Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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rakader
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Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

#1

Beitrag von rakader »

Gegeben ist ein Russian Imperial Stout mit 96 IBU, 23°P und damit einer BU/GU-Ratio von ca. 1,0. Nun möchten wir dieses Stöffchen mit Kaffeebohnen verfeinern, die Bittere soll aber gleich bleiben. Somit stellt sich die Frage, wieviel Kaffeebohnen an IBU eintragen?

Bei unseren ausgiebigen Tests sind wir bei einem Optimum von 6,5g/l im Hopfensäckchen bei 4 Tagen Aromatisierung gelandet. Damit war aber noch die die IBU-Frage geklärt, sondern nur die Balance Kaffeebohnen/Jungbier; das war ja nur ein kurzfristiger Eindruck - das Bier soll selbst ein halbes Jahr reifen. Das Bier war mit Kaffeebohnen wahrnehmbar bitterer - und dieser zusätzliche Bittereintrag soll raus!

Pi mal Daumen würde ich 10 IBU annehmen. Das wäre also eine Anpassung auf 86 IBU. (Andere Varianten von Kaffee wurden wegen Säureeintrag verworfen. 6,5g/l waren ideal, da Kaffeegeruch deutlich wahrnehmbar, aber das Bier nicht übertünchend; der durchschnittliche IBU-Eintrag kann daher nur eine Näherung sein.)

Da wir wirklich nichts zu diesem Thema finden können, würden wir uns über Erfahrungswerte oder Empfehlungen aus der Community freuen.
Zur Erläuterung und wer's nicht kennt, BU Bittering Unit und GU Gravity Unit (letzte 2 Zahlen von OG) wird in den USA gerne für das stiltypische Verhältnis Bittere und Stammwürze verwendet - auch wenn die empfohlenen Angaben alles andere in Stein gemeißelt sind und teilweise weit auseinander klaffen – eine Orientierung geben sie aber dann doch.
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chaos-black
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Re: Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

#2

Beitrag von chaos-black »

Du, das ist extrem schwierig. Erstmal sind IBU die (optisch) messbare Menge an isomerisierter Alphasäure. Kaffee enthält ja keine Alphasäure, um also das von der richtigen Begrifflichkeit her zu beantworten müsste man sagen Kaffee bringt 0 zusätzliche IBU.

Dir geht es aber ja eigentlich zweifellos um die wahrnehmbare Bittere, und die wird durch Kaffee erhöht. Hier offenbart sich aber das Problem der Quantifizierung wissenschaftlich messbarer IBU vs. Sensorik.
Wenn man die Bittere eines 15 IBU Weissbiers auf 25 hochschraubt wird es einem anders vorkommen als ein Double IPA von 90 auf 100. Nicht nur liegt es daran, dass, mit steigender IBU in der Tendenz die einzelnen zusätzlichen IBU weniger bitter wahrgenommen werden können. Es liegt auch am gesamten Kontext des Bieres. Ein 40 IBU norddeutsches Pils mag einem knackig bitter vorkommen. Wenn man die messbar gleiche Menge IBU In einem süßen Pastry Stout hat, wird sie einem deutlich zahmer vorkommen. Und das ist nur ein Kontextbeispiel.
Nimm mal 30 IBU von Chinook vs. Herkules. Es liegt wohl an den weiteren eingetragenen Hopfeninhaltsstoffen, dass (zumindest mir) Chinook deutlich bitterer vorkommt als andere Bitterhopfen.
Und dann kommt noch die Subjektivität der Wahrnehmung hinzu.
Ich glaube diese Dinge machen die allgemeine Beantwortung deiner Frage sehr schwierig.

Beste Grüße,
Alex
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rakader
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Re: Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

#3

Beitrag von rakader »

Servus Alex, danke Dir für diese Denkanregungen. Im Grunde ahnt man so etwas, dann ist es aber beruhigend, wenn eine zweite Stimme die Überlegungen teilt.

Natürlich geht es mir um die Wahrnehmung von Bittere, egal ob durch Alphasäure oder Gerbsäure, also um eine Aufaddierung. Dass sich die Bitterwahrnehmung von Bierstil zu Bierstil anders verhalten wird, kann man gar nicht genug betonen.

Bei diesem Bier geht es darum:
1. zu viel Süße vermeiden
2. zu viel Bittere vermeiden
3. zu viel Säure/Frucht vermeiden
4. Ziel ist eine optimale Balance Bittere und Malzigkeit

Um auf Deine Beispiele einzugehen: Chinook ist als dual purpose einer meiner Lieblingshopfen, der sich auch gänzlich smooth z.B. als Aromagabe 10 min vor Kochende verhalten kann; Herkules als reiner Bitterhopfen ist da weniger vielschichtig. Hier gibt Pacific Gem die Grundierung vor und dazu die traditionellen, stiltypischen Aromahopfen: Fuggle, Golding, MIttelfrüh. Letzterer ersetzt Cascade, der mir in Kombination mit Kaffee viel zu fruchtig war.

Im Grunde geht es mir um eine Vorhersage: Ohne Kaffee hat sich das RIS-Bier nach 3 Monaten schneller als gedacht wunderbar ausbalanciert; das möchte ich beibehalten. Die Proben zeigten, dass ColdBrew zuviel Säure und Bittere einträgt, Kaffeebohnen nur zusätzliche Bittere. Letztere Tests beschreiben aber nur 1 Woche und nicht 3 Monate Lagerung.
Auch die Süße soll 2.) minimal zurückgefahren werden; dies erreiche ich durch Brewers Invert. Eine andere Überlegung war die Stammwürze minimal von 23°P auf 22°P herunterzufahren – was meinst Du?

Lange Rede, kurzer Sinn - ich hänge den Rezeptentwurf einfach mal an.

Viele Grüße
Radulph
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Re: Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

#4

Beitrag von §11 »

Natürlich geht es mir um die Wahrnehmung von Bittere, egal ob durch Alphasäure oder Gerbsäure, also um eine Aufaddierung. Dass sich die Bitterwahrnehmung von Bierstil zu Bierstil anders verhalten wird, kann man gar nicht genug betonen.

Bei diesem Bier geht es darum:
1. zu viel Süße vermeiden
2. zu viel Bittere vermeiden
3. zu viel Säure/Frucht vermeiden
4. Ziel ist eine optimale Balance Bittere und Malzigkeit
In der Sensorik spricht man in dem Zusammenhang auch von Matrixeffekten, die sich formal wissenschaftlich meistens nicht beschreiben lassen. Als Beispiel, Zimt wird in einem suessen Lebensmittel intensiver wahrgenommen als in einem weniger suessen. Solche Matrixeffelte gibt es sowohl beim Kaffee, als auch beim Bier. Das heisst also es wird hier schwierig wirkliche Gesetzmaessigkeiten abzuleiten, zu mal ja auch noch die Geschmacksschwellen sehr individuell sind

Gruss

Jan
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Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
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Re: Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

#5

Beitrag von rakader »

Danke Jan, Du drückst das aus, wozu ich nur eine Umschreibung parat hatte. Dann bleibt nur eine Frage übrig: Kann ich zuverlässig die Süße durch Absenken der Stammwürze verringern? 22°P sind nicht viel für ein RIS. Herb im Nachtrunk ist mir lieber als Süße; die entwickelt sich bei einem RIS ohnehin beim Abgang.

Die Bittere durch Kaffee passe ich mithilfe meiner bisherigen Erfahrungswerte an.
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Re: Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

#6

Beitrag von chaos-black »

...für geringere Süße hätte ich bei dem Bier wahrscheinlich zu etwas Zucker gegriffen. Passt vlt. besser zu einem Russian Imperial als die Stammwürze zu reduzieren.

Beste Grüße,
Alex
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Re: Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

#7

Beitrag von rakader »

chaos-black hat geschrieben: Donnerstag 26. März 2020, 14:41 ...für geringere Süße hätte ich bei dem Bier wahrscheinlich zu etwas Zucker gegriffen. Passt vlt. besser zu einem Russian Imperial als die Stammwürze zu reduzieren.

Beste Grüße,
Alex
Danke, dann setze ich den Brewers Invert höher und lasse die Stw. gleich. Den Bittereintrag Kaffee berechne ich pro Gramm als 1 IBU/g.
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Re: Kaffeebohnen und Eintrag Bittere (IBU)

#8

Beitrag von rakader »

So - ich sage mal Dankeschön und hänge das finale Rezept an. Es mag für jene interessant sein, die Überlegungen bei der Rezeptentwicklung nachvollziehen wollen. Nachfolgend die Anpassungen, basierend auf diesem Thread:

1. Bier trockener -> Brewers Invert heraufgesetzt und Stammwürze wieder auf 23°P eingestellt; Invert wird mit 74% Vergärung berechnet; weniger Parameteränderungen sind beherrschbarer
2. Bier etwas herber -> 90 IBU von Originalrezept belassen, aber gewünschter Bittereindruck durch Verhältnis von 1:1 IBU/Stammwürze mittels Kaffeebohnen heraufgesetzt; entspricht bei 96,5 IBU/1096,5 OG (23°P) minus Kaffee mit 1IBU/g (geschätzt) berechnet = 6,5 IBU/l.
3. Bier weniger fruchtig -> Cascade beim Ausschlagen ersetzt durch Hallertauer Mittelfrüh, diesen um 50% reduziert; es sind immer noch um die 200g Hopfen.

Ich verwende einen Starter, daher muss man die Stammwürze beim Maischen etwas anpassen; steht alles in den Anmerkungen.
Leonid Hugs Russian Coffee Imperial Stout No. 1 by Kaffeewerk_final.pdf
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