WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

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Sturlason
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WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#1

Beitrag von Sturlason »

Liebe Braufreunde,

Anfang Oktober habe ich Boludos Weihnachtsbock gebraut, allerdings mit einer kleineren Ausschlagwürze von 12 Litern. Gebraut nach Rezept, lediglich bei der Hefe bin ich abgewichen und habe die WLP833 benutzt. Es waren zwei Röhrchen Hefe, die ich zuvor als Starter angesetzt hatte (1,5 Liter aus DME, vor der Zugabe dekantiert). Meinen Berechnungen nach betrug der scheinbare Endvergärungsgrad nach der Hauptgärung 74%.

Seit Anfang November, d.h. seit etwas mehr als 5 Wochen, befindet sich der Bock bei 1 Grad in der Kaltreifung. Gestern habe ich eine Flasche probiert und zweierlei festgestellt: 1. Ein Bier mit echtem Potenziall! 2. Jedoch mit einem sehr dominanten Hefegeschmack, der schon fast unangenehm in Richtung Weizen tendiert.

Besteht eine Chance, dass der Hefegeschmack mit der weiteren Reifung nachlässt? Waren 2 Röhrchen WLP833 für einen Ausschlag von 12 Litern zuviel?

Danke für euren Input und beste Grüße
Heiko
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Sturlason
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#2

Beitrag von Sturlason »

Servus,

nach einem Jahr würde ich den Thread gern noch einmal ausbuddeln, um Fehlersuche zu betreiben und zu verstehen, was evtl. falsch gelaufen ist. Man will seine Fehler ja nicht wiederholen.

Noch einmal in Kürze: Im Oktober 2021 habe ich Boludos Weihnachtsbock mit der WLP833 gebraut. Die genauen Daten kann ich leider nicht mehr rekonstruieren, da ich damals noch nicht konsequent Protokoll geführt habe. Stammwürze wird vermutlich geringer gewesen sein, als im Rezept vorgesehen. Ich meine mich an 6,7 % Alk. zu erinnern. In meinem obigen Post bin ich zudem von einem scheinbaren Endvergärungsgrad von 74% ausgegangen.

Was ich weiß: Ich habe bei einem Ausschlag von nur 12 Litern einen 1,5 l-Starter mit 2 Röhrchen WLP833 und Trockenmalzextrakt hochgezogen. Auch habe ich den Starter der aktiv gekühlten Würze zugegeben (beides ca. Raumtemperatur) und erst dann die Würze im Kühlschrank auf Gärtemperatur (ca. 11 Grad) gebracht. HG und NG betrugen jeweils um die zwei Wochen.

Nach einem Jahr Kaltreifung bei ca. 4 Grad hat sich der Fehlgeschmack leider nicht ausgelagert. Das Bier wird von einem heftigen, unangenehmen Hefegeschmack dominiert, der in Richtung Weizen tendiert.

Meine eigenen Lösungsansätze:
- Zu viel Hefe (2 Röhrchen auf nur 12 l Ausschlag).

- Starter und Würze wurden vor dem Anstellen nicht auf Gärtemperatur gebracht. Würde ich mit meinem heutigen Wissen nicht mehr so machen, aber ich meine, die Recherche zum Anstellen der WLP833 ergab unterschiedliche Herangehensweisen und Erfahrungen.

Wo würdet ihr den Fehlgeschmack einordnen? Habt ihr weitere Ideen?

Besten Dank und viele Grüße
Heiko
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#3

Beitrag von OS-Schlingel »

Hallo Heiko,

eine wirkliche Analyse ist so wirklich schwer.

Die Anstelltemperatur würde ich wie vom Hersteller angegeben annehmen. Bei 12 Litern würde ich persönlich ein Päckchen Hefe nehmen, richtig rehydrieren und keinen Starter machen, sondern direkt auf Temperatur zugeben.
Nach der Hauptgärung würde ich eine Diacetylrast einlegen (14-15°C). Danach Umschlauchen zur Nachgärung. Du hast hier schon einmal die Sedimente und abgesunkenen, vermutlich toten Hefezellen entfernt. Nach einem ordentlichen Cold Crash wird trotzdem noch genug Hefe für Flaschen die Flaschengärung vorhanden sein. Die Flaschen müssen halt etwas wärmer stehen.

Dein Bier wird also klarer werden und weniger "Ballast" in den Flaschen sein.

Gruß Stephen
Or kindly when his credit's out
Surprise him with a pint of Stout
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Ladeberger
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#4

Beitrag von Ladeberger »

Moin Heiko,

ich denke, wir brauchen hier erstmal eine präzisere Fehlerbeschreibung. Bei einem "Hefegeschmack" denke ich zunächst an Autolyse. Die Verknüpfung mit Weizenbier lässt mich hingegen glauben, dass du eher (fruchtige?) Gärungsnebenprodukte meinst. Kannst du das Fehlaroma vielleicht nochmal anders beschreiben oder es mal jemanden verkosten lassen, der entsprechendes Sensoriktraining hat? In Berlin sollte es ja an derartigen Kollegen nicht mangeln.

Gruß
Andy
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#5

Beitrag von Sturlason »

Hi Stephen,

danke für deine Rückmeldung. Bei der WLP833 handelt es sich um eine Flüssighefe, daher auch der Starter.

Nachgärtemperatur war übrigens im Keller, ca. 18 Grad. Damit sollte sich eine Diacetylrast erübrigen?

Cold Crash verfolge ich bislang nicht, da ich nichts gegen eine Trübung hätte, das Bier aber meiner Erfahrung nach durch längere Kaltreifung von selbst gut klärt.

Mir geht es hier speziell um den heftigen Weizengeschmack.
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#6

Beitrag von Sturlason »

Ladeberger hat geschrieben: Samstag 3. Dezember 2022, 11:58 Moin Heiko,

ich denke, wir brauchen hier erstmal eine präzisere Fehlerbeschreibung. Bei einem "Hefegeschmack" denke ich zunächst an Autolyse. Die Verknüpfung mit Weizenbier lässt mich hingegen glauben, dass du eher (fruchtige?) Gärungsnebenprodukte meinst. Kannst du das Fehlaroma vielleicht nochmal anders beschreiben oder es mal jemanden verkosten lassen, der entsprechendes Sensoriktraining hat? In Berlin sollte es ja an derartigen Kollegen nicht mangeln.

Gruß
Andy
Hi Andy,

Dank auch dir für den Input und den Hinweis zur Autolyse. Frucht finde ich eigentlich keine, das Bier ist einfach insgesamt vom besagten Hefeweizen-Geschmack überlagert. Leider habe ich niemanden in meinem Bekanntenkreis, den ich für die Sensorik heranziehen könnte.

Ich gehe nun mal den Artikel durch.
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#7

Beitrag von Sturlason »

Ladeberger hat geschrieben: Samstag 3. Dezember 2022, 11:58 Die Verknüpfung mit Weizenbier lässt mich hingegen glauben, dass du eher (fruchtige?) Gärungsnebenprodukte meinst.
Es ist keine Banane, eher phenolisch, leicht scharf im Geschmack. Zu junger, nicht schön gealterter Scotch fiele mir dazu ein, bei dem die alkoholische Schärfe über die Aromen dominiert.
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#8

Beitrag von Schoki »

Erst auf Gärtemperatur bringen, dann anstellen. Da würde ich keine Ausnahmen machen, egal was die Hersteller schreiben. Gerade wenn du einen Starter machst, legt die Hefe oft quasi sofort los und produziert fröhlich Fehlgeschmäcker.
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#9

Beitrag von Sturlason »

Ladeberger hat geschrieben: Samstag 3. Dezember 2022, 11:58 Bei einem "Hefegeschmack" denke ich zunächst an Autolyse.
Marmite finde ich insofern passend, als es in Richtung Umami geht, jedoch erinnert es mich nicht an Hefe per se.

Autolyse bezieht sich zudem auf alterndes Hefesediment, oder? Oder darauf, dass der Prozess vorzeitig einsetzt. Nur war der beschriebene Geschmack von Anfang an sehr präsent.
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#10

Beitrag von Sturlason »

Schoki hat geschrieben: Samstag 3. Dezember 2022, 12:30 Erst auf Gärtemperatur bringen, dann anstellen.
Absolut. Ist mir mittlerweile klar.
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#11

Beitrag von Ladeberger »

Sturlason hat geschrieben: Samstag 3. Dezember 2022, 12:22 Es ist keine Banane, eher phenolisch, leicht scharf im Geschmack. Zu junger, nicht schön gealterter Scotch fiele mir dazu ein, bei dem die alkoholische Schärfe über die Aromen dominiert.
Grundsätzlich per Ferndiagnose schwierig. Könnten höhere Alkohole sein, die passen zu sprittig, scharf, alkoholisch. Ein Zusammenhang mit zu hoher Anstelltemperatur ist nicht ausgeschlossen. Zu geringe Belüftung kann das weiter forcieren. Der größte Treiber ist natürlich die Stammwürze, die mit 17 °P für untergärige Stämme sehr hoch liegt - da muss dann alles andere stimmen.

Phenolisch im engeren Sinne sollte das Bier mit der WLP833 nicht sein, das wäre Anzeichen für eine Kontamination.

Gruß
Andy
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#12

Beitrag von Sturlason »

Danke für die Hilfe, Andy. Ich weiß schon, dass es schwierig ist aus der Ferne. Zumindest sind mir die Themen Anstelltemperatur und Belüftung mittlerweile bewusst, heute gehe ich da anders ran.
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#13

Beitrag von Ladeberger »

Stell mal testweise ein paar Flaschen warm für 1 - 2 Monate warm und schaue, ob es besser wird. (Primäre) Höhere Alkohole können zu ihren korrespondierenden Aldehyden oxidiert werden. Womöglich ist diese Reaktion bei 4 °C Lagertemperatur zu stark gebremst.

Gruß
Andy
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Re: WLP833: deutlicher Hefegeschmack während der Reifung

#14

Beitrag von Sturlason »

Hi Andy,

das habe ich vor einiger Zeit schon probiert - ca. ein Monat bei Kellertemperatur. Geschmacklich hat sich nichts getan. Aber ich werde die letzten zwei Flaschen nochmal aus der Kühlung nehmen.

Beste Grüße
Heiko
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