Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

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Herbert52
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Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#1

Beitrag von Herbert52 »

An alle Dekoktionsfans. :Greets

Handbuch der Brauereiund Mälzerei Von Dr. F..Schönfeldt Professor, Abt.-Vorsteher und Leiter der Versuchs- und
Lehrbrauerei am Institut für Gärungsgewerbe i. R., in Berlin Dritter Band: Das Brauen
2. Die Zeit des Drei-Maisehverfahrens
Die verschiedenen Arten des Maisehens schränken sich mehr und mehr
ein. Bayern ist es vor allem, wo man fast allgemein zu einem einheitlichen Maisehverfahren übergeht,
welches für die Herstellung von Lagerbier für am zweckmäßigsten befunden wurde.
Es ist das das D r e i - M a i s c h v e r f a h r e n mit zwei Dick- und einer Lautermaische.
Nach He i ß wird es als das M ü n c h n e r oder A l t - B a y r i s c h e Verfahren bezeichnet.
Nach dem altbayrischen Verfahren wird kalt eingemaischt und in verhältnismäßig gleichen Temperaturstufen die Abmaischtemperatur erreicht.
Die Ausführungsform, welche sich als die altbayrische herausgebildet hatte, wurde Muster über die Jahrzehnte hinweg bis in die Jetztzeit, wo noch verschiedene Brauereien, teils in getreuer Befolgung, teils unter unwesentlichen Abweichungen, nach ihr arbeiten. Das Verfahren konnte sich in seiner Überlegenheit allen andere ngegenüber bis in die neuere Zeit hinein erhalten, weil es die größte Sicherheit bot, haltbares, klares, kernig, vollmundig schmeckendes Bier zuliefern, welches selbst bei örtlich anders eingestellten Geschmacksrichtungen allgemeinen Anklang fand.
Das praktisch mit größtem Erfolg angewandte Verfahren begegnete keineswegs ungeteilter Zustimmung in wissenschaftlichen Kreisen des
Brauwesens. Balling war es namentlich, welcher es wegen der zu starken Vernichtung der Diastase, der zu langen Maisehdauer und des
zu großen Kosten- und Arbeitsaufwandes verurteilte.
Nach dem Verfahren wurde folgendermaßen gearbeitet, wie es selbst C. I. Lin t n e r in seinem Grundriß der Bierbrauerei 1904 noch als allgemein gebräuchlich bezeichnet hat;
Es wird kalt eingemaischt und mit heißem Wasser auf 30--35° C aufgebrüht. In der ursprünglichen Form
mußte das kalte Maischgut noch so lange der Ruhe überlassen bleiben, bis das zum Aufbrühen erforderliche Wasser in einem besonderen Kessel
erhitzt worden war, was gewöhnlich 3-4 Stunden dauerte. Auf diese Weise entstand eine Art Vormaischung. Danach wurde die erste Dickmaische gezogen, eine halbe bis 3/4 Stunde gekocht, und dann zu der Restmaische zu gebrüht, welche damit auf 49-51°C erwärmt wurde.
Nun wurde eine zweite Dickmaische gezogen, auch wieder eine halbe bis 3/4 Stunde gekocht, und damit das Maisehgut auf 60-65° C erwärmt. Eine dritte Maische wurde gezogen, die Lautermaische, die etwas kürzere Zeit (eine viertel bis eine halbe Stunde) gekocht und mit der dann auf
70-75°C aufgebrüht wurde. Eine halbe Stunde wurde nun noch weitergemaischt (abgemaischt), und nach einer weiteren Stunde der Ruhe, mit
der Läuterung begonnen.
tempsnip.png
Ich beschäftige mich schon lange mit Dekoktionsverfahren und glaube, dass sich dadurch "das bessere Bier" herstellen lässt, und möchte hier ein spezielles Verfahren diskutieren.
1. Oben habe ich die original Beschreibung des Dekoktionsmaischeverfahrens nach alt bayrischer Art kopiert.
2. Eine modernere Variante ist in der Grafik dargestellt, wobei es keine Kalteinmaische Zeit gibt, sondern durch Zubrühen direkt auf die erste Rasttemperatur erhöht wird.
3. Eine weitere Variante ist, die Maische durch Aufheizen auf die erste Rasttemperatur bringen.
Meine Frage:
1. "was bringt eine Kaltmaische von ca. 20°C über 3-4 Stunden."
2. "Welche Vor bzw. Nachteile haben die Varianten 1 bis 3."
Ich möchte die Diskussion ausschließlich zur Dekoktion führen, einen Diskussion Dekoktion vs Infusion möchte ich bitte nicht führen.
Gruß Herbert
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rakader
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#2

Beitrag von rakader »

Hallo Herbert, ich nehme stark an, dass das Kaltmaischen in schlechter vorgelösten Malzen allein historisch begründet und somit heute aus der Zeit gefallen ist. Insofern sollte selbst ein Nachstellen in Form eines historischen Brautages heute nur schwer möglich sein, dazu bräuchte es die historischen Malze.

Es gibt natürlich immer wieder Projekte, bei denen alte Sorten angebaut werden. Man müsste also zuerst in Erfahrung bringen, welche Sorten für das altbayerische Dekoktionsverfahren genutzt wurden. Am Ende stünde dann mit Sicherheit ein interessanter Geschmacksvergleich an.

Viele Grüße
Radulph
Zuletzt geändert von rakader am Mittwoch 12. April 2023, 17:44, insgesamt 1-mal geändert.
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§11
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#3

Beitrag von §11 »

Ich verstehe deine Grafik und deine Beschreibung nicht ganz. Welche Farbe soll welches Maischverfahren sein?

Alte Maischverfahren, wie das Münchner (daneben gibt es ja eine ganze Menge anderer lokaler Masichverfahren), muss man immer unter den damaligen Gesischtspunkten sehen. Viele Verfahren haben sich durch Versuch und Fehler langsam entwickelt. Ein Problem ist natürlich das damals Brauen noch sehr viel Handarbeit bedeutete. Gerade das Einmaischen ist Knochenarbeit wenn manuell mit dem Maischescheit das Malz klumpenfrei eingemaischt werden soll. Da hilft die Zeit, wie beim Münchner Verfahren.

Habich bechreibt den Unterschied, z.B. zum Böhmischen Verfahren, und geht explizit auf das Problem des Einmaischens ein.
Ganz anders gestaltet sich das Verhältnis beim Einteigen in den Ländern , in welchen B. das Dekoktionsverfahren landesüblich ist. Da werden auf je 100 Gewichtsteile Malz 400-450 Gewichtsteile Wasser zum Einteigen verwendet. Bezüglich der Temperaturen des Wassers gehn die Gewohnheiten auseinander. In München z. B. bringt man das Malz in den mit kaltem Wasser beschickten Maischbottich und läßt die eingeteigte Masse 2 bis 3 Stunden ruhen. In Böhmen stellt man die Temperatur des Wassers im Bottich auf 32-40 ° und giesst dann das Malz hinzu ; nachdem 5 Minuten tüchtig durchgemaischt ist, schreitet man zum Zusatz von heißem Wasser , zum Dicmaischkochen 2c. Es ist also nach böhmischem Gebrauche dem ursprünglichen Zwecke des Einteigens ( vollständiges Durchdringen des Malzes voin Wasser ) nur enger Spielraum gelassen , - dieser Fehler ist aber durch eine andere Sitte ( siehe böhmisches Brauverfahren ) wieder gut gemacht.
Die Frage warum man "damals" nicht im Kesselmasichverfahren, die Gesamtmaische aufgeheizt hat, hat einen rein praktischen Hintergrund. So musste nur eine weitaus kleinere Maischepfanne beheizbar sein. D.h. der Maischebottich kann z.B. aus Holz sein oder es kann sogar, bei manchen Verfahren, im Läuterbottich gemaischt werden.
Die Behälter , in denen der Maischproceß vollzogen wird, sind entweder runde Maischbottiche von Holz (auch wol von Gußeisen * ) oder länglich viereckige Maischkasten (Maischkufen , Maisdystöcke). Diese Maischgefäße sind auch entweder mit einer Seihvorrichtung zum Abziehen einer klaren Würze von den Trebern versehen , oder nicht. Im leßtern Fall ist ein separater Seibbottich vorhanden. Der Maischbottich wird dann am zweckmäßigsten oberhalb des Seih bottichs aufgestellt, so daß man durch eine mit Schieberhahn (s. weiter unten ) verschließbare Deffnung im Boden des Maischbottichs das ge sammte Maisdigut rasch in den Seihbottich abfließen lassen kann. Wir haben uns also zunächst die Seihvorrichtung anzusehen, welche entweder in dem Maisch- oder Seihbottich angebracht ist.
Alternativ dazu wäre eine Infusionsverfahren (im eigentlichen Sinne des Wortes) möglich, wie es in England der Zeit üblich war. Also durch das Zubrühen von heissem Wasser die Temperatur zu steigern. Das wiederum liesen die Gesetze damals nicht zu. In Bayern war grundsätzlich nur das Brauen von Vorderwürzebieren erlaubt. Nachbiere, wie das Heinzlein in Bamberg, bedurften Ausnahmen.

Cheers

Jan
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#4

Beitrag von renzbräu »

Durch die Kaltmaische wurde das Malz besser gelöst. Insgesamt waren die historischen Maischverfahren intensiver, da das Malz noch nicht wie heute hochgelöst aus der Mälzerei kam. Erst durch die hochgelösten Malze wurden moderne Hoch-Kurz-Verfahren möglich.
rakader hat geschrieben: Mittwoch 12. April 2023, 16:33 Es gibt natürlich immer wieder Projekte, bei denen alte Sorten angebaut werden. Man müsste also zuerst in Erfahrung bringen, welche Sorten für das altbayerische Dekoktionsverfahren genutzt wurden. Am Ende stünde dann mit Sicherheit ein interessanter Geschmacksvergleich an.
Die müssten dann auch auf dem Stand der damaligen Malereitechnik zu historisch schlecht gelösten Malzen werden.
Grüße Johannes

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rakader
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#5

Beitrag von rakader »

renzbräu hat geschrieben: Mittwoch 12. April 2023, 17:22
rakader hat geschrieben: Mittwoch 12. April 2023, 16:33 Es gibt natürlich immer wieder Projekte, bei denen alte Sorten angebaut werden. Man müsste also zuerst in Erfahrung bringen, welche Sorten für das altbayerische Dekoktionsverfahren genutzt wurden. Am Ende stünde dann mit Sicherheit ein interessanter Geschmacksvergleich an.
Die müssten dann auch auf dem Stand der damaligen Malereitechnik zu historisch schlecht gelösten Malzen werden.
Schon klar. Ich halte solche Projekte durchaus für möglich, aus den Gründen den Genpools. Die Slow-Food-Bewegung hat sich mit dem Projekt °Arche des Geschmacks° alten Sorten verschrieben - dadurch wurde z.B. die Alblinse (Albleisa) wiederentdeckt; bei Gerste wäre mir das aber neu. Bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft gab es einige Feldversuche mit (nicht ganz so) alten Sorten im Hinblick auf Bio-Gerste; die Sorte Steffi schnitt dabei schlecht ab. Man müsste dort anfragen.
Es gab hier im Forum für Steffi sogar eine Aktion für deren Bezug.
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#6

Beitrag von rauchbier »

Ich beschäftige mich inzwischen viel mit der Historie des Bierbrauen und Besteuerung im deutschen Reich im Übergang zum 20. Jahrhundert. Ich komme dabei immer mehr zum Schluß, dass der rein technologische Blick auf die Maischverfahren zu kurz greift. Da schauen wir oft mit unserer Brille aus der heutigen Sicht auf die Abläufe und lassen viele Rahmenbedingungen außer Acht. Einiges wurde schon genannt. Beispiel ist das kalt einmaischen. Der niedrigeren Lösungsgrad des Malzes ist da aus meiner Sicht aber nur ein Teilaspekt, der eben gerne und oft angeführt wird.

Beispielweise bedingte das bayrische Steuersystem, dass nur an offiziellen Mühlen das Malz gemahlen werden durfte. Also konnte man vermutlich als Brauer nur ungefähr abschätzen, wann man mit dem Einmaischen beginnen konnte. Warum also kostbaren Brennstoff verschwenden und möglicherweise viel zu früh das Brauwasser aufheizen? Zusätzlich spielt natürlich die Ausstattung der Brauereien eine große Rolle, wie schon geschrieben. Da war kalt einmaischen eine Konstante, die mir für jeden Sud gleiche Voraussetzungen schuf. Und hier war die Kleinbrauerei die Regel und Großbrauereien wie Spaten eher die Ausnahme.
Zuletzt geändert von rauchbier am Mittwoch 12. April 2023, 18:58, insgesamt 2-mal geändert.
rauchbier
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#7

Beitrag von rauchbier »

Was alte Sorten betrifft, muss man gar nicht so weit gehen. Da muss man sich nur mal das Chevalier Malt von crisp anschauen. Meine Sudgausausbeute ist per Infusionsverfahren da direkt in den Keller gerauscht. Da bekommt man einen kleinen Eindruck, warum früher die Dekoktion das Maß der Dinge war in Deutschland.
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Herbert52
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#8

Beitrag von Herbert52 »

§11 hat geschrieben: Mittwoch 12. April 2023, 17:20 Ich verstehe deine Grafik und deine Beschreibung nicht ganz. Welche Farbe soll welches Maischverfahren sein?
Die Grafik ist aus dem KBH und zeigt das Kalteinmaischverfahren mit Zubrühen zur 1. Rasttemperatur. Die blaue Linie zeigt die Maischetemperatur im Kessel, die rote Linie zeigt das Zubrühen von 95°C Wasser zur ersten Rast auf 35°C, die gestrichte Linie zeigt den Kochvorgang mit der Zeitachse des Maische Kochens und die Zugabe zur zweiten, dritte Rast und zur Abmaischtemperatur
Habich bechreibt den Unterschied, z.B. zum Böhmischen Verfahren, und geht explizit auf das Problem des Einmaischens ein.

In München z. B. bringt man das Malz in den mit kaltem Wasser beschickten Maischbottich und läßt die eingeteigte Masse 2 bis 3 Stunden ruhen.
In Böhmen stellt man die Temperatur des Wassers im Bottich auf 32-40 ° und giesst dann das Malz hinzu ; nachdem 5 Minuten tüchtig durchgemaischt ist, schreitet man zum Zusatz von heißem Wasser , zum Dicmaischkochen 2c. Es ist also nach böhmischem Gebrauche dem ursprünglichen Zwecke des Einteigens ( vollständiges Durchdringen des Malzes voin Wasser ) nur enger Spielraum gelassen , - dieser Fehler ist aber durch eine andere Sitte ( siehe böhmisches Brauverfahren ) wieder gut gemacht.

Cheers
Jan
Mir ist der Unterschied zwischen den böhmischen und den Münchener Einmaischverfahren bewusst, aber welche Sitte im böhmischen meinst du, mir ist da nichts bewusst.
Wenn man einen Unterschied zwischen beiden konstruieren will,
was man vielleicht im Hinblick auf die Bedeutung, welche man der
Staffelung des Temperaturstufenaufbaus beim Maischen beimaß, machen
könnte, so läßt sich dieser wohl in gewisser Hinsicht feststellen. Nach
dem altbayrischen Verfahren wird kalt eingemaischt und in verhältnismäßig gleichen Temperaturstufen die Abmaischtemperatur erreicht.
Nach böhmischen wird warm eingemaischt, schnell hohe Temperatur erreicht.
Gruß Herbert
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#9

Beitrag von Herbert52 »

renzbräu hat geschrieben: Mittwoch 12. April 2023, 17:22 Durch die Kaltmaische wurde das Malz besser gelöst. Insgesamt waren die historischen Maischverfahren intensiver, da das Malz noch nicht wie heute hochgelöst aus der Mälzerei kam. Erst durch die hochgelösten Malze wurden moderne Hoch-Kurz-Verfahren möglich.
Die Frage die sich mir stellt ist:, "bringt diese Verfahren, mir mit den heutigen Malzen, einen geschmacklichen Vorteil, oder nicht?"
Wie ich gelesen habe, wird das Adventinus von Schneider immer noch im Kaltmaischverfahren, mit anschließender Aufheizung auf die 1. Raststufe, im Dreimaisch Dekoktionsverfahren gebraut. "Kann, dass jemand bestätigen?"
Gruß Herbert
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#10

Beitrag von maecki-maecki »

Ich könnte mir folgenden Vorteil vorstellen:
Die Dünnmaische nach dem Kaltmaischen hat eine hohe diastatische Aktivität (Hier im Forum oft als ‚Enzymbooster‘ zitiert).

Die zurückgeführte Kochmaische kann von diesen Enzymen schnell und weitgehend aufgeknuspert werden… (hohe Ausbeute und hoher Vergärgrad)

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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#11

Beitrag von Herbert52 »

rauchbier hat geschrieben: Mittwoch 12. April 2023, 18:54 Was alte Sorten betrifft, muss man gar nicht so weit gehen. Da muss man sich nur mal das Chevalier Malt von crisp anschauen. Meine Sudgausausbeute ist per Infusionsverfahren da direkt in den Keller gerauscht. Da bekommt man einen kleinen Eindruck, warum früher die Dekoktion das Maß der Dinge war in Deutschland.
Ich habe vor drei Jahren, mir mal Fränkische Landgerste und Chevalier, von der Rhön-Malz besorgt und habe ein Alt und ein Weizenbock, im Dreimaischverfahren mit kalter Einmaischung gebraut und habe eine effekt. Sudhausausbeute von 62% bzw. 64% erreicht. Infusion habe ich mit der Gerste nicht gemacht, deshalb habe ich keinen Vergleich. Bei normalen Malzen erreiche ich bei Dekoktion aber auch nur etwas 1-2% bessere effekt. Sudhausausbeute.
Gruß Herbert
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#12

Beitrag von Herbert52 »

maecki-maecki hat geschrieben: Mittwoch 12. April 2023, 21:44 Ich könnte mir folgenden Vorteil vorstellen:
Die Dünnmaische nach dem Kaltmaischen hat eine hohe diastatische Aktivität (Hier im Forum oft als ‚Enzymbooster‘ zitiert).

Die zurückgeführte Kochmaische kann von diesen Enzymen schnell und weitgehend aufgeknuspert werden… (hohe Ausbeute und hoher Vergärgrad)

Mäcki
das wäre schön, wurde aber seinerzeit schon bezweifelt. Gibt es dazu belegbare Erkenntnisse.
Das praktisch mit größtem Erfolg angewandte Verfahren begegnete keineswegs ungeteilter Zustimmung in wissenschaftlichen Kreisen des
Brauwesens. Balling war es namentlich, welcher es wegen der zu starken Vernichtung der Diastase, der zu langen Maischdauer und des
zu großen Kosten- und Arbeitsaufwandes verurteilte.
Herbert
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#13

Beitrag von Herbert52 »

Ich möchte nochmal auf das 3-Maischdekoktionsverfahren zurück kommen, es gibt mehrere Varianten beim Kochvorgang.
3 mal Aufkochen ohne Zwischenrast,
3 mal Aufkochen, nur beim 1. Aufkochen Zwischenrast bei 70°C
3 mal Aufkochen, nur beim 1. Aufkochen Zwischenrast bei 72°C
3 mal Aufkochen, beim allen Aufkochvorgängen Zwischenrast bei 70°C
3 mal Aufkochen, beim allen Aufkochvorgängen Zwischenrast bei 70°C
vielleicht gibt es noch weitere Kochverfahrenn die sind mir aber nicht bekannt.
kann mir jemand erklären,
- warum überhabt eine Zwischenrast?
- wann wird welches Verfahren anwendet?
- welche Vor- oder Nachteilen haben die Verfahren?
Gruß Herbert
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#14

Beitrag von rakader »

Gute Frage Herbert. Zur Zwischenrast: Ich vermute mal stark die Dextrine.

Fände eine Begründung auch sehr interessant und würde die als Beispiel für die Doku des Kleinen Brauhelfers nehmen.

Gruß
Radulph
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#15

Beitrag von Ladeberger »

Ich würde Dickmaischen immer im Wirkbereich der α-Amylase bei ± 70°C rasten, damit bereits gelöste Stärke zu niedermolekularen Dextrinen abgebaut und damit die Maische wieder verflüssigt wird. Ohne diese Rast kann es dir passieren, dass du einen Topf voll stichfestem Maische-Kleister produzierst. Da steigt selbst das stärkste Rühwerk aus.

Die unbedingte Notwendigkeit der Rast sinkt natürlich je nach Vorbedingungen, insbesondere wenn
- die Gesamtmaische bereits durch vorhergehende Kochmaischen teilweise verzuckert ist,
- die Restmaische bereits bei > 60 °C enzymatisch angegriffen wurde,
- es sich bei der Teilmaische um Dünnmaische handelt (meist dann eh die zweite oder letzte Teilmaische)
- die Schüttung so enzymaktiv ist, dass ein ausreichender Stärkeabbau "im Vorbeigang" während des Aufheizens gewährleistet ist.

Gruß
Andy
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#16

Beitrag von Herbert52 »

Hallo Andy,
Danke für deine Anwort.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist eine Zwischenrast in jedem Fall notwendig. Und die sollte bei 70 Grad sein. Da ich bei Dekoktion bei 38 Grad einmaiche, erste Rast bei 35 Grad. 2 Rast bei 53 Grad 3. Rast 65 Grad. Abmaischen bei 75 Grad, dann benötige ich bei den 2. und 3. Kochvorgängen keine weitere Zwischenrast!!?? Welchen Unterschied macht es, wenn die Zwischenrast mit 70 oder 72 Grad angefahren wird.
Gruß Herbert
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#17

Beitrag von Ladeberger »

Hallo Herbert,

ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, was du mit Rasttemperatur meinst. Die Temperatur der (ruhenden) Restmaische oder nach Aufmaischen die Temperatur der Gesamtmaische? Wie gesagt sollte die Restmaische schon > 60 °C gesehen haben, um zumindest einer teilweisen Verzuckerung unterzogen zu werden. Bei 53 °C ist das noch nicht der Fall, eine bei dieser Temperatur gezogene Teilmaische würde ich ebenfalls noch bei 70 °C verzuckern.

Um was geht es dir eigentlich bei der Frage? Zeitersparnis? Eine bestimmte Zuckerzusammensetzung? Es ist für mich nämlich nicht ganz klar, warum du ein so wahnsinnig intensives Maischverfahren wählst, dann aber andererseits die paar Minunten für eine Verzuckerung überspringen möchtest.

Ob 70 oder 72 °C spielt - in diesem Kontext - meines Erachtens kaum eine Rolle.

Gruß
Andy
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#18

Beitrag von Herbert52 »

Hallo Andy,
Ich meine die Temperatur der Restmaische, die ist ja identisch mit der Absetztemperatur. Ich habe schon mehrfach Dekoktion durchgeführt, und die Biere die ich mit Dekoktion gebraut habe, waren immer sehr gut, gutes Mundgefühl und sehr intensiv im Geschmack. In der Zwischenzeit sind mir immer wieder verschiedene Verfahren vorgekommen und habe auch nach verschiedenen Verfahren gebraut, ohne jedoch ausreichendes Hintergrundwissen zu haben. Mir geht es nicht um Zeitersparnis, ich mag es nicht. wenn ich etwas tue, ohne zu wissen warum. Wenn ich z.B. bei Jan im Buch nachsehen, Kerniges tschechisches Pils, oder im Wiki Malzbetontes Bier, die Verfahren unterscheiden sich nur minimal, aber es ist m.M. schon ein Unterschied
malzbetont oder kernig. Ohne, dass ich dafür einer Klärung hatte. Gruß Herbert
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Re: Dekoktion nach dem Alt-bayerischen Maischverfahren.

#19

Beitrag von rakader »

Herbert52 hat geschrieben: Mittwoch 19. April 2023, 19:29 Wenn ich z.B. bei Jan im Buch nachsehen, Kerniges tschechisches Pils, oder im Wiki Malzbetontes Bier, die Verfahren unterscheiden sich nur minimal. Ohne, dass ich dafür einer Klärung hatte.
Das hat auch viel mit Traditionen zu tun. Ob jetzt 70 oder 72 °C ist egal (Optimium liegt bei 71 °C), wie Andy nachvollziehbar erklärt hat. Und das wird dann bei solchen Empfehlungen kundgetan und nicht weiter begründet.

Wenn man das Wiki und Jans Buch liest, erkennt man schon an der Textmenge und den Lemmata, von welcher Schule die Autoren beeinflusst sind. Bei den Wiki-Autoren ist schnell klar, dass sie nicht USA-geprägt sind.

Viel interessanter finde ich Begründungen für gröbere Unterscheidungen, beispielsweise drei- und zweistufige Dekoktion. Wo liegen die jeweiligen Stärke? Geschmackliche Unterschiede?

Innerhalb eines Verfahrens schaut man sich die Variationen an und entscheidet sich für seine eigene Handschrift. Ob Du die letzte Zwischenrast gleichmäßig wie alle anderen vorher führst wie Jan in seinem Buch oder im Vorbeigang, wie von Andy erwähnt, ist wohl egal. Was ich damit sagen will: So begründet sind die feinen Unterschiede oft gar nicht.

Gruß
Radulph

Edit: Für mich war Andys wichtigste Information, dass mit der Zwischenrast Maischebeton verhindert wird, weil die kurzkettigeren Dextrine die Maische wohl lockern. Damit ist man am Kern der Frage und kann das Kapitel schließen.
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Viele Grüße / Regards
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