Bayerische Edelreifung

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geldo
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Bayerische Edelreifung

#1

Beitrag von geldo »

Moin,

Mal eine Frage zu diesem Siegel "Bayerische Edelreifung - zweifach kultiviert". Im Prinzip bedeutet das ja nur Flaschengärung. Allerdings liest man bei Erklärung des Siegels auch was von "nicht pasteurisiert". Und auch Erdinger wirbt mit dem Siegel. Ich dachte immer Erdinger sei pasteurisiert und eigne sich deshalb auch nicht zum Hefe-Stripping. Wie ist denn das jetzt?

Gruß Christian
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Re: Bayerische Edelreifung

#2

Beitrag von bierhistoriker.org »

Hi Christian,

das schreibt die HP beim Weissbier:

"Sein Geheimnis liegt in unseren einzigartigen ERDINGER Brauhefen."
Man beachte den Plural!
bedeutet:
Eine Weissbierhefe für die Fermentation.
Eine andere (Staub)-Hefe für die Flaschengärung= strippen möglich, aber sinnlos....

Cheers

Jürgen
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flying
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Re: Bayerische Edelreifung

#3

Beitrag von flying »

bierhistoriker.org hat geschrieben: Dienstag 19. Mai 2020, 19:07 Hi Christian,

das schreibt die HP beim Weissbier:

"Sein Geheimnis liegt in unseren einzigartigen ERDINGER Brauhefen."
Man beachte den Plural!
bedeutet:
Eine Weissbierhefe für die Fermentation.
Eine andere (Staub)-Hefe für die Flaschengärung= strippen möglich, aber sinnlos....

Cheers

Jürgen
Kann schon sein..? Erdinger verwendet aber definitiv mehrere Hefen. Die (oder das) Urweisse ist deutlich "bananiger" und schmeckt wie mit der üblichen Weihenstephan...?
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Re: Bayerische Edelreifung

#4

Beitrag von gulp »

Für die Flaschengärung nehmen sie bei Erdinger untergärige Hefe. 2016 konnte man das noch auf der Homepage nachlesen. Siehe hier Beitrag 16 https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic.php?t=8114
So wurde aus untergäriger Hefe die berühmte „ERDINGER feine Hefe“.

Marketingquatsch.

Gruß
Peter
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Re: Bayerische Edelreifung

#5

Beitrag von §11 »

bierhistoriker.org hat geschrieben: Dienstag 19. Mai 2020, 19:07 Hi Christian,

das schreibt die HP beim Weissbier:

"Sein Geheimnis liegt in unseren einzigartigen ERDINGER Brauhefen."
Man beachte den Plural!
bedeutet:
Eine Weissbierhefe für die Fermentation.
Eine andere (Staub)-Hefe für die Flaschengärung= strippen möglich, aber sinnlos....

Cheers

Jürgen
Unabhaengig davon was Erdinger technologisch jetzt wirklich macht, ich wuerde da die Worte nicht auf die Goldwaage legen. In der Literatur, vor allem in aelterer, laufen einem beide Formen ueber den Weg. Also Hefen im Sinne einer Vielzahl von Pilzen eines Stammes oder Hefen im Sinne vieler Staemme. Das ist wie beim Treber, da gibt es auch eine singulaere Form Treber und die Form Trebern. Beides meint das Gleiche.
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Re: Bayerische Edelreifung

#6

Beitrag von muldengold »

Und was ist nun konkret die bayrische Edelreifung? Wenn es da ein Siegel gibt, existieren da ja sicher gewisse Kriterien?

Den Hinweis von Peter bzgl. Flaschengärung mit einer untergärigen Hefe finde ich auch ganz spannend. Ist das überhaupt RHG-konform? Oder wird das Etikett RHG mit irgendetwas ähnlich hochwertig klingendem ersetzt - z.b. "bayrischer Edelreifung"?
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Re: Bayerische Edelreifung

#7

Beitrag von ggansde »

Weissbier ist nie RHG-konform. Zumindest nicht nach dem RHG für das in Bayern geworben wird. Siehe diverse Beiträge und Aktivitäten unseres geschätzten Kollegen Moritz.
VG, Markus
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Re: Bayerische Edelreifung

#8

Beitrag von bierhistoriker.org »

§11 hat geschrieben: Dienstag 19. Mai 2020, 19:44
bierhistoriker.org hat geschrieben: Dienstag 19. Mai 2020, 19:07 Hi Christian,

das schreibt die HP beim Weissbier:

"Sein Geheimnis liegt in unseren einzigartigen ERDINGER Brauhefen."
Man beachte den Plural!
bedeutet:
Eine Weissbierhefe für die Fermentation.
Eine andere (Staub)-Hefe für die Flaschengärung= strippen möglich, aber sinnlos....

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Jürgen
Unabhaengig davon was Erdinger technologisch jetzt wirklich macht, ich wuerde da die Worte nicht auf die Goldwaage legen. In der Literatur, vor allem in aelterer, laufen einem beide Formen ueber den Weg. Also Hefen im Sinne einer Vielzahl von Pilzen eines Stammes oder Hefen im Sinne vieler Staemme. Das ist wie beim Treber, da gibt es auch eine singulaere Form Treber und die Form Trebern. Beides meint das Gleiche.
Also, diese Formulierung stammt nicht aus dem allgemeinen Teil der HP, sondern aus der "Produktbeschreibung" des Weissbieres.
Multiple Stämme sind in England üblich, in Deutschland kenne ich bei Weissbier keine konkreten Beispiele, was aber nichts heisst.
Erdinger kennt aber meines Erachtens durchaus den Unterschied zwischen Singular und Plural. Da werden mit ziemlicher Sicherheit 2 Hefen eingesetzt - siehe auch Hinweis von Peter - ich konnte mich auch daran erinnern, sonst hätte ich mir den Hinweis erspart.
Ansonsten würde es übrigens Abmahnungen der Mitbewerber regnen mit Bezug auf das UWG :Bigsmile

cheers

Jürgen

PS: Erdinger interessiert mich sonst prinzipiell null.
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Re: Bayerische Edelreifung

#9

Beitrag von §11 »

Ich weiß das Erdinger zwei Stämme verwendet. Was ich sagen will, das Wort Hefen muss nicht unbedingt mehr als einen Stamm bedeuten. Das Wort Hefen, wird auch als Bezeichnung für einen Stamm verwendet. Meine Mutmaßung, da es sich um viele einzelne „Pilze“ handelt.
Ich denke schon das Erdinger den Unterschied zwischen Singular und Plural kennt, aber hier ist nicht klar was die Mehrzahl bedeutet.

So gibt es ja Landstriche wo es nach wie vor Hefengebäck, Hefenknödel oder Hefenbrot heißt.

Schöne Grüße

Jan
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Re: Bayerische Edelreifung

#10

Beitrag von Johnny H »

"Wir vergären unser Weizenbier mit einer obergärigen Weißbierhefe.

Weil unsere Kunden das Mundgefühl so mögen, filtrieren und klären wir bestmöglich und nehmen dann für die Flaschengärung eine untergärige Staubhefe. Damit das Bier dann möglichst lange geschmackstabil bleibt, heizen wir das Bier kurz auf, damit die zweite Hefe abstirbt.

Den Rest bestimmen unsere Marketingabteilung und das deutsche Recht. Erstere denkt sich schöne Sprüche von wegen Tradition und so aus, letzteres hat kein Problem mit solchen Euphemismen."

Wurde mir fiktiv so gesagt. Haha.
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Re: Bayerische Edelreifung

#11

Beitrag von Commander8x »

muldengold hat geschrieben: Dienstag 19. Mai 2020, 21:18 Und was ist nun konkret die bayrische Edelreifung? Wenn es da ein Siegel gibt, existieren da ja sicher gewisse Kriterien?
Diese bayerische Edelreifung zielt ab auf die zusätzliche Speisegabe und Zweitgärung, sei es nun in Flasche oder Tank. Damit will man sich mMn von all denen Brauereien abheben, die nur eine Gärung machen und das Weissbier dann pasteurisieren, um der Hefe die Lust am Weitergären zu nehmen.
Gegründet wurde das Label von Erdinger, Schneider und Maisel. Ob noch weitere Brauereien mit von der Partie sind, weiss ich aktuell nicht.

Den Unterschied sieht man ganz leicht am MHD: pasteurisiertes Weißbier ist locker ein Jahr haltbar, bei nachvergorenem Weißbier sind es meist nur ein paar Wochen. Namen muss ich also keine nennen, kann ja jeder selbst sehen.

Wie es funktioniert, sieht man z.B. auf der Maisel-Seite. Natürlich hat die Edelreifung auch einen eigenen Webauftritt mit Videos und allem Pipapo....

Gruß Matthias
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Re: Bayerische Edelreifung

#12

Beitrag von §11 »

Commander8x hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 09:53
muldengold hat geschrieben: Dienstag 19. Mai 2020, 21:18 Und was ist nun konkret die bayrische Edelreifung? Wenn es da ein Siegel gibt, existieren da ja sicher gewisse Kriterien?

Gegründet wurde das Label von Erdinger, Schneider und Maisel. Ob noch weitere Brauereien mit von der Partie sind, weiss ich aktuell nicht.

Den Unterschied sieht man ganz leicht am MHD: pasteurisiertes Weißbier ist locker ein Jahr haltbar, bei nachvergorenem Weißbier sind es meist nur ein paar Wochen.
Gruß Matthias
Der ist gut. Erdinger hat derzeit mindestens 6 Monte MHD (wenn nicht sogar 9)

Gruss

Jan
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Re: Bayerische Edelreifung

#13

Beitrag von flying »

Ich oute mich mal als Erdinger-Fan. Mir sind die Standards von der W68 und ihrer Abkömmlinge oder Schneider to much. Bei Weißbierböcken kräuseln sich mir normalerweise schon die Fußnägel. Das Erdinger Pikantus hingegen ist für mich einer der besten Weißbierböcke überhaupt!
Das Weißbier so relativ populär ist, ist Erdinger zu verdanken. Die haben mit enormen finanziellen Aufwand in den 70igern massive, bundesweite Werbekampagnen gestartet. Die stellen das Bier vermutlich genau so her wie Tilo das konjunktivistisch so schön beschrieben hat. Die Halbwertszeit von "a la natur" hergestellten Weißbier ist unter aller Kanone. Viele Hobbybrauer können da ein Lied von singen. Da es da allerdings in höchstens 6 Wochen leergetrunken ist- kein Problem! Für Brauereien die viele Monate Stabilität bieten müssen um im großen Handelsgeschäft mitzumischen aber schon..

Die Bayern haben natürlich kein Patent auf die Flaschengärung. Ich frage mich ob ein in Norden hergestelltes Weißbier dann mit Meck-Pomm- Edelreifung beworben werden kann :Waa
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Re: Bayerische Edelreifung

#14

Beitrag von Ladeberger »

§11 hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 15:13
Commander8x hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 09:53
muldengold hat geschrieben: Dienstag 19. Mai 2020, 21:18 Und was ist nun konkret die bayrische Edelreifung? Wenn es da ein Siegel gibt, existieren da ja sicher gewisse Kriterien?

Gegründet wurde das Label von Erdinger, Schneider und Maisel. Ob noch weitere Brauereien mit von der Partie sind, weiss ich aktuell nicht.

Den Unterschied sieht man ganz leicht am MHD: pasteurisiertes Weißbier ist locker ein Jahr haltbar, bei nachvergorenem Weißbier sind es meist nur ein paar Wochen.
Gruß Matthias
Der ist gut. Erdinger hat derzeit mindestens 6 Monte MHD (wenn nicht sogar 9)
Schneider Weisse gibt auf das Tap7 "Mein Original" auch +10 Monate MHD.

Gruß
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Re: Bayerische Edelreifung

#15

Beitrag von heizungsrohr »

Eigentlich müsste unpasteurisiertes Weizenbier längere MHD-Zeiten bekommen, da die Hefe zunächst noch lebt. Nach der Pasteurisation geht die Autolyse quasi direkt los
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Re: Bayerische Edelreifung

#16

Beitrag von Johnny H »

So lange es schmeckt, soll es doch jeder halten, wie er will. Da ist aus meiner Sicht nichts dagegen zu sagen.

Mich stört halt vor allem dieses unehrliche Gequatsche in der deutschen Bierindustrie:

- Weizenbier nach Reinheitsgebot von 1516
- Kellerbier/Zwickel als Verschnitt von ober- und untergärigen Bier, weil Weizenmalz, das man für die "authentische" Kellertrübung braucht, nicht UG vergoren werden darf
- Manche Schönungsmittel sind erlaubt, weil sie den größeren Brauereien nützen, andere bleiben mit Hütchenspielerargumenten verboten (offiziell natürlich mit Bezug auf das RHG)
- Färbebier erlaubt, Röstgerste verboten
- das fürchterliche Getue mit den Pfandflaschen
etc. pp.

Wenn man, wie im obigen Fall, ein Weizenbier durch bessere Technologie haltbarer macht, und es schmeckt den Kunden auch, dann ist da ja eigentlich nichts dagegen zu sagen. Nur soll man es doch dann auch bitte so nennen und nicht immer mit diesem Traditionsgeschwurbel um die Ecke kommen.

Außerdem frage ich mich sowieso, wie groß beim Bier der Kundenstamm ist, der sich von solchen Marketinggags leiten lässt:
1) Unsere Gruppe, die das durchschaut, dürfte es eher nicht sein.
2) Die vielen, die zuallererst auf den Preis schauen und dafür ordentliche Trinkbarkeit (aber nicht viel mehr) erwarten, auch kaum, und gerade diese große Gruppe hat man doch in den letzten Jahren durch dauerhafte Sonderangebote immer größer gemacht.
3) Dann gibt es vielleicht noch eine große Gruppe, die bei der Ernährung auf Regionalität, Bio und generell Wertigkeit achtet, aber ob die wirklich viel Bier trinken, und wenn, dann doch eher die Bio-Marken wie Lammsbräu, Riedenburger etc.?
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Re: Bayerische Edelreifung

#17

Beitrag von Ladeberger »

heizungsrohr hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 16:50 Eigentlich müsste unpasteurisiertes Weizenbier längere MHD-Zeiten bekommen, da die Hefe zunächst noch lebt. Nach der Pasteurisation geht die Autolyse quasi direkt los
Nicht ganz. Autolyse - es steckt bereits im Begriff - ist ein aktiver Vorgang, der hefeeigene hydrolytische Enzyme (v.a. Proteasen und Glucanasen) erfordert. Diese werden bei der Pasteurisierung/KZE ebenfalls inaktiviert. Keine Enzyme, keine Autolyse.

Bei der Pasteuerisierung von Hefe werden jedoch einige Aromastoffe freigesetzt (z.B. Decansäure), die auch bei Autolyse entstehen. Es gilt daher auch nicht als gute Praxis, mit hohen Zellzahlen in Schwebe zu pasteurisieren. Daher ist der KZE bei Weißbieren in der Regel ein Separator oder Filter vorgeschaltet.

Ein pasteuerisiertes Weißbier schneidet in der Verkostung (frisch) im Schnitt schlechter ab als ein Unbehandeltes. Dafür ist es geschmacksstabiler und hat dann, eben auch in Bezug auf Autolysearomen und fruchtige Aromen, nach einigen Monaten Alterung die Nase vorne. Ist also eher als Marathonläufer aufgestellt, wohingegen das unbehandelte Weißbier ein Sprinter ist.

Die thermische Behandlung von Weißbier ist insgesamt eine hohe Kunst, die auch einen starken Einfluss auf die Stabilität der Trübung hat. Also "mal schnell durch die KZE gejagt" wie hier gerne dargestellt, ist es nicht.

Gruß
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Re: Bayerische Edelreifung

#18

Beitrag von Johnny H »

Ladeberger hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 17:34 [...]. Daher ist der KZE bei Weißbieren in der Regel ein Separator oder Filter vorgeschaltet.

Ein pasteuerisiertes Weißbier [...] [ist] geschmacksstabiler und hat dann, [...] nach einigen Monaten Alterung die Nase vorne. Ist also eher als Marathonläufer aufgestellt, wohingegen das unbehandelte Weißbier ein Sprinter ist.

Die thermische Behandlung von Weißbier ist insgesamt eine hohe Kunst, die auch einen starken Einfluss auf die Stabilität der Trübung hat. Also "mal schnell durch die KZE gejagt" wie hier gerne dargestellt, ist es nicht.

Gruß
Andy
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Also alles durchaus eine Respekt einflößende technologische Meisterleistung! Wenn man es doch nur so nennen würde!
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Re: Bayerische Edelreifung

#19

Beitrag von §11 »

Johnny H hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 17:29 So lange es schmeckt, soll es doch jeder halten, wie er will. Da ist aus meiner Sicht nichts dagegen zu sagen.

Mich stört halt vor allem dieses unehrliche Gequatsche in der deutschen Bierindustrie:

- Weizenbier nach Reinheitsgebot von 1516
- Kellerbier/Zwickel als Verschnitt von ober- und untergärigen Bier, weil Weizenmalz, das man für die "authentische" Kellertrübung braucht, nicht UG vergoren werden darf
- Manche Schönungsmittel sind erlaubt, weil sie den größeren Brauereien nützen, andere bleiben mit Hütchenspielerargumenten verboten (offiziell natürlich mit Bezug auf das RHG)
- Färbebier erlaubt, Röstgerste verboten
- das fürchterliche Getue mit den Pfandflaschen
etc. pp.

Wenn man, wie im obigen Fall, ein Weizenbier durch bessere Technologie haltbarer macht, und es schmeckt den Kunden auch, dann ist da ja eigentlich nichts dagegen zu sagen. Nur soll man es doch dann auch bitte so nennen und nicht immer mit diesem Traditionsgeschwurbel um die Ecke kommen.

Außerdem frage ich mich sowieso, wie groß beim Bier der Kundenstamm ist, der sich von solchen Marketinggags leiten lässt:
1) Unsere Gruppe, die das durchschaut, dürfte es eher nicht sein.
2) Die vielen, die zuallererst auf den Preis schauen und dafür ordentliche Trinkbarkeit (aber nicht viel mehr) erwarten, auch kaum, und gerade diese große Gruppe hat man doch in den letzten Jahren durch dauerhafte Sonderangebote immer größer gemacht.
3) Dann gibt es vielleicht noch eine große Gruppe, die bei der Ernährung auf Regionalität, Bio und generell Wertigkeit achtet, aber ob die wirklich viel Bier trinken, und wenn, dann doch eher die Bio-Marken wie Lammsbräu, Riedenburger etc.?
--> Weizenbier nach Reinheitsgebot von 1516
Macht Erdinger nicht mehr, seit sie Moritz, durch eine Eingabe bei der Verbraucherzentrale, davon abgebracht hat.
https://www.verbraucherzentrale-bawue.d ... -rein-8782

--> Kellerbier/Zwickel als Verschnitt von ober- und untergärigen Bier, weil Weizenmalz, das man für die "authentische" Kellertrübung braucht, nicht UG vergoren werden darf
Das muss nicht sein. Eiweisstruebung bekommt man so auch hin. Es gibt durchaus reine UG Kellerbiere. Ich wuerde sogar sagen das eine Mischung aus UG und OG ehe die Ausnahme ist.

--> - Färbebier erlaubt, Röstgerste verboten
Farbebier muss dem RHG entsprechen, darf also auch nur Roestmalz enthalten, weshalb es offiziell auch Roestmalzbier heisst

Ein sehr grossen Kundenstamm hat Erdinger in Bayern. Durch die Naehe zum FC Bayern, aber auch durch das Traditionsgeschwurbel haben sie eine recht massive Fanbase. Es ist nicht zum Aushalten wieviele Erdinger Stammtische/ Erdinger Disco Abende und sonstige Erdinger Events es auf dem Land gibt.

Ein weiterer Vorteil den Erdinger hat, ist die unheimlich weite Reichweite. Erdinger gibt es wirklich fast Weltweit und auch hier passt eben wieder das "mir san mir- Trachtenjanker- Image" der Brauerei, denn viele Leute im Ausland glauben ja wirklich das wir Bayern den ganzen Tag nur schublattelnd mit der Lederhose Bier aus Eimern saufen. Das gilt aber halt auch fuer Deutschland. In vielen Gegenden ist Erdinger das einzige Weissbier das es gibt.

Schoene Gruesse (ich muss meinen Eimer nachschenken...)

Jan
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Re: Bayerische Edelreifung

#20

Beitrag von Johnny H »

§11 hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 18:00 [...]
--> Kellerbier/Zwickel als Verschnitt von ober- und untergärigen Bier, weil Weizenmalz, das man für die "authentische" Kellertrübung braucht, nicht UG vergoren werden darf
Das muss nicht sein. Eiweisstruebung bekommt man so auch hin. Es gibt durchaus reine UG Kellerbiere. Ich wuerde sogar sagen das eine Mischung aus UG und OG ehe die Ausnahme ist.
[...]
Mir ist auch nur Alpirsbacher in Deutschland bekannt, die das so mit dem Verschnitt praktizieren.

Das von Weiherer finde ich auch ziemlich gut (ist, glaube ich, auch auf der Basis von reinem Gerstenmalz) (bitte sag mir jetzt nicht, dass die auch Weizenmalz reinmachen :-) ).

In Österreich gibt es hingegen einige Kellerbiere mit Weizenmalz. Die sind natürlich nicht ans RHG gebunden, aber mich stört ja in diesem Zusammenhang eher der Begriff "Kellerbier", weil es ja nicht wirklich ein solches (d.h. frisch vom Zwickel, deswegen trüb und evtl ein bisschen schweflig) ist (gut, ein rein gerstenmalzbasiertes auch nicht, aber wenn man dann gezielt Weizenmalz einsetzt, dann ist es in meinem Empfinden eben noch unehrlicher).
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Re: Bayerische Edelreifung

#21

Beitrag von §11 »

Johnny H hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 18:35
§11 hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 18:00 [...]
--> Kellerbier/Zwickel als Verschnitt von ober- und untergärigen Bier, weil Weizenmalz, das man für die "authentische" Kellertrübung braucht, nicht UG vergoren werden darf
Das muss nicht sein. Eiweisstruebung bekommt man so auch hin. Es gibt durchaus reine UG Kellerbiere. Ich wuerde sogar sagen das eine Mischung aus UG und OG ehe die Ausnahme ist.
[...]
Mir ist auch nur Alpirsbacher in Deutschland bekannt, die das so mit dem Verschnitt praktizieren.

Das von Weiherer finde ich auch ziemlich gut (ist, glaube ich, auch auf der Basis von reinem Gerstenmalz) (bitte sag mir jetzt nicht, dass die auch Weizenmalz reinmachen :-) ).

In Österreich gibt es hingegen einige Kellerbiere mit Weizenmalz. Die sind natürlich nicht ans RHG gebunden, aber mich stört ja in diesem Zusammenhang eher der Begriff "Kellerbier", weil es ja nicht wirklich ein solches (d.h. frisch vom Zwickel, deswegen trüb und evtl ein bisschen schweflig) ist (gut, ein rein gerstenmalzbasiertes auch nicht, aber wenn man dann gezielt Weizenmalz einsetzt, dann ist es in meinem Empfinden eben noch unehrlicher).
Glueck gehabt. Das ist im Weiherer Keller Bier: Zutaten: Brauwasser, Gerstenmalz, Hopfen, Alkoholgehalt 4,9 % Vol.
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Re: Bayerische Edelreifung

#22

Beitrag von Johnny H »

Gott sei Dank! 🙂

Meine liebe Gemahlin trinkt übrigens sehr gerne Kellerbiere auf Basis Weizenmalz. Mir schmeckt es (spätestens ;-) ) dann nicht mehr, wenn ich die süßliche Note vom Weizenmalz schmecke oder letzteres auf dem Etikett erblicke. Da schaltet dann mein Kopf auf "unehrlich".
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Re: Bayerische Edelreifung

#23

Beitrag von muldengold »

Nochmals Hefeweizen und Flaschengärung mit untergäriger Hefe: ich hatte vor 3 oder 4 Jahren die Hefe aus einem Tap 7 gestrippt und das Original mit, aus meiner Sicht, einigem Erfolg nachgebraut. Das war definitiv keine unterjährige Hefe. Die Tap 7 halten sich auch einige Monate und sind wie gesagt nicht pasteurisiert. Was stimmt da jetzt oder ist das mit den untergärigen Staubhefen erst ein sehr junger Trend?

Hinsichtlich Marketing: ich bekomme bei den Hochglanzfotos der gefällig lächelnden (oder ist das eine Art Krampf?) Brauereiinhaber von Schneider, Erdinger und Maisels mit Bier in der Hand, welches selbst das ungeübte Auge als stark Photoshop-überzeichnet erkennt, keinen Durst:

https://www.bayerische-edelreifung.de/de

Aber das ist wie immer Geschmackssache.
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Re: Bayerische Edelreifung

#24

Beitrag von §11 »

muldengold hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 19:00 Nochmals Hefeweizen und Flaschengärung mit untergäriger Hefe: ich hatte vor 3 oder 4 Jahren die Hefe aus einem Tap 7 gestrippt und das Original mit, aus meiner Sicht, einigem Erfolg nachgebraut. Das war definitiv keine unterjährige Hefe. Die Tap 7 halten sich auch einige Monate und sind wie gesagt nicht pasteurisiert. Was stimmt da jetzt oder ist das mit den untergärigen Staubhefen erst ein sehr junger Trend?

Hinsichtlich Marketing: ich bekomme bei den Hochglanzfotos der Brauereiinhaber von Schneider, Erdinger und Maisels mit Bier in der Hand, welches selbst das ungeübte Auge als stark Photoshop-überzeichnet erkennt, keinen Durst:

https://www.bayerische-edelreifung.de/de

Aber das ist wie immer Geschmackssache.
Meines Wissens nimmt Schneider Ihre OG Hefe, allerdings dosieren sie wirklich zur Abfuellung frische Hefe dazu
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Re: Bayerische Edelreifung

#25

Beitrag von Johnny H »

Erster Braumeister Erdinger
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„Wir sind stolz darauf, mit der Edelreifung eine lange Brautradition lebendig zu halten. Nachdem wir dem Jungbier nach der Hauptgärung Brauwürze und die berühmte ‚Erdinger feine Hefe‘ zugeben, lagern wir es unter idealen Bedingungen, damit es direkt in der Flasche oder im Faß reifen kann. Nach rund drei Wochen ist die Edelreifung abgeschlossen und unser Erdinger Weißbier hat seine einzigartige Qualität erreicht. Erst so wird es zu einer echten Spezialität für jeden Weißbiergenießer."
(Hervorhebung von mir)

Weiß jemand, seit wann das Verfahren mit der UG-Hefe dort so praktiziert wird?
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Re: Bayerische Edelreifung

#26

Beitrag von §11 »

Johnny H hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 20:16
Erster Braumeister Erdinger
Dr. Stefan Kreisz
„Wir sind stolz darauf, mit der Edelreifung eine lange Brautradition lebendig zu halten. Nachdem wir dem Jungbier nach der Hauptgärung Brauwürze und die berühmte ‚Erdinger feine Hefe‘ zugeben, lagern wir es unter idealen Bedingungen, damit es direkt in der Flasche oder im Faß reifen kann. Nach rund drei Wochen ist die Edelreifung abgeschlossen und unser Erdinger Weißbier hat seine einzigartige Qualität erreicht. Erst so wird es zu einer echten Spezialität für jeden Weißbiergenießer."
(Hervorhebung von mir)

Weiß jemand, seit wann das Verfahren mit der UG-Hefe dort so praktiziert wird?
Fuer Erdinger spezifisch nicht. Ich kann mich aber die 1990er erinnern, als viele Konsumenten dicke Hefeflocken im WB erwartet haben, damals ist oft UG Bruchhefe dosiert worden. Das waere jetzt 30 Jahre her, wobei ich nicht weiss ob das auch schon vorher gemacht wurde
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Re: Bayerische Edelreifung

#27

Beitrag von Johnny H »

§11 hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 20:29 Fuer Erdinger spezifisch nicht. Ich kann mich aber die 1990er erinnern, als viele Konsumenten dicke Hefeflocken im WB erwartet haben, damals ist oft UG Bruchhefe dosiert worden. Das waere jetzt 30 Jahre her, wobei ich nicht weiss ob das auch schon vorher gemacht wurde
Ich gebe hier dem Reinheitsgebot die Schuld: weil wir dieses unsägliche Ding haben, muss bei deutschen Bieren immer alles nach "Tradition", "wird schon seit Hunderten von Jahren unverändert so gemacht" etc. klingen, auch wenn hinter dem Produkt eigentlich ein hochmoderner und immer wieder angepasster Produktionsprozess steht. Weizenbier als solches kommt ja historisch nicht mal aus Bayern und war als Bierstil ja quasi ausgestorben, bis eben Erdinger etc. da wahnsinnig viel geleistet haben.

In anderen Ländern gibt es dieses Phänomen vermutlich auch oft genug (mir fallen ein paar Beispiele ein), aber in Deutschland ist es oft ganz besonders krass.

Nachtrag: Schneider wurde 1872 gegründet, Erdinger 1886 und Maisels 1887. Bei den ersten beiden weiß ich es nicht, aber Maisels braut lt. deren Wikipedia-Eintrag erst seit 1955(!) Weizenbier. Da wird es schwierig mit "langer, unveränderter Weißbiertradition" :-)
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Re: Bayerische Edelreifung

#28

Beitrag von Boludo »

§11 hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 19:04
muldengold hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 19:00 Nochmals Hefeweizen und Flaschengärung mit untergäriger Hefe: ich hatte vor 3 oder 4 Jahren die Hefe aus einem Tap 7 gestrippt und das Original mit, aus meiner Sicht, einigem Erfolg nachgebraut. Das war definitiv keine unterjährige Hefe. Die Tap 7 halten sich auch einige Monate und sind wie gesagt nicht pasteurisiert. Was stimmt da jetzt oder ist das mit den untergärigen Staubhefen erst ein sehr junger Trend?

Hinsichtlich Marketing: ich bekomme bei den Hochglanzfotos der Brauereiinhaber von Schneider, Erdinger und Maisels mit Bier in der Hand, welches selbst das ungeübte Auge als stark Photoshop-überzeichnet erkennt, keinen Durst:

https://www.bayerische-edelreifung.de/de

Aber das ist wie immer Geschmackssache.
Meines Wissens nimmt Schneider Ihre OG Hefe, allerdings dosieren sie wirklich zur Abfuellung frische Hefe dazu
Nein, sie dosieren normalerweise keine frische Hefe dazu, das machen sie nur bei den beiden Weizenböcken.
KZE lehnt Schneider rigeros ab (außer beim Alkoholfreien, da geht es nicht anders), sie haben mir gesagt, dass man das sehr deutlich schmeckt. Als Beispiel für einen deutlichen KZE Geschmack haben sie Franziskaner genannt.
Ist schon zehn Jahre her, dass wir bei Schneider auf dem Wettbewerb waren, aber ich erinnere mich noch sehr gut an das meiste.
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Re: Bayerische Edelreifung

#29

Beitrag von Johnny H »

Aber die Dosierung der Hefe für die Flaschengärung ist konstant (gemessen über die Trübung), oder?

Ich glaube, das habe ich hier so aufgeschnappt.
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Re: Bayerische Edelreifung

#30

Beitrag von Bierjunge »

Johnny H hat geschrieben: Donnerstag 21. Mai 2020, 08:14 Aber die Dosierung der Hefe für die Flaschengärung ist konstant (gemessen über die Trübung), oder?

Ich glaube, das habe ich hier so aufgeschnappt.
Ja, wird abzentrifugiert und in definierter Menge wieder zudosiert.

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Re: Bayerische Edelreifung

#31

Beitrag von bwanapombe »

Johnny H hat geschrieben: Donnerstag 21. Mai 2020, 07:23
...
Weizenbier als solches kommt ja historisch nicht mal aus Bayern und war als Bierstil ja quasi ausgestorben, bis eben Erdinger etc. da wahnsinnig viel geleistet haben.

...
Da wird es schwierig mit "langer, unveränderter Weißbiertradition" :-)
Das interessiert mich sehr. Hast Du dafür Quellen?

Ich habe letztens mit einer historischen Beschreibung des W.-Biers von Thaddäus Hagecius gerungen. Er benutzt den Terminus "Weizen- oder Weißbier" wie wir ihn heute benutzen. (Ob das Bier mit dem von heute irgendwie verwandt ist, könnte man nur anhand von Kenntnissen über die Hefe entscheiden.) Jedenfalls sagt er sinngemäß, dass das Bier so oder ähnlich nicht nur in Prag, sondern im ganzen Königreich Böhmen und Polen, sowie in andern Fürstentümern Deutschlands gebraut wird.

https://braumagazin.de/article/hagecius-weissbier/

Ist der Name des zeitgenössischen W.-Biers vielleicht das einzige, was historisch ist?

Ist nicht eine der Kveikhefen mit der W 175 identisch?

Was sagt uns das ǘber die Vorläufer des heutigen W.-Biers?

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Re: Bayerische Edelreifung

#32

Beitrag von Johnny H »

bwanapombe hat geschrieben: Donnerstag 21. Mai 2020, 12:06 Das interessiert mich sehr. Hast Du dafür Quellen?
[...]
https://braumagazin.de/article/hagecius-weissbier/

Ist der Name des zeitgenössischen W.-Biers vielleicht das einzige, was historisch ist?

Ist nicht eine der Kveikhefen mit der W 175 identisch?

Was sagt uns das ǘber die Vorläufer des heutigen W.-Biers?

Dirk
Ich bin gerade nicht zuhause und weiß auch nicht, ob ich mir konkret zu diesem Thema (Ursprung Weizenbier in Norddeutschland) Quellen abgespeichert habe, aber ich habe das schon ganz oft gelesen, ich glaube auch in Artikeln zur Berliner Weißen.

Hat uns nicht auch Ulrich ähnliches erzählt, als wir bei ihm waren?
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Re: Bayerische Edelreifung

#33

Beitrag von bwanapombe »

Da kann ich ich auch nochmal in den Aufzeichnungen schauen.

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Re: Bayerische Edelreifung

#34

Beitrag von Johnny H »

Ja, ich habe gerade nichts an Quellen vor Ort. Es könnte auch in einem oder mehreren meiner Bücher zur Biergeschichte oder auch im Braumagazin etwas darüber zu finden sein.

Sehr schöner, informativer Artikel über Hagecius übrigens!
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Re: Bayerische Edelreifung

#35

Beitrag von bierhistoriker.org »

14./15. Jahrhundert:
Grätzer / Grodziskie :
100% Eichenrauch-Weizenmalz

cheers

Jürgen
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Re: Bayerische Edelreifung

#36

Beitrag von §11 »

Im historischen Kontext ist ein Problem das, je nach Quelle, Weißbier synonym für obergärige Biere verwendet wird. Die Abgrenzung ist dann Braun-/ Rotbier für untergärig und Weißbier für obergärig, ungeachtet ob diese Weizen enthalten haben.

Ich kann dir gerade auch nicht mit Quellen dienen, aber es gibt zwei Erklärungen (und meiner Meinung nach sind beide richtig). Die eine geht davon aus das sich das Weizenbier aus dem Bereich des heutigen Böhmens ausgebreitet hat, wobei hier unklar ist ob es tatsächlich dort den Ursprung hatte oder noch weiter im Nordosten Richtung Baltikum. Dafür sprechen bekannte Biere wie der Gräzer aus Polen, der ab dem 14. Jahrhundert lange Zeit eine große Rolle gespielt hat. Je nach Brauordnung war dieser ja nicht immer 100% Weizenmalz und, bis auf den Rauch, unserem Weizen nicht unähnlich, zumindest was die Beschreibungen angeht.

Der andere Ursprung, der allerdings eher zu Entwicklungen wie dem Hamburger Weißbier und dem Brojhan geführt hat, liegt scheinbar im Bereich der heutigen Niederlande von wo sich das Weizenbier dann zunächst den Rhein entlang ausgebreitet hat. Es gibt einige historische Quellen, die namentlich belegen das, zum Beispiel in Nürnberg, Holländische Brauer das Weizenbierbrauen begonnen haben.

Eine der bekanntesten Weizenhefen, der Stamm 3068 kommt angeblich aus Japan und ist eine Sakehefe, die in den 1970ern in Weihenstephan Ihren deutschen Ursprung hat. Damals war man sehr bemüht das Weizenbier wieder zu forcieren, hatte aber keine vernünftigen Hefen mehr. Zeitgleich gab es einen sehr engen und intensiven Forschungsaustausch mit Japan. Genetisch ist die Hefe auf jeden Fall sehr eng mit Sakehefen verwandt.

Nicht ganz unspannend das Thema

Gruß

Jan
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Re: Bayerische Edelreifung

#37

Beitrag von bwanapombe »

In der Tat sehr interessant. Ich war nur sehr erstaunt, mit welcher Sicherheit Hagecius 1585 Weißbier und Weizenbier synonym verwendet. Ich bin immer davon ausgegangen, dass das erst später kam.

Immer noch nicht ganz klar ist mir, warum die Weizenbiere den Namen Weißbier bekommen haben. War Weizenmalz grundsätzlich heller? Oder war gar nicht die Bierfarbe gemeint?

Dass eine heutige Weizenhefe mit Sakehefe verwandt ist, ist ja auch schon mal ein Knüller. Bei manchen Sachen ist es ganz gut, dass sie nicht auf dem Etikett stehen. Da würde Weißbier mit langer Tradition auf einmal zu neumodischem Zeug.

Ich bin ja auch kein Freund von diesem Marketinggeschwurbel. Mitunter stößt man aber auf interessante Geschichten, auch wenn sie am Ende mit dem Produkt doch nicht viel zu tun haben.

Vielen Dank auf jeden Fall für die schönen Beiträge hier!

Dirk
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Re: Bayerische Edelreifung

#38

Beitrag von §11 »

Das ist ein grundlegendes Problem bei der Historie rund ums Bier. Zum einen war den Leuten ja lange Zeit gar nicht daran gelegen das Wissen um die Herstellung festzuhalten und damit weiterzugeben. Verfolgt man Brauerfamilien, so wurde das Wissen vom Vater auf den Sohn weitergegeben. Schaut man sich Zunftordnungen an, so haben es in fast allen Zuenften auswaertige Brauer schwer Fuss zu fassen, bzw. haben es Lehrlinge aus nicht Brauerfamilien schwer eine Lehrstelle zu bekommen (teilweise unbezahlbares Lehrgeld). Die Zuenfte und Schaechte waren ja nicht zu Letzt auch ein Instrument um die Handwerker vor Konkurenz zu schuetzen.

Ein anderes grundlegendes Problem ist unsere moderne Sichtweise. Bierstile, die ueber eine laenger Zeit immer reproduzierbar nachgebraut wurden, waren lange Zeit vollkommen unbekannt. Meist gab es einen Hopfen, der nicht selten in der Gegend angebaut wurde oder eben zugekauft werden musste. Die Zeit vor den Hopfenbieren war noch viel abenteuerlicher, weil die Grut, als Beispiel, in Ihrer Zusammensetzung wechseln konnte. Das gleiche gilt fuer's Malz. Selbst in Brauordnungen, wo die Schuettungen vorgebene werden, sieht man haeufig Veraenderungen oder Regelungen zu Ausnahmen, zum Beispiel fuer Missernten. Graezer durfte zeitweise ganz aus Gerste gerbraut werden, wenn der Weizen knapp wurde.

Zudem gibt es allgemeine Stroemungen, die das Bier veraendert haben. Sei es die Umstellung von untergaerig auf obergaerig (oder andersrum) oder sei es die Umstellung der Rohstoffe. Vor dem Siegeszug des Hopfens, als Beispiel, war Hafer das Hauptbraugetreide.

Ich stolpere mitunter ueber den Fall das wir das Glueck haben das es zwei Quellen unterschiedlicher Autoren, zur fast selben Zeit vom fast gleichen Ort und denoch scheint es das die Autoren komplett unterschiedliche Biere beschreiben. Ich denke auch das man vorstichtig sein muss. In der Vergangenheit konnte nicht jeder schreiben. D.h. es ist ganz haeufig nicht der Brauer selbst der sein Wissen festhaelt, sondern jemand der unter Umstaenden vollkommen fachfremd ist und wir wissen aus heutigen Artikeln und Beitraegen in Funk und Fernsehen, wie oft das was falsch verstanden und dann falsch wiedergegeben wird.

Schoene Gruesse

Jan
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Re: Bayerische Edelreifung

#39

Beitrag von Johnny H »

Das wäre doch mal eine schöne Werbekampagne: Georg Schneider, Werner Brombach und ein japanischer Brauereichef schütteln sich öffentlichkeitswirksam die Hände und feiern die Neuerfindung des Weizenbiers mit einem Koji-Weißbier-Kollaborationssud.

Im Rahmen der mehrtägigen Festivitäten werden u.a. auch gemeinsame Teezeremonien durchgeführt und Kabuki-Theaterstücke aufgeführt. "Wir sind eine gemeinsame kulinarische Welt geworden, ja durch Austausch schon immer gewesen. Und unsere Biere sind tatsächlich zweifach kultiviert: bayrisch und japanisch. Vergessen wir einfach den Unsinn mit dem deutschen Reinheitsgebot - das hat es sowieso nie wirklich gegeben!" wird W. Brombach zitiert.

Zeitgleich wird bekannt, dass Audi eine neue Modellreihe herausgibt. "Wir haben ein altes Dokument entdeckt und verwenden ab sofort nur noch Holzräder und Tretantriebe, gefertigt nach dem Eichelgebot von 1465!"

*hallo, aufwachen, hallo?* dringt es an mein Ohr...
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Re: Bayerische Edelreifung

#40

Beitrag von bwanapombe »

Dass die vorindustriellen Quellen immer nur Schnappschüsse darstellen, darf man an keiner Stelle vernachlässigen. Die natürlichen Schwankungen der Rostoffe und deren Verfügbarkeit sehen wir ja z.T. immernoch. Dass muss man sich nur potenziert vorstellen.

Dennoch muß es auch Wiedererkennungsfaktoren der verschiedenen Biere gegeben haben. Ganz äußerlich war das erstmal das Faß (je nach Herkunft verschiedene Größe, sicher auch eine Kennzeichnung des Inhalts). Das erste Qualitätsmerkmal war dann sicher die *Stärke*, die über das Verhältnis von Wasser und Schüttung auch reproduzierbar war.

Dass dann ein bestimmter Geschmack immer wieder getroffen wurde, ist nur mit größerer Tolerenz zutreffend, als beim Bier im industriellen Zeitalter.

Auch Hagecius schreibt nichts zum Geschmack des Bieres. Vielleicht trank er nur das eine Bier, aber er beschreibt sehr genau den Herstellungsprozeß, wenn wahrscheinlich auch nicht fehlerfrei, und ist damit meines Wissens der einzige seiner Zeit, trozdem in der Literatur offensichtlich nirgendwo als Quelle verwendet.

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Re: Bayerische Edelreifung

#41

Beitrag von bwanapombe »

Johnny H hat geschrieben: Donnerstag 21. Mai 2020, 16:03 Das wäre doch mal eine schöne Werbekampagne: Georg Schneider, Werner Brombach und ein japanischer Brauereichef schütteln sich öffentlichkeitswirksam die Hände und feiern die Neuerfindung des Weizenbiers mit einem Koji-Weißbier-Kollaborationssud.

Im Rahmen der mehrtägigen Festivitäten werden u.a. auch gemeinsame Teezeremonien durchgeführt und Kabuki-Theaterstücke aufgeführt. "Wir sind eine gemeinsame kulinarische Welt geworden, ja durch Austausch schon immer gewesen. Und unsere Biere sind tatsächlich zweifach kultiviert: bayrisch und japanisch. Vergessen wir einfach den Unsinn mit dem deutschen Reinheitsgebot - das hat es sowieso nie wirklich gegeben!" wird W. Brombach zitiert.

Zeitgleich wird bekannt, dass Audi eine neue Modellreihe herausgibt. "Wir haben ein altes Dokument entdeckt und verwenden ab sofort nur noch Holzräder und Tretantriebe, gefertigt nach dem Eichelgebot von 1465!"

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Re: Bayerische Edelreifung

#42

Beitrag von §11 »

ennoch muß es auch Wiedererkennungsfaktoren der verschiedenen Biere gegeben haben. Ganz äußerlich war das erstmal das Faß (je nach Herkunft verschiedene Größe, sicher auch eine Kennzeichnung des Inhalts). Das erste Qualitätsmerkmal war dann sicher die *Stärke*, die über das Verhältnis von Wasser und Schüttung auch reproduzierbar war.

Dass dann ein bestimmter Geschmack immer wieder getroffen wurde, ist nur mit größerer Tolerenz zutreffend, als beim Bier im industriellen Zeitalter.
Es hat wohl, zumindest in einigen Gegenden, schon fruehes Qualitaetsmanagement in Form der Bierbeschau gegeben, die auch teilweise mit einer fruehen Form des Marketings verknuepft war.

So beschreibt Adolf Warschauer in der Zeitschrift der historischen Gesellschaft der Provinz Posen das Graetzer fuer den Export, also ausserhalb der Stadt, vom Rat der Stadt verkostet wurde und die Faesser aussen gesiegelt/ gestempelt wurden.
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Re: Bayerische Edelreifung

#43

Beitrag von Ursus007 »

Sehr interessant, die ganzen historischen Sichtweisen/Herkünfte/Ableitungen. Und dass auf einmal sogar Japan mit der Sake-Hefe ins Weißbier-Thema kommt ... damit hätte ich nicht gerechnet.

Ich dachte, dass Europa bzw. Deutschland bzw. Bayern (in der damaligen Zusammensetzung) damals eher nicht so biertechnisch international aktiv waren. Mit dem "Reinheitsgebot von 1516" schottet man sich ja heute eher noch mehr ab (Meins! Meins!! Meins!!!), als manchen (und mir auch) lieb ist.

Aber Weißbier a.k.a. Weizenbier mit Berliner Weisse zu vergleichen, ist aus meiner Sicht etwas weit her geholt: Die Berliner Variante ist m.M.n. zusätzlich zu den Bier-Hefen mit Milchsäurebakterien fermentiert, was dem bekannten Weißbier/Weizenbier ja völlig abgeht.

Wobei ich diese Variante nicht schlecht reden will, nur stehe ich nicht auf Berliner Weisse. Hatte mal eine sogenannte Edel-Berliner-Weisse: Nicht mein Ding, mir zu sauer. Das ist aber ganz und gar mein Problem. Lieber eine traditionell bayrische Variante ... obwohl die Herkunft (nippon-influenced) ja auch wieder in Frage steht ...
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Re: Bayerische Edelreifung

#44

Beitrag von §11 »

Überrascht waren die Forscher von dem Ergebnis, dass die Stämme TUM 68 und TUM 127 asiatischen Ursprungs sind. Diese beiden Stämme werden weltweit beim Brauen von Weizenbier am häufigsten eingesetzt. TUM 68 bewirkt die alkoholische Gärung bei 90 Prozent der bayerischen Weizenbierproduktion. Genetisch sind die beiden Stämme am nächsten mit den Hefen verwandt, die bei der Herstellung des japanischen Sake genutzt werden. Obwohl Sake im Deutschen als "Reiswein" bezeichnet wird, ist sein Herstellungsprozess dem Bierbrauen ähnlicher als der Weinerzeugung.

Mathias Hutzler vom Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität in Freising, einer der Co-Autoren der Studie, hat aufgrund des Ergebnisses im eigenen Institut recherchiert. Er fand heraus, dass bereits in den Fünfzigerjahren in Weihenstephan mit TUM 68 gearbeitet wurde. "Dem Ursprung dieser Hefe würde ich gerne auf den Grund gehen", sagt Hutzler. Denn mehr als die Aussage, dass ein früherer Forscher des Instituts Verbindungen nach Japan hatte, hat er noch nicht herausgefunden. Das Forschungszentrum Weihenstephan gehört zur Technischen Universität München (TUM) und vertreibt Hefestämme weltweit.
Quelle: Stern 10.10.2016 https://www.spiegel.de/wissenschaft/men ... 15908.html
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Re: Bayerische Edelreifung

#45

Beitrag von bwanapombe »

Vielen Dank!

Als gentechnischer Laie frage ich mich jetzt natürlich warum nur diese beiden Stämme und nicht alle WB-Hefen, die doch ähnliche Ergebnisse liefern, nämlich W.-Biere? Wahrscheinlich darf man W 68 Biere und andere nicht mehr in einem Atemzug nennen.

Sobald man etwas mehr weiß, stellen sich tausend neue Fragen.

Dirk
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Re: Bayerische Edelreifung

#46

Beitrag von gulp »

Der andere Ursprung, der allerdings eher zu Entwicklungen wie dem Hamburger Weißbier und dem Brojhan geführt hat, liegt scheinbar im Bereich der heutigen Niederlande von wo sich das Weizenbier dann zunächst den Rhein entlang ausgebreitet hat. Es gibt einige historische Quellen, die namentlich belegen das, zum Beispiel in Nürnberg, Holländische Brauer das Weizenbierbrauen begonnen haben.
Servus Jan, das stimmt so leider nicht ganz.

"Um 1541 kommt das sog. "Niederländische Weiße Bier" (nicht zu verwechseln mit dem heutigen "Weißbier") hinzu, mit Gerstenmalz gebraut, ein obergäriges helles Bier.

Um 1643 kam dann aus Böhmen ein Biertyp, der mit Gersten- und Weizenmalz obergärig gebraut wurde und unserem heutigen "Weizenbier" sehr ähnlich gewesen sein dürfte."

Aus einem Aufsatz von Jochen Sprotte im Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte des Brauwesens e.V. (GGB) 2018.

Gruß
Peter
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Re: Bayerische Edelreifung

#47

Beitrag von bwanapombe »

Johnny H hat geschrieben: Donnerstag 21. Mai 2020, 12:31 Ja, ich habe gerade nichts an Quellen vor Ort. Es könnte auch in einem oder mehreren meiner Bücher zur Biergeschichte oder auch im Braumagazin etwas darüber zu finden sein.

Sehr schöner, informativer Artikel über Hagecius übrigens!
Vielen Dank für die Blumen! Hat mir auch Spaß gemacht.

In den Aufzeichnung vom Besuch bei U.P. habe ich nichts über die Herkunft des Weißbiers aus Norddeutschland gefunden. Muß aber nicht heißen, daß er nicht davon gesprochen hat.

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Re: Bayerische Edelreifung

#48

Beitrag von Commander8x »

§11 hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 15:13 Der ist gut. Erdinger hat derzeit mindestens 6 Monte MHD (wenn nicht sogar 9)

Gruss

Jan
Schatzi. Der Braumeister in meiner vorigen Brauerei hat für Weißbier (Flaschengärung) 12 Wochen veranschlagt. Rechnet man die Zeit für die Flaschengärung runter, sind das ca. 10 Wochen für Vertrieb, Verkauf und Konsum.
Stand das Weissbier 4 Wochen im Getränkemarkt, hat es schon deutlich anders geschmeckt als bei der Verkostung im Betrieb.

Mag natürlich sein, dass in einer reinen Weissbierbrauerei die Prozesse stabiler und ausgefeilter sind, und man dann längeres MHD geben kann. Bei uns war das nur eine Randsorte, und der Meister wollte auf der sicheren Seite sein.

Gruß Matthias
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Re: Bayerische Edelreifung

#49

Beitrag von Commander8x »

flying hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 16:12 Die Bayern haben natürlich kein Patent auf die Flaschengärung. Ich frage mich ob ein in Norden hergestelltes Weißbier dann mit Meck-Pomm- Edelreifung beworben werden kann :Waa
Jenseits des Weißwurst-Äquators gibt es sowieso kein anständiges Bier, dös weis jeder Bua. :Greets

Gruß Matthias
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Re: Bayerische Edelreifung

#50

Beitrag von Commander8x »

Bierjunge hat geschrieben: Donnerstag 21. Mai 2020, 08:21
Johnny H hat geschrieben: Donnerstag 21. Mai 2020, 08:14 Aber die Dosierung der Hefe für die Flaschengärung ist konstant (gemessen über die Trübung), oder?

Ich glaube, das habe ich hier so aufgeschnappt.
Ja, wird abzentrifugiert und in definierter Menge wieder zudosiert.

Moritz
Wird nicht sogar die separierte Hefe pasteurisiert vor der Wiederdosierung?

Gruß Matthias
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Illegitimis non carborundum.
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