Bilbobreu hat geschrieben: ↑Donnerstag 11. Januar 2024, 23:25
Hier ist europarechtlich der Begriff des eigenen Verbrauchs eindeutig sehr weit gefasst, weil er neben dem (echten) eigenen Verbrauch durch den Brauer selbst auch noch den Verbrauch von Familienangehörigen und Gästen umfasst. Zudem wird ausdrücklich betont, dass dabei kein Verkauf stattfinden darf. Auch durch diesen Zusatz wird der Begriff des eigenen Verbrauchs weit gefasst. Wenn nämlich ausschließlich der (echte) eigene Verbrauch gemeint wäre, bräuchte man den Zusatz zum Verkauf nicht. Ein Verkauf des selbstgebrauten Bieres an sich selbst wäre rechtlich unsinnig.
Das Europarecht kennt auch die Begrenzung auf 2 hl pro Kalenderjahr nicht.
Die Mitgliedsstaaten sind aber eben frei darin, von der Steuerbefreiungsmöglichkeit in Art . 6 ganz oder teilweise Gebrauch zu machen oder es auch ganz zu lassen. Deutschland hat sich mit BierStG und BierStV dafür entschieden, nur teilweise von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Eben nur bis zur Menge von 2 hl je Kalenderjahr. So weit so gut. Die spannende rechtliche Frage ist, ob Deutschland den weiten europarechtlichen Begriff des eigenen Verbrauchs übernommen hat oder mit einem engeren Begriff des eigenen Verbrauchs auch insoweit nur teilweise von der europarechtlichen Steuerbefreiungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat.
§ 29 Abs. 2 BierStG sagt:
Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Bier, das von Haus- und Hobbybrauern in ihren Haushalten ausschließlich zum eigenen Verbrauch bereitet wird, bis zu einer Menge von 2 hl im Kalenderjahr von der Steuer zu befreien.
Hier ist sehr viel enger als im Europarecht vom ausschließlich eigenen Verbrauch die Rede. Keine Familienangehörigen, keine Gäste. Auch der Nachsatz, sofern dabei kein Verkauf stattfindet, fehlt. Das ließe durchaus den Schluss zu, dass der deutsche Gesetzgeber auch den eigenen Verbrauch ausdrücklich enger verstanden wissen wollte als im Europarecht. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich in den Materialien zu dem Gesetzgebungsverfahren (BR-Drucks. 651/91 und BR-Drucks. 169/09) keinerlei Hinweis darauf findet, dass der deutsche Gesetzgeber außer der Begrenzung auf 2 hl je Kalenderjahr hinter der europarechtlichen Möglichkeit zurückbleiben wollte. Im Gegenteil, die BR-Drucks. 651/91 verweist auf S. 216 ausdrücklich darauf, dass die Regelung im BierStG dem Umstand Rechnung tragen soll, dass es mit "aus EG-Mitgliedstaaten importierten sogenannten home-brewing-kits"
auf einfache Weise möglich ist, Bier selbst herzustellen. Zu einer irgendwie gearteten Einschränkung der Steuerbefreiung im Hinblick auf Personen, Orte oder Situationen findet sich dort - abgesehen von dem eigenen Gebrauch - aber nichts. Das spricht nun wieder entschieden dafür, dass der deutsche Gesetzgeber die weite europarechtliche Interpretation des eigenen Verbrauchs gerade übernehmen wollte.
Wenn wir nun in § 41 Abs. 1 BierStV schauen:
Bier, das von Haus- und Hobbybrauern in ihren Haushalten ausschließlich zum eigenen Verbrauch hergestellt und nicht verkauft wird, ist von der Steuer bis zu einer Menge von 2 hl je Kalenderjahr befreit.
Hier taucht das "und nicht verkauft wird" plötzlich wieder auf. Die BierStV knüpft also offensichtlich an den weiten europarechtlichen Begriff des eigenen Verbrauchs an und nicht an den vermeintlich engeren Begriff des eigenen Verbrauchs im BierStG. Das eröffnet nun für die Auslegung der BierStV zwei Möglichkeiten.
1. Wenn ich den Begriff des eigenen Verbrauchs in § 29 Abs. 2 BierStG enger auslege als im Europarecht, dann darf die BierStV als nachrangige Verordnung den Begriff nicht weiter definieren als das BierStG.
2. Wenn ich den Begriff des eigenen Verbrauchs in § 29 Abs. 2 BierStG in Übereinstimmung mit dem weiten europarechtlichen Begriff auslege, dann bestätigt die BierStV gewissermaßen die weite Auslegung des § 29 Abs. 2 BierStG.
Da auch die Gesetzentwürfe zum Biersteuergesetz einschließlich ihrer Begründungen ebenso wie die Biersteuerverordnung aus dem Bundesfinanzministerium stammen, ist diese zweite Auslegungsvariante deutlich vorzuziehen. Man müsste sonst nämlich annehmen, dass das Bundesfinanzministerium sich hier widersprüchlich verhalten hat. Und wer würde das schon tun?
Fazit: Es spricht also sehr viel dafür, § 29 Abs. 2 BierStG und § 41 Abs. 1 BierStV dahingehend auszulegen, dass der eigene Verbrauch im europarechtlichen Sinne weit zu verstehen ist und Familienangehörige und Gäste einschließt, soweit dabei kein Verkauf stattfindet. Auf den Ort, an dem das Bier getrunken wird, kommt es weder europarechtlich noch nach deutschen Recht an. So hat das im Ergebnis auch das FG Düsseldorf, Urteil vom 12. Januar 2022 4K 2875/19 VBi, gesehen.
Was heißt das für ein paar Beispiele?
Brauer, Familienangehörige und Gäste trinken = eigener Verbrauch
Brauer bringt Bier zum Stammtisch mit und schenkt aus = Trinker sind Gäste des Brauers = eigener Verbrauch
Brauer bringt Bier zur HBCon mit und schenkt dort aus = Trinker sind Gäste des Brauers = eigener Verbrauch
Brauer gibt einem Freund sein Bier mit zur HBCon und der Freund schenkt dort aus - es ist fraglich, ob sich die Trinker als Gäste des Brauers verstehen lassen
Brauer bringt Bier zu einem von Hobbybrauern veranstalteten Wettbewerb mit und lässt es die aus Hobbybrauern bestehende Jury verkosten = Trinker sind Gäste des Brauers = eigener Verbrauch
Brauer bringt Bier zu einem von einer gewerblichen Brauerei veranstalteten Wettbewerb mit und lässt es die dortige Profijury verkosten - kein eigener Verbrauch, weil Jury sich kaum als Gäste des Brauers begreifen lässt
einem Gast gibt der Brauer ein Bier als Geschenk mit = eigener Verbrauch, weil es auf den Ort des Trinkens oder die Anwesenheit des Brauers beim Trinken nicht ankommt
Brauer schickt seinem Bruder ein Bier als Geschenk - unklar, es spricht aber viel dafür auch private Geschenke im üblichen Rahmen als eigenen Verbrauch anzusehen
Brauer schickt allen Kunden seines Unternehmens (keine Brauerei) ein Bier als Geschenk - kein eigener Verbrauch, weil kein privater Rahmen
Brauer bringt Bier zum Publikumswettbewerb bei Störtebeker mit und schenkt aus - das zahlende Publikum ist sicher Gast bei Störtebeker - fraglich, ob es zugleich Gast am Stand des Brauers sein kann - fraglich, ob eigener Verbrauch oder nicht