Die Sache mit den Farbrechnern

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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Colindo
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Die Sache mit den Farbrechnern

#1

Beitrag von Colindo »

Hallo zusammen,

ich könnte mir vorstellen, dass dazu schon mal diskutiert wurde, aber konkret finden konnte ich im Forum nichts. Im Zweifelsfall gerne Links zu älteren Threads kommentieren.

Es werden viele wissen, dass die Farbvorhersage eines fertigen Bieres nicht so einfach ist und der EBC-Wert selbst dafür gar nicht so aussagekräftig ist, wie Jan schon mal gezeigt hat. Das hier aber nur am Rande.

Wenn man sich jetzt für den EBC-Wert seines geplanten Bieres interessiert, gibt es dafür eine Reihe an Formeln, die seit den 90ern aufgestellt wurden. Sie berechnen den EBC-Wert aus der Schüttung des Bieres. Eine sehr gute Übersicht dazu gibt dieser Artikel, den ich hier kurz zusammenfassen will:
  • * Es gibt ein halbes Dutzend Formeln aus den 90ern, teilweise zusätzlich mit Varianten, und zwei aus der jüngeren Vergangenheit.
    * Praktisch alle Formeln funktionieren für helles Bier gut bis sehr gut.
    * Bei dunklen Bieren greifen die Formeln aus den 90ern völlig daneben und geben teils nur den halben EBC-Wert an.
Das folgende Bild zeigt den Farbfehler der einzelnen Formeln nach einem Modell aus dem Buch "Untergärig und Dunkel", einnmal für ein Pilsner (blaue Balken) und einmal für ein Dunkles (orangene Balken).
Übersicht_Farbrechner.png
Wie man sieht, sind einzig die Formeln von Hanghofer 1999, Krüger und die aus dem obengenannten Buch zuverlässig für helles und dunkles Bier.

Der genauste Farbrechner, der uns zur Verfügung steht, ist der von MMuM, da dort die Formel nach Krüger verwendet wird. So wird dort für die Schüttung des Guinness Extra Stouts eine Farbe von 143 EBC ermittelt, die gut zu einer Messung von 148 EBC aus dem Jahr 2000 passt.
Guinness.png
Guinness.png (62.43 KiB) 939 mal betrachtet
Guinness_Farbwerte.jpg
Da ich erst seit 2018 als Hobbybrauer aktiv bin, bin ich lange davon ausgegangen, dass weithin die aktuellsten und genausten Formeln in den Rechnern hinterlegt sind. Das ist aber, wahrscheinlich weil die Publikationen nur im deutschen Sprachraum stattfanden, oft nicht der Fall. Prominentestes Beispiel ist die Software Brewfather, die wohl eine der Formeln aus den 90ern verwendet und dadurch bei dunklen Bieren schon mal für Verwirrung sorgt (Ich erinnere mich an entsprechende Threads in der Facebook-Gruppe). Auch die sonst sehr aktuelle Webseite Brewersfriend.com, die zum Beispiel beim Refraktometerrechner die Formel von Novotny (2017) nutzt, gibt unbrauchbare Farbwerte für Stouts aus.

Was für mich aber der absolute Knaller ist, sind die BJCP-Guidelines. Gerade erst konnte ich mich dazu durchringen, die 2021er-Guidelines zu empfehlen, da keine Misshandlungen der historischen Gegebenheiten mehr vorkommen, da zeigt mir eine Diskussion mit @malzknecht, dass Stouts dort mit maximal 40 SRM (= 80 EBC) angegeben werden. Warum? Weil die BJCP wohl Messwerte der Referenzbiere völlig in den Wind schlägt und stattdessen die Farbwerte angibt, die Hobbybrauer mit Farbrechnern aus den 90ern auch erreichen können.

Das erklärt auch meine Verwirrung bei der Planung zum Baltic Porter nach BJCP im Rahmen der diesjährigen HBCon. Nur 60 EBC, also mittelbraun? Das konnte ich mir im Verlgeich mit den kommerziell erhältlichen, eindeutig schwarzen, Beispielen nicht erklären. Für meinen Beitrag habe ich die Farbspezifikation in den Wind geschlagen und auf 100 EBC abgezielt. Aber einige werden wohl ein mittelbraunes Bier eingereicht haben.
In dem Zusammenhang würde mich interessieren, wie die Judges bei BJCP die Farbe bestimmen. Vielleicht kann das jemand mit entsprechender Erfahrung beantworten. Ist es anhand von Farbkarten, die nach Messwerten gehen oder ist da auch irgendwo eine Formel aus den 90ern involviert? Ersteres ist exakter, macht eine Erfüllung der BJCP-Spezifikation aber unmöglich.

Ganz generell würde ich noch gerne Frange, wie eure Erfahrungen zu dem Thema sind. Nutzt ihr Brewfather für die Rezepterstellung? Und welche Formel benutzt der kleine Brauhelfer?
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PabloNop
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#2

Beitrag von PabloNop »

Der KBH implementiert dieselbe Formel wie MMuM. Ich weiss aber nicht, ab welcher Version das gilt.

Edit: als Ergänzung, da es nichts mit der Berechnung der Bierfarbe zu tun hat, sondern mit der Umrechnung in RGB für die Monitordarstellung: es gibt auf Github ein Repository, wo jemand einen moderneren Ansatz implementiert. Ich habe mir die Ergebnisse aber noch nicht angeschaut.
Colindo
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#3

Beitrag von Colindo »

PabloNop hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 15:50 Ich habe mir die Ergebnisse aber noch nicht angeschaut.
Das mit dem KBH beruhigt mich schon mal. Die Formel auf Github ist interessant, aber sowas bieten die meisten Rechner tatsächlich schon. Also MMuM, Brewersfriend und Brewfather haben ein kleines Farbfeld, wo eine RGB-Farbe zur EBC angegeben wird. Da sieht man dann (eigentlich) auch direkt, dass 80 EBC viel zu hell für ein Stout sind. Also das Farbfeld passt immer zu den EBC so, wie es in der Wirklichkeit ungefähr hinhaut (abgesehen von der generellen Unschärfe des EBC-Werts).
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VolT Bräu
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#4

Beitrag von VolT Bräu »

Bei den HHBT ist die Erfahrung, dass die dunklen Biere oft heller ausfallen als geplant. Da wahrscheinlich oft mit MMuM und KBH gearbeitet wird, passt es ja ins Bild - wobei der Effekt dort eher größer als ~10% schien.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#5

Beitrag von rakader »

Colindo hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 14:35
Was für mich aber der absolute Knaller ist, sind die BJCP-Guidelines. Gerade erst konnte ich mich dazu durchringen, die 2021er-Guidelines zu empfehlen, da keine Misshandlungen der historischen Gegebenheiten mehr vorkommen, da zeigt mir eine Diskussion mit @malzknecht, dass Stouts dort mit maximal 40 SRM (= 80 EBC) angegeben werden. Warum? Weil die BJCP wohl Messwerte der Referenzbiere völlig in den Wind schlägt und stattdessen die Farbwerte angibt, die Hobbybrauer mit Farbrechnern aus den 90ern auch erreichen können.
Hallo, das war Gedankenübertragung. Die gleichen Fragen stelle ich mir aktuell gerade auch in einem Thread zu Belgian Dubbel. Ich bin bei der Rezeptentwicklung durch das Buch Brew Like A Monk von Stan Hieronymous und einem Blick auf das Referenzbier Westmalle Dubbel darüber gestolpert: BJCP 20-35 EBC, Westmalle 86 EBC. Krass. Interessant zu wissen ist, dass die amerikanische Brewers Association, also der US-Brauerverband, von 32-72 EBC spricht. Was mich zur Frage bringt: What the hell machen die Judges da?

:Drink
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Edit: Der KBH bezieht sich auf viele Formeln von MMuM, meines Wissens seit v2, die konkrete Farbwertermittlung beruht auf einer Arbeit von Jörg Krüger im Braumagazin wurde aber angepasst, die RGB-Ermittlung nutzt die MMuM-Wert Die Formelsammlung ist hier in einem Faden sowie in der Hilfe des KBH hinterlegt. Die Farbwerte des KBH wurden mit Version 2.2 überarbeitet und modernisiert. Formel findet Ihr hier.
EBC.png
Zuletzt geändert von rakader am Sonntag 25. Februar 2024, 21:32, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#6

Beitrag von rakader »

Noch eine Ergänzung. Der KBH bezieht sich auch aufs Braumagazin, der Link ist aber broken. Korrekt:
https://braumagazin.de/article/bierfarbe/
Vielleicht können die Ingenieure damit etwas anfangen, mir ist das zu kompliziert.
VolT Bräu hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 20:52 Bei den HHBT ist die Erfahrung, dass die dunklen Biere oft heller ausfallen als geplant. Da wahrscheinlich oft mit MMuM und KBH gearbeitet wird, passt es ja ins Bild - wobei der Effekt dort eher größer als ~10% schien.
Kann ich deutlich bestätigen. Was ist HHBT?
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#7

Beitrag von VolT Bräu »

Googeln wäre schneller gewesen. :Wink
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#8

Beitrag von rakader »

Colindo hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 16:57
PabloNop hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 15:50 Ich habe mir die Ergebnisse aber noch nicht angeschaut.
Das mit dem KBH beruhigt mich schon mal. Die Formel auf Github ist interessant, aber sowas bieten die meisten Rechner tatsächlich schon. Also MMuM, Brewersfriend und Brewfather haben ein kleines Farbfeld, wo eine RGB-Farbe zur EBC angegeben wird. Da sieht man dann (eigentlich) auch direkt, dass 80 EBC viel zu hell für ein Stout sind. Also das Farbfeld passt immer zu den EBC so, wie es in der Wirklichkeit ungefähr hinhaut (abgesehen von der generellen Unschärfe des EBC-Werts).
Noch als Ergänzung zu den Farbfeldern: Die meisten Rechner sind unter Windows auf einen Gamut von 2,0 oder 2,2 eingestellt, also für das Lesen von Schrift. Bei Apple ist das mittlerweile identisch (früher 1,8). Bei einem hohen Gamut sind die Linien von Schrift kräftiger, die Augen ermüden weniger, Nuancen gehen aber verloren. Das. führt dazu, dass die Farbbalken im Kleinen Brauhelfer über 75 EBC schwarz und nicht mehr zu unterscheiden sind. Im Druck und der Medienproduktion simulieren Proof-Monitore und Leuchttische die echten Lichtverhältnisse mit 1,5 Gamut und 5.500 Kelvin. Dadurch wirkt zunächst alles gelblich. Auf unser Bier umgemünzt heißt das vereinfacht, dass wir die Lichtwirkung in den Brauapps nicht richtig darstellen können. Die Monitore heute sind auf Text und Video hin optimiert. Eine Brausoftware müsste als eine richtige Farbkonvertierung mit Farbprofilen wie in Adobe Photoshop unter der Haube haben. Das erklärt vielleicht mit, warum die Entwickler da nicht die Sorgfalt wie bei anderen Berechnungen angewendet haben - das Feld ist einfach sehr komplex und mit lizenzrechtlichen Fallstricken verbunden; bei Flüssigkeiten ist es dann noch mal ein ganz eigenes Feld.

Einigermaßen genau geht es eigentlich nur mit einem Zahlenwert der Brausoftware und einem Farbfächer auf genormten Papier. Ich meine mich zu erinnern, so einen schon mal in einem Braushop gesehen zu haben.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#9

Beitrag von DevilsHole82 »

Colindo hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 14:35 Das erklärt auch meine Verwirrung bei der Planung zum Baltic Porter nach BJCP im Rahmen der diesjährigen HBCon. Nur 60 EBC, also mittelbraun? Das konnte ich mir im Verlgeich mit den kommerziell erhältlichen, eindeutig schwarzen, Beispielen nicht erklären. Für meinen Beitrag habe ich die Farbspezifikation in den Wind geschlagen und auf 100 EBC abgezielt. Aber einige werden wohl ein mittelbraunes Bier eingereicht haben.
In dem Zusammenhang würde mich interessieren, wie die Judges bei BJCP die Farbe bestimmen. Vielleicht kann das jemand mit entsprechender Erfahrung beantworten. Ist es anhand von Farbkarten, die nach Messwerten gehen oder ist da auch irgendwo eine Formel aus den 90ern involviert? Ersteres ist exakter, macht eine Erfüllung der BJCP-Spezifikation aber unmöglich.
Vielleicht meldet sich Jan noch in diesem Thread. Er sitzt näher an den BJCP Leuten und kann bestimmt was dazu sagen :Wink

Farbtechnisch würde ich aber ehrlich gesagt auf die BJCP Richtlinie verzichten und mich an kommerziellen Bieren orientieren. Ich verwende für meine Rezepte ausschließlich den KBH und orientiere mich an dieser Farbberechnung, sowie Erfahrung aus vorherigen Suden.
Gutes Beispiel ist mein Fuller's London Porter Clone. Berechnet mit 125 EBC. Auf dem Bild im Rezept kann man auch gut erkennen, dass es eindeutig schwarz ist.
Gruß, Daniel

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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#10

Beitrag von Colindo »

DevilsHole82 hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 11:05 Gutes Beispiel ist mein Fuller's London Porter Clone. Berechnet mit 125 EBC. Auf dem Bild im Rezept kann man auch gut erkennen, dass es eindeutig schwarz ist.
Das ist ein sehr gutes Rezept, was ich schon mehrmals empfohlen habe. Die Farbe kommt so auch hin, wobei ich sagen muss, dass für mich visuell bei 120 EBC gerade erst das schwarz beginnt. Alles darunter wirkt oft noch dunkelbraun. Hängt natürlich auch vom Glas ab.
VolT Bräu hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 20:52 Bei den HHBT ist die Erfahrung, dass die dunklen Biere oft heller ausfallen als geplant. Da wahrscheinlich oft mit MMuM und KBH gearbeitet wird, passt es ja ins Bild - wobei der Effekt dort eher größer als ~10% schien.
Das ist halt das Problem, wenn man fehlerbehaftete Guidelines benutzt :Wink Wie kommst du auf die 10%? Es sind, insbesondere bei Stouts, eher 50% Fehler.

@rakader Danke für die vielen Infos. Eine kompetente Umwandlung eines EBC-Werts in einen Farbwert, egal an welchem Gerät, ist ja, nach einschlägigen Aussagen, eh nicht möglich. Zu viele Möglichkeiten an Bierfarben für den gleichen EBC-Wert. Im Github-Text, den PabloNop verlinkt hat, ist ein schöner Artikel von Briess verlinkt, der das verdeutlicht.

Ich denke auf den KBH kann man sich entsprechend deiner Aussagen verlassen. Jetzt müssen wir nur noch die Leute, die Brewfather benutzen, zum Wechsel überzeugen. Oder jemand schreibt mal die Leute von Brewfather an.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#11

Beitrag von VolT Bräu »

Colindo hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 12:15
VolT Bräu hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 20:52 Bei den HHBT ist die Erfahrung, dass die dunklen Biere oft heller ausfallen als geplant. Da wahrscheinlich oft mit MMuM und KBH gearbeitet wird, passt es ja ins Bild - wobei der Effekt dort eher größer als ~10% schien.
Das ist halt das Problem, wenn man fehlerbehaftete Guidelines benutzt :Wink Wie kommst du auf die 10%? Es sind, insbesondere bei Stouts, eher 50% Fehler.
Die 10% sind aus der Grafik... Die Abweichung bei "Krüger". Ich habe mich da jetzt nicht so tief eingelesen, aber ich glaube der Vergleich basiert auf n=1? So einfach wird es nicht sein, sonst könnte man den Fehler ja leicht beheben mit einer neuen Formel.
Jedenfalls passt es ins (Erfahrungs-) Bild, dass MMuM /KBH die Farbe eher überschätzen.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#12

Beitrag von Colindo »

VolT Bräu hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 12:56 Die 10% sind aus der Grafik... Die Abweichung bei "Krüger". Ich habe mich da jetzt nicht so tief eingelesen, aber ich glaube der Vergleich basiert auf n=1? So einfach wird es nicht sein, sonst könnte man den Fehler ja leicht beheben mit einer neuen Formel.
Jedenfalls passt es ins (Erfahrungs-) Bild, dass MMuM /KBH die Farbe eher überschätzen.
Da haben wir etwas aneinander vorbei geredet. Bei den HHBT werden ja eigene Spezifikationen gesetzt. Da wäre der Fehler dann entsprechend klein, dank moderner Rechner, deren Formeln sehr nahe an das korrekte Bier kommen.

Deine Erfahrung basiert auf einen Abgleich mit einer gedruckten Skala, oder? So war es zumindest 2021, als ich dabei war. Das ist aber keine präzise Methode. Nur eine Absorptionsmessung mit Licht bei 430nm gibt den exakten EBC-Wert. Also könnten die gedruckten Skalen den zusätzlichen Fehler verursachen.

Worüber ich mich beschwere sind die massiv abweichenden älteren Formeln. Da wird das Ganze dann dramatisch.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#13

Beitrag von rakader »

VolT Bräu hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 12:56
Colindo hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 12:15
VolT Bräu hat geschrieben: Sonntag 25. Februar 2024, 20:52 Bei den HHBT ist die Erfahrung, dass die dunklen Biere oft heller ausfallen als geplant. Da wahrscheinlich oft mit MMuM und KBH gearbeitet wird, passt es ja ins Bild - wobei der Effekt dort eher größer als ~10% schien.
Das ist halt das Problem, wenn man fehlerbehaftete Guidelines benutzt :Wink Wie kommst du auf die 10%? Es sind, insbesondere bei Stouts, eher 50% Fehler.
Die 10% sind aus der Grafik... Die Abweichung bei "Krüger".
Jedenfalls passt es ins (Erfahrungs-) Bild, dass MMuM /KBH die Farbe eher überschätzen.
Geht es genauer - kannst Du "überschätzen" näher definieren?
Colindo hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 13:24 Deine Erfahrung basiert auf einen Abgleich mit einer gedruckten Skala, oder? So war es zumindest 2021, als ich dabei war. Das ist aber keine präzise Methode. Nur eine Absorptionsmessung mit Licht bei 430nm gibt den exakten EBC-Wert. Also könnten die gedruckten Skalen den zusätzlichen Fehler verursachen.
Ja!

Die Farbe von Bier ist nurmehr eine Frage feinster Abstufungen. Hier kommt zuerst der Farbraum ins Spiel. Daher frage ich zuerst: Ist der Farbraum RGB, der die Grundlage der Berechnungen von in MMuM/KBH ist, überhaupt richtig gewählt? RGB ist eine additive Farbberechnung für Bildschirme, bei der Lichtpunkte auf einer genormten Fläche (Pixel) für den entstehenden Farbeindruck gesetzt werden. Bei einer Flüssigkeit wie Bier bestimmt aber die vorhandene Farbe die Lichtdurchlässigkeit (Absorption) die Farbwahrnehmung; sie ist also subtraktiv. Daher würde hier CMYK besser passen. Auch könnte ein Mischmodell wie LAB a und b bei einer Flüssigkeit aussagekräftiger sein. Das sind übrigens keine theoretischen Fragen, sondern wirken sich bei einer feinsten Farbnuancierung wie Bier direkt aus. Wer mal im Baumarkt Farbtabellen gewälzt hat - Wirkung auf Papier vs. an der Wand/Holz - , weiß, was ich meine.

Wenn man also tiefer in die Materie einsteigt, kommen einem Zweifel, ob der RGB-Farbraum, der in KBH/MMuM zugrunde liegt, in den Formeln richtig gewählt ist. Dazu könnte hier ein echter Medieningenieur Auskunft geben. Denn dazu müsste man mehr über die Lichtwirkung von Bier in einem genormten Glas wissen. Da habe ich leider keine Ahnung.

Entscheidend ist also der Farbraum, verbunden mit der Frage, wie man den Farbeindruck unserer Augen auf das Wiedergabemedium verfälschungsfrei konvertiert. Der subtraktive CMYK-Farbraum, der im Druck benutzt wird, kann 4 Milliarden Farben darstellen, der additive RGB-Farbraum, der an Bildschirmen benutzt wird, etwas über 25.000. Unsere Bildschirme nutzen RGB in Definition von Adobe RGB(1998), das noch einmal reduzierter ist und auf durchschnittlichem Tageslicht von 9300 Kelvin geeicht ist. Letzteres heißt, dass schon mit einer Schreibtischlampe Darstellungsfehler auftauchen. Die führt in der Praxis zu Abweichungen von ca. 30 % bis hin zu indiskutablen Farbverschiebungen: Ich hatte schon einen Fall mit Unterwasseraufnahmen in strahlendem Meeresblau, das im Druck als dreckiges Grün herauskan (das war allerdings RGB zu CMYK).
Die Lösung könnte meiner unmaßgeblichen Meinung nach der Lab-Farbraum sein, der physiologisch auf die Wahrnehmung unserer Augen definiert ist. Lab stellt doppelt so viele Farben dar wie RGB, rechnerisch 16,7 Millionen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lab-Farbraum
(Sehr interessant ist das Kapitel Umrechnung RGB zu Lab für die für die Ingenieure unter uns.)

In der Praxis lässt sich festhalten, dass unsere Augen mehr Nuancen wahrnehmen als unsere Devices darstellen. Das Thema gehört in der Medienproduktion zum anspruchsvollsten überhaupt. Ich bin mir sicher, dass dieses Thema kein Softwareentwickler von Brausoftware angeht, noch dass es sich in einer reinen Softwarelösung - ohne entsprechenden Kosten - lösen lässt; schon gar nicht in einem Open-Source-Projekt wie dem KBH.

Rein praktisch wäre derzeit eine Lösung mit normierten Farbkarten die praktikabelste. (Dann könnten die Entwickler des KBH und Sandro von MMuM über Affiliate-Links a bisserl profitieren. :thumbsup )
Wenn sich hier jemand findet, das Thema für die beste Brausoftware der Welt anzugehen, wäre ich bereit mit dem Hauptentwickler des KBH, Frédéric, das Thema ernsthaft anzugehen; es ist ohnehin eine komplette Neugestaltung des KBH für dieses Jahr in der Pipeline.

:Drink
Radulph
Zuletzt geändert von rakader am Montag 26. Februar 2024, 13:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#14

Beitrag von VolT Bräu »

Ich glaube wir reden wirklich viel aneinander vorbei. Bei den HHBT wurde die Farbe in der Vergangenheit mit Probenröhrchen und Farbskala manuell bestimmt. Das ist natürlich nicht sehr exakt, aber unterliegt nicht diesen Fehlern. Ich glaube, dass letztes Mal ein Messgerät eingesetzt wurde (weiß ich nicht genau und auch nicht welches). Auch das hat nichts mit den diskutierten Fehlern zu tun. Ob die Vorgaben sinnvoll waren, weiß ich nicht (hat aber auch nichts damit zu tun).
Was ich nur sagen wollte: Viele Einreichungen waren zu hell, selbst wenn sie auf das obere Ende der Vorgabe geplant waren. D. h. die Rezeptkalkulatoren haben die Farbe überschätzt. Der Effekt war gefühlt größer als die angegebenen 10% (lässt sich aber schwer beziffern, da man ja in der Regel nicht weiß, auf wie viel EBC genau geplant wurde).

Ich hoffe es ist jetzt klar, was ich sagen wollte. :Smile
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#15

Beitrag von rakader »

DevilsHole82 hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 11:05 Vielleicht meldet sich Jan noch in diesem Thread. Er sitzt näher an den BJCP Leuten und kann bestimmt was dazu sagen :Wink

Farbtechnisch würde ich aber ehrlich gesagt auf die BJCP Richtlinie verzichten und mich an kommerziellen Bieren orientieren. Ich verwende für meine Rezepte ausschließlich den KBH und orientiere mich an dieser Farbberechnung, sowie Erfahrung aus vorherigen Suden.
Gutes Beispiel ist mein Fuller's London Porter Clone. Berechnet mit 125 EBC. Auf dem Bild im Rezept kann man auch gut erkennen, dass es eindeutig schwarz ist.
Da bin ich wie so oft voll bei Dir. Ich habe durch BJCP unheimlich viel gelernt, stolpere aber bei den Farbangaben. Jüngst eben beim Dubbel, parallel Christoph beim Baltic Porter. (Besonders problematisch scheint mir die Wahrnehmung zwischen 75 und 120 EBC im KBH zu sein.) Das Thema wäre eine Chance, wo sich die deutschsprachigen Brauer ein- und durchsetzen müssten. Da wäre eine Wanderer zwischen den Welten wie Jan aus meiner Sicht die Top-Besetzung.

Insbesondere irritiert mich, dass die BJCP-Leute mit keinem Wort auf ihre Berechnungsgrundlagen eingehen. Die Unterschiede zur Brewers Association werden ihnen nicht entgangen sein. Transparenz sieht anders aus. Leider entwertet dieses Thema die Zuverlässigkeit der Style-Guides, die für Brauer wie mich eine Bibel sind.

Grüße
Radulph
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#16

Beitrag von dmtaylor »

Haben Sie alle diesen BJCP-Farbführer gesehen? Alle BJCP-Richter (Rang anerkannt und höher) sollten eine Karte erhalten, die der im folgenden Link gezeigten ähnelt. Es besteht aus Pappe. Ich denke, das BJCP ist sich darüber im Klaren, dass die Berechnungen nicht korrekt sind. Daher besteht der Standard darin, diesen standardmäßigen gedruckten Farbleitfaden zu verwenden, um das numerische System des BJCP mit den tatsächlichen Farben gleichzusetzen. Wenn Sie ein BJCP-Richter sind und noch keinen Farbführer haben, können Sie beantragen, dass er Ihnen per Post zugeschickt wird.

https://www.bjcp.org/education-training ... lor-guide/
David

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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#17

Beitrag von Colindo »

dmtaylor hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 14:37 Haben Sie alle diesen BJCP-Farbführer gesehen?
Thanks for the link, David. However from the description I fear that these printed references are accurate, i.e. they give the actual SRM of the beer. This will be an issue if the style guide gives 40 SRM as the maximum for a stout. You can see 44 SRM as dark brown in the picture, which is physically correct for a 50mm thick container. But any properly brewed stout will be much darker, and the old formulas will insist that you have not reached 40 SRM yet.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#18

Beitrag von Eikonal »

Seid euch bei der Diskussion aber bitte auch bewusst, dass die Farbe im BJCP Scoresheet gerade mal einen Punkt ausmacht und hier auch viel Spielraum besteht.
Niemand wird euch hier Punkte abziehen, wenn ein ohnehin dunkles Bier etwas dunkler ist. Alles was da im subjektiven Rahmen akzeptabel ist, wird den Punkt bekommen.

Viele Grüße,
Tim
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#19

Beitrag von Colindo »

Eikonal hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 15:06 Seid euch bei der Diskussion aber bitte auch bewusst, dass die Farbe im BJCP Scoresheet gerade mal einen Punkt ausmacht und hier auch viel Spielraum besteht.
Hi Tim, das ist richtig. Ein Bier, das halb so dunkel ist wie erwünscht dürfte aber auch massiv anders schmecken. Und darum geht es. Und darum, auf veraltete Farbrechner hinzuweisen.
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Re: Die Sache mit den Farbrechnern

#20

Beitrag von rakader »

dmtaylor hat geschrieben: Montag 26. Februar 2024, 14:37 Haben Sie alle diesen BJCP-Farbführer gesehen? Alle BJCP-Richter (Rang anerkannt und höher) sollten eine Karte erhalten, die der im folgenden Link gezeigten ähnelt. Es besteht aus Pappe. Ich denke, das BJCP ist sich darüber im Klaren, dass die Berechnungen nicht korrekt sind. Daher besteht der Standard darin, diesen standardmäßigen gedruckten Farbleitfaden zu verwenden, um das numerische System des BJCP mit den tatsächlichen Farben gleichzusetzen. Wenn Sie ein BJCP-Richter sind und noch keinen Farbführer haben, können Sie beantragen, dass er Ihnen per Post zugeschickt wird.

https://www.bjcp.org/education-training ... lor-guide/
Die Farbkarte kann aber nicht die Nichtberücksichtigung von Referenzbieren erklären. Da muss es eine Entscheidung geben, die nicht dokumentiert wurde. Noch einmal: Belgian Dubbel 26B, SRM 10-17 = 20-35 EBC, dagegen American Brewers Association 32-72 EBC. Das Problem ist weniger die Farbdarstellung als ein zu eng festgelegter Farbumfang.
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Viele Grüße / Regards
Radulph Kader
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