Würze kochen 99°C versus 100°C

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jaulinho
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Würze kochen 99°C versus 100°C

#1

Beitrag von jaulinho »

Liebe Forengemeinde,

Ich grübele seit geraumer Zeit über folgendes Thema und würde mich freuen, wenn es ein paar Anregungen Eurer Seite gäbe.

Ich braue in einem GF40. Wenn ich mit diesem bei 100°C meine Würze koche, dann läuft das Heizelement konstant bei 100% Vollgas. Dementsprechend wallend ist auch der Kochvorgang. Leider geht damit auch ein Verdampfungsverlust von ca. 10-15% pro Stunde (sehr konstant 4l/h) einher.

Ich wohne auf 300m ü. NN. Damit ergibt sich rechnerisch eine Kochtemperatur von 99°C. Stelle ich diese am GF ein, dann wird die Heizung gepulst bzw. Gebremst und der Kochvorgang ist „mäßig bewegt“, es steigen keine Blasen auf, aber im Kessel liegen wirklich 99°C an (habe es nachgemessen). Bei dieser Vorgehensweise liege ich bei ziemlich konstant 1.5l/h.

Ich habe jetzt beide Versionen mehrfach gebraut. Ich hatte noch nie DMS Probleme, auch nicht bei hellen Bieren und 60 Minuten Kochdauer (das ist mein Minimum). Ich habe dazu auch einen Artikel auf Brülosophy (https://brulosophy.com/2021/02/15/boil- ... t-results/) gelesen, der ein ähnliches Experiment ebenfalls durchgeführt hat.

Man kann natürlich sagen, sch…. Auf die 4l pro Stunde, ist doch egal. Mir geht es mehr um Eure Erfahrungswerte bzw. Wie Ihr das handhabt. Oli hat ja mal geschrieben, dass man bei ca. 5-7% Verdampfung DMS sicher ist, 10% im Hobbybrauerbereich als absolut sicher gelten sollten.

Danke Euch und liebe Grüße
Tom
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Boludo
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#2

Beitrag von Boludo »

Hohe Verdampfung ist doch super. Dann kannst du mehr Nachguss geben und erhöhst damit die Ausbeute. Ich finde 10% pro Stunde eigentlich gerade richtig.
metaler143
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#3

Beitrag von metaler143 »

Beim G30 lässt sich auch direkt die Heizleistung des Elements steuern. Falls der G40 das auch kann, könntest du so die Intensität des Kochens steuern.
Aber die hohe Verdampfung ist doch gut, damit kannst du (falls du an das Konzept der Gesamtverdampfung glaubst) deine Kochzeit verkürzen.
jaulinho
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#4

Beitrag von jaulinho »

Boludo hat geschrieben: Montag 13. Juni 2022, 13:13 Hohe Verdampfung ist doch super. Dann kannst du mehr Nachguss geben und erhöhst damit die Ausbeute. Ich finde 10% pro Stunde eigentlich gerade richtig.
Danke dir. Wäre es möglich, die Kochzeit so zu verkürzen, dass man nach erreichen der 10% Verdampfung das kochen beendet? Natürlich müsste man die hopfengaben überdenken.

Lg
Tom
Till
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#5

Beitrag von Till »

Hier gibt es eine interessante Diskussion dazu (insb. die Posts von olibaer):

https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... 78#p419678
jaulinho
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#6

Beitrag von jaulinho »

Okay - dann könnte ich ja theoretisch bei meiner Verdampfungsrate auf 45 Minuten gehen. Das werde ich doch glatt mal testen.

In Summe habe ich gelernt:

1. soviel Power wie geht beim Kochen
2. Kochdauer ist anlagenspezifisch, nicht rezeptspezifisch.
3. 10% und mehr Ausdampfung sind ausreichend.

Danke allen, die hier beigetragen haben, für ihre Antworten.

Liebe Grüße
Tom
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guenter
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#7

Beitrag von guenter »

Na ja, es geht doch auch darum, die Bitterstoffe aus dem Hopfen zu gewinnen. Ferner auch unerwünschte Stoffe auszutreiben. In Brauereien dauert dies, optimiert, 50 Minuten, ich gehe von mindestens 60 Minuten im Hobbybrauerbereich aus. Nur meine 2 Cent zum Thema.
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#8

Beitrag von metaler143 »

guenter hat geschrieben: Dienstag 14. Juni 2022, 00:46 Na ja, es geht doch auch darum, die Bitterstoffe aus dem Hopfen zu gewinnen. Ferner auch unerwünschte Stoffe auszutreiben. In Brauereien dauert dies, optimiert, 50 Minuten, ich gehe von mindestens 60 Minuten im Hobbybrauerbereich aus. Nur meine 2 Cent zum Thema.
Die Bitterstoff-Ausbeute ist niedriger, da hast du recht. Kann man sich aber natürlich drauf einstellen und seine Hopfengaben anpassen. Zum Austreiben der unerwünschten Stoffe kann ich den bereits oben verlinkten Thread empfehlen. Ich für meinen Teil sehe keine Notwendigkeit mehr, 60 Minuten zu kochen. Seit ich das so mache hatte ich noch keinerlei Probleme mit DMS oder anderen Fehlaromen.

Durch nur noch 40 min Maischen und 40 min Kochen bei Standardbieren verkürzt sich mein Brautag um 40 Minuten, das nehme ich gerne mit.
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guenter
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#9

Beitrag von guenter »

metaler143 hat geschrieben: Dienstag 14. Juni 2022, 03:54 Durch nur noch 40 min Maischen und 40 min Kochen bei Standardbieren verkürzt sich mein Brautag um 40 Minuten, das nehme ich gerne mit.
Das kann ich verstehen und ist auch legitim. Da ich gerne braue, spielt dies für mich jedoch keine Rolle. :Bigsmile

Das Thema wird ja kontrovers diskutiert und ich denke, man muss abschätzen, was für einen selbst der richtige Weg ist.

Meine Quelle ist der Kunze (Technologie Brauer und Mälzer), wobei mir bewusst ist, dass es dort um größere Brauereien geht und nicht um Hobbybrauer. Aber er hat mir geholfen, meine Entscheidung zu begründen.

Dort steht im Kapielt 3.4 (Würzekochen): "Die gewonnene Würze wird 50 - 60 Minuten lang gekocht". Auch mit dem Vermerk, dass früher auch ein paar Stunden gekocht wurde. Und dass nun die Brauereien halt mehrere Sude am Tag machen und daher lange Kochzeiten nicht mehr wirtschaftlich sind. Es wird auch auf den hohen Energieverbrauch verwiesen.

Interessant ist der Punkt 3.4.1.3 (Verdampfung von Wasser): "Eine Pfanne mit einer Verdampgungsrate von 10 bis 15% der Würzemenge galt als Hochleistungspfanne. Das hat sich inzwischen geändert. Heute strebt man Verdampfungsraten von 4% oder weniger bei guter Ausdampfungseffizienz an". Hier geht es wohl in erster Linie um die Energiekosten.

Mein Fazit: eine hohe Verdampfungsrate wird mit höheren Energiekosten bezahlt. Durch die kürzere Kochzeit muss auch die Hopfengabe erhöht werden. Ich kann dadurch etwas Zeit sparen. Die Kosten sind natürlich bei einem 20 Liter Sud nicht beträchtlich. Im Sinne der Nachhaltigkeit aber durchaus vorhanden. Und da ich gerne braue, bleibe ich bei den 60 Minuten Kochzeit. Mehr muss nicht sein, Rezepte mit 90 Minuten sollten sicher hinterfragt werden.
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#10

Beitrag von stahlsau »

ich hab mal gelesen - weiß leider nicht mehr wo - dass zu hoher Wärmeeintrag beim Kochen u.a. eine unerwünschte Änderung der Bierfarbe (wird dunkler) mit sich bringen kann.
Dabei wurde als Indiz ein Abbilden der Brennerflamme auf dem Topfboden genannt (innen), was bei mir der Fall war, daher hab ich mir das gemerkt.
Ob die Würze dabei dunkler wurde - keine Ahnung, ehrlich gesagt.

#edit: im oben verlinkten Post wird alles dazu gesagt, evtl. war das meine Quelle. Besser dort nachlesen und meinen Post ignorieren ;-)
Zuletzt geändert von stahlsau am Donnerstag 16. Juni 2022, 19:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#11

Beitrag von jaulinho »

Danke Günter und Stahlsau für Eure Antworten.

Das mit der dunkleren Würze ist mir klar, wobei empirisch der Versuch noch aussteht, in dem man Intensität gegen Dauer vergleicht.

Ich mache jetzt einfach mal einen Versuch mit 40-45 Minuten, die Isomerisierung des Hopfens ist ja dann nahezu durch (bei VWH) und ich sehe mal, was dabei rauskommt.

LG
Tom
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#12

Beitrag von olibaer »

Till hat geschrieben: Montag 13. Juni 2022, 14:50 Hier gibt es eine interessante Diskussion dazu (insb. die Posts von olibaer):

https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... 78#p419678
Ausgestattet mit einem nötigen Durchhaltevermögen, lässt sich auch der Artikel Mys­te­ri­um Nachisomerisierung im Brau!Magazin nachlesen.
Gruss
Oli
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#13

Beitrag von jaulinho »

olibaer hat geschrieben: Donnerstag 16. Juni 2022, 19:50
Till hat geschrieben: Montag 13. Juni 2022, 14:50 Hier gibt es eine interessante Diskussion dazu (insb. die Posts von olibaer):

https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... 78#p419678
Ausgestattet mit einem nötigen Durchhaltevermögen, lässt sich auch der Artikel Mys­te­ri­um Nachisomerisierung im Brau!Magazin nachlesen.
Danke Oli. Ich habe das Durchhaltevermögen aufgebracht :)

Lg
Tom
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Re: Würze kochen 99°C versus 100°C

#14

Beitrag von Räuber Hopfenstopf »

Längere Kochzeiten können sich aber auch positiv auswirken, da Zucker in der Würze karamellisieren. Gerade bei dunklen Bieren kann das nicht schlecht sein. Ich räume in der Zeit schon auf. Deswegen muss der Brautag nicht übermäßig ausarten. Ob es nun 99 oder 100 Grad sind, ist ziemlich Wurscht, denke ich. Wenn es kocht, dann kocht es. Bei einer höheren Verdampfung kann man länger läutern und tatsächlich die Ausbeute noch etwas optimieren.
Viele Grüße
Björn

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