hugo_1977 hat geschrieben:Es gibt in NRW Brauereien wie z.B. das Gruthaus oder Braustelle/Freigeist, die den Weg über alternative Bezeichnungen gehen.
Den Punkt finde ich interessant, denn wenn man sein Frucht/Kreuter/WasAuchImmer-Gebräu "Braukreation" oder Ähnliches,
aber eben nicht Bier nennen will und in den Verkehr bringt, dann scheint man ja gar keine Ausnahmegenehmigung als "besonderes Bier" beantragen zu müssen, sehe ich das richtig?
So einfach ist das leider nicht. Die lebensmittelrechtliche Herstellungsvorschrift ist zwar mit der Inverkehrbringungsvorschrift verwoben, aber es gibt keine Gerichtsentscheidung, die besagt, dass ein Produkt, welches Bier ist, hergestellt werden darf, wenn
später beabsichtigt ist, es unter anderer Bezeichnung statt Bier in Verkehr zu bringen. Im Gegenteil, siehe Schwarzer Abt und die Antwort der Landesregierung auf S. 3 letzter Absatz. Der Begriff Bier i.S.d. Herstellungsvorschrift (§ 9 Abs. 1 VorlBierG) bezieht sich, wie man an der Antwort der Landesregierung schön sehen kann, auf einen Produktbegriff Bier ("Biercharakter" - Aussehen, Geruch, Geschmack). Unter diesen fallen natürlich auch alle Getränke, die nicht unter Einhaltung der Vorschriften bereitet wurden, gleichwohl aber Bier sind. In der Praxis interessiert das aber augenscheinlich fast keinen (zumindest wird es nicht öffentlich), da es praktisch immer um Verstöße gegen das Inverkehrbringen geht. Anders als bei Verstößen gegen die Herstellungsvorschrift geht es dort nämlich nicht nur um Ordnungswidrigkeiten, sondern bei Vorsatz auch um Straftaten (§§ 11, 59 LFGB).
Wenn das Getränk nun so weit weg von dem ist, dass es nach Aussehen, Geruch, Geschmack etc. nicht mehr als Bier anzusehen ist, unterfällt es nicht der Herstellungsvorschrift, darf wegen der an die Herstellungsvorschrift gekoppelten Inverkehrbringungsvorschrift gleichwohl nicht als Bier in Verkehr gebracht werden. Einfache andere Bezeichnungen wie "Braukreation" werden aber ebenfalls durchfallen, denn alles was den Anschein erweckt, es handele sich um Bier, ist nicht erlaubt (§ 1 Abs. 1 BierV). Darunter sollen auch fremdsprachliche Bezeichnungen wie "Stout" oder sogar die Verwendung der Bier-Normflaschen fallen. Es kommt, das wird aus bisher ergangenen Urteilen deutlich, auf die Gesamtaufmachung an.
Der Deklarationsumweg als Mischgetränk dürfte bei behördlicher Überprüfung auch nicht so von Erfolg gekrönt sein. Denn um ein Mischgetränk soll es sich nach der Verkehrsauffassung nur dann handeln, wenn Bier mit einem anderen
fertigen Produkt in einem gewissen Verhältnis gemischt wird.
hugo_1977 hat geschrieben:Ok... Die Camba Milk-Stout-Story widerlegt das eigentlich, allerdings gilt in Bayern ja auch das Bayrische RHG. So wie ich das verstanden habe ist das aber wirklich NUR in Bayern so, quasi das Überbleibsel des originalen bayrischen RHGs. In allen anderen Bundesländern scheint es ja die Möglichkeit zu geben bspw. Frucht/Kreuter/WasAuchImmer-Biere als besondere Biere zu beantragen.
Richtig. In Baden-Württemberg galten bis zu deren Aufhebung vor 20 Jahren auch strengere Vorschriften. Ob die
Sondervorschriften in Bayern trotz der mittlerweile durch Änderungen an anderen Gesetzen entstandenen Verweisfehler (inhaltlich hat sich nichts geändert) noch anzuwenden sind, ist bisher nicht gerichtlich entschieden worden. Genau so wenig gab es natürlich eine Vorlage von Instanzgerichten an das BVerfG, ob die Sondervorschriften im Einklang mit Verfassungsrecht stehen.
hugo_1977 hat geschrieben:Ich schätze das auch eher so ein, das es überhaupt kein Wettbewerbsnachteil ist, sein Gebräu nicht Bier nennen zu dürfen. Der Craft-Beer Markt ist heiß auf jeden neuen Scheiß. Ob auf dem Getränk irgendwo auf der Rückseite Leicht/Voll/Starkbier draufsteht, ist dem Konsumenten sowieso erstmal egal. Ganz im Gegenteil, ich habe ich den Eindruck dass es sogar ein verkaufsförderndes Argument ist, sein Gebräu gerade nicht als Bier, sondern als Lager/Ale/Stout/Wit/etc. oder zu belablen.
S. oben. Bekannte Biersorten sollen geeignet sein, den Anschein zu erwecken, es handele sich um Bier. Im Übrigen
ist auf dem Produkt die Bezeichnung des Lebensmittels (früher Verkehrsbezeichnung genannt) für dieses anzubringen. Phantasiebezeichnungen können diese auch nicht ersetzen (Art. 17 Abs. 4 LMIV bzw. früher § 4 Abs. 4 LMKV). Und wenn es nun nicht gerade, wie in der Antwort der Landesregierung, eine Art Fruchtwein ist, dürfte es auch ziemlich schwer sein, das Produkt in Ermangelung einer Verkehrsbezeichnung so zu beschreiben, dass nicht der Anschein entsteht, es handele sich um Bier, wenn es sich lebensmittelrechtlich nach Aussehen, Geruch und Geschmack als Bier darstellt (immer unterstellt, dass den Herstellungsverstoß keinen interessiert, sonst schaltet schon da die Ampel auf Rot).
Ladeberger hat geschrieben:Von Hessen habe ich auch schon eher konservative Töne vernommen, aber da weiß ich nichts genaues.
Das würde letztlich nur zu einer Beschäftigung der Verwaltungsgerichte führen. Denn sofern kein Missbrauch droht oder andere überwiegende Gemeinwohlgründe dem entgegenstehen, besteht nach BVerwG ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung (=Ermessensreduzierung auf Null). So deutlich wie sich das BVerwG dazu geäußert hat, das wäre schon traurig, wenn die Behörden weiterhin auf die Bremse treten. Nur in Bayern, da gibt es diese Möglichkeit bisher leider nicht, wenn unterstellt wird, dass die Sonderregelung trotz der Verweisproblematik anzuwenden ist.
Worüber noch nicht gesprochen wurde, sind die für den Antrag auf Zulassung eines besonderen Bieres anfallenden Gebühren. Im
Land Niedersachsen z.B. liegen sie je nach Aufwand zwischen 12 und 2060 Euro, im
Land Brandenburg zwischen 50 und 260 Euro.