Physik beim Zapfen

Alles zur Nutzung und Herstellung von Utensilien (Töpfe, Braupfannen, Heizgeräte etc.), die für das Brauen nützlich sind.
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_Heiner
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Physik beim Zapfen

#1

Beitrag von _Heiner »

Hallo zusammen,

ich würde gerne die Randbedingungen für erfolgreiches Zapfen besser verstehen. Hauptsächlich geht es darum welcher Druck wo im System "Zapfanlage" herrscht, bzw. herrschen muss.
Zum Beispiel heißt es ja beim Kompensatorhahn findet der Druckabbau am Hahn statt. Deswegen muss mein Zapfdruck höher sein als der Sättigungsdruck + Leitungsverluste.
Wie hoch den genau? Und warum?
Oder der bayrische Anstich...Hier habe ich kein zusätzliches CO2, also immer Sättigungsdruck des Bieres. Oder Umgebungsdruck? Wo entspannt sich das Bier? Ist ein Hahn mit großem Durchschnitt von Vorteil?
Könnte ich z.B bei einem selbstbefüllten 5 l Fass den Gummistopfen entfern und wie aus einer Flasche ausschenken?

Also wie ihr seht habe ich da einige Fragen, die schwer sind konkret zu stellen. Gibt es da Zusammenstellungen der Schankanlagenbauer zu dem Thema? Oder sogar wissenschaftliche Abhandlungen?

:Grübel

Vielen Dank schonmal

_Heiner
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tauroplu
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Re: Physik beim Zapfen

#2

Beitrag von tauroplu »

Hier werden Sie geholfen, z.B. oder hier.

Gruß
Michael
Beste Grüße
Michael

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Aus "Das Erbe des Bierzauberers" von Günther Thömmes, Gmeiner Verlag
_Heiner
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Re: Physik beim Zapfen

#3

Beitrag von _Heiner »

Hi Michael,

Vielen Dank für die Links. Das ist aber noch nicht so ganz, was ich suche. Das ist die Anwenderseite, also nach dem Motto, du hast dieses System, bei diesen Temperaturen, stell den Druck ein.

Ich würde gerne nachlesen wie die Druckverluste berechnet werden, warum funktioniert der Kompensatorhahn usw. Also wirklich die Hintergründe. Ich suche sowas wie das "große Fachbuch über die Schanktechnik". Falls es das überhaupt gibt.

Grüße,

_Heiner
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JanBr

Re: Physik beim Zapfen

#4

Beitrag von JanBr »

_Heiner hat geschrieben:Hi Michael,

Vielen Dank für die Links. Das ist aber noch nicht so ganz, was ich suche. Das ist die Anwenderseite, also nach dem Motto, du hast dieses System, bei diesen Temperaturen, stell den Druck ein.

Ich würde gerne nachlesen wie die Druckverluste berechnet werden, warum funktioniert der Kompensatorhahn usw. Also wirklich die Hintergründe. Ich suche sowas wie das "große Fachbuch über die Schanktechnik". Falls es das überhaupt gibt.

Grüße,

_Heiner
Was du suchst nennt sich Ströumungsmechanik und ist ein zeimlich komplexes Feld....
_Heiner
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Re: Physik beim Zapfen

#5

Beitrag von _Heiner »

Was du suchst nennt sich Ströumungsmechanik und ist ein zeimlich komplexes Feld....
Richtig. Hatte ich auch im Studium und das Feld ist mir nicht ganz fremd. Nur hätte ich gerne Infomaterial, das auf den Spezialfall Zapfen ausgelegt ist. Evtl. gibt's Vorlesungsskripte aus entsprechenden Studiengängen?
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Ulrich
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Re: Physik beim Zapfen

#6

Beitrag von Ulrich »

_Heiner hat geschrieben:Zum Beispiel heißt es ja beim Kompensatorhahn findet der Druckabbau am Hahn statt. Deswegen muss mein Zapfdruck höher sein als der Sättigungsdruck + Leitungsverluste.Wie hoch den genau? Und warum?
Hier geht es um die physik. Einflüsse/Gesetze auf die Lösung von Gasen in Flüssigkeiten.
- Druck
- Temp
- mechanische Energie
Es geht also darum, dass der Sättigungsdruck überall im Systhem nicht unterschritten wird.

Der Zapfdruck ist höher als der Sättigungsdruck, weil
- das Bier nach oben gedrückt wird. Wie Du weisst enspricht ein Meter Wassersäule = 0,1Bar. Also je Meter höhenunterschied...+0,1bar!
- Kompensation von Druckverlust in der Leitung: "Reibungsverlust"
=> Der Druckverlusst innerhalb eine Leitung ist abhängig von Durchmesser zur Geschwindigkeit des Produktes (und die Masse des Produkts), von der Länge der Leitung, Material der Leitung (Oberflächenbeschaffung) usw. (90° Kurven haben einen höheren Einfluß auf den Druckverlust, als eine gerade Leitung. (Siehe Formel 1 G-Kräfte))
- Der Unterschied eines Kompensationshahnes zu einem gewöhnlichem Hahn ist der, das der Komp.- Hahn den Druck langsamer enbindet. Bei einem "normalem" Hahn ensteht ein spontaner Druckverlust (Unterschied zwischen atmo. Druck und dem Druck im innerem des Systhems.) Siehe Champ. Flasche. Wenn man den Korken so richtig knallen lässt, entsteht auch eine grössere Spontanentbindung der CO2 => Schaum! Es entsteht eine Kettenreaktion: CO2 entbindet, wird nach oben aufsteigend immer schneller und reisst mechanisch weitere CO2 unlöslich. Wenn mann den Druck vorsichtig und langsam senkt, entbindet sich spontan weniger CO2 kein/kaum Schaum.
Ulrich
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Re: Physik beim Zapfen

#7

Beitrag von Ulrich »

_Heiner hat geschrieben:Oder der bayrische Anstich...Hier habe ich kein zusätzliches CO2, also immer Sättigungsdruck des Bieres. Oder Umgebungsdruck? Wo entspannt sich das Bier? Ist ein Hahn mit großem Durchschnitt von Vorteil? Könnte ich z.B bei einem selbstbefüllten 5 l Fass den Gummistopfen entfern und wie aus einer Flasche ausschenken?
Bayrischer Anstich: Am Anfang wird der Druck im Fass genutzt, wenn dieser abgebaut ist, entleert sich das Fass drucklos. Es "läuft aus"
Das Bier entbindet die ganze Zeit CO2, bis das Bier "schal" wird. Der Unterschied von Bier zu Wasser, ist aber , das auch bei 0 Bar atmos. Druck Co2 im Bier löslich ist. "Ungespundete Biere" waren füher keine Seltenheit.

Ja, wenn Du den Gummistofen vorsichtig entfernen kannst (langsames druckentlasten) kannst Du, wie mit der Flasche ausschenken. Aber Du verlierst immer weiter an CO2, langsam, aber beständig. (Temperaturabhängig) Musst das Bier eben entsprechend zügig austrinken.
_Heiner
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Re: Physik beim Zapfen

#8

Beitrag von _Heiner »

:thumbup

Mal zusammengefasst:

Am Hahn muss ich immer Sättigungsdruck haben, sonst schäumt das Bier schon in der Leitung.
Wenn ich eine Leitung und/oder Steigung zwischen Fass und Hahn habe, brauche ich entsprechend mehr Druck am Fass, der aber bis zum Hahn wieder auf Sättigungsdruck abgebaut wird. Allerdings nur, wenn das Bier fließt. Im geschlossenen System habe ich ja überall den gleichen Druck. Deswegen sind immer die ersten ml schaumig.
Beim normalen Hahn erfolgt die Entspannung spontan beim Öffnen. Deswegen lässt sich Bier mit hohem CO2 Gehalt oder hoher Temperatur schlecht/garnicht zapfen, da der Druckunterschied zu groß ist.
Der Kompensatorhahn dagegen braucht einen höheren Druck, da die Entspannung über die Länge des Konus erfolgt. Also bei zu geringem Druck habe ich wieder Schaum in der Leitung.

Dann noch das "einfachste" System, Bayrischer Anstich.
Her komme ich auf den richtigen Druck durch entlüften des Fasses, oder? Dann habe ich Umgebungsdruck im Fass. Theoretisch läuft das Bier dann aus dem Hahn, als käme es aus der Flasche. Ich gehe davon aus, dass hier entscheidend ist, dass ich im Hahn keine scharfen Kannten oder sontwas habe wo sich das CO2 entbindet. Also ein glattes Rohr mit großem Durchmesser ist wahrscheinlich von Vorteil, oder?

Grüße

_Heiner
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uli74
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Re: Physik beim Zapfen

#9

Beitrag von uli74 »

Masel hat eine recht umfangreiche Anleitung für Schanktechnik. Auf der Website:

http://www.getraenke-jaeger.de/service/produktpflege/

kannst Du sie Dir runterladen wenn Du auf das Meisel-Logo klickst
Gruss

Uli
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Re: Physik beim Zapfen

#10

Beitrag von Lehabraeu »

_Heiner hat geschrieben::thumbup

Dann noch das "einfachste" System, Bayrischer Anstich.
Her komme ich auf den richtigen Druck durch entlüften des Fasses, oder? Dann habe ich Umgebungsdruck im Fass. Theoretisch läuft das Bier dann aus dem Hahn, als käme es aus der Flasche. Ich gehe davon aus, dass hier entscheidend ist, dass ich im Hahn keine scharfen Kannten oder sontwas habe wo sich das CO2 entbindet. Also ein glattes Rohr mit großem Durchmesser ist wahrscheinlich von Vorteil, oder?

Grüße

_Heiner
Das einfachste bei diesem System ist fertige Hähne zu verwenden. Kosten nicht viel und alles passt. :Drink
Bierige Grüsse,
Hans

Am Morgen ein Bier und der Tag gehört dir.
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Re: Physik beim Zapfen

#11

Beitrag von hoggel1 »

_Heiner hat geschrieben::thumbup

Mal zusammengefasst:

Am Hahn muss ich immer Sättigungsdruck haben, sonst schäumt das Bier schon in der Leitung.
Wenn ich eine Leitung und/oder Steigung zwischen Fass und Hahn habe, brauche ich entsprechend mehr Druck am Fass, der aber bis zum Hahn wieder auf Sättigungsdruck abgebaut wird. Allerdings nur, wenn das Bier fließt. Im geschlossenen System habe ich ja überall den gleichen Druck. Deswegen sind immer die ersten ml schaumig.
Beim normalen Hahn erfolgt die Entspannung spontan beim Öffnen. Deswegen lässt sich Bier mit hohem CO2 Gehalt oder hoher Temperatur schlecht/garnicht zapfen, da der Druckunterschied zu groß ist.
Der Kompensatorhahn dagegen braucht einen höheren Druck, da die Entspannung über die Länge des Konus erfolgt. Also bei zu geringem Druck habe ich wieder Schaum in der Leitung.
Hier gibt er noch einen Unterschied: Beim Kompensatorhahn kann man die Leitung so auslegen, das wenn gezapft wird, überall min. Spunddruck anliegt, so das nichts ausgast.
Bei den anderen Zapfhähnen, muss der Druck so gewählt werden, das wenn der Hahn geschlossen ist, überall min, Spunddruck anliegt.
Wenn der Hahn geöffnet wird, wird es Interessant. Da muss die Leitung so lang sein, das der Druck ca. 0,01 bar abgebaut wird. Evtl. müssen Wendel eingebaut werden bzw. eine dünnere Leitung gewählt werden.

Ein schönes Beispiel ist ein Zapfkühlschrank, da alle Teile im Kühlschrank sind und überall die gleiche Temperatur herscht.
Geg.: Temp: 10°C, CO² Gehalt: 0,56 g/L, = Spunddruck: 1,46 Bar
Förderhöhe: vernachlässigbar.
Eine ordentliche Angabe zum Volumenstrom habe ich nicht gefunden, nur, das der Volumenstrom in einer normalen Gastwirtschaft mit 3 L7min berechnet wird.
Eigentlich würden hier 0,5 Meter Leitung genügen, um den Zapfhahn anzuschließen. Auf dieser Leitungslänge wird aber bei offenem Hahn kaum Druck abgebaut.
Wenn man jetzt 3 L/min annimmt und 1,45 Bar abbauen möchte, liegt man mit 2m 4mm Leitung recht gut.

Meine Erfahrung ist, das das System so gut funktioniert. Hier auch noch ein guter englischsprachiger Artikel dazu.

_Heiner hat geschrieben:Dann noch das "einfachste" System, Bayrischer Anstich.
Her komme ich auf den richtigen Druck durch entlüften des Fasses, oder? Dann habe ich Umgebungsdruck im Fass. Theoretisch läuft das Bier dann aus dem Hahn, als käme es aus der Flasche. Ich gehe davon aus, dass hier entscheidend ist, dass ich im Hahn keine scharfen Kannten oder sontwas habe wo sich das CO2 entbindet. Also ein glattes Rohr mit großem Durchmesser ist wahrscheinlich von Vorteil, oder?

Grüße

_Heiner
Ich würde hier nicht den Begriff "entlüften" nutzen, nicht das jemand einen "Bierspringbrunnen" baut.
Du schlägst als erstes den Hahn unten an, dann bekommst du die ersten 1-2 Biere relativ viel Schaum, bis der Spunddruck abgebaut ist, dannach versiegt langsam der Bierstrom. Das ist der Zeitpunkt, indem man die Pfeife einsetzt, danach kann man schön Zapfen.
Ich denke auch in diesem Fall ist ein großer Durchmesser nicht von Vorteil, durch einen gewissen Gegendruck durch den Leitungsquerschnitt und die Leitungslänge ist erst das Zapfen möglich, sonst fließt das Bier viel zu schnell.

MfG
Thomas

PS: Wenn ich mit dem Wiki zurecht komme, möchte ich auch einen Eintrag verfassen, aber irgendwie stelle ich mich wohl doof an.
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