Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

Alle rechtlichen Fragen rund ums Brauen
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schlupf
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Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#1

Beitrag von schlupf »

Moin,

Auf 2 Dingen denke ich gerade herum und komme nicht weiter, daher hätte ich gerne Input von den Rechtsgelehrten, die sich hoffentlich auch hier im Forum herumtreiben...

Als erstes gibt's ja am ersten Samstag im November den jährlichen Learn-to-homebrew-Day, wo ich seit Jahren zu der Gelegenheit gerne Leute aus dem Dorf zu einem Brautag einladen würde.
Als zweites gibt's bei uns im Dorf jedes Jahr einen eintägigen Weihnachtsmarkt, wo Leute aus dem Dorf Speisen, Getränke und Basteleien anbieten, wo ich natürlich auch mal gerne Bier ausschenken würde.

Versteuert werden muss das Bier in beiden Fällen, das ist mir klar. Der Brautag wäre sowieso kostenlos, beim Weihnachtsmarkt gibt es über den Trägerverein eine Schankgenehmigung und wenn man einmal im Jahr ein paar Liter Bier auf einem Dorffest verkauft, ist das ja imho weit weg von einer gewerblichen Tätigkeit.

Was mir Kopfzerbrechen bereitet ist das Haftungsrisiko, immerhin habe ich, obwohl ich mein Bier guten Gewissens trinken und abgeben würde, natürlich weder eine abgenommene Braustätte, noch sind die baulichen Gegebenheiten bei mir zuhause auch nur in der Nähe davon.
Und was das Schaubrauen betrifft, treffen da quasi fremde Menschen auf relativ schwere Lasten, kochende Flüssigkeiten in nicht geringer Menge und weitere Risiken.

Allerdings gehen Leute auch woanders Gefahren ein ohne dass Anbieter in den Ruin getrieben werden. Beispielsweise arbeiten Paintball Anbieter mit Verzichtserklärungen und von Currywurstständen, wo man ab einer gewissen Schärfe irgendwas unterschreiben muss, hört man auch immer wieder.
Außerdem gibt's ja auch noch das Kuchenbuffet, wo auch ohne jede Skrupel Backwaren aus privaten Küchen feilgeboten werden...

Könnte ich mich im Falle des Brautages gegen etwaige Ansprüche durch einen zu unterschreibende Verzichtserklärung absichern?
Und im Falle des Ausschanks idealerweise durch ein gut sichtbares "Verzehr auf eigene Gefahr"-Schild?

Ich hoffe, das ganze liest sich jemand durch und kann mir ein wenig Hilfe zu dem Gedankengang geben.

Viele Grüße und Gut Sud
Sebastian
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#2

Beitrag von bwanapombe »

Hallo Sebastian,

rechtlichen Rat kann ich Dir nicht geben, aber mal meine Praxis schildern.

Beim Brautag würde ich versuchen die Menge klein zu halten, so dass man Lasten noch sicher bewegen kann. 10-15 l reichen auch zum Probieren des fertigen Biers. Ich habe solche Braukurse immer über Verein oder Volkshochschule abgewickelt. Dann bin ich kein Veranstalter, sondern nur Lehrbeauftragter. Ob es rechtlich hilft, weiss ich nicht. Sicherheitshinweise wurden von mir immer nach bestem Wissen und Gewissen gegeben. Und tatsächlich musste für den VHS-Kurs einen Gesundheitsausweis ausstellen lassen. Der ist hier auch für einen Ausschank verlangt.

Was den Ausschank betrifft, wird Du Dich nicht vollständig entlasten können. Ich würde es so halten wie alle anderen. Die Bastelleien und Gebäcke sind auch nicht TÜV-geprüft und amtsüberwacht hergestellt. Ein Schild wird da eher misstrauische Reaktionen hervorrufen.

Ich habe auch schon gehört, dass mittlerweile beim Kaffekränzchen in der Kirchgemeinde Umsatzsteuer abgeführt werden muss, wenn man für Kaffee und Kuchen was einsammelt. Ich weiß aber nicht, wie weit da schon Ernst gemacht wurde.

Dirk
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#3

Beitrag von Alt-Phex »

Der Ausschank auf dem Dorffest ist ja immer wieder Thema. Ich sehe keine Lösung, die dich als Privatperson aus der Haftung nimmt. Generell würde ich davon abraten sein Bier öffentlich auszuschenken. Das kann im Zweifelsfall als "in Verkehr bringen" ausgelegt werden. Und das darfst du ja nicht. Ob versteuert oder nicht ist dabei egal. Und sobald als Gegenleistung Geld eingenommen wird, wird die Geschichte noch komplizierter.

Der Vergleich mit dem Kuchenbuffet hinkt leider. Es gibt für Kuchen weder eine Steuerpflicht noch bedarf es einer Ausschankgehmigung. Und im Normalfall ist der Kuchen auch nicht alkohoholhaltig.

Ich bin natürlich auch kein Rechtsgelehrter aber solider Bedenkenträger. Meiner persönlichen Meinung nach ist das den möglichen Stress und Ärger einfach nicht wert.
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schlupf
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#4

Beitrag von schlupf »

Wo genau liegt denn das Problem beim "in-Verkehr-Bringen"?
Es werden mittlerweile an allen Ecken und Enden der Republik irgendwelche Hobbybrauer Biere an "Muggel" verteilt.
Die Hamburger z.B. stehen regelmäßig auf irgendwelchen Craftbier-Festen, und diverse andere Braugruppen tun das auch. Außerdem gibt's ja auch die Publikumspreise bei Störtebeker und sonstigen Veranstaltern.

Und von schwerwiegenden Konsequenzen war bisher nichts zu hören. Und auch Störtebeker wird das Haftungsrisiko zumindest für überschaubar halten...
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#5

Beitrag von marosh »

Das Problem besteht ja darin, dass evtl. jemand gesundheitliche Beschwerden oder ähnliches von deinem Bier bekommt.
Das Gesundheitsamt, bzw. das Veterinäramt, verlangt bei uns z.B. diverse Sachen für den Herstellungsort, die sich bei vielen im Braukeller wohl kaum umsetzen lassen.
Ich hatte dort mal nachgefragt und es ist denen halt völlig egal, ob du es verschenkst, verkaufst oder spenden sammelst.
Sobald du es an andere Menschen abgibst, bringst du es halt in Verkehr.

Ich vermute hier eher eine Art „Grauzone“, bzw. „wo kein Kläger, da kein Richter“. Bisher ist halt noch niemandem was passiert, also fragt keiner nach.
Bier ist ja auch, abgesehen vom Alkohol, relativ „sicher“.
Störtebeker sichert sich ja auch ab, indem sie die Teilnehmer eine Belehrung zur Lebensmittelhygiene unterschreiben lassen und sich ggf. den Ausschluss von der Teilnahme und rechtliche Schritte vorbehalten.
Gruß
Marco
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#6

Beitrag von bwanapombe »

Mit dem Inverkehrbringen Deines Biers wirst Du zum Lebensmittelhersteller. Dann greift die ganze Latte an Regelungen (Hygiene, Rückverfolgung, Kennzeichnung etc. pp.).

Von den HB-Vereinen kenne ich die Praxis, dass man ein HB-Bier in einer Brauerei braut und dann auf Festen usw. ausschenkt. Damit hat man die Herstellung und alles was damit zusammenhängt, schon mal ausgelagert. Das sind dann aber große Publikumsveranstaltungen. Wenn jetzt der Weihnachtsmarkt so angelegt ist, das man sein Selbstgemachtes anbietet, ist das praktisch ja noch mal was anderes. Ich glaub nicht, dass sich da jeder groß abgesichert hat.

Mit Störtebeker kann sich der Hobbybrauer nicht vergleichen. Die beschäftigen, wenn es sein muss, eine ganze Büroetage von Anwälten und lassen rechtliche Fragen klären und Risiken einschätzen.

Dirk
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#7

Beitrag von nPlusEins »

Jetzt mal völlig unabhängig von der Frage ob du das Bier ausschenken darfst oder nicht und was das für rechtliche folgen haben könnte bei Verstößen.

Wenn durch dein (fahrlässiges) Handeln andere zu schaden kommen, sei es weil sie durch ein Bier ein Lebensmittelvergiftung bekommen oder du Kochende Würze über sie umkippst ist das meiner Meinung nach ein Fall für die private Haftpflichtversicherung.

Darauf achten, dass die Privathaftpflicht keine freiwilligen Tätigkeiten, soziales und ehrenamtliches Engagement etc. ausschließt. Findet die Tätigkeit ihm Rahmen eines Vereines statt besteht hoffentlich auch noch zusätzlich die Absicherung durch eine Vereinshaftpflicht.

Haftung explizit auszuschließend fände ich eher merkwürdig.
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Alt-Phex
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#8

Beitrag von Alt-Phex »

Hobbybrauer-Veranstaltungen sind da meist etwas anders organisiert. Da sind viele Dinge bereits in den teilnahmebedingungen geregelt. So wird man z.b. durch die Teilnahme ein temporäres Vereinsmitglied für die Dauer der Veranstaltung. Manches läuft da aber eben auch in einer rechtlichen Grauzone.

"Die anderen machen das doch auch so" beinhaltet nunmal keine Rechtssicherheit. Das muss einem bewusst sein.
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#9

Beitrag von schlupf »

marosh hat geschrieben: Dienstag 13. September 2022, 12:09 Das Problem besteht ja darin, dass evtl. jemand gesundheitliche Beschwerden oder ähnliches von deinem Bier bekommt.
Das Gesundheitsamt, bzw. das Veterinäramt, verlangt bei uns z.B. diverse Sachen für den Herstellungsort, die sich bei vielen im Braukeller wohl kaum umsetzen lassen.
Ich hatte dort mal nachgefragt und es ist denen halt völlig egal, ob du es verschenkst, verkaufst oder spenden sammelst.
Sobald du es an andere Menschen abgibst, bringst du es halt in Verkehr.
bwanapombe hat geschrieben: Dienstag 13. September 2022, 12:20 Mit dem Inverkehrbringen Deines Biers wirst Du zum Lebensmittelhersteller. Dann greift die ganze Latte an Regelungen (Hygiene, Rückverfolgung, Kennzeichnung etc. pp.).
Im Prinzip ja, allerdings sieht das Lebensmittelrecht explizit Kirchen- und Dorffeste als Ausnahme vor.

Selbst wenn was ist, müsste ja auch erstmal bewiesen werden, dass es zweifelsfrei am Bier lag und ich außerdem fahrlässig gehandelt habe. Wenn ich beim Fest jetzt beispielsweise selber mein bester Kunde war und ich außer 'nem Kater keine Folgen habe, dürfte das schwer sein...

Dass Braugruppen abgenommene Braustätten haben kommt mittlerweile ja öfter vor, allerdings kriege ich auch immer wieder Bilder in die Timeline gespült, wo Hobbybrauer mit einer ganzen Latte verschiedener Sude Stände auf irgendwelchen Veranstaltungen betreiben. Das wird mit Sicherheit nicht alles auf der Vereinsanlage gebraut sein...

Ich hatte gerade auch ein relativ erhellendes Telefonat mit einem Anwalt aus der Gegend. Das Fazit war im Prinzip: Ein Restrisiko kann man nie ausschließen, aber die Wahrscheinlichkeit dass es tatsächlich eintritt ist überschaubar und außerdem sind wir nicht in den USA.
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#10

Beitrag von Frommersbraeu »

Ich hab mich damals extra beim Gesundheitsamt schlau gemacht, die sind meiner Meinung nach auch der passende Ansprechpartner für dein Anliegen. Was Braukurse angeht, hab ich seiner Zeit die Antwort bekommen, dass dies wie ein Kochkurs zu werten ist, der Teilnehmer sieht wie das Lebensmittel hergestellt wird und von daher kann er auch selbst das Risiko einschätzen. Bei Ausschank sehe ich auch immer wieder größte Bedenken, aber wenn jemand einen Kuchen oder gar Apfelwein beim Vereinsfest auftischt wird nichts in Frage gestellt. So ganz nachvollziehen kann ich das nicht, da du deinen Prozess sicher besser im Griff und dokumentiert hast als so manch eine backende Rentnerin. Zu Thema in Verkehr bringen, gibt es bei uns in Bayern ein schönes Merkblatt zur Herstellung von Lebensmitteln in privaten Küchen.
Schöne Grüße
Patrick


Brauen ist wie ein Überraschungsei:
Spiel, Spaß und Scho.. ach ne Bier!
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Meine Seminarbrauerei acidusbraeu.de
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§11
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#11

Beitrag von §11 »

Zugegeben sind meine Erfahrungen im diesem Größenordnungen bescheiden. Die Haftung im deutschen Lebensmittelrecht ist persönlich. Das ist dem Gesetzgeber auch sehr wichtig. Ich bezweifle deshalb das sie auf den Konsumenten abgeschoben werden kann.

Was heißt das, das die Haftung persönlich ist? Wie gesagt, kenne ich mich nur in größeren Gefilden aus, aber wäre bei uns im Werk jemand durch unsere Nahrungsmittel zu schaden gekommen, dann wäre zunächst einmal der Werksleiter haftbar. Der hat wiederum einen Qualitätsverantwortlichen. Das ist die einzige Ausnahme die das Gesetz zulässt. Kann dieser Qualitätsbeauftragte nicht nachweisen das ihn keine Schuld trifft, ist er persönlich haftbar, also in meinem Fall nicht Nestlè. Bei Geldstrafen ist das vertraglich geregelt aber im Falle einer Haftstrafe, sitzt der Qualitätsbeauftragte ein.

Da der Konsument ja bei der Herstellung nicht anwesend ist, noch die Gefahren (die bei Bier ja sehr übersichtlich sind) überblicken kann, gehe ich davon aus das eine Abwälzung des Risikos auf den Konsumenten nicht wirklich greift. Wie gesagt, das Ganze kommt ja eh nur zum Tragen wenn man dir auch einen Fehler nachweisen kann. Deshalb wären Dinge wie Rückstellproben und Rückverfolgbarkeit deiner Rohstoffe sinnvoll. Das ist ja in unseren Größenordnungen kein Problem.

Gruß

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#12

Beitrag von bwanapombe »

schlupf hat geschrieben: Dienstag 13. September 2022, 13:02 ...
bwanapombe hat geschrieben: Dienstag 13. September 2022, 12:20 Mit dem Inverkehrbringen Deines Biers wirst Du zum Lebensmittelhersteller. Dann greift die ganze Latte an Regelungen (Hygiene, Rückverfolgung, Kennzeichnung etc. pp.).
Im Prinzip ja, allerdings sieht das Lebensmittelrecht explizit Kirchen- und Dorffeste als Ausnahme vor.

...
Das wäre mir sehr recht. Hast Du dafür einen Beleg?

Ich hatte das mal bei unserem Landkreis erfragt. Ausnahmen wurden mir da nicht genannt. Man hat nicht einmal die Weitergabe im Bekanntenkreis eingeräumt. Bei meiner Anfrage hatte ich sporadische Abgabe z.B. bei Nachbarschaftstreffen gesprochen.

...wird in einem Privathaushalt Bier hergestellt, unterliegen Sie den
einschlägigen Vorschriften der Verordnung (EG) 852/2004. Die VO (EG)
852/2004 regelt die Anforderungen an die Lebensmittelhygiene.
Als Bierhersteller sind Sie ein Lebensmittelunternehmer und damit für
die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich, auch wenn
Sie Ihr Bier nur im Bekanntenkreis weitergeben. Denn als
Lebensmittelunternehmen gelten alle Unternehmen, gleichgültig, ob sie
auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich
oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem
Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen (Art. 3
Nr. 2 der VO (EG) 178/2002).

...
Im übrigen stimme ich Dir voll zu, letztlich ist das Risiko überschaubarer, je kleiner der Kreis.

Dirk
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Ladeberger
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#13

Beitrag von Ladeberger »

schlupf hat geschrieben: Dienstag 13. September 2022, 13:02 Selbst wenn was ist, müsste ja auch erstmal bewiesen werden, dass es zweifelsfrei am Bier lag und ich außerdem fahrlässig gehandelt habe. Wenn ich beim Fest jetzt beispielsweise selber mein bester Kunde war und ich außer 'nem Kater keine Folgen habe, dürfte das schwer sein...
Das Lebensmittel- und Produkthaftungsrecht kennt keinen Haftungsausschluss bei Fahrlässigkeit, du bist als Inverkehrbringer verschuldensunabhängig für die Sicherheit des Lebensmittels verantwortlich. De facto existiert auch eine Beweislastumkehr. Nicht der Geschädigte muss den - oftmals nämlich sehr schwierigen - Nachweis führen, sondern im Zweifelsfall musst du als Hersteller aufgrund von Kontrollen, Dokumentation und Rückverfolgbarkeit nachweisen können, dass von deinem Lebensmittel zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens keine Gefahr ausging.

Das ist auch realitätsnah. Denn es würde den Schutzzweck des ganzen Lebensmittelrechts ad adsurdum führen, wenn ein Hersteller sagen könnte: Weise mir doch erstmal nach, dass das Steinchen, an dem du dir einen Zahn ausgebrochen hast, wirklich aus meinem Erdbeerjoghurt stammte.

Am Ende muss man eben das Risiko durch geeignete Maßnahmen gering halten (-> Sorgfaltspflicht), das reduziert nicht nur die Chance dass überhaupt was passiert, sondern auch, dass man am Ende dafür belangt werden kann, wenn doch etwas passiert. Beim Schaubrauen hätte ich z.B. deutlich mehr Bedenken, dass jemand ausrutscht, sich verbrüht, verätzt oder einen elektrischen Schlag bekommt, als dass er wegen dem Bier den Notarzt rufen muss.

Gruß
Andy
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#14

Beitrag von jaulinho »

Immer dann, wenn Du selbst produzierte Lebensmittel nicht selbst konsumierst, sondern Dritten überlässt (Geld spielt keine Rolle), bringst Du Lebensmittel in Verkehr. Damit wirst Du zum Lebensmittelhersteller mit den ganzen juristischen Gedöns, das da dran hängt (Lebensmittelrecht und die Verordnungen dazu (LMHV), ggf. Gewerberecht etc. pp.).

Ich zitiere mal aus diversen Quellen:

"Die Herstellung und das Inverkehrbringen von Bier sind in Deutschland im Vorläufigen Biergesetz, der Verordnung zur Durchführung des Vorläufigen Biergesetzes und der Bierverordnung gesetzlich geregelt. Diese Regelungen gelten für jede Brauerei, unabhängig von ihrer Größe."

"Bei der Biererzeugung ist auch die lebensmittelrechtliche Seite zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist dies das in den Verkehr bringen von Hausbrauerbier auch die nichtgewerbliche Abgabe oder das Verschenken an Dritte zu beachten. Das bedeutet, dass ein Hausbrauer sich den Richtlinien des Lebensmittelrechts unterwerfen muß, sobald sein Bier ausserhalb seines Haushaltes zum Verzehr angeboten wird, gleich in welcher Form."

Desweiteren gilt, wenn Du gewerblich agierst, brauchst Du ein angemeldetes Gewerbe.

Deine Braustätte muss vom zuständigen Amt für Verbraucherschutz abgenommen sein als Produktionsstätte. Das hört sich jetzt dramatisch an, war bei mir aber eine Sache von ca. 30 Minuten. Die Ansprüche sind recht übersichtlich und realisierbar.

Bzgl. Haftung: hier bist Du im Bereich des Produkthaftungsgesetzes - da Du ja der Produzent Deines Bieres bist. Eine Haftung besteht immer dann, wenn der Produzent nicht alle nach dem Stand der Technik möglichen Sicherheits- und Kontrollvorkehrungen getroffen hat. Das lässt sich nicht ohne weiteres konkretisieren, nur branchenspezifisch - hier müsstest Du mal bei Jan, Oli,... Nachhören.

Ich habe persönlich die Standardprozeduren (Reinigungsplan, Temperaturüberwachung und -dokumentation) implementiert und sende 2-3x pro Jahreine Probe ans LAV (Landesamt für Verbraucherschutz) zur Analyse.

Gruß
Tom
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#15

Beitrag von nPlusEins »

jaulinho hat geschrieben: Dienstag 13. September 2022, 14:50 Immer dann, wenn Du selbst produzierte Lebensmittel nicht selbst konsumierst, sondern Dritten überlässt (Geld spielt keine Rolle), bringst Du Lebensmittel in Verkehr. Damit wirst Du zum Lebensmittelhersteller mit den ganzen juristischen Gedöns, das da dran hängt (Lebensmittelrecht und die Verordnungen dazu (LMHV), ggf. Gewerberecht etc. pp.).
Ich denke diese Aussage vereinfacht das ganze zu sehr. Man kann schon prüfen ob man überhaupt in den Geltungsbereich der entsprechenden Vorschriften fällt oder ob eine der Ausnahmen greift. Glücklicherweise gibt es hier einen Auslegungshinweis der Europäischen Kommission der die Lage gut zusammenfasst:

https://food.ec.europa.eu/system/files/ ... 852_de.pdf
3.8. Gelegentliche Handhabung, Zubereitung und Lagerung von Lebensmitteln
sowie Speisenzubereitung durch Privatpersonen
Vorgänge wie die gelegentliche Handhabung, Zubereitung und Lagerung von
Lebensmitteln sowie die Speisenzubereitung durch Privatpersonen bei kirchlichen
oder schulischen Veranstaltungen, bei Dorffesten usw. fallen nicht in den
Geltungsbereich der Verordnung. Dies geht aus Erwägungsgrund 9 der Verordnung
(EG) Nr. 852/2004 hervor. Dort heißt es im zweiten Satz:
„[Die Gemeinschaftsvorschriften sollten] nur für Unternehmen gelten, wodurch eine
gewisse Kontinuität der Tätigkeiten und ein gewisser Organisationsgrad bedingt
ist.“
Der Ausdruck „Unternehmen“ ist in der Definition von „Lebensmittelunternehmen“
enthalten (gemäß Artikel 3 Nummer 2 des Allgemeinen Lebensmittelrechts
(Verordnung (EG) Nr. 178/2002) ist ein „Lebensmittelunternehmen“ ein
„Unternehmen“). Wer gelegentlich und im kleinen Rahmen Lebensmittel handhabt,
zubereitet, lagert oder Speisen zubereitet (z. B. Kirchen, Schulen oder anlässlich von
Dorffesten und anderen Ereignissen, wie etwa Wohltätigkeitsveranstaltungen, für die
freiwillige Helfer Lebensmittel zubereiten), kann nicht als ein „Unternehmen“
angesehen werden und unterliegt daher nicht den Hygienevorschriften der
Gemeinschaft.
Ich würde mir deswegen bei einer vorerst einmaligen Aktion nicht zu viele Gedanken machen. Es gibt davon abgesehen zahlreiche Flyer zu Hygiene auf Festen etc. die man sich durchaus mal anschauen kann.
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#16

Beitrag von schlupf »

nPlusEins hat geschrieben: Dienstag 13. September 2022, 17:22
Wer gelegentlich und im kleinen Rahmen Lebensmittel handhabt,
zubereitet, lagert oder Speisen zubereitet (z. B. Kirchen, Schulen oder anlässlich von
Dorffesten und anderen Ereignissen, wie etwa Wohltätigkeitsveranstaltungen, für die
freiwillige Helfer Lebensmittel zubereiten), kann nicht als ein „Unternehmen“
angesehen werden und unterliegt daher nicht den Hygienevorschriften der
Gemeinschaft.
Ich würde mir deswegen bei einer vorerst einmaligen Aktion nicht zu viele Gedanken machen. Es gibt davon abgesehen zahlreiche Flyer zu Hygiene auf Festen etc. die man sich durchaus mal anschauen kann.
Boah, Dankeschön!!! :thumbsup

Ich habe mir jetzt stundenlang die Daumen wund gegoogelt und konnte genau diese Stelle ums Verrecken nicht mehr finden, obwohl ich mir sicher war, das vor ca. drei Jahren gelesen zu haben. Ich konnte das fast noch vor mir sehen.

Eigentlich bin ich gerade hier nur vorbei gekommen, weil ich mir schon sicher war, dem "Mandela Effekt" zum Opfer gefallen zu sein und wollten um Verzeihung für meine (jetzt doch nicht) falschen Behauptungen bitten...
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#17

Beitrag von nPlusEins »

schlupf hat geschrieben: Dienstag 13. September 2022, 17:47 Boah, Dankeschön!!! :thumbsup

Ich habe mir jetzt stundenlang die Daumen wund gegoogelt und konnte genau diese Stelle ums Verrecken nicht mehr finden, obwohl ich mir sicher war, das vor ca. drei Jahren gelesen zu haben. Ich konnte das fast noch vor mir sehen.

Eigentlich bin ich gerade hier nur vorbei gekommen, weil ich mir schon sicher war, dem "Mandela Effekt" zum Opfer gefallen zu sein und wollten um Verzeihung für meine (jetzt doch nicht) falschen Behauptungen bitten...
Der Originaltext war in der Tat nicht leicht zu finden. Über diese Seite kommt man dran:
https://food.ec.europa.eu/safety/biolog ... latform_en
"Guideance document on the hygiene of all food"

Wenn es am Verkaufsstand nicht ordentlich aussieht wird das lokale Gesundheitsamt bei einer Kontrolle natürlich trotzdem meckern. Aber das kann man ja hinbekommen, dafür gibt es genug Flyer etc. was man zu beachten hat.

Biersteuer fällt unabhängig davon natürlich trotzdem an.
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Kaso
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Re: Rechtssicher mit Haftungsausschluss?

#18

Beitrag von Kaso »

Hallo :goodpost:

typisch deutsch, irgendwie suche ich nach eine 2 Quelle die das bestätigt, dabei nimmt diese Aussage so viel Unsicherheit und Grauzone und ist belegt. Jedem unbelegten Unkenruf schenken wir glauben, Beispiel finden sich viele, auch hier in dieser Diskussion. Bei einer belegten Aussage: „Du Kannst…, du darfst…“ suche ich nach weiterer Bestätigung. :Grübel

Für mich ist dieser Therad gerade der „Therad of the Year“.

In meiner Jugend kochte ich für viel Freizeitlager und Wochenendveranstaltungen, koche seit Jahren Suppe in einem Wanderheim, und backe Kuchen welcher verkauft wird, mache Verpflegungsstation für Sportveranstaltungen etc. und das ganze ohne groß darüber Nachzudenken, weil ich überzeugt bin, die entsprechende Sorgfalt walten zu lassen. Mache mir aber ins Hemd, wenn ich mein Bier bei einem Helferfest ausschenken wollte.
Wenn ich Überzeugt von der Qualität meiner Biere bin, kann ich sie auch ausschenken. (Punkt)

Ich finde das kann der Umgang mit unserem Hobby ändern und macht manche Diskussion überflüssig.
Es ist auch mir klar, dass dies keine Freibrief ist, Selbstbraubier überall an zu bieten oder gar zu verkaufen, aber es entkrampft ungemein.
Danke dafür. Das ist für mich die Grundaussage.

Die Themen Zoll und Erwerb und so nicht berücksichtig, das ist eine andere Diskussion welche sich gerade nicht stellt.

Gruss Thilo

PS bisher ist mir erst 2x wirklich schlechtes Hobbybraubier untergekommen, das ich nach dem ersten Schluck verworfen habe, aber richtig übel ist mir bisher nur von zu viel Bier geworden und das auch schon lange nicht mehr.
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