Berechnung des MHD

Hier kommt alles rein, was woanders keinen Platz hat.
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trinity2906
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Berechnung des MHD

#1

Beitrag von trinity2906 »

Moin,

vorab möchte ich schon einmal sagen, dass ich den Thread im alten Forum schon gefunden hatte und würde die Diskussion gerne in die ursprüngliche Richtung zurückführen. Letztlich suche ich Anhaltspunkte für eine Berechnung des Mindesthaltbarkeitsdatums auf Bierflaschen. Also was würde ich auf die Flaschen schreiben, wenn ich etwas draufschreiben müsste? Ich braue zwar mengenmäßig nicht genug und verkaufe auch nicht, aber wenn, dann muss das MHD doch auf den Flaschen aufgedruckt sein. In dem alten Thread stand auch etwas von: "das MHD bei kleineren Brauereien auch nur geschätzt wird!". Anhand welches Parameter wird das geschätzt? ABV ist bestimmt da mit dabei, aber ich denke auch noch einige andere Sachen (IBU, Bierstil,...).

Folgende Punkte würde ich ausklammern wollen (kleine Zusammenfassung des alten Threads):
* es heißt "mindestens haltbar bis" und nicht "tödlich ab"
* Probesud / Forciertest für Hobbybrauer nicht praktikabel
* letztlich wird das Bier wegen seiner Beschaffenheit nie schlecht, sondern eventuell nur nicht mehr genießbar
* bis zu diesem Datum entspricht das Bier geschmacklich noch den Spezifikationen der Brauerei
* helle und leichte Bier verlieren etwas an Geschmack, weniger CO2 und werden etwas trüber und sind nicht mehr so "schön golden"
* hopfige Biere verlieren die Hopfenaromen mit der Zeit -> IPAs früh trinken
* starke Biere (Bock / Porter / Triple / Quadrupel) entwickeln ihren komplexen Geschmack teils auch erst Jahre nach dem MHD -> Vintage Biere
* als Standard könnte man 6 Monate sagen, aber das ist denke ich für Hobbybrauer zu ungenau, den auch wir machen beispielsweise Belgian Triple

Grüße Daniel
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Sebasstian
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Re: Berechnung des MHD

#2

Beitrag von Sebasstian »

Hallo Daniel,
eine "ich frage für einen Freund" Frage? :Wink
"das MHD bei kleineren Brauereien auch nur geschätzt wird!". Anhand welches Parameter wird das geschätzt?
Das MHD wird nicht geschätzt, sondern einfach vom Brauer festgelegt. Der Brauer muss sich überlegen, ab wann er nicht mehr für die Qualität garantieren kann bzw. ab wann er nicht mehr möchte, dass sein Bier getrunken wird. Der einfachste Weg das rauszufinden, ist ein regelmäßiger Test/Probieren, am besten unter schlechten oder verschiedenen Lagerbedingungen. Wichtige Punkte dabei:
Nicht jedes Bier einer Brauerei muss die gleiche "Haltbarkeits-Dauer" aufgedruckt haben. Ein hopfiges Helles als Beispiel vielleicht nur 2 Monate, der Barley Wine aber 2 Jahre.
Und: Die Charge und damit das MHD entsteht für Flaschenbier beim Abfüllen und nicht am Brautag.
Denn im nicht-industriellen Maßstab ist Oxidation in der Flasche gerade bei hellen und hopfigen Bieren wohl die größte Herausforderung. Wenn meim Pils im Fass lagert, dann wird es eigentlich mit dem Alter immer besser. Sobald es aber in Flaschen abgefüllt ist, will ich das es in 8 Wochen ausgetrunken ist. Das schreibe ich dann auch so drauf. Verlangt natürlich ein durchdachtes System der Rückverfolgbarkeit und Dokumentation.
Grüße,
Sebastian
Gladii
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Re: Berechnung des MHD

#3

Beitrag von Gladii »

Ich würde sagen, es gibt mehrere Faktoren, die das MHD bestimmen.

- Oxidation. Zwangsläufig kommt Luft ins Bier, der Sauerstoff zersetzt die Bestandteile. Das fällt am Aroma auf.
- Photolyse. Einfallendes Licht zersetzt die Verbindungen im Bier und führt damit zur verschlechterung des Geschmacks.
- Eingetragene Keime. Pilze und Bakterien zersetzen Inhaltsstoffe und machen das Bier ungenießbar. Während auf Grund des begrenzten Sauerstoffvorrates aerobe Bakterien und Pilze nur begrenzt Schaden anrichten können, können anaerobe Keime auch ohne Sauerstoff die Degration vorantreiben.
a) Beliebte Kandidaten sind Lactobacillus brevis (macht Bier sauer und trüb), Pediococcus damnosus (butterartiger Geschmack), Megasphaera spp. und Pectinatus spp.
b) Saccharomyces diastaticus (Milchsäurebakterium) befällt gerne Bier mit hohem pH-Wert und niedriger Hopfung, wie z.B. Weizen.
- Nachträgliches Ausfallen von Eiweiß-Komplexen, die durch sich stark wechselnde Lagerung entstehen können.
- Entweichen von Kohlensäure, die das Bier lack und schal werden lässt.
- Natürliche Degration von Aromakomponenten, die das Bier fade werden lassen.

Im Prinzip wird das Bier schon ab der Hopfenzugabe schlecht. Spätestens aber nach dem Stopfen fangen herausgelöste Aromen an, sich abzubauen und in der abgekühlten Würze fangen an, sich Mikroorganismen zu vermehren. Auch wenn gewisse Aromakomponenten Zeit brauchen, sich zu entwickeln, zersetzen sich andere schon lange.

Abgesehen also von objektiven Bewertungskriterien (Mikrobiologische Qualität) obliegt es einzig und alleine dem Brauer, zu bestimmen, ab wann er sein Bier nicht mehr gut findet.

Die einzige Möglichkeit, die mir einfällt, wie man das im Hobbymaßstab noch halbwegs hinbekommt, ist Bier unter den schlechtestmöglichen Bedingungen zu lagern (hell, warm, sozusagen in der prallen Sonne) und jeden Tag eine Flasche zu verkosten, bis man an dem Punkt ist, dass man es nicht mehr gut findet. Und dann muss man versuchen, empirisch zu ermitteln, um wieviel diese Prozedur das Altern beschleunigt hat. Das sind dann wohl schlussendlich einfach Erfahrungswerte, die aber sehr stark von der Biersorte, pH-Wert, Hopfung und Trübung abhängen, die sich gewohntermaßen zwischen zwei identischen Suden deutlich unterscheiden können.

Das ist wohl auch der Grund, warum kleine Brauereien ein kurzes, geschätztes Datum aufbringen. Pauschal 3 oder 4 Monate, wobei kurze MHD den Verkauf für den EZH sehr ungüstig machen.
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trinity2906
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Re: Berechnung des MHD

#4

Beitrag von trinity2906 »

Sebasstian hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 07:32 eine "ich frage für einen Freund" Frage?
Eigentlich bin ich auf das Thema gekommen, weil ich mich gerade um Etiketten für mein selbstgebrautes Bier kümmere. Ich mache nur so 2 Sude im Jahr in meinem 30 L Maischfest und die etwas mehr als 20 Liter die dann rauskommen nehme ich zu Freunden und Verwandten mit (bzw. das Meiste zu Hause). Also wirklich weit weg von jeglicher Kennzeichnungspflicht. Dieses Forum verleitet mich jedoch dazu mich immer tiefer mit den ganzen Bier Themen zu beschäftigen, beispielsweise durch die aktuellen Themen wie 'Malz selber rösten' / 'Bierflaschenträger aus Holz basteln' / und viele mehr, nun gerade eben Etiketten basteln. Da sind schon viele schöne rausgekommen und es wurde auch angesprochen was Brauereien für den Vertrieb angeben müssen und da bin ich auf das Thema gekommen. Ob ich das dann auch alles auf meine Etikette am Ende drucke ist noch fraglich, aber je mehr ich über MHD gelesen habe, desto unklarer wurde es für mich, wie man auf ein entsprechendes Datum kommt.
Sebasstian hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 07:32 Das MHD wird nicht geschätzt, sondern einfach vom Brauer festgelegt.
Das es "geschätzt" wird hatte ein anderer User im alten Forum geschrieben. Denke damit ist aber gemeint, dass es nicht berechnet wird und der Brauer es anhand des Alkoholgehalts / Bierstil usw. festlegt, so wie du schreibst.
Sebasstian hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 07:32 Der Brauer muss sich überlegen, ab wann er nicht mehr für die Qualität garantieren kann bzw. ab wann er nicht mehr möchte, dass sein Bier getrunken wird.
So hatte ich es auch aus dem alten Forum verstanden und mich dann fragt, warum der Gesetzgeber dann einfordert, dass es draufstehen muss, wenn der Brauer letztlich irgendetwas draufschreiben kann. Dann ist es für den Brauer auch nur eine wirtschaftliche Entscheidung. Möglichst lange, damit es lange verkauft werden kann, und möglichst kurz um sicherzustellen, dass die Qualität noch passt und die Kunden zufrieden sind. Was dann eingetragen wird scheint eben sehr variabel zu sein (also warum dann ein Gesetz?). Aber auch hier würde ich unterstellen, dass jeder Brauer zumindest in die gleiche Richtung geht und bei seinem Doppelbock ein längeres Datum drauf schreibt als bei seinem Session Ale.
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Re: Berechnung des MHD

#5

Beitrag von Fe2O3 »

Ein nicht zu vernachlässigender Faktor ist auch der Handel - das MHD muss ja auch mit dessen Lager-/Transportabläufen kompatibel sein. Es kann Wochen dauern, bis das Bier von Brauerei über GFGH, Zentrallager, Regionallager bis zum LEH gelangt, und dort soll es ja auch noch lange "haltbar" sein. Der Kunde möchte ja, wenn er sich vom günstigen Angebotsbier 3-4 Kästen ins Auto und dann in den Keller stellt, dass der gute Tropfen noch mehr als nur ein paar Wochen MHD besitzt. (Absurdes, aber leider häufiges denken: "ich kaufe für die Party am Wochenende doch kein Bier, das nicht mindestens noch 4 Wochen haltbar ist")
Ergo: auch der LEH spricht bei der "Ermittlung des MHD" ein Wörtchen mit.

LG
Martin
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Sebasstian
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Re: Berechnung des MHD

#6

Beitrag von Sebasstian »

trinity2906 hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 08:16 Dann ist es für den Brauer auch nur eine wirtschaftliche Entscheidung. Möglichst lange, damit es lange verkauft werden kann, und möglichst kurz um sicherzustellen, dass die Qualität noch passt und die Kunden zufrieden sind.
Genau, das ist der wesentliche Punkt bei der Entscheidung für ein MHD.
Was dann eingetragen wird scheint eben sehr variabel zu sein (also warum dann ein Gesetz?).
Das Gesetz gibt es wohl, wegen dem Thema Produkthaftung. Der Brauer muss die Verantwortung für das Produkt übernehmen... bis zum MHD. Danach ist der Kunde eigenverantwortlich unterwegs beim Trinken.

Edit: Dass immer der Brauer die Produktverantwortung übernehmen muss, ist nicht ganz korrekt. Es muss der Inverkehrbringer sein soweit ich weiß. Das kann unter gewissen Konstellationen auch jemand anderes sein als der Brauer. Meistens wird es der aber sein.
Grüße,
Sebastian
Andlix
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Re: Berechnung des MHD

#7

Beitrag von Andlix »

Ich würde mich da auch nicht zu sehr an kommerzielle Brauer richten. Die haben hier sowieso ganz andere Möglichkeiten.
Ich schreibe nur das Abfülldatum auf das Etikett und gebe es nur weiter, wenn ich der Meinung bin, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen es zu trinken.
Der Rest wird erklärt: bitte im Kühlschrank lagern, dann ist es so und so lang haltbar.

Und ich hab z.B. auch noch nie eine Marmelade geschenkt bekommen, wo ein MHD drauf war.

Gruß
Andy
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Re: Berechnung des MHD

#8

Beitrag von DrFludribusVonZiesel »

Gladii hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 07:52 b) Saccharomyces diastaticus (Milchsäurebakterium) befällt gerne Bier mit hohem pH-Wert und niedriger Hopfung, wie z.B. Weizen.
Saccharomyces cerevisiae var. diastaticus ist kein Milchsäurebakterium (Lactobacillus), sondern eine Hefe. Steckt auch schon im Namen. Die verschleppt man sich meistens und sie ist auch hopfentolerant, siehe bspw. Saison-Hefen.
Best practice is practice.
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Re: Berechnung des MHD

#9

Beitrag von braunsbruch »

Hier wurde schon vieles Richtiges zusammengetragen.

Für alle, die im Besitz des ersten Brücklmeier sind, empfehle ich an dieser Stelle das Kapitel "Lagerung und Haltbarkeit des fertigen Bieres" ab Seite 241. Dort gibt es auch eine sehr schöne Grafik, die vereinfacht gesagt die Haltbarkeit in Abhängigkeit von der Stammwürze widergibt.
Beste Grüße, Daniel

Bild
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Commander8x
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Re: Berechnung des MHD

#10

Beitrag von Commander8x »

Maßgeblich für die Qualität eines Bieres sind die Stabilitätskriterien: mikrobiologische, Trübungs- und Geschmacksstabilität. Durch die technischen Voraussetzungen (welche Anlagen sind vorhanden, welche Verfahren werden benutzt) und die Durchführung der Arbeiten (Stabilität der Prozesse und sorgfältiges Arbeiten) sowie die eigenen Qualitätsansprüche ("Philosophie des Hauses") ergeben sich in der Brauerei die Rahmenbedingungen für die Festlegung des MHD.

Das sind Erfahrungswerte, eine Formel zur Berechnung gibts da nicht.

Wie schon gesagt ist das MHD ein Garantiedatum, bis zu dem der Hersteller die Konformität mit gesetzlichen Vorgaben und seinen eigenen Ansprüchen garantiert.

Gruß Matthias
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Re: Berechnung des MHD

#11

Beitrag von renzbräu »

trinity2906 hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 08:16 Dann ist es für den Brauer auch nur eine wirtschaftliche Entscheidung. Möglichst lange, damit es lange verkauft werden kann, und möglichst kurz um sicherzustellen, dass die Qualität noch passt und die Kunden zufrieden sind. Was dann eingetragen wird scheint eben sehr variabel zu sein (also warum dann ein Gesetz?).
Generell und nicht nur auf Bier bezogen:
In den letzten Jahren wurde bei manchen Herstellern beobachtet, dass das MHD immer weiter verkürzt wurde. Der Einzelhandel/ggf Endkunde sortiert es dann eher aus und ordert früher Nachschub. Quelle war einer Doku über Lebensmittelverschwendung.
Grüße Johannes

- hausgebraut, handgeklöppelt & mundgetrunken -
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Sebasstian
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Re: Berechnung des MHD

#12

Beitrag von Sebasstian »

Andlix hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 09:18 Ich schreibe nur das Abfülldatum auf das Etikett und gebe es nur weiter, wenn ich der Meinung bin, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen es zu trinken.
Der Rest wird erklärt: bitte im Kühlschrank lagern, dann ist es so und so lang haltbar.
Im rein privaten Umfeld würde ich das auch genau so machen.
Grüße,
Sebastian
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Re: Berechnung des MHD

#13

Beitrag von trinity2906 »

Sebasstian hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 07:32 Verlangt natürlich ein durchdachtes System der Rückverfolgbarkeit und Dokumentation.
Das ganze Thema soll dann auch eine kleine "Dokumentation" und Nachvollziehbarkeit liefern.
Also würde ich auf mein Etikett anfangs einfach Abfülltag + 3 Monate schreiben, nur so als Richtlinie.
Gladii hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 07:52 Ich würde sagen, es gibt mehrere Faktoren, die das MHD bestimmen.
Oxidation / Photolyse / Eingetragene Keime, sind denke ich alles Faktoren, die für den Brauer "konstant" sind. Sagen wir mal er füllt immer in braune Glasflaschen, dann ist die Luft in der Flasche, die Sonneneinstrahlung, die Sauberkeit der Anlage und auch Transport und Lagerung gleich, egal ob es ein leichtes IPA ist oder ein starkes Bockbier ist. Er hat ja auch keinen Einfluss darauf, ob es im Getränkemarkt dann draußen in der Sonne steht oder nicht. Klar hast du vollkommen damit Recht, dass dies die Einflussfaktoren für die Haltbarkeit des Bieres sind, aber für das was er draufschreibt denke ich nicht, weil er schon auf Alkoholgehalt, Bierstil, usw. achten wird.
Gladii hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 07:52 Das ist wohl auch der Grund, warum kleine Brauereien ein kurzes, geschätztes Datum aufbringen. Pauschal 3 oder 4 Monate, wobei kurze MHD den Verkauf für den EZH sehr ungüstig machen.
So hatte ich mir das auch ungefähr vorgestellt, nur waren mir die ganzen Hintergründe bisher noch nicht so klar. Meine Vorstellung ging in die Richtung, dass es Werte gibt, anhand jeder Brauer das "ähnlich" macht, natürlich keine fixe Formel weil jeder andere Präferenzen hat, aber sowas wie: MHD = 4 Monate (für ein Standardbier IBU 20 / ABV 5.0%) + 1 Monat für jedes Prozent ABV mehr - 1 Monat für je 10 IBUs (um die Hopfenaromen noch zu haben)... und was ich bisher gelesen habe noch pH-Wert, Stammwürze und Bierstil einbauen.
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Re: Berechnung des MHD

#14

Beitrag von heru »

Schwarzbräu Zusmarshausen hat auf seinen Aged Bock ein MHD von 10 Jahre.
Ich denke es liegt allein im Ermessen des Brauers bzw. Brauerei.
Colindo
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Re: Berechnung des MHD

#15

Beitrag von Colindo »

Fuller's schreibt auf seinem Imperial Stout (10,5 vol.-%) auch 10 Jahre MHD drauf. Deren Biere sind, soweit ich weiß, bei -2°C chill-proofed gegen Eiweißklümpchen, sterile-filtered und anschließend noch flash-pasteurised (kenne die exakten deutschen Begriffe nicht).
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Fuji
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Re: Berechnung des MHD

#16

Beitrag von Fuji »

Für Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 10% gilt (Zitat mindesthaltbarkeitsdatum.de):
"Schon bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mindestens 10 % vol. gibt es keine Frist, weil die Haltbarkeit von Spirituosen – zumindest, wenn diese ungeöffnet sind, das heißt, nicht mit Sauerstoff in Berührung kamen – im Grunde unbegrenzt ist."

Deswegen geben viele Brauereien bei Bieren über 10% ABV auch kein MHD mehr an.

Edit: Gemäss LMKV muss bei Getränken mit einem Alkoholgehalt über 10% ABV kein MHD angegeben werden (Quelle Wikipedia).
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§11
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Re: Berechnung des MHD

#17

Beitrag von §11 »

Wurde ja schon geschrieben, es gibt keine Formel. Es gibt sehr wohl Erfahrungswerte, die sich aus dem Rezept selbst (Alkoholgehalt, Schüttung, IBU, usw.), physikalischen Parametern (Geschmacksstabilität, Trübungsstabilität, pH, usw.) und aus dem Prozess (Sauerstoffaufnahme, Mikrobiologie, usw.) ergeben. Das steht auf der einen Seite der Gleichung, auf der anderen Seite steht der eigene Qualitätsanspruch, also ab wann ist das Bier nicht mehr "gut".

In der Praxis setzt der Brauer das MHD fest. Im Idealfall tut er das vor dem Hintergrund der Bestimmung der oben genannten Paramter und ergänzt das durch Forciertests. Oft bleibt aber die Zeit dazu nicht, vor allem bei Brauereien die im Jahr x neue Sorten auf den Markt bringen. Es kommt mitunter auch vor das das MHD angepasst wird. Unser Reunion Pils hat am Anfang 6 Monate MHD, nach der Verkostung von Rückstellproben haben wir das später auf 9 Monate angehoben.

In der Realität ergibt sich aber ein anderes Problem. Gerade grosse Handelsketten verlangen teilweise unrealistische MHDs. Bei Bier nicht selten 12 Monate. Jetzt steckt Brauer natürlich in einem Interessenskonflikt, entweder LKW- Ladungen Bier an einen Abnehmer los werden oder aber beim eigenen Qualitätsanspruch bleiben.

Gruss

Jan
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Re: Berechnung des MHD

#18

Beitrag von Andlix »

Das wird aber auch der Grund sein, warum die meisten Bier gefiltert sind.
Und bestimmte Bierstile wie Hazy IPA hab ich noch nie ohne Alterserscheinung getrunken, obwohl die ein kurzes MHD angeben. Aber da wird die Lagerung auch selten optimal sein.

Aber das ganze dürfte doch für den Hobbybrauer doch egal sein.
Der Hobbybrauer sollte darauf achten, möglichst sauber und mit möglich wenig Sauerstoffeintrag arbeiten.
Aber wir verkaufen es nicht und müssen uns auch nicht darum kümmern, wie lange die Qualität hält.
Und wenn man dann z.B. ließt, dass Falschen nur mit klaren Wasser ausgespült werden, dann ist das MHD sowieso nicht mehr unter Kontrolle.

Gruß
Andy
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Re: Berechnung des MHD

#19

Beitrag von Colindo »

Fuji hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 13:04 Gemäss LMKV muss bei Getränken mit einem Alkoholgehalt über 10% ABV kein MHD angegeben werden.
Sehr interessant. Danke, Fuji
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Re: Berechnung des MHD

#20

Beitrag von afri »

Andlix hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 16:14 Und wenn man dann z.B. ließt, dass Falschen nur mit klaren Wasser ausgespült werden, dann ist das MHD sowieso nicht mehr unter Kontrolle.
Das halte ich für Quatsch und viele andere hier vermutlich ebenso, aber worauf ich hinaus will: das mit der Trübung im Eingangsbeitrag beim fünften Stern kann ich so für mich nicht bestätigen. Ich teste seit vielen Monden Jährlinge und Zweijährlinge, also 1-2 Jahre nach Braudatum bzw. Abfüllung. Bislang hatte ich noch keins, das nicht glanzfein nach einem Jahr gewesen wäre (allerdings sind das auch nur ein paar über 60). CO2 verliert auch keins (außer der Bügelverschluss ist hinüber), Hopfenaroma aber sehr wohl.

Ich hatte auch schon Sherry-Aroma und dergleichen, vermutlich kommt das von Autolyse der Hefe in den Flaschen, lässt sich bei Flaschennachgärung nicht wirkam verhindern. Was sich verhindern oder wenigstens verringern lässt, ist Sauerstoff, von mir und anderen mehrfach bestätigt. Der sorgt für dunklere Farben und insgesamt weniger gut schmeckendes Bier, das haben wir (glaube ich) zur genüge Diskutiert.

Müsste ich plötzlich ein MHD aufdrucken, ich würde 1 Jahr wählen. Bis dahin ist bislang kaum eins schlechter geworden, danach durchaus schon mehr als eins.
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Re: Berechnung des MHD

#21

Beitrag von Alt-Phex »

Mal ein anderes Beispiel. Unsere Düsseldorfer Hausbrauereien geben auf ihre Altbiere ein MHD von 4-6 Wochen.

Das liegt ganz sicher nicht daran, dass das Bier danach schlecht wird. Das Bier soll einfach schnell ausgetrunken werden. Einerseits damit es noch schön frisch schmeckt, andererseits aber natürlich auch damit schnell wieder neues Bier gekauft wird. Eine clevere Strategie.

Womit wir wieder am Ausgangspunkt angekommen sind: Der Brauer gibt das MHD an. Ob er das durch Rückstellproben analysiert, es sich einfach aus den Fingern saugt oder kurzerhand auswürfelt ist dabei völlig egal.

Für den Hobbybrauer ist es tatsächlich uninteressant sich darüber große Gedanken zu machen. Im Kühlschrank gelagert hab ich schon Biere länger als ein Jahr getrunken. Die sind geschmacklich meist nicht besser geworden, waren aber allesamt noch völlig in Ordnung. Letztens hab ich beim "Flaschen-Tetris" sogar noch ein Pre-Corona Bier gefunden. Das war sogar noch richtig lecker.
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Re: Berechnung des MHD

#22

Beitrag von trinity2906 »

afri hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 22:55 das mit der Trübung im Eingangsbeitrag beim fünften Stern kann ich so für mich nicht bestätigen
Hier hatte ich auch nur etwas aus dem alten Forum übernommen, nachdem ich den Thread zu dem Thema von damals durchgelesen hatte.
Man spricht dabei von der kolloidalen Stabilität des Bieres. Kolloide sind Stoffe die Eigenschaften von Molekülen und Partikeln in sich vereinen. Diese Kolloide lagern sich mit der Zeit zusammen und werden immer grob disperser. Ein Bier das nach der Filtration und Stabilisierung glanzfein abgefüllt wurde wird deshalb nach einer bestimmten Zeit dennoch trüb werden und nicht mehr den Verbrauchererwartungen entsprechen.
Ich gebe dir aber Recht, dass mir bisher auch kein Bier aufgefallen ist, welches trüber geworden ist. Die Konsumenten, die eher auf Aussehen und Design achten als auf den Geschmack, den fällt bestimmt auch nicht auf, wenn ihr leuchtendes Gold etwas trüber ist. Wird wohl auch sehr lange dauern, bis das auffällig wird.

Muss wieder mal danke für die rege Beteiligung sagen. Gefällt mir echt gut im Forum. Das ganze MHD Thema ist mir viel klarer geworden und habe jetzt auch einige Anhaltspunkte, was ich drauf drucken würde, wenn ich denn müsste, wieder was gelernt.
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Re: Berechnung des MHD

#23

Beitrag von §11 »

Ach doch, Flockenbildung und Trübung kommt bei schlecht gelagerten und überlagerten Bieren doch recht häufig vor.

Gruß

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Re: Berechnung des MHD

#24

Beitrag von HitteBeie »

Hallo zusammen,
eine kleine Frage an euch bezüglich eines alkohol armen Bieres.
Alkoholgehalt zwischen 0,5 und 1%, ich wollte dies nicht pasteurisieren,
was meint ihr wie lange es sich gekühlt hält ? Hat da wer Erfahrungen mit ?
Oder doch lieber erhitzen ?

Freue mich auf eure Meinung.
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Re: Berechnung des MHD

#25

Beitrag von Colindo »

Wenn das mit einer Hefe vergoren wurde, die nur Traubenzucker verstoffwechselt, ist eine Pasteurisierung vom Hersteller vorgeschrieben. Alles andere erzeugt Flaschenbomben.
Wenn du hingegen eine sehr geringe Stammwürze gewählt hast, kommt es wohl hauptsächlich auf die Hopfung an. Je mehr Hopfen, desto besser haltbar.
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Till
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Re: Berechnung des MHD

#26

Beitrag von Till »

Da hätte ich auch Bauchschmerzen, eine Lagerungsdauer zu benennen. Mit Heimbrauerequipment und -rahmenbedingungen kann man bestimmt nicht so sauber arbeiten, dass da nichts lebendiges in die Flaschen kommt und wächst. Bleibt die Frage wie schnell es wächst, und da würde ich nichts riskieren. Entweder Erhitzen, oder vielleicht notfalls Plastikflaschen nehmen, sehr gut kühlen, schnell verbrauchen und vor dem ersten großen Schluck aus jeder neuen Flasche immer kritisch schnüffeln...
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Re: Berechnung des MHD

#27

Beitrag von Andlix »

Bei Bier mit wenig Alkohol kommt es vor allem auf den ph Wert an. Ein niedriger Ph Wert ist von Vorteil.
Ich hatte noch ein 3 Monate altes alkoholarmes Bier im Kühlschrank, hauptsächlich hat das Hopfenaroma nachgelesen, ansonsten war es noch gut.
Aber man wird da schwer eine allgemeingültige Antwort finden.

Gruß
Andy
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Re: Berechnung des MHD

#28

Beitrag von Colindo »

Andlix hat geschrieben: Donnerstag 10. März 2022, 17:32 Ich hatte noch ein 3 Monate altes alkoholarmes Bier im Kühlschrank
Im Kühlschrank wird's auch nicht zur Flaschenbombe. Ist also ein empfehlenswertes Vorgehen.
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HitteBeie
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Re: Berechnung des MHD

#29

Beitrag von HitteBeie »

Andlix hat geschrieben: Donnerstag 10. März 2022, 17:32 Bei Bier mit wenig Alkohol kommt es vor allem auf den ph Wert an. Ein niedriger Ph Wert ist von Vorteil.
Ich hatte noch ein 3 Monate altes alkoholarmes Bier im Kühlschrank, hauptsächlich hat das Hopfenaroma nachgelesen, ansonsten war es noch gut.
Aber man wird da schwer eine allgemeingültige Antwort finden.

Gruß
Andy
Hi,
vielen Dank. Ich wollte in die Richtung vom BrewDogs Nanny IPA, jedoch komplett vergären lassen.
Das hat eine Stammwürze von 2,35 °P und später ca. 1% Alk. Hopfen ca. 41 IBU.
Kalte Lagerung ist logisch, ich denke ich werde die Hälfte mal pasteurisieren und die andere Hälfte nicht.

Ich wollte nur mal grob ne Einschätzung haben ob sich das Bier ohne Behandlung so ca. 3-4 Wochen hält.
Ist mein erster Versuch in die Richtung und werde nur mal 20 Liter ausprobieren wollen.

Vielen Dank für den Tipp mit dem PH Wert. Wo sollte dieser liegen ?
Andlix
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Re: Berechnung des MHD

#30

Beitrag von Andlix »

Ich hab es auch mit der S-33 komplett vergoren, bin etwas über 1% gekommen.
41 IBU ist für ein alkoholarmes Bier viel zu hoch. Den Hopfen erst am Ende, die letzten 15 Minuten dazu geben, um möglichst viel Hopfenaroma, mit wenig Bitterkeit zu erreichen. Dazu noch Wirpool oder kalt hopfen.

Und ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie am Ende der Ph Wert war. Beim Maischen hab ich mich am unteren Ende gehalten.
Niedriger Ph Wert ist natürlich gut, aber letztlich muss es auch noch funktionieren.
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