Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

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Mano_factum
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Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

#1

Beitrag von Mano_factum »

Hi Hobbybrauer,


Ein paar Fragen zur Rechtslage beim Hobbybrauen, speziell von Getraenken die nicht speziell Bier/Wein/Met/... sind, und von spontan vergorenen Bieren (oder auch anderen Getraenken). Zum Teil wurden Sachen auch schon hier diskutiert und ich habe the threads verlinkt, die ich Gefunden habe.

Zunächst mal die Frage nach der Stammwürze innerhalb der 2hl Grenze. Soweit ich es verstanden habe, ist die Stammwürze nur ausschlaggebend für alles, was über die Grenze hinausgeht. Ich könnte ja dann durchaus 2hl doppelt starken Sud brauen und dann mit Wasser verdünnen. Hier spielt dann natürlich auch wieder die bereits diskutierte Frage nach 2hl pro Person oder pro Haushalt rein, die etwas von der Laune des jeweiligen Zollbeamten abhängig sein scheint, den man diese Frage stellt (siehe z.B. hier).

Eine ähnliche Frage auch im Zusammenhang mit z.B. Braggot, oder anderen Getränken, die nur zum Teil aus Gerste sind. Ich habe versucht herauszufinden, ob es bei der Herstellung von Wein, Met, Cider, etc. auch so etwas wie eine 2hl Grenzmenge gibt, aber bin nicht fündig geworden. Wenn ich jetzt ein Getränk herstelle bei dem <50% des zu verheerenden Zuckers aus Gerste/Weizen/o.ä. kommt, und >50% z.B. aus Honig, Trauben, Äpfeln, etc., stelle ich dann im Sinne des Gesetzes Bier oder Wein her? Ich berufe mich da vor allem auf das Biersteuergesetz und die Definition von Bier nach der Kombinierten Nomenklatur. Wahrscheinlich steht die Antwort dort eindeutig da, aber ist so unter legalesisch vergraben, dass ich mir jetzt echt nicht sicher bin. Von Interesse in Zukunft wird wahrscheinlich auch dieser Satz hier sein, der sich im Biersteuergesetz findet. Bis dahin haben wir aber wohl noch 7 Jahre Zeit...:
Ab dem 1. Januar 2031 werden bei der Berechnung des Grades Plato alle Zutaten des Bieres, einschließlich derer, die nach Abschluss der Gärung hinzugefügt werden, berücksichtigt.
Des Weiteren wird in diesem thread hier unter anderem darüber diskutiert, dass es ja eigentlich erst zu Bier wird wenn Hefe gepitcht wird. Wie verhält es sich denn nur mit spontan vergorenen Bieren? Wenn ich meinen Sud über Nacht draußen stehen lasse (auf meinem Grundstück oder auch nicht), und dann bei mir vergären lasse, habe ich dann eigentlich Bier hergestellt.

Nachdem ich etwas nach diesen Fragen recherchiert habe, frage ich mich jetzt auch, ob das alles Haarspalterei ist. Natürlich könnte (und werde) ich den 2075 einreichen, sobald ich plane zu brauen, und ich zahle auch die Steuern, falls ich über 2hl/Jahr hinaus komme. Nachdem ich jetzt aber auch jede Menge Fragen habe, habe ich auch die Hoffnung auf die eine oder andere Antwort, am besten natürlich, wenn irgendwie mit persönlicher Erfahrung mit den erwähnten Methoden.
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§11
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Re: Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

#2

Beitrag von §11 »

Es gibt keine Weinsteuer, demnach auch keine 2hl Grenze.

Ob die Hefe angestellt wird oder spontan ins Bier gelangt,
Ist egal. Bier ist das vergorene Produkt, das Gesetz spricht nicht davon vorher die Hefe kommt die das Bier vergoren hat.

Auch wenn sich ein Bier nicht Bier nennen darf, weil, zum Beispiel Zutaten drin sind, die die Bezeichnung Bier verbieten, ist Biersteuer fällig, sobald es sich um ein Produkt handelt das aus vergorenem Getreide besteht.

Cheers

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
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Spittyman
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Re: Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

#3

Beitrag von Spittyman »

§11 hat geschrieben: Montag 23. Oktober 2023, 02:06 Es gibt keine Weinsteuer, demnach auch keine 2hl Grenze.

Ob die Hefe angestellt wird oder spontan ins Bier gelangt,
Ist egal. Bier ist das vergorene Produkt, das Gesetz spricht nicht davon vorher die Hefe kommt die das Bier vergoren hat.

Auch wenn sich ein Bier nicht Bier nennen darf, weil, zum Beispiel Zutaten drin sind, die die Bezeichnung Bier verbieten, ist Biersteuer fällig, sobald es sich um ein Produkt handelt das aus vergorenem Getreide besteht.

Cheers

Jan
Mal eine Frage aus Interesse, es muss sich um eine alkoholische Gärung handeln, nicht wahr? Sonst müsste für Brottrunk ja auch Steuer abgeführt werden.

Grüße
Fabian
Menschen, die bestimmte Biere aufgrund ihrer Herkunft, Brauart oder Farbe als "Hundepisse" bezeichnen, tun mir leid. :thumbdown Es lebe der Geschmack und die Vielfalt in jederlei Hinsicht! :Bigsmile
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hiasl
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Re: Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

#4

Beitrag von hiasl »

Spittyman hat geschrieben: Montag 23. Oktober 2023, 07:49 Mal eine Frage aus Interesse, es muss sich um eine alkoholische Gärung handeln, nicht wahr? Sonst müsste für Brottrunk ja auch Steuer abgeführt werden.
Ja! Alles unter 0,5 % Vol. ist steuerfrei, da es nicht Bestandteil der Zolltarifnummer 2203 der kombinierten Nomenklatur ist.
Gruß
Matthias
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Ruthard
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Re: Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

#5

Beitrag von Ruthard »

Mano_factum hat geschrieben: Montag 23. Oktober 2023, 00:12 Natürlich könnte (und werde) ich den 2075 einreichen, sobald ich plane zu brauen, und ich zahle auch die Steuern, falls ich über 2hl/Jahr hinaus komme.

Hoppla, hier willst du den zweiten Schritt vor dem ersten machen - die 2075 kommt zuletzt.

Zunächst einmal musst du das für deinen Wohnort zuständige HZA in Kenntnis setzen, dass zu brauen willst. Das nennt sich "Anzeige", siehe §41 Abs. 2 BierStV: https://www.gesetze-im-internet.de/bier ... /__41.html
Für die Anzeige gibt es kein Formular, das geschieht formlos schriftlich, einen Mustertext findet du in den Wiki.

Erst wenn du die Voraussetzungen zum steuerfreien Brauen nach §41 Abs. 1 BierStV nicht mehr erfüllst, d.h. wenn du
nicht im eigenen Haushalt braust, oder
Bier nicht ausschließlich zum eigenen Verbrauch herstellst oder
verkaufst, oder
2hl pro Kalenderjahr überschreitest,

ist eine Steueranmeldung nach §41 Abs. 3 BierStV fällig. Dafür ist das amtliche Formular zu verwenden, das vielzitierte "2075".

Braust du im Rahmen der zitierten Voraussetzungen 2hl Bier mit 18° Plato, ist das steuerfrei. Kippst du 200 Liter Wasser dran, sind die ersten 200 Liter mit 9° Plato steuerfrei, die zweiten 200 Liter musst du mit 9° Plato versteuern - nicht nur das, du musst das auch trinken!

Brottrunk hat gewöhnlich einen Alkoholgehalt von nicht mehr als 0,3 Vol% Alkohol, und ist schon von daher steuerfrei. Steuergegenstand der Biersteuer sind gemäß §1 Abs. 2 Pkt. 1 Erzeugnisse der Position 2203 der Kombinierten Nomenklatur, das ist Bier aus Malz. Malz ist "einem unterbrochenen Keimungsprozeß unterworfenes Getreide, welches durch diese Behandlung in hohem Grade die Eigenschaft erlangt, die in ihm enthaltene Stärke und selbst noch größere Mengen von letzterer in Dextrin und Zucker zu verwandeln" (Meyers Konversationslexikon, 4. Auflage 1885 -1892). Malz wird gewöhnlich nicht zum Brotbacken verwendet, wobei es Bäckereien geben soll, die ihren Brotteigen Malz zusetzen - es soll sogar Mälzereien geben, die den überwiegenden Teil ihrer Produktion an die Backindustrie verkaufen. Ich halte es aber nicht für zweckdienlich, darüber laut und öffentlich nachzudenken.

Das Europarecht verlangt von den Mitgliedsländern eine Weinsteuer zu erheben, wobei der Steuersatz von den Ländern selbst festgelegt werden darf. Der Steuersatz beträgt in Deutschland 0 (in Worten: Null)% Zu verdanken ist das den Winzern, die sich rechtzeitig auf die Hinterfüße gestellt und das für ihre Berufsgruppe erstritten haben.

Cheers, Ruthard
Manchmal braucht es nicht viel für einen guten Tag, ein kühles Bier und 5 Millionen EuroBild
Mano_factum
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Re: Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

#6

Beitrag von Mano_factum »

Vielen Dank für die Antworten und auch die weiteren Fragen (und deren Antworten) zu dem Thema.
Ruthard hat geschrieben: Montag 23. Oktober 2023, 13:33 Hoppla, hier willst du den zweiten Schritt vor dem ersten machen - die 2075 kommt zuletzt.
Danke Ruthard. Ja, da habe ich tatsächlich etwas verwechselt. Ich bin sozusagen gerade in der Vorbereitungsphase und das ist gut zu wissen. Dann bin ich ja eigentlich sehr flexibel. Ich fange z.B. Anfang 2024 mit vorheriger Anzeige an zu brauen, und sollte ich gegen Ende des Jahres 2hl überschreiten, reiche ich zu diesem Zeitpunkt die 2075 ein.

Ruthard hat geschrieben: Montag 23. Oktober 2023, 13:33 Braust du im Rahmen der zitierten Voraussetzungen 2hl Bier mit 18° Plato, ist das steuerfrei. Kippst du 200 Liter Wasser dran, sind die ersten 200 Liter mit 9° Plato steuerfrei, die zweiten 200 Liter musst du mit 9° Plato versteuern - nicht nur das, du musst das auch trinken!
Ok, das klingt irgendwie sinnvoll. Vielleicht war ich etwas zu überrascht darüber, dass sich das so einfach umgehen ließe...
In dem Zusammenhang frage ich mich aber trotzdem noch nach der Grenze zwischen Bier und Wein. Ist es Bier und entsprechend versteuerbar, sobald auch nur 1% Malz drin ist, z.B. wenn ich einen mit Malz angereicherten Met herstelle? Wie ich das Getränk dann nennen darf, ist mir letztendlich so einerlei wie das Reinheitsgebot selbst, da es für den eigenen Gebrauch ist, aber ob es nun als Bier oder als Wein versteuert wird, ist unter Umständen ein ausschlaggebender Unterschied.


Zu guter Letzt, auch wenn etwas offtopic:
Ruthard hat geschrieben: Montag 23. Oktober 2023, 13:33 Malz wird gewöhnlich nicht zum Brotbacken verwendet, wobei es Bäckereien geben soll, die ihren Brotteigen Malz zusetzen
Ja, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. 'diastatic malt' kann dem Teig zugesetzt werden, um die Amylaseaktivität zu erhöhen. Dadurch wird mehr/schneller fermentierbarer Zucker verfügbar. Besonders interessant, wenn man mit Sauerteig arbeitet.
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Bilbobreu
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Re: Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

#7

Beitrag von Bilbobreu »

Moin,
Wonach richtet sich, ob ein Getränk Bier ist oder nicht?
Nach dem BVerwG (Urteil vom 24.02.2005 - BVerwG 3 C 5.04) ist Bier ein unter Verwendung von Hefe gegorenes Getränk im Wesentlichen aus Wasser, Hopfen und Malz oder pflanzlichen Malzersatzstoffen, das nach Aussehen, Geruch und Geschmack von der Verkehrsanschauung als Bier angesehen wird.
Es kommt bei dieser Definition nicht darauf an, ob in dem Getränk tatsächlich Hefe, Wasser, Hopfen und Malz drin sind. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verkehrsanschauung (also die mehrheitliche Einschätzung der interessierten und/oder betroffenen Marktteilnehmer) das Getränk als Bier ansieht oder nicht.
Ganz ähnlich beantwortet auch das europäische Recht diese Frage. Position 2203 der kombinierten Nomenklatur (Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der Fassung der Verordnung Nr. 2587/91) spricht von "Bier aus Malz" und bildet die Basis für die biersteuerrechtliche Bewertung in § 1 Abs. 2 BierStG. Der EuGH (C-195/18 - Urteil vom 13.03.2019) hatte dazu ebenfalls die Frage zu beantworten, was Bier ist. Der EuGH sagt, dass ein Getränk dann Bier ist, wenn seine objektiven Merkmale und Eigenschaften denen von Bier entsprechen und insoweit sind konkret die organoleptischen Merkmale des betreffenden Erzeugnisses zu berücksichtigen. Organoleptische Merkmale sind all jene physikalischen Eigenschaften der Materie im Allgemeinen, die von den Sinnen wahrgenommen werden, wie Geschmack, Textur, Geruch, Farbe oder Temperatur.
Also auch nach Ansicht des EuGH kommt es nicht auf die Zutaten oder die Bezeichnung des Getränks an, sondern letztlich darauf, ob eine sensorische Prüfung zu einer Einordnung des Getränks als Bier führt.
Beste Grüße
Stefan
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hiasl
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Re: Gemischte und spontane Fermentationen und Steuern

#8

Beitrag von hiasl »

Mano_factum hat geschrieben: Montag 23. Oktober 2023, 19:30 In dem Zusammenhang frage ich mich aber trotzdem noch nach der Grenze zwischen Bier und Wein. Ist es Bier und entsprechend versteuerbar, sobald auch nur 1% Malz drin ist, z.B. wenn ich einen mit Malz angereicherten Met herstelle? Wie ich das Getränk dann nennen darf, ist mir letztendlich so einerlei wie das Reinheitsgebot selbst, da es für den eigenen Gebrauch ist, aber ob es nun als Bier oder als Wein versteuert wird, ist unter Umständen ein ausschlaggebender Unterschied.
Das ist nicht ganz einfach zu beantworten, da ich mich ins Weinrecht nur mal eben grob eingelesen habe. Ich meine aber, dass die die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen für Wein aus Trauben (Weingesetz, Weinverordnung) und die Leitsätze der Lebensmittelbuchkommission für weinähnliche Getränke ausschlaggebend sind. Dort taucht nirgends Malz auf. Ich wage daher zu behaupten, sobald Malz in die Gärung einfließt handelt es sich demnach um Bier. (Stefan war schneller) Honigwein/Met dürftest du nach den Leitsätzen aber nicht mal Zucker zusetzen.

Es geht hier nur um die Besteuerung. Die hängt ja immer von der kombinierten Nomenklatur ab. Hier wird nur zwischen Wein und Bier unterschieden.
(Siehe Stefans Beitrag!)

Im gewerblichen Bereich wäre es noch viel komplizierter, denn die Abweichung von den Leitsätzen kann ganz schnell als Verbrauchertäuschung abgemahnt werden. Da muss man sich schon was einfallen lassen, wie man die Verkehrsbezeichnung handhabt. Met dürftest du es sicher nicht mehr nennen.
Gruß
Matthias
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