es z.B. bei der 72 °C-Rast über die gesamte Dauer (30 min) 72 °C angezeigt, als ich zum Ende der Rast wieder umgerührt habe, sank die Temperatur des Thermometers auf 68 °C. Die Temperatur lag über die Dauer der Rast also nicht bei exakt 72 °C. Kann es sein, dass hierbei nicht genug vergärbarer Zucker entstanden ist?

Vielen Dank im Voraus für eure Antworten.


Liebe Grüße
Brauknecht96
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Boludo
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#2

Beitrag von Boludo »

Hallo und willkommen!

Die Antwort ist ganz einfach:
Es liegt an der Hefe!
Die S-33 kann normalerweise keine Maltotriose durch die Zellwand befördern und hat daher einen sehr niedrigen Vergärungsgrad.
In Deinem Fall sind es 63% scheinbarer Vergärungsgrad und das ist bei dem Rastprogramm plausibel.
Auch die schnelle Hauptgärung ist bei dieser Hefe normal.
Man rechnet übrigens immer mit dem scheinbaren Vergärungsgrad, sonst gibt es ein Durcheinander.


Stefan
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Karhu
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#3

Beitrag von Karhu »

Die Rast bei 72°C liefert sowieso fast nur Dextrose, also unvergärbarer Zucker (gut für die Vollmundigkeit). Daran sollte es nicht liegen.
Aber wieso hast Du die Hefe schon so früh aufbereitet? 6h ist doch ein wenig zu lange, oder?
Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen!
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cyme
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#4

Beitrag von cyme »

Du hast auch immer bei gleicher Temperatur gemessen?
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Boludo
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#5

Beitrag von Boludo »

Karhu hat geschrieben:Die Rast bei 72°C liefert sowieso fast nur Dextrose, also unvergärbarer Zucker (gut für die Vollmundigkeit).
Du meinst sicher Dextrine.
Dextrose ist Traubenzucker.


Stefan
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Karhu
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#6

Beitrag von Karhu »

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Karhu
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#7

Beitrag von Karhu »

@ Boludo: ja, natürlich! ;-)
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#8

Beitrag von Brauknecht96 »

Vielen Dank euch allen für die schnellen Antworten! :thumbsup

@Boludo:

Als ich die Zutaten bestellt habe, war die S04 (Fermentis), die laut Rezept zur Vergärung verwendet werden soll, im Onlineshop nicht verfügbar. Ich habe dann die S33 als Alternative genommen (einzigstes Kriterium "obergärig"). Mir war nicht bewusst, dass die Unterschiede auf den Gärverlauf so bedeutend sind. Ich hoffe, dass das Altbier wenigstens tendenziell nach Alt schmecken wird (oder wenigstens nach Bier :crying )

Kannst du (oder ihr) mir spontan eine Empfehlungen als Alternative zu der S04 nennen? Habt ihr Vorlieben/Favoriten bei obergäriger Hefe oder geht ihr da mehr nach Rezept?

Liege ich richtig in meiner Vermutung, dass die Hauptgärung tatsächlich schon nach 1,5 Tagen "durch" war? Ich hatte mich strickt an eure Empfehlung gehalten und permanent gemessen. War mir aber dann doch nicht sicher, ob die Hauptgärung abgeschlossen war (stehe brautechnisch noch sehr auf wackeligen Beinen). Es ging halt rasend schnell.

Ich war mir nicht sicher, welcher Vergärungsgrad (scheinbar oder tatsächlich) im Allgemeinen zum Vergleich herangezogen wird. Ich werde mich jetzt immer auf den scheinbaren beziehen. Danke für den Hinweis.

@Karhu:

Ich war mir hinsichtlich des richtigen Zeitpunkts für die Rehydrierung der Trockenhefe auch nicht sicher. Bei meinem ersten Sud, ein Kölsch, auch nach Gunnar Martens (http://meinsudhaus.de/bier-rezepte/ober ... e/koelsch/), auch mit der S33, hatte ich die schnelle Gärung auch beobachtet. Das war aber eher ein "Trial-and-Error-Sud". Ich hatte noch kein Refraktometer und konnte daher nicht messen. Ich konnte euch daher auch noch nicht fragen, weil ich euch keinen "Daten" liefern konnte.

Jedenfalls, den schnellen Gärverlauf hatte ich auf die zu spät rehydrierte Hefe geschoben (nach meinen Vorstellungen: zu wenig vitale Hefezellen, weil zu spät (ca. 20 min vor Hefezugabe) rehydriert). Ich dachte, weil zu wenig vitale Hefezellen vorhanden sind, ist die Gärung nach kurzer Zeit schon wieder vorbei gewesen und dachte, dass das der Grund war, dass der Sud nicht vollständig durchgegoren ist. Daher habe ich diesmal alles "richtig" machen wollen und habe die Hefe zu Beginn des Brautags schon rehydriert (20 °C warmes, zuvor abgekochtes Wasser (150 ml), mit einem Teelöffel Zucker). Die Hefe war auch sehr "aufbrausend", als ich sie zugegeben habe. Anscheinend war das auch nicht optimal.

Zu welchem Zeitpunkt rehydrierst du deine Trockenhefe? Gibt es da ein Optimum?

Die anderen Rasten (55 °C / 63 °C / 72 °C) verliefen auch so wie oben beschrieben. Ich habe als ich die Rasttemperatur erreicht habe, das Heizen und das Rühren eingestellt. Ich habe mich sehr geärgert, als ich festgestellt habe, dass das Thermomenter fälschlicherweise über die gesamte Rastdauer die gewünschte Rasttemperatur angezeigt hat, die Maische aber schon 3 bis 4 K kälter war.

Kann ich es wirklich ausschließen, dass der sehr kurze Gärverlauf etwas mit meiner schlechten Temperaturführung über die Rasten zu tun hat (zu wenig vergärbarer Zucker, daher ein zu geringer Alkoholgehalt)?

EDIT: Boludo hat in der ersten Antwort schon geschrieben, dass der Endvergärungsgrad von 63 % normal für die S33 ist. Also an den Rasten kann es dann nicht liegen, sondern eigentlich nur an der Hefe. Entschuldigung, dass hatte ich überlesen.

@cyme:

Ich habe immer bei 20 °C gemessen, also SW und den Gärverlauf. Ich benutze ein Refraktometer (mit ATC). Messe Brix und rechne in °P um.

Spielt da die Temperatur doch eine Rolle? Ich war der Meinung, dass die Temperatur auf die Messergebnisse keine/kaum Einfluss hat. Bin mir nach deiner Frage aber jetzt auch nicht sicher.


Vielen Dank.

Liebe Grüße
Brauknecht96
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#9

Beitrag von cyme »

Die Temperatur hat einen Einfluss auf die Messung mit dem Refraktometer, ja. Details siehe hier: http://hb.ikma.de/index.php?title=Refra ... urtabellen
Verschiedene Hefestämme und Gärtemperaturen haben enormen Einfluss auf das Ergebnis. Falls du gerne ausprobierst, teile einfach mal ein paar Sude auf zwei Gärbehälter auf und stelle diese mit verschiedenen Hefen an. Die eigene Geschmackserfahrung lässt sich durch nichts ersetzen.

Zur Frage, welche Trockenhefe gut in ein Alt passt, gab es auch hier schonmal ein Thema:
http://hobbybrauer.de/modules.php?name= ... &tid=15004
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Boludo
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#10

Beitrag von Boludo »

Mach Dir mal nicht zu viele Gedanken über die Rasten, das ist oft etwas überbewertet.
Eine S-33 würde ich übrigens (im Gegensatz zu anderen Trockenhefen) ohne mit der Wimper zu zucken direkt auf die Würze streuen.
Die ist sehr hart im Nehmen und ich hab das auch schon öfter mal gemacht.
Was ich an der S-33 gar nicht mag ist, dass die so schlecht sedimentiert.
1,5 Tage Hauptgärung wundert mich übrigens gar nicht.

Die Wahl der obergärigen Hefe hängt von verschiedenen Faktoren ab, meist sind es die Aromen, welche die Hefe erzeugt.
Eine S-04 macht sehr fruchtige englische Esteraromen und vergärt höher, die S-33 ist eher neutraler.
Wenn Du das Aromaprofil der S-04 haben willst, wird es bei Trockenhefen schwierig mit Ersatz.
Ein ziemlicher Allrounder ist die Nottingham, die ist aber eher neutral, je nach Gärtemperatur.
Für ein Alt soll sich die US-05 angeblich ganz gut eignen, die sedimentiert aber auch eher langsam, aber nicht ganz so lahm wie die S-33.

Das wird jetzt auf jeden Fall ein Bier, nur halt etwas süßer, als geplant.
Trinken kann man das ganz sicher trotzdem.


Stefan
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Gartenbrauer
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#11

Beitrag von Gartenbrauer »

4,2 kg Pilsener Malz plus
1,0 kg Cara-dunkel - das sind 24% der Schüttung.
Da liegt der Hase im Pfeffer.
Caramalze sollte man nur bis 5 max. 10% der Schüttung verwenden.

Harald
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Re: Frage zur Hauptgärung / Zu geringer EVG

#12

Beitrag von Boludo »

Gartenbrauer hat geschrieben:4,2 kg Pilsener Malz plus
1,0 kg Cara-dunkel - das sind 24% der Schüttung.
Da liegt der Hase im Pfeffer.
Caramalze sollte man nur bis 5 max. 10% der Schüttung verwenden.
Ach herrjeh, das seh ich ja jetzt erst.
Was ist denn das für ein schräges Rezept?
Dunkles Caramalz bringt keine vergärbaren Zucker mehr, da wundert einen nichts mehr.
In Kombination mit der S-33 wird das ein süßes Malzbonbon, trotz 30 IBU.
Wer kommt denn auf die Idee und schüttet 24% Caradunkel?
Was mich am meisten bei dieser Rezeptseite stört sind die fixen Angaben zum Grünschlauchen.
Kuck mal auf maischemalzundmehr.de, da sind ziemlich brauchbare Rezepte.

Stefan
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