Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#51

Beitrag von Pivnice »

Seed7 hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 13:50 Die verkleisterung ist auch wieder 'teilweise rueckgaengig zu machen, die staerke kann wieder kristallisieren.
Na ja
Vereinfacht: Ab einer bestimmten Temperatur wird ein Punkt erreicht, an welchem die Stärkekörner irreversibel zu quellen beginnen
Schüll Seite 14 ff 2.3Physikalische Eigenschaften von Stärke in Wasser
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#52

Beitrag von Pivnice »

Commander8x hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 13:11 Vielleicht rastet man wie gehabt bei 62°C, nur mit verlängerter Rastzeit?
Dissertation Florian Schüll
4.3.2.1Maischversuche im Kongressmaßstab
Seite 156
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#53

Beitrag von Johnny H »

Commander8x hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 13:11 [...]

Mich würde z.B. die Aufheizrate bei den viskosimetrischen Versuchen mal interessieren. Wie würde eine ansonsten völlig gleiche Messung aussehen, wenn man mit einer nur halb so großen Geschwindigkeit aufheizt? Das Rohstoffseminar-Dokument von 2019 erwähnt 12°C/min. Ist das nun schnell genug? Oder eher zu schnell?

Beim Quellen (Hydratisieren) der Stärke müssen zuerst Wassermoleküle in die beinahe trockene (wasserfreie) Stärkestruktur eindringen und sich an die (wie auch immer aussehende - kristallin, teilkristallin, amorph, zufällig geknäult, was weiß ich) Stärke anlagern, und hier eine Nahordnung bilden. Dadurch werden die Abstände zwischen den Ketten aufgeweitet, die Stärke beginnt zu quellen. Anschließend können weitere Wassermoleküle eindringen, was je nach Länge des Wegs auch Zeit braucht. Und dann folgen die Enzyme nach.

Man muss sich auch vor Augen halten, dass bei jeder chemischen Reaktion (also auch bei enzymatisch katalysierten) "nicht optimale" Reaktionsbedingungen nicht bedeuten, dass eine Reaktion schlagartig gar nicht mehr stattfindet, bloß weil ein Parameter (wie pH oder Temperatur) vom Optimum abweichen.
[...]
Das sehe ich genau so! Es geht um einen Prozess, dessen Kinetik durch allerlei (auch externe) Größen bestimmt wird, nicht um einen digitalen 0-1-Effekt!

Bei der messtechnischen Ermittlung einer physikalischen Größe (wie z.B. der VKT) muss man sich aus Vergleichbarkeitsgründen auf einen Standard bei der Messung einigen, der realen Bedingungen so nahe wie möglich kommt. Ich kenne jetzt die zugrundeliegende Norm (falls es eine oder mehrere solche gibt, MEBAK?, DIN/ISO?, ASTM? etc. pp.) nicht, aber in diesem Fall hat man eben die erwähnten Rahmenbedingungen der erwähnten Heizrate von 12°K/min, die Viskositätsänderung von 5 mPa.s in 6s, die Stärkesuspension in Wasser (sind Konz./Mahlgrad eigentlich auch definiert?) und die mechanische Agitation (auch definiert?).

Als Ergebnis erhält man dann einen Zahlenwert, der aber letztendlich nur als Orientierung in einem gestreckten Prozess zu verstehen ist.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#54

Beitrag von Commander8x »

Hallo Hubert,

ich meinte tatsächlich verlängerte 62°C-Rast, nicht erhöhte Einmaischtemperatur.

Jetzt habe ich auch den eingangs erwähnten "Brauindustrie"-Artikel da. Den und die jetzt oftmals erwähnte Diss muss ich erst mal in Ruhe lesen.

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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#55

Beitrag von Pivnice »

Commander8x hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:52 "Brauindustrie"-Artikel und die jetzt oftmals erwähnte Diss muss ich erst mal in Ruhe lesen.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#56

Beitrag von uli74 »

Commander8x hat geschrieben: Donnerstag 16. Januar 2020, 20:48Richtig ist aber sicher, dass dieser Effekt auf dem Klimawandel beruht und in trockenen Jahren noch stärker werden könnte.

Was heißt "in trockenen Jahren"? Wenns noch trockener wird als in den vergangenen beiden Jahren wirds wohl nicht mehr viel zu mälzen geben.
Gruss

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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#57

Beitrag von Pivnice »

Commander8x hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:52 Diss muss ich erst mal in Ruhe lesen.
Es würde mich sehr freuen, wenn du für uns die Hobbybrauer-Praxisrelevanz des Abschnitts "4.2.5.2.2 Schüttung" erläutern könntest
-> Welches Schüttungsverhältnis Malz-Wasser ist bei Malzen mit erhöhter VKT anzustreben ?
Dissertation Schüll "4.2.5.2.2Schüttung" Seite 146 - 147
" Angaben aus der Literatur, welche geringen Wassergehalten in der Stärkesuspenion eine limitierende Eigenschaft hinsichtlich des Quellverhaltens und dadurch eine Erhöhung der VKT (gemessen mittels DSC) zuschreiben "
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#58

Beitrag von Commander8x »

Hallo zusammen,

in dem eingangs von Hubert zitierten Artikel aus der "Brauindustrie" 1/2020 wird ausführlich auf die Struktur der Stärkekörner und die molekularen Vorgänge im Prozess der Verkleisterung eingegangen. Der Artikel wird sicher demnächst auch online im Archiv der Zeitschrift verfügbar sein, ich stelle dann noch den Link hier rein.
Seed7 hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 13:50 Zur verkleisterung, es ist ein traject das bei jedes getreide anders ist. Die verkleisterung ist auch wieder 'teilweise rueckgaengig zu machen, die staerke kann wieder kristallisieren.
Ja genau. Die Verkleisterungstemperatur ist ein im Labor gemessener Wert, der einen Vergleich von im gleichen Meßsystem gemessenen Proben ermöglicht. Sprich, es ist ein relativer Meßwert, der am meisten durch Vergleiche im selben System Sinn ergibt.

DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Donnerstag 16. Januar 2020, 09:12 Basierend auf der Tatsache, dass beim Einmaischen bei der Dekoktion genug Enzyme in der Dünnmaische hängen bleiben, um die Stärke der gekochten Dickmaische später zu zerlegen, gehe ich davon aus, dass die Freisetzung der Enzyme unabhängig von der Verkleisterung abläuft.
Die Aktivierung der stärkeabbauenden Enzyme beginnt schon in der Mälzerei beim Keimen (wenn mans übertreibt gibt es "Schwand"). Enzyme funktionieren nur in wäßriger Umgebung, und beim Schwelken dann werden sie in aktiver (löslicher) Form konserviert, so dass sie beim Einmaischen sofort wieder loslegen können. Das ist wichtig für die weiteren Stufen des Stärkeabbaus, Verflüssigung und Verzuckerung. Es laufen beim Maischen mehrere Prozesse parallel ab, die sich gegenseitig beeinflussen. Die Amylasen warten nicht, bis die Stärke vollständig verkleistert ist: sobald die Stärke von außen beginnend hinreichend mit Wassermolekülen umgeben ist, greifen die Amylasen zu und unterstützen damit auch den weiteren Verkleisterungs-/Verzuckerungsprozess.

amplitude hat geschrieben: Donnerstag 16. Januar 2020, 11:36 Wie siehts denn aus mit Malzen aus Wintergerste?
Grundsätzlich genauso wie mit der Sommergerste: den größten Einfluß haben die Aufwuchsbedingungen (sprich Trockenheit). Wintergerste ist enzymstärker als Sommergerste.

Mittlerweile gibt es Züchtungsversuche für trockenresistentere Gerstensorten, um auf den Klimawandel zu reagieren. Aber bis diese Gersten auf dem Acker stehen, vergeht noch etwas Zeit... Außerdem wird Gerste in vielen weit auseinander gelegenen Regionen von Europa angebaut, außerdem in Nordamerika und Australien. Irgendwo wird schon Gerste mit Brauqualität wachsen. :Angel

Pivnice hat geschrieben: Donnerstag 16. Januar 2020, 16:34 ... wie man am sinnvollesten mit der Herausforderung Verkleisterungstemperatur umgeht.
Möglichkeiten sind in dem eingangs zitierten Artikel und auch hier im Thread erwähnt:
- aktuelle Malzanalyse kennen und drauf reagieren können
- die wichtigen Parameter Viskosität der Maische, Sudhausausbeute, EVG/Restextrakt, Läuterschwierigkeiten, Trübungen beobachten
- pH und Salzkonzentration optimal für höchstmögliche Enzymaktivität
- Erhöhung der Rasttemperatur auf 63-64°C, ggf. sogar noch höher; Verlängerung der Rastzeit
- Verringerung des Gußverhältnisses (ich bleib dabei, Hubert! :Greets )
- Teilmaischen bei höherer Temperatur
- Kombirast / Zwischenrast bei 67°C
- Dekoktion
- Zusatz von Enzympräparaten
- Schlimmstenfalls andere Stärkequellen verwenden (und das Produkt dann umbenennen...)

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#59

Beitrag von Seed7 »

Commander8x hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 10:41
- Kombirast / Zwischenrast bei 67°C
... und moeglichst dick einmaischen, das hemmt die schnelle denaturierung der enzyme etwass (gleichmaessigere temperatur?)

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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#60

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Seed7 hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 16:39
Commander8x hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 10:41
- Kombirast / Zwischenrast bei 67°C
... und moeglichst dick einmaischen, das hemmt die schnelle denaturierung der enzyme etwass (gleichmaessigere temperatur?)
Hier geht es um die Denaturierung der Betaamylase, nicht der Enzyme allgemein, richtig?

Wenn ich es richtig verstanden habe, muss man den Hauptguss nach der Zwischenrast bei 67°C bei einer dickeren Maische jedoch erhöhen, weil die Alphaamylase besser mit einer dünneren Schüttung zurecht kommt, bzw. Probleme mit sehr dicken Schüttungen hat?

Die 67°C Zwischenrast ist bei mir bei trockenen Bieren eigentlich Standard. Jedoch bisher mit dem kompletten Hauptguss. Die Aufteilung des HG wäre ein Hebel für mich, um die Umsetzung zur Maltose relativ einfach zu optimieren.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#61

Beitrag von olibaer »

Hallo Jens, hallo zusammen,
DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 17:02 Wenn ich es richtig verstanden habe, muss man den Hauptguss nach der Zwischenrast bei 67°C bei einer dickeren Maische jedoch erhöhen, weil die Alphaamylase besser mit einer dünneren Schüttung zurecht kommt, bzw. Probleme mit sehr dicken Schüttungen hat?
So ist es. Dicke Maischen sind für die ß-Amylase ok, die a-Amylase dagegen mag es etwas dünner, was sich in einer schnelleren Verzuckerung bei 72°C zeigt. Zusätzlich danken es einem die Enzyme mit einer verbesserten Robustheit gegenüber einer Inaktivierungstemperatur, wenn man sich schonend "von unten" ihrem Temperaturoptimum nähert.
DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 17:02 Die 67°C Zwischenrast ist bei mir bei trockenen Bieren eigentlich Standard.
Sicher die enfachste Art, um den Effekten einer stetig ansteigenden Verkleisterungstemperatur entgegen zu wirken. Gerade unter dem Aspekt, dass wir unsere Rohstoffe an dieser Stelle nicht kennen, eine zuverlässige Präventivmaßnahme.
Ergänzend zerschießt man sich die Rezeptur nicht, sollte die Verkleisterungstemperatur doch niederer liegen als angenommen. In Summe eignet sich eine Zwischenrast bei 66-68°C tatsächlich als Standard - quer über die Bierstile hinweg.

Wie schon in einem anderen Post in diesem Thread angemerkt, eignen sich geringere Aufheizraten zwischen 64-72°C in einer ganz ähnlichen Art und Weise.
DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 17:02 Die Aufteilung des HG wäre ein Hebel für mich, um die Umsetzung zur Maltose relativ einfach zu optimieren.
Ganz klar.
Wie schon die Zwischenrast, kommt auch eine angepasste Gußführung mit wenig zusätzlichen Aufwand daher. Im günstigsten Fall werden die Teilgüsse in einer Art bemessen, dass sich zusätzlich zur Verdünnung noch gewünschte Anpassungen für die Maischetemperatur ergeben.
Und überhaupt: Wenn ich Nachgüsse in Teilgüsse aufteilen kann, dann kann ich das auch für den Hauptguß tun.
Es spricht z.B. nichts dagegen, in etwas so zu verfahren:
  • etwas dicker einmaischen
  • Maltoserast bei 64°C
  • aufheizen 67°C, Rast 10 min
  • kaltes Restwasser zugeben. So berechnet, dass sich 64°C einstellen
  • mit 0,5°C/min aufheizen auf 72°C
So wäre der Temperaturkontrolle und dem Maischverhältnis (Schrot:Wasser) in einem Arbeitsgang geholfen. Aufwand nahe Null, Prozeß im Griff: ja
Gruss
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#62

Beitrag von ggansde »

olibaer hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 19:37 Hallo Jens, hallo zusammen,
DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2020, 17:02 Wenn ich es richtig verstanden habe, muss man den Hauptguss nach der Zwischenrast bei 67°C bei einer dickeren Maische jedoch erhöhen, weil die Alphaamylase besser mit einer dünneren Schüttung zurecht kommt, bzw. Probleme mit sehr dicken Schüttungen hat?
So ist es. Dicke Maischen sind für die ß-Amylase ok, die a-Amylase dagegen mag es etwas dünner, was sich in einer schnelleren Verzuckerung bei 72°C zeigt. Zusätzlich danken es einem die Enzyme mit einer verbesserten Robustheit gegenüber einer Inaktivierungstemperatur, wenn man sich schonend "von unten" ihrem Temperaturoptimum nähert.
Moin,
was heisst in diesem Kontext dünn? Wenn ich 13 kg Malz im BM 50 mit 50 L Wasser einmaische, dann ich das eine "dicke" Pampe. Also gut für die ß-Amylase? Nach der Maltoserast habe ich eine "dünne" Suppe. Also gut für die a-Amylase? Falls das so gemeint ist bräuchte keinen, wie auch immer gearteten Eingriff in den Maischeprozess.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#63

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Für mich definiere ich das so:
- unter 3,5 Liter HG pro Kg Malz ist "dicke(re) Schüttung"
- zwischen 3,5-4 Liter HG pro Kg Malz ist "normale Schüttung"
- über 4 Liter HG pro Kg Malz ist "dünne(re) Schüttung"

In deinem Beispiel (13 Kg auf 50 Liter) sind das 1:3,8 - also "normal".
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#64

Beitrag von Commander8x »

Vielleicht kennt der eine oder andere dieses hier:

Brauer-Berufsschule Ulm (1994-97): Fachkunde III – Die Würze
--> Kapitel 3.4, S.14: Gussführung

Auch zum Thema Stärkeabbau (Amylolyse) ist was drin.

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#65

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Danke. Interessante Unterlage. Vor allem endlich mal wieder auf einem leicht verdaulichen Niveau, im Gegensatz zu den ganzen Dissertationen, Genforschungexperimenten und Raumschiffbauanleitungen, die hier in letzter Zeit verstärkt als Lesestoff (für Ungelernte/Unstudierte) verbreitet werden :Bigsmile.
Auf Seite 14 steht, dass es dünne und dicke Maischen gibt. Wo die Grenze zwischen dünn, normal und dick gezogen wird finde ich in dem PDF jedoch nicht.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#66

Beitrag von Barney Gumble »

Nach meinem anfänglichen Hänger lese ich hier wie in einem Krimi mit, fand alles super an Argumenten und Austausch, in dem verlinkten PDF ist allerdings nur einmal das Wort "Verkleisterung" drin, oder übersehe ich grad was? Da steht nur dass sie bei ca. 60 Grad stattfindet.
Trotzdem ganz nützlich für andere Sachen hab ich gesehen
Übrigens hier könnten sich die Hobbybrauer eine maßgeschneiderte Stärke machen lassen,
:Wink
http://www.ask-force.org/web/Potato/Bae ... e-2011.pdf

Mit meinem nie höher als 3,0 zu 1 HG/Schüttungs-Quotienten gepaart mit eh längeren Rasten und langsamen Aufheizraten, wundert mich jetzt auch nicht mehr warum mir noch nichts mit zu mastigen Bieten oder niedrigen EVG aufgefallen is..
VG
Shlomo
Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich es sofort auf - das Lesen! (frei nach Henry Youngman)
Wenn ich nicht gleich antworte, liege ich unterm Zapfhahn :Bigsmile
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#67

Beitrag von Commander8x »

DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Donnerstag 23. Januar 2020, 10:33 Danke. Interessante Unterlage. Vor allem endlich mal wieder auf einem leicht verdaulichen Niveau, im Gegensatz zu den ganzen Dissertationen
Dann stöbere doch mal hier rein: http://www.bierbrauerei.net/Technikum/technikum.html

Diese "Berufsschulunterlagen zum Brauer & Mälzer" sind geschrieben für Azubis, die eine umfassende und dabei konzentrierte Zusammenfassung brauchen. Ich dachte die wären bekannt...

Zum Thema Gußverhältnis: das wird zu einem gewissen Teil vom Maischsystem und der Malzqualität sowie dem beabsichtigten Biertyp bestimmt, ist also kein strenger Lehrbuch-Wert, sondern durch eigene Erfahrung und Optimierung herausgebracht. In der Brauerei schaut man vor allem auf die Sudhausausbeute, und auf sensorische Eigenschaften sowie die Bierstabilität.
Man muss auch die Inhaltsstoffe des Malzes berücksichtigen, die die Aktivität von Enzymen beeinflussen, z.B. Ionenkonzentrationen oder Viskosität. Oder das stärkere Auslaugen der Spelzen in einer dickeren Maische, was bei einem dunklen Biertyp vielleicht eher gewollt ist. Ausprobieren und optimieren ist also angebracht.

Subjektiv würde ich ein Gußverhältnis größer 1:4 als "dünn" bezeichnen, unter 1:3 als "dick".

Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#68

Beitrag von Commander8x »

Barney Gumble hat geschrieben: Donnerstag 23. Januar 2020, 10:55Übrigens hier könnten sich die Hobbybrauer eine maßgeschneiderte Stärke machen lassen,
:Wink
http://www.ask-force.org/web/Potato/Bae ... e-2011.pdf
Hallo Shlomo,

da steckt auch einiges für unser Thema (Verkleisterung) drin:
Hinter dem Begriff Stärke verbergen sich zwei Moleküle: Amylose und Amylopektin. Diese sind zwar beide aus Glucose aufgebaut, haben aber unterschiedliche Strukturen und Eigenschaften.
....
Chemisch betrachtet sind Amylopektin und Amylose enge Verwandte. Bei der Anzahl der gespeicherten Glucosemoleküle
und dem Verzweigungsgrad unterscheiden sich die Polymere jedoch erheblich. Ein Amylosemolekül einer Kartoffel besteht aus rund 4.500 Glucoseeinheiten, die eine unverzweigte schraubenförmige Kette bilden. Amylopektin ist aus bis zu 6.000 Glucoseeinheiten zusammengesetzt.
Durchschnittlich nach jedem 25. Glucosemolekül besteht eine Verzweigung zu einem benachbarten Polymerstrang.
....
Der chemische Unterschied zeigt sich in der Anwendung: Amylose ist in kaltem Wasser unlöslich, in heißem Wasser quillt sie stark auf, verkleistert und bildet nach dem Abkühlen eine gelartige Masse. Diese verliert im Lauf der Zeit wieder einiges an Wasser und geht irreversibel in einen kristallinen Zustand über. Amylopektin hingegen löst sich in heißem Wasser und bildet eine hochviskose, also zäh fließende Flüssigkeit. Es geliert nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei sehr hohen Konzentrationen, und es kristallisiert nicht.
N.B.: Gerstenstärke besteht zu etwa 20% aus unverzweigter Amylose (kleine Stärkekörner noch mehr) und zu 80% aus verzweigtem Amylopektin.

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#69

Beitrag von Sura »

Das ist mir neu. :Grübel
Wenn ich das also richtig verstehe, dann bestrifft die Verkleisterung nur die Amylosen, und die Amylopektine lösen sich die gehabt auf? Das relativiert das ganze jetzt ja nicht komplett, aber reduziert das Problem dann doch erheblich.

Ein Temperaturbereich von "kaltem Wasser" und "heissen Wasser" wäre jetzt noch interessant. Ich muss das sonst heute abend nochmal durchlesen.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#70

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Bezüglich der irreversiblen Kristallisierung von Amylose beim Abkühlen wäre ein Temperatur-Zeit Diagramm interessant.
Amylose ... verkleistert und bildet nach dem Abkühlen eine gelartige Masse. Diese verliert im Lauf der Zeit wieder einiges an Wasser und geht irreversibel in einen kristallinen Zustand über.
Möglicherweise wäre das Abkühlen der Maische, nach der Verkleisterung, von Verkleisterungstemperatur auf 60°C bereits kontraproduktiv für die Spaltung des 20%igen Amyloseanteils in der Stärke?
Klingt unwahrscheinlich, aber wissen ist besser als vermuten :-).
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#71

Beitrag von Johnny H »

Sura hat geschrieben: Donnerstag 23. Januar 2020, 13:18 Das ist mir neu. :Grübel
Wenn ich das also richtig verstehe, dann bestrifft die Verkleisterung nur die Amylosen, und die Amylopektine lösen sich die gehabt auf? Das relativiert das ganze jetzt ja nicht komplett, aber reduziert das Problem dann doch erheblich.

[...]
Ich weiß nicht, ob es so einfach ist. Kristallisation von Stärke und die so entstehenden Strukturen sind durchaus komplexe Phänomene, und es kann in meinem Verständnis durchaus sein, dass auch verzweigte Amylopektin-Ketten miteingebunden sind.

Leseempfehlung: "Starch in food: Structure, function and applications", hat allerdings knapp 600 Seiten

Nachtrag: anlässlich von Problemen mit Maisstärke/Polenta und Jodnormalität haben wir hier schon mal sehr ausführlich über das Thema Verkleisterung diskutiert.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#72

Beitrag von Commander8x »

Nein, so einfach ist das nicht.....
Was ich oben geschrieben habe, bezieht sich sich auf die Struktur der reinen Stoffe Amylopektin und Amylose.

Amylose hat eine spiralen-/schraubenförmige Struktur aus aneinandergeketteten Zuckermolekülen, und die kann sich eine neben der anderen zu kristallinen Bereichen (sprich "Bereichen mit einer regelmäßigen Ordnung bzw. Struktur") zusammenlagern. Etwa wie ein Bündel Spaghetti sieht das aus. Dazu müssen die Wassermoleküle, die die flüssige Umgebung dieser Spiralen bilden, aus dem Zwischenraum wieder austreten, wo sie durch die Ladung der Wassermoleküle und der Stärke festgehalten werden. Hydratisierung nennt man das, der umgekehrte Prozess (Wasseraufnahme) findet beim Verkleistern statt.

Amylopektin bildet dagegen eine dreidimensionale Netzstruktur, weil die besagten Schrauben-Strukturen noch Abzweigungen dazwischen enthalten. Diese Struktur ist viel starrer, sie kann nicht quellen durch die Wasseraufnahme, weswegen es höhere Temperaturen zur Lösung braucht. Weil diese Vernetzungen nur enzymatisch gelöst werden können, bleibt das reine gelöste Amylopektin viskos.

In etwa sieht das so aus wie in Bild 5.6 auf S.178 in dem englischen Pdf. Ich les das aber jetzt nicht durch.... :puzz

Diese Strukturen entstehen im wachsenden Gerstenkorn während der Stärkeeinlagerung (Kornfüllungsphase). Ist es während dieser Vegetationsphase sehr trocken, entstehen wahrscheinlich Stärkestrukturen mit sehr geringem Wassergehalt oder evtl auch mehr Vernetzungen, was den Eintritt von Wasser bei der Verkleisterung erschwert. So steigt dann die Verkleisterungstemperatur in trockenen Jahren an. (zumindest stell ich mir das so vor).

Ihr wollt es aber wirklich genau wissen, Jungs.... :thumbup

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#73

Beitrag von Boludo »

Commander8x hat geschrieben: Donnerstag 23. Januar 2020, 15:34
Ihr wollt es aber wirklich genau wissen, Jungs.... :thumbup
Ich bin ehrlich gesagt ganz begeistert, auf welchen Niveau hier diskutiert wird. :thumbup
Da kann man mal richtig was lernen. Macht ruhig weiter so!
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Johnny H
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#74

Beitrag von Johnny H »

Commander8x hat geschrieben: Donnerstag 23. Januar 2020, 15:34 [...]

Ihr wollt es aber wirklich genau wissen, Jungs.... :thumbup

Gruß Matthias
Diese Erklärung ergibt Sinn für mich, danke!!

Ich hatte es ja weiter oben schon geschrieben: Verkleisterung (und natürlich auch der im Prinzip umgekehrte, vorgelagerte Vorgang der Stärkekristallisation oder auch die möglicherweise nachgelagerte Retrogradation) geht weit über einen simplen 0-1-Effekt hinaus. Das müssen wir deswegen ganz oder zumindest möglichst genau verstehen... :Bigsmile
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#75

Beitrag von Commander8x »

Die eingangs erwähnte Dissertation stellt das, worüber wir grad sprechen, ganz gut dar. (Einführung ab Kap. 2.2 Gerstenstärke, S. 9ff)

Hier z.B. die Struktur der Gerstenstärke (S.11 der Arbeit)
(links: aufgeschnittenes Stärkekorn; rechts: Zoom bis hinein in die Stärkespiralen, die Ringe sind die Zuckermoleküle):

Unbenannt.JPG

Ich denke mir das so, dass durch eine trockene Wachstumszeit diese Strukturen auf irgendeine Weise anders aufgebaut werden, weil z.B. auch die an dem Aufbau beteiligten Enzyme durch die Wasserarmut in der Pflanze nicht optimal funktionieren. In der Konsequenz ist dann beim Keimen/Mälzen der Wasserzutritt und die Enzymaktivität eingeschränkt.

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#76

Beitrag von Commander8x »

Außerdem hat auch der Mälzungsprozess einen Einfluss auf die Verkleisterungstemperatur. Der zugehörige Artikel aus der "Brauindustrie" ist leider immer noch nicht online.

Eben erst gesehen: die Firma Schwabenmalz hat auf ihrer Seite Daten über ihren eigenen Versuchsanbau und die resultierenden Malzqualitäten seit 2013. Da sind auch Verkleisterungstemperaturen angegeben. Allerdings muss man bedenken, dass diese nur für die Region SW-Deutschland gelten. :achtung

-------------

Wen es interessiert: die Braugerstengemeinschaft gibt immer so zum Jahresende einen Überblick über die Gerstenqualität des abgelaufenen Erntejahres.

Auch die Sortenberichte des Berliner Programms sind vielleicht für den einen oder anderen von Interesse. Das Berliner Programm evaluiert neu gezüchtete Gerstensorten auf ihre Braueignung. Dafür gibt es Anbauversuche, Mälzungsversuche und am Ende stehen industrielle Vermälzung und Verbrauung. Wenn eine neue Sorte das alles erfolgreich übersteht, gibt es eine Verarbeitungsempfehlung. In Deutschland werden fast ausschließlich vom Berliner Programm empfohlene Sorten angebaut.
Auch in anderen Ländern gibt es solche Evaluierungsprogramme. Ich weiß von Frankreich, England, Dänemark.

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#77

Beitrag von DevilsHole82 »

Boludo hat geschrieben: Donnerstag 23. Januar 2020, 15:42
Commander8x hat geschrieben: Donnerstag 23. Januar 2020, 15:34
Ihr wollt es aber wirklich genau wissen, Jungs.... :thumbup
Ich bin ehrlich gesagt ganz begeistert, auf welchen Niveau hier diskutiert wird. :thumbup
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Jap, ich auch. Sehr schöne sachliche und fachliche Diskussion. Auch wenn ich fachlich nichts beitragen kann, verfolge ich diesen Thread mit sehr großem Interesse.

Bitte weiter machen :thumbup
Gruß, Daniel

Was von Herzen kommt gelingt, weil's einen gibt, der die Kelle schwingt. Heute back ich, morgen brau ich, wer heimlich nascht, den verhau ich.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#78

Beitrag von Malzwein »

Das ist ja extrem spannend, auch wenn ich nicht jedes Detail verstehe. Aber die Frage, die neben der der Werte des eigenen Malzes, die meisten hier interessieren dürfte, ist doch: Was tun?

Bisher gibt es von Oli folgenden Vorschlag:
Es spricht z.B. nichts dagegen, in etwas so zu verfahren:

etwas dicker einmaischen
Maltoserast bei 64°C
aufheizen 67°C, Rast 10 min
kaltes Restwasser zugeben. So berechnet, dass sich 64°C einstellen
mit 0,5°C/min aufheizen auf 72°C
Gilt das so?
Gruß Matthias

Jep, Bier wird´s immer... meist auch trinkbar und manchmal ist es richtig gut!
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#79

Beitrag von Commander8x »

olibaer hat geschrieben: Donnerstag 16. Januar 2020, 08:14 Hallo zusammen,

in der aktuellen Ausgabe(1/2020) der Fachzeitschrift BRAUINDUSTRIE findet sich der Artikel:

Neue Herausforderungen an die Qualitätssicherung
Bedeutung und Interpretation der Verkleisterungstemperatur in Zeiten des Klimawandels

[1] Hör, S., Gastl, M., Becker T.: Neue Herausforderungen an die Qualitätssicherung,
Bedeutung und Interpretation der Verkleisterungstemperatur in Zeiten des Klimawandels,
Verlag W. Sachon, BRAUINDUSTRIE 1/2010, S. 14-17
Hier ist der Link
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#80

Beitrag von Pivnice »

Danke
BRAUINDUSTRIE 1/2020 S. 14-17
Hör, S., Gastl, M., Becker T.
Neue Herausforderungen an die Qualitätssicherung

Möglichkeiten zur Beeinflussung der VKT in der Mälzerei
... konnte festgestellt werden, dass als einziger effektiver Mälzungsparameter der Weichgrad einen signifikanten Einfluss auf die resultierende Verkleisterungstemperatur des Malzes ausübte. Alle Sorten wiesen bei einem Weichgrad von 40 Prozent (bzw. geringer) signifikant niedrigere Verkleisterungstemperaturen auf als bei einem Weichgrad von 43 Prozent

Technologische Möglichkeiten im Rahmen der Sudhausarbeit
Hier gilt es v. a. das geringe Zeitfenster, bei dem beide amyloytischen Enzyme (alpha-Amylase und beta-Amylase) noch gemeinsam Aktivität zeigen und bereits ein Teil der Stärke verkleistert vorliegt (Verkleisterungsprozess!), optimal zu nutzen. Das Einmaischen auf der Verkleisterungstemperatur bzw. eine Rast bei z. B. 65 °C (im Extremfall 66 °C) bieten eine technologische Möglichkeit im Rahmen eines Infusionsverfahrens. Die Umstellung auf ein Dekoktionsverfahren stellt eine weitere Alternative dar.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#81

Beitrag von guenter »

Nachdem nun die Gerste ausführlich diskutiert wurde und es auch Lösungen gibt, sollten wir doch den Weizen ins Spiel bringen. Hat jemand Informationen, ob es da auch das Problem gibt?
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#82

Beitrag von Commander8x »

Die Verkleisterungstemperaturen sind bei jedem Getreide unterschiedlich, nur bei Gerste liegen sie exakt in dem enzymkritischen Bereich zwischen 60 und 70°C. Genaue Werte kann ich Anfang nächster Woche liefern...

Noch ein Nachtrag: In einem Brauwelt-Artikel von 2017, wo es eigentlich um ein anderes Thema ging, hat Frau Dr. Gastl sinngemäß geschrieben:
"Bei der 2017er Ernte lagen die Verkleisterungstemperaturen bei durchschnittlich 63,7°C, also im eher unkritischen Bereich. Dennoch sollte dieser Parameter weiter beachtet werden..."

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#83

Beitrag von Pivnice »

guenter hat geschrieben: Freitag 31. Januar 2020, 17:45 .. den Weizen ins Spiel bringen.
Ernte 2019 - Präsentation von Avangard Malz
https://www.avangard-malz.de/upload/ibl ... 658005.pdf

Weizen 64,5 bis 65,5 °C
siehe Grafik
Wintergerstenmalz und Weizenmalz im Kästchen
Sommergerstenmalz die roten Punkte
Dateianhänge
WG-WZ-VKT-19.PNG
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#84

Beitrag von Commander8x »

Mir sind keine Probleme bei der Verkleisterung von Weizen der letztjährigen Ernte bekannt.
Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#85

Beitrag von Commander8x »

guenter hat geschrieben: Freitag 31. Januar 2020, 17:45 sollten wir doch den Weizen ins Spiel bringen. Hat jemand Informationen, ob es da auch das Problem gibt?
Guenter,

hattest Du selbst schon Probleme beim Brauen mit Weizen, oder ist das eine rhetorische Frage?

Warum soll die bekannte Lösung nicht auch für Weizen gelten?

Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#86

Beitrag von guenter »

Commander8x hat geschrieben: Samstag 1. Februar 2020, 08:38 hattest Du selbst schon Probleme beim Brauen mit Weizen, oder ist das eine rhetorische Frage?

Warum soll die bekannte Lösung nicht auch für Weizen gelten?
Ich hatte bisher auch keine Probleme mit der Gerste, kann ja noch kommen.

Bei Weizen maische ich bei niedrigeren Temperaturen ein, Stichwort "Weizenrast". Daher die Frage, ob die Verkleinerungstemperatur bei Weizen auch betroffen ist.

Dann würde die Vorgehensweise eventuell etwas anders sein.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#87

Beitrag von Pivnice »

guenter hat geschrieben: Samstag 1. Februar 2020, 12:46 Stichwort "Weizenrast". Daher die Frage, ob die Verkleinerungstemperatur bei Weizen auch betroffen ist.
Dann würde die Vorgehensweise eventuell etwas anders sein.
Günter - Es ist wegen des Witterungsverlaufs 2019 damit zu rechnen, daß 2019er Weizenmalz eine Tendenz zu höheren Verkleinerungstemp .... ääh Verkleisterungstemperaturen mitbringt.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#88

Beitrag von Seed7 »

guenter hat geschrieben: Samstag 1. Februar 2020, 12:46 Bei Weizen maische ich bei niedrigeren Temperaturen ein, Stichwort "Weizenrast". Daher die Frage, ob die Verkleinerungstemperatur bei Weizen auch betroffen ist.
Nein, bei den niedrigen temperaturen 'entrollt' sich die staerke so wie so nicht. "Weizenrast" is ja auch nicht fuer staerke da.

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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#89

Beitrag von guenter »

Seed7 hat geschrieben: Sonntag 2. Februar 2020, 11:20 Nein, bei den niedrigen temperaturen 'entrollt' sich die staerke so wie so nicht. "Weizenrast" is ja auch nicht fuer staerke da.
Das ist so weit auch alles klar.

Dann hier mein Ansatz:
Wie üblich einmischen und die bis dato "üblichen" Rasten beim Weizen durchführen (ich lasse die Details hier weg, im Braumagazin wurde einiges darüber geschrieben).
Allerdings maische ich dann mit weniger Wasser. Den Rest des Wassers koche ich (bzw. erhitze auf einen berechneten Wert) und versuche dann die Gesamtmaische durch zubrühen auf 64 Grad zu bekommen. Ansonsten weiter wie oben von Olli beschrieben.

Wäre das ein Ansatz für Weizenbier?
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#90

Beitrag von olibaer »

Hallo Günter, hallo zusammen,
guenter hat geschrieben: Sonntag 2. Februar 2020, 12:16 Dann hier mein Ansatz:
Wie üblich einmischen und die bis dato "üblichen" Rasten beim Weizen durchführen ...
Wichtig ist, dass du nicht in wilden Aktionismus ausbrichst - wertfrei vom Rohstoff.

Grundsätzlich gilt, dass sich die für die ß-Amylase geltenden optimalen Wirkspektren hinsichtlich Temperatur und pH-Wert nicht geändert haben (62,5°C, 5,5 pH). Geändert hat sich der Rohstoff drumherum.

Bislang war es eben so, dass eine "Maltoserast" in ihrer Effizienz in einer Art 1:1 - Beziehung zum Temperaturoptimum der ß-Amlyase bei 62,5°C stand. Mit der Verschiebung der Verkleisterungstemperatur nach oben ändert sich das. "Enzymoptimum" ist nicht mehr gleich "Rastoptimum".
Die Herausforderung für den Brauer besteht jetzt darin, dass er den Gedankensprung vom "Enzymoptimum" zum "Rastoptimum" schafft und dass er das Auseinanderlaufen dieser beiden Größen, im Rezepturrahmen, wieder in Einklang bringt.

Aktuell sehe ich uns in der Informationsdichte rund um dieses Thema gut aufgestellt. In der Umsetzung droht kein wirklicher Mehraufwand - alles beherrschbar, egal ob Weizen oder Gerste. Die "Maltoserast" weiter oben anzusiedeln(64°C) und vielleicht noch einen Zwischenstop bei 67°C einzurichten, sollte als Präventivhandlung zunächst genügen(Kanonen<->Spatzen).
Vielmehr mache ich mir Gedanken um Rezepte, die rund um die Maltoserast einfach so nachgebraut werden. Fehlt hier eine Anpassung, läuft ggf. die gesamte Herstellung im Umfeld Gärung aus dem Ruder.
Gruss
Oli
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#91

Beitrag von guenter »

olibaer hat geschrieben: Montag 3. Februar 2020, 22:21 Hallo Günter, hallo zusammen,

Wichtig ist, dass du nicht in wilden Aktionismus ausbrichst - wertfrei vom Rohstoff.

Aktuell sehe ich uns in der Informationsdichte rund um dieses Thema gut aufgestellt ...
Würde mich auf ein Bier mit dir in Romrod sehr freuen - wie letztes Jahr bei unseren Pfanne voll Gespräch nach dem Kochkurs :Drink
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#92

Beitrag von olibaer »

guenter hat geschrieben: Montag 3. Februar 2020, 23:02 Würde mich auf ein Bier mit dir in Romrod sehr freuen - wie letztes Jahr bei unseren Pfanne voll Gespräch nach dem Kochkurs :Drink
Ja gerne.
Du weißt ja wo du mich am Samstag bis zu vorgerückten Stunde findest :thumbup
Gruss
Oli
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#93

Beitrag von Commander8x »

Pivnice hat geschrieben: Samstag 1. Februar 2020, 22:27 Es ist wegen des Witterungsverlaufs 2019 damit zu rechnen, daß 2019er Weizenmalz eine Tendenz zu höheren Verkleinerungstemp .... ääh Verkleisterungstemperaturen mitbringt.
:thumbsup :thumbsup

Manches sah schon ziemlich besch.... aus. Aber das scheint der Brauqualität nicht wirklich geschadet zu haben, s.o.
Enzymatisch (Diastatische Kraft) auch besser als jede Gerste.

Mit der VK von Weizen habe ich mich getäuscht, ich hatte die VKT in Backteig im Kopf, die tatsächlich bei ~80°C liegt.

In der Habiltationsschrift von M. Krottenthaler (TUM) hbae ich folgendes gefunden:
Um die Zusammenhänge der Maischarbeit zu erforschen, wurden systematische Maisch-versuche durchgeführt. Bezüglich der Temperaturführung hat sich gezeigt, dass erst nach Überschreiten der Verkleisterungstemperatur eine maximale proteolytische, amylolytische und cytolytische Lösung erreicht wird. Eine feinere Schrotung führt zwar zu einer schnelleren Lösung unterhalb der Verkleisterungstemperatur, kann jedoch die Verkleisterung und Verflüssigung der stärkeführenden Schrotbestandteile nicht ersetzen. Erst nach der Verzuckerung ist die maximale Extraktausbeute erreichbar. Eine cytolytische Unterlösung von Malzen kann nur durch aufwändige Maischverfahren mit tiefen Einmaischtemperaturen teilweise ausgeglichen werden. Gleichzeitig führen derartige Maischverfahren zu einer proteolytischen Überlösung, welche nicht gewünscht ist.

Und noch das folgende aus Schönfelds Handbuch der Mälzerei (1. Band, von 1930). Es zeigt, wie man sich schon vor 100 Jahren des Thema Verkleisterung bewußt war:

Schönfeld.JPG

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#94

Beitrag von Commander8x »

Obwohl es um die Vorgänge im (Weizen-)Teig beim Backen geht, finde ich diese Beschreibung hier sehr anschaulich:
Ab 65 °C geht es im Teig erst so richtig los, denn es bildet sich das Herzstück des Brotes, die Krume: die bei tieferen Temperaturen leicht verformbaren Kleberproteine haben durch die sich ausdehnenden Kohlendioxidbläschen ein dreidimensionales Gerüst mit darin eingelagerten Stärkekörnern gebildet. Bei 65 °C denaturieren die Kleberproteine und verlieren dabei ihre Verformbarkeit. Aus dem plastischen wird ein elastischer Teig.

Nicht nur die Kleberproteine, sondern auch die Proteinhaut um die Stärkekörner denaturiert bei ca. 65 °C und wird dabei wasserdurchlässig. Das vom Kleberprotein abgegebene Wasser nehmen die Stärkekörner nun vollständig auf. Die Stärke quillt dadurch auf [17] und das Volumen der Stärkekörner nimmt um ca. 40 % zu, wobei die umhüllende Proteinhaut platzt. Die gequollene Stärke wird nun von der Amylase (Optimum bei 65 °C) angegriffen und in grosse Bruchstücke (Dextrine) gespalten.

Gleichzeitig greift die Amylase (Optimum bei 50 °C) die Bruchstücke vom Kettenende unter Bildung von Maltose an (Abbildung 7). Durch den hohen Druck der quellenden Stärkekörner werden alle kristallinen Stärkestrukturen zerstört, die Stärke verkleistert.....
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#95

Beitrag von Barney Gumble »

Habe nur nochmal zu der ganzen Thematik in meinem alten Lehrbuch geblättert, leider nicht sehr Bier-bezogen..

Aber nochmal gut als Rekapitulation:

1. wird ausgesagt (wurde glaube ich schon erwähnt), dass Salze (CaCl2 etc) die VKT erniedrigen sollen (Foto 1, ganz oben S. 288), gut für die Wasserbehandler/-aufsalzer..
IMG_20200205_073408-756x1008.jpg
2. dass bei längerem Stehen unter Temperaturen der VKT ("Tempern"), selbige, (für uns kontraproduktiv) erhöht werden soll (Foto 2, 2. Absatz, S. 286), also schlecht wenn länger bei kleiner VKT rumgedümpelt wird, was ja zentrale Frage bisher war
IMG_20200205_073408-756x1008.jpg
Ein Detail im letzten Foto in der Tabelle 4.21 macht mich allerdings stutzig. Bei einer bewusst (durch langes Erhitzen einer reinen Stärke) provozierten Erhöhung des VKT-Bereiches, wird gleichzeitig aber die "enzymatische Angreifbarkeit" (wie auch immer das genau definiert ist) deutlich erhöht.
Daraus wäre zu vermuten, dass die Erhöhung des VKT-Bereiches doch durch verstärkte Enzym-Angreifbarkeit egal wird..
Das Thema ist komplex scheints..
:puzz
VG
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IMG_20200205_073408-756x1008.jpg
Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich es sofort auf - das Lesen! (frei nach Henry Youngman)
Wenn ich nicht gleich antworte, liege ich unterm Zapfhahn :Bigsmile
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#96

Beitrag von Commander8x »

guenter hat geschrieben: Freitag 31. Januar 2020, 17:45 Nachdem nun die Gerste ausführlich diskutiert wurde und es auch Lösungen gibt, sollten wir doch den Weizen ins Spiel bringen. Hat jemand Informationen, ob es da auch das Problem gibt?
Speziell hierzu noch eine Ergänzung: Weizenstärke ist ganz anders aufgebaut als Gerstenstärke. Aus der ähnlichen Verkleisterungstemperatur wie bei Gerstenstärke läßt sich also nicht zwingend auf Verarbeitungsprobleme bei Weizenmalz schließen. Auch aus den Brauereien ist dazu nichts bekannt.

Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#97

Beitrag von ggansde »

Moin,
ich habe mich am vorletzten WE mit einem Braumeister über das Thema unterhalten: Er vertraue seiner Mälzerei, die da wohl schon sehr gut gegensteuern können. Weiss jemand, wie genau das funktionieren könnte? Ansonsten würde er das im Maischeprozess über die Einmaisch- und Rasttemperaturen und die Aufheizraten regeln.
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#98

Beitrag von Commander8x »

Pivnice hat geschrieben: Freitag 31. Januar 2020, 15:09
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Möglichkeiten zur Beeinflussung der VKT in der Mälzerei
... konnte festgestellt werden, dass als einziger effektiver Mälzungsparameter der Weichgrad einen signifikanten Einfluss auf die resultierende Verkleisterungstemperatur des Malzes ausübte. Alle Sorten wiesen bei einem Weichgrad von 40 Prozent (bzw. geringer) signifikant niedrigere Verkleisterungstemperaturen auf als bei einem Weichgrad von 43 Prozent

Technologische Möglichkeiten im Rahmen der Sudhausarbeit
Hier gilt es v. a. das geringe Zeitfenster, bei dem beide amyloytischen Enzyme (alpha-Amylase und beta-Amylase) noch gemeinsam Aktivität zeigen und bereits ein Teil der Stärke verkleistert vorliegt (Verkleisterungsprozess!), optimal zu nutzen. Das Einmaischen auf der Verkleisterungstemperatur bzw. eine Rast bei z. B. 65 °C (im Extremfall 66 °C) bieten eine technologische Möglichkeit im Rahmen eines Infusionsverfahrens. Die Umstellung auf ein Dekoktionsverfahren stellt eine weitere Alternative dar.

Letzte Woche war ich auf dem Weihenstephaner Rohstoffseminar, wo Stefan Hör (der Autor dieses Artikels) Einzelheiten des aktuellen Forschungsprojekts vorgestellt hat. Ein paar Anmerkungen noch zur Ergänzung:

1. Die Angabe der "Verkleisterungstemperatur" ist ein Meßwert, der den Beginn der Verkleisterung der Malzstärke (=Viskositätszunahme) unter Labor-Bedingungen wiedergibt. Er läßt nicht zwangsläufig Rückschlüsse auf den Brauprozess zu: es gab durchaus schon Ausbeuteverluste in den Brauereien trotz normaler VKT und guter Enzymausstattung. Ebenso sind die Malze der 19er Ernte trotz signifikant leichter Erhöhung der VKT zuallermeist gut verarbeitbar.

3. Die VKT zeigt nur den Beginn der Verkleisterung an; die Verkleisterung ist ein temperaturabhängiger Prozess, in dem die kleinen Stärkekörner erst bei Temperaturen >70°C beginnen zu verkleistern.

3. U.a. in der Mälzerei läßt sich die Verkleisterungstemperatur beeinflussen: höherer Weichgrad führt zu höherer Verkleisterungstemperatur. Diese Zunahme ist allerdings nicht groß, und wurde bei für eine Mälzerei eher sehr niedrigen Weichgraden bestimmt.

4. Neben dem Weichgrad haben auch das Mälzungssystem (Lausmann-Wanderhaufenanlage, Keim-Darr-Kasten, Turmmälzerei), und die Schichthöhe beim Schwelken/Darren einen Einfluss auf die VKT. Keimdauer und Gerstensorte haben keinen nachweisbaren Einfluss. Allerdings sind diese Einflüsse eher klein gegenüber den Unterschieden zwischen den Mälzereien.


Gruß Matthias
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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#99

Beitrag von MANKE »

Da ich es nicht gesehen habe, hier noch eine Quelle zur Ernte 2019.

https://www.google.de/url?sa=t&source= ... y_aYLouiFD
Viele Grüße,
Martin

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Re: Verkleisterungstemperatur Ernte 2018/2019

#100

Beitrag von Juergen_Mueller »

Ich hol diesen Thread nochmal aus der Versenkung....
Was haltet ihr von dieser Vorgehenweise zur Vermeidung das Problems?
- Einmaischen bei 64-65 Grad
- Heizquelle abschalten
- Maische absetzen lassen
- Durch Temperaturschichtung unten Dickmaische verkleistern lassen
und oben Dünnmaische bei geringerer Temp. (60-62 Grad) stehen lassen

Bezug nehmend auf die Technik der Dekoktion, sollten in der Dünnmaische die meisten Enzyme (Beta-Amylase) vorhanden sein.

- sobald Verkleisterung vollständig erfolgt ist, rührt man beide Teilmaischen unter und hält nun die "eigentliche" Maltoserast.

Die genauen Temperaturen sind natürlich von abhängig von der Geometrie der Sudpfanne und der Maischdicke.
Kompetent im Promillebereich
Gruß
Jürgen
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