Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

Bitte beschränkt Euch auf das Wesentliche, die Bilder. Nach Möglichkeit langatmige oder ausführliche Textpassagen vermeiden. In der Kürze liegt die Würze.
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Plankton
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Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#1

Beitrag von Plankton »

Nach meiner Lektüre von Mika Laitinens Blog und Buch im letzten Jahr fasste ich den Plan, mal wieder etwas Experimentelleres zu machen: ein Bier mit Fichtentrieben, dessen Herstellungsprozess sich archaischen Hausbrautechniken annähert, wie sie heute zum Teil wohl im finnischen Sahti oder einigen norwegischen Farmhouse Ales fortleben.

Es sollte ein starkes Raw Ale, im Kessel über offenem Feuer gemaischt, werden, das durch den Herstellungsprozess Raucharomen annimmt. Da ich schon öfters gerne selbst (dunkles) Roggenmalz hergestellt hatte, sollte das auf jeden Fall auch rein. Uncarbonisiert und stark sollte es auch sein. Technik und Messungen wollte ich perspektivisch auf ein Minimum reduzieren.

Ich habe mich dann für eine Schüttung aus 3kg Pilsner Malz, 2.8kg Münchner Malz und 1kg selbst hergestelltes dunkles Roggenmalz für ca. 20l Bier entschieden. Für die Vergärung habe ich eine wiedergeführte (leider ursprünglich als Reinzucht im Handel gekaufte) Hornindal Kveik gewählt.
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Ende Mai finden sich in den höheren Lagen der Eifel Fichtentriebe aller Entwicklungsstadien.
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Ich habe etwa 2l Fichten- und Tannentriebe verschiedener Arten gesammelt, überwiegend im eigenen Garten. Die Tannentriebe schmeckten und rochen übrigens besonders gut, sehr zitronig und frisch. Eine gute Handvoll Hallertauer Tradition, die noch von einem früheren Sud übrig waren, habe ich in die Maische geworfen.
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Das Malz wurde mühselig mit der Handmühle geschrotet (hier mein selbst hergestelltes Roggenmalz).
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Aus der Hälfte der Triebe wurde für die Nachgüsse ein Tee mit heißem, nicht kochendem Wasser angesetzt. Nach ca. 1h roch dieser überwältigend nach Wald und ätherischen Ölen, so dass ich die Triebe entfernt und nur noch etwas warmgehalten habe.
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Die eigentliche Herausforderung war das Maischen mit der Kessel überm offenen Feuer. Um trotz der voluminösen Schüttung in den Kessel zu passen, musste die Maische sehr dick angesetzt werden (ca. 14l Wasser). Nach dem Einmaischen mit warmem Leitungswasser hatte die Maische eine Temperatur knapp unter 40 Grad (das habe ich gemessen, um ein Gefühl dafür zu bekommen). Die Hälfte der Triebe habe ich einfach mit in Maische geworfen.
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Dann habe ich über mehrere Stunden hinweg sehr langsam und kontinuierlich erwärmt.
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Nach etwa 4 Stunden war die Maische recht flüssig, süß und dunkel und eine Kontrollmessung bestätigte eine Temperatur knapp unter 80 Grad.
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Das Läutern fand völlig unspektakulär mit Läuterblech im Gäreimer statt, wobei ich für die Nachgüsse den "Tee" verwendet habe. Dann räumte ich noch etwas auf und ließ entgegen meiner sonstigen Praxis über Nacht abkühlen. Am Morgen hatte die Würze leider schon eine etwas niedrigere Temperatur als geplant, etwa 24 Grad. Trotzdem rührte ich die Kveikhefe ein.
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Siehe da, nach einigen Stunde war alles am Hochkräusen und die Temperatur stieg spontan um mehrere Grad an.

Ich plane - ähnlich der Vorgehensweise bei einem Sahti - bei nachlassender Gärung in Plastikkanister umzufüllen und kühlzustellen. Wenn es soweit ist, werde ich gerne weiter berichten. Ich bin jetzt schon äußerst gespannt, ob und wie so etwas schmeckt.
BrewerTimothy
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#2

Beitrag von BrewerTimothy »

Nice, sieht toll aus. Wie lange dauert die Reifung?
Viele Grüße
Tim
Plankton
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#3

Beitrag von Plankton »

Sahti trinkt man ja frisch, also schon nach etwa einer Woche. Der Höhepunkt soll nach ca. 3-4 Wochen sein.

Wahrscheinlich bleibt dann von den 20l Starkbier noch was übrig. Das würde ich eventuell dann doch in Flaschen abfüllen und gucken wie es sich entwickelt.
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tinoquell
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#4

Beitrag von tinoquell »

Hallo,

ein sehr schönes Projekt, so etwas gefällt mir :thumbsup

Viel Erfolg, ich bin gespannt auf die Verkostung!

Raucharomen bekommst du sicher über das selbst hergestelltes Malz (sofern über Feuer gedarrt) - Kochen über offenem Feuer bringt nach meiner Erfahrung eher Karamell (Oder brenzlig, wenn man nicht richtig rührt :Angel ).

Danke für den Bericht, viele Grüße
Tino
haefner
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#5

Beitrag von haefner »

Plankton hat geschrieben: Samstag 28. Mai 2022, 07:53 Sahti trinkt man ja frisch, also schon nach etwa einer Woche. Der Höhepunkt soll nach ca. 3-4 Wochen sein.

Wahrscheinlich bleibt dann von den 20l Starkbier noch was übrig. Das würde ich eventuell dann doch in Flaschen abfüllen und gucken wie es sich entwickelt.
Tolles Projekt / Idee und auch Dokumentation! Jupp, Sahti trinkt man sehr frisch. Ich komme gerade erst von einem Sahti-Brauwochenende und mußte einmal mehr staunen wie entspannt die da ran gehen. Bereits nach 24 Stunden Gärung hatten mir die Einheimischen angeboten, dass wir gern schon was davon trinken könnten, es wären sicher bereits 3-4% :Smile . Bei Dir ist die Stammwürze im Vergleich allerdings viel niedriger und die Viskosität höher, könnte u.U. vielleicht etwas als unangehm "lack" daher kommen.

Habe vor 2 Jahren mal als Experiment ein paar Liter abgezwackt, etwas verdünnt und mit Vic Secret gebittert und in Flaschen gefüllt. Das gab ein echt leckeres Brown Ale, ohne Kohlensäure hätte ich es aber nicht haben wollen.

Gruß Micha
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#6

Beitrag von Plankton »

Ich hatte leider noch nie Gelegenheit, Sahti zu trinken, also ist das hier auch daran eine „Annäherung“.

Fast 7kg Schüttung für 20l fand ich jetzt eigentlich ganz ordentlich Stammwürze… :Angel Recht süß sollte das auf jeden Fall werden…

…allerdings habe ich im Sinne der entspannten Back-to-basic-Vorgehensweise hier keine Stammwürze gemessen, weiß also nicht, inwiefern sich die unübliche und improvisierte Maischarbeit auf meine Ausbeute ausgewirkt hat.

Die Kveik-Hefe hat übrigens heute die Gärtemperatur ohne irgendwelches äußeres Zutun auf über 32 Grad gebracht…!
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#7

Beitrag von Plankton »

Rasant ging es weiter:
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heute Abend, nach nur anderthalb Tagen, ließ die Gäraktivität abrupt nach. Als ich im Garbottich nachsah, war die ganze Kräusendecke abgesunken.
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Also habe ich in zwei 10l-Kanister umgefüllt und das ganze in den Kühlschrank verfrachtet. Nach Zurücklassen des gröbsten Hefeschmodders ergaben sich tatsächlich ziemlich genau 20l.
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Von der Kveik-Hefe habe ich wieder etwas in ein Einmachglas umgefüllt. Vielleicht wird das ja irgendwann meine Hauskultur :Smile
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Und ermutigt durch eure Sahti-Berichte habe ich etwa 350ml abgezweigt, in der Tiefkühltruhe runtergekühlt und verkostet:

Klar, es ist milchig trüb und dickflüssig, die Farbe rötlich-hellbraun. Es riecht erstaunlich "normal", hefig, eindeutig nach Bier. Ein bisschen stechend, jungbiermäßig, aber nicht sehr. In der Nase auch etwas fruchtige Ester, aber relativ zurückhaltend, fast undefinierbar. Es schmeckt weniger süß als gedacht, eher brotig-herzhaft, und fast ein bisschen leer. Schwach säuerlich. Erst im Abgang und Nachgeschmack kommen etwas harzige Aromen von den Fichtentrieben und eine leichte Rauchnote durch. Das gefällt mir wiederum sehr gut! Mal sehen, wie es sich in ein paar Tagen entwickelt hat.
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#8

Beitrag von Plankton »

So, Verkostung die zweite, eine Woche nach dem Brautag.
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Puh :Grübel gar nicht so einfach, etwas so ungewohntes zu verkosten. Wie man sieht, ist kaum noch Hefe in Suspension, dafür hübsche, rötliche Farbe und Raw-Ale-typischer Eiweißtrub.

Es riecht nicht mehr nach Hefe, nicht mehr stechend, sehr leicht fruchtig (eher Kirsche/Beeren als Exotik) und nicht mehr sehr nach gewöhnlichem Bier. Malzig-honigartig und kräuterig, so wie entsprechende Bonbons vom Weihnachtsmarkt.
Ganz leicht moussierend und auch etwas dickflüssig. Der Geschmack ist weiterhin weniger süß/malzig als gedacht; im Antrunk wie verdünnte Kräuterlimo, dann kommt eine herzhaft-brotige Note durch, die durch leichten Rauch verstärkt wird. Den Alkohol merkt man, aber er ist kaum zu schmecken. Kalt aus dem Kühlschrank ist es erstaunlicherweise eher erfrischend, mir ein bisschen zu wässrig. Etwas wärmer und länger im Glas wird der Geschmack intensiver und für meinen Gaumen besser.

Also schlecht finde ich es nicht, wenn auch sehr ungewöhnlich. Es wirkt tatsächlich sehr "urig" und man kann es sich gut als Beigabe zu deftigem Essen auf einem Mittelalter-Fest vorstellen. Wenn ich nochmal was in die Richtung braue, würde ich es in der Tat noch stärker/süßer machen, in Richtung der originalen Sahti-Rezepte - wurde oben ja auch schon angemerkt.
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#9

Beitrag von haefner »

Hallo,

das klingt wirklich mega lecker und sieht auch super aus, würde mich ja echt interessieren zu testen! Nun, wie oben schon geschrieben, könnte das bei der vergleichsweise niedrigen Stammwürze schon etwas schal, wässrig oder halt "lack" schmecken. Bei der eigentlich hohen Stammwürze und verbliebenen Restsüße schon irgendwie unglaublich.
Ich habe mit Sahti einige Versuche gemacht, und da habe ich selbst gestaunt, wie wässrig Sahti schmecken kann, wenn er "nur" bei 20-23°P liegt. Ich bin in der Gegend um Lahti unterwegs wo man die starken Sahtis braut, diese liegen bei 28-30°P (sic!). Schmeckt mir viel besser. Ich hab gerade 10l im Kühlschrank von dem Stoff :-). Die Rezepte um 20-23°P und auch die käuflichen find ich allesamt im Vergleich langweilig.

Was ich Dir aber empfehlen kann, wäre etwas Kohlensäure zuzusetzen. Ich habe im Winter ein Vossaøl gebraut (siehe hier https://www.waldgang-brauwerk.de/2022/0 ... ung-rezept). Das ist ja wie Sahti oder Dein Mittelalterliches Fichtenbier auch nur ein Raw/Farmhouse Ale und wird auch aus dem Kanister mit minimaler Kohlensäure getrunken. Mir war das zu unspektakulär, deshalb hatte ich testweise 3g Co² zugesetzt. Das war ein riesen Unterschied und hat wesentlich besser geschmeckt - versuchs mal!
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Olutmatkailijan
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#10

Beitrag von Olutmatkailijan »

Zum Thema Temperatur: Einer meiner Profs hat erklärt, die richtige Einmaischtemperatur ist dann, wenn man den Finger in die Maische stecken und drei mal um den Kessel "rühren" kann - danach muss es heiß genug sein dass man den Finger dort nicht freiwillig drin verlässt... Natürlich anzupassen an entsprechenden Kessel. Also, im Mittelalter war das so, versteht sich.

Zum Thema Sathi: Traditionell besteht das Gefäß zum Abläutern von Sahti aus Holz. Vergleiche dazu folgende Quelle: https://www.posbeer.org/oppaat/sahti/equipment.php
Die Kuurna, die wohl außergewöhnlichste Läuterbottich-Konstruktion, ist ein hölzerner Trog, der in der Regel 1,5-2,5 Meter lang und etwa 0,4-0,5 Meter breit und tief ist. Der Querschnitt der Innenfläche der Kuurna ist entweder gekrümmt (halbkreisförmig) oder konisch geschnitten (mit ebenen Seitenwänden, die sich nach innen zum ebenen, streifenförmigen Boden hin neigen). In der guten alten Zeit wurden Kuurnas aus einem gespaltenen Baumstamm ausgehöhlt, in der Regel aus Espe, da diese feinkörnig und somit leicht zu bearbeiten ist. Die heutigen hölzernen Kuurnas sind häufig aus Holz oder Sperrholz gefertigt. Vor dem Abläutern wird der Boden der Kuurna quer mit sprossenartigen, geraden Holzstücken ausgekleidet, die dicht genug beieinander liegen, um ein Gitter zu bilden, auf dem traditionell ein doppelter Boden aus axial angeordneten Halmen und frischen Wacholderzweigen aufgebaut wird. Ein Ende der Kuurna ist in Höhe des Bodens mit einem Spundloch zum Ablassen der Würze versehen.

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
Zwar ist hier von Espenholz die Rede, jedoch hatte ich von anderen Quellen erfahren das Birkenholz auch gerne dafür verwendet wird - die Dinger wachsen dort zahlreich. Ist man der Finnischen Sprache mächtig oder hat einen guten Übersetzer:
http://lautasella.blogspot.com/2013/09/ ... sahti.html Die haben auch ein entsprechendes Rezept, das dürfte mit den Mengenangaben helfen:
Traditionelles Sägemehl
20 kg Gerste in einer Maische
2 kg gemälztes Biermalz
60 l reines Quellwasser

Schlachthof-Startermischung
8 l gekochte Spreu
1 kg Farinzucker
1 kg weißer Haushaltszucker
100 g frische Hefe
Durch die Kuurna dürfte das Sahti dann noch mal anders schmecken (harz, usw).

Edit: Wenn die Leute von der nun nicht mehr existenten Braurei dieses Jahr zum Bierfest kommen werde ich sie nach ihrem Sahti-Rezept fragen. Das war ein guter Trunk.
Ennen veljeltä vettä kuin vieraalta olutta!
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#11

Beitrag von haefner »

Ich hatte das mit dem Finger letzte Woche bzgl. Verzuckungerung so gelernt. Der "Sahtimaster" hat die Würze in den Fingern zerrieben um zu sehen wie klebrig sie ist. Hatte es vor nem Jahr und dieses mal wieder gemessen und es hat fast genau gestimmt. So hat man es im Mittelalter sicher auch gemacht.

So eine hölzerne Kuurna wollen wir diesen Sommer spaßeshalber bauen - allerdings habe ich in den einschlägigen Gruppen nicht einen mit ner hölzernen arbeiten sehen. Die steigen alle auf Edelstahl um bzw. sind schon.
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#12

Beitrag von Plankton »

Vielen Dank für die Informationen und Anregungen. Ja, ich werde auf jeden Fall einige Flaschen mal probeweise karbonisieren. Vielleicht pusht das die ganze Sache noch etwas. Das Vossaøl ist ja wirklich ziemlich ähnlich.

Ich habe gerade noch etwas anderes ausprobiert (was mir bei jedem "normalen" Bier eine grauenhafte Panscherei wäre): ich habe auf 0,2 l einen kleinen Teelöffel Honig eingerührt. :redhead Ich muss sagen: das schmeckt mir wirklich sehr gut. Durch die Süße sind die kräuterigen Noten des Biers viel besser eingebunden, und das rauchig-brotige nimmt stark ab.
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dukeboris
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#13

Beitrag von dukeboris »

Dann wäre es doch nur folgerichtig auch einige Flaschen mal mit Honig zu karbonisieren... Nur so eine Idee...
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#14

Beitrag von haefner »

Naja Honig eingerührt bringt Zucker und das ist ein Geschmacksverstärker. Wenn Du das ohne "Gepansche" reinbekommen willst, könntest Du ja am Maischeprogramm was ändern um weniger vergärbare Zucker reinzubekommen. Oder früher kühl stellen um die Vergärung zu verlangsamen / behindern. Ich glaub das ist bei Sahti sogar so gewollt.

Honig vergärt leider fast vollständig. Es ist schon relativ schwer Honig geschmacklich wahrnehmbar bei höheren Dossagen einzubinden. Versuchen kann man es jedoch natürlich :-).
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#15

Beitrag von Plankton »

Ja, fürs nächste Mal wären Änderungen beim Maischverfahren und evtl. frühere Kühlung - neben noch höherer Stammwürze - ganz klar die Mittel der Wahl. (Bei der Kveik-Hefe ist der Zeitpunkt der Kühlung allerdings sehr schwer abzupassen.)

Beim Karbonisieren mit Honig habe ich die gleichen Bedenken - aber auch das könnte ich ja einfach mal an ein- oder zwei Flaschen ausprobieren.
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#16

Beitrag von Plankton »

Verkostung zwei Wochen nach Brautag: ich habe - stilecht in 1l PET-Flaschen - vor einer Woche einige Liter abgefüllt und ohne Verdünnung mit 3g Zucker pro Liter versetzt, dann fünf Tage warm gestellt und dann wieder abgekühlt.

Das Bier hat jetzt eine schwache und feine Kohlensäure und der Effekt ist hervorragend. Die Honig-/Malzaromen und die leichte ätherische Note kommen deutlicher zur Geltung, vor allem verstärkt sich aber enorm das ölig-dickflüssige Mundgefühl. Rauch ist kaum noch wahrnehmbar, aber immer noch so etwas kernig-brotiges. Kommt vielleicht vom Roggen in Verbindung mit der Raw-Ale-Technik. Auf seine Art schmeckt es erstaunlich “clean”, ein bisschen Richtung Honigbock. Ich finde, es ist tatsächlich gut geworden!

Aber auch bei der uncarbonisierten Variante frisch aus dem Kanister ist der malzig-honigartige Charakter nun stärker im Vordergrund. Also war eine gewisse Reifungszeit in diesem Fall doch auch sehr geschmacksförderlich.

Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit dem Resultat des Experiments, wobei ich beim nächsten Mal wohl mal näher am originalen Sahti bleiben werde. Und auch dem Thema Raw Ale werde ich weiter widmen und mal etwas ausprobieren, was mehr Richtung Pale Ale geht und von vorne herein mit Kohlensäure daherkommt.

Schließlich: was auch immer das ganze tatsächlich mit einem mittelalterlichen “Hausbräu” zu tun haben mag: ich kann mir jedenfalls jetzt subjektiv vorstellen, dass es mit sehr einfachen Mitteln durchaus möglich war, ein wohlschmeckendes Getränk herzustellen :Drink
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#17

Beitrag von Colindo »

Hi Plankton,
ich habe deinen Bericht mit Begeisterung gelesen. Finde historische Rezepte immer spannend und oft bekommt man - hier z.B. durch die Raw-Ale-Technik - völlig neue Geschmackseindrücke. Leider habe ich bei uns im Garten die Zeit der hellgrünen Fichtenspitzen knapp verpasst, aber vielleicht wird es nächstes Jahr etwas.

Aus Danzig gab es eine Spezialität, die in England sehr beliebt war, bei der die Würze eines Fichtenspitzenbiers so lange eingekocht wurde, bis 45-50°P Stammwürze herauskamen. Wurde als Heilmittel verkauft. Stelle ich mir auch sehr interessant vor. https://zythophile.co.uk/2016/04/20/a-s ... onnection/
Auf Youtube: The British Pint
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#18

Beitrag von Plankton »

Ja, das liebe ich auch beim Thema Bier, dass man aus einer kleinen Anzahl Grundzutaten eine unerschöpfliche Vielfalt von Variationen erzielen kann.

Freut mich, wenn Dir der Bericht gefallen hat!
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#19

Beitrag von Räuber Hopfenstopf »

Ich habe mal eine Frage zu den Trieben. Du schreibst von Fichte und Tanne. Auf dem Foto kann ich aber keine Tanne sehen (gescheitelter Trieb, nadeln ohne Spitze). Oben sieht es sehr nach Douglasie aus. Kann das sein? Hast Du noch ein Foto, wo man das genauer erkennen kann? Douglasie wäre nicht ganz stiltypisch (die kommen aus Nordamerika und waren im Mittelalter noch zu Hause), würde aber den zitronigen Duft erklären. Wenn ich im Wald bin, kann ich die mit Douglasie bestockten Flächen schon riechen (herrlich). Und wollte immer mal ein Bier damit brauen. Deswegen wäre interessant zu wissen, wie kräftig das Aroma nach ein paar Wochen durchkommt.
Viele Grüße
Björn

Allen wird bekannt gemacht, dass keiner in die Jeetze kackt - denn morgen wird gebraut.
Steht am Bierbrunnen in Salzwedel
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#20

Beitrag von Plankton »

Also ich bin alles andere als ein Nadelbaum-Experte, würde Douglasie aber ausschließen. Die blauen Triebe stammen für mein Verständnis von einer Edel-Tanne und die schmecken und riechen angenehm zitronig. (Allerdings ist die Edel-Tanne vermutlich auch nicht allzu mittelalterlich in Europa…)

Insgesamt ist das durch die Triebe eingebrachte Aroma moderat und von Zitrone im Bier wenig wahrnehmbar. Man könnte meiner Meinung nach durchaus noch mehr verwenden oder den Tee doch noch länger ziehen lassen.
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#21

Beitrag von Plankton »

Eigentlich hatte ich diesen Thread ja schon beendet, möchte aber doch erzählen, dass die geschmackliche Entwicklung des Fichtengebräus sich weiter fortgesetzt hat.

Der Malzgeschmack ist wesentlich mehr in den Vordergrund gerückt, das Brotige hat weiter nachgelassen. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte: der Geschmack/Geruch nach Fichtennadeln ist viel stärker geworden - intensiv ätherisch und harzig, so wie der Tee am Brautag. Ich meine auch, eine Spur von Säuerung wahrzunehmen.

Das uncarbonisierte Zeug aus dem Kanister ist nach wie vor gut trinkbar; die Farbe ist etwas nachgedunkelt, aber ich kann keinen unangenehmen Oxidationsgeschmack feststellen. Leicht karbonisiert finde ich es aber am leckersten.
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#22

Beitrag von rakader »

Ich werde dieses Jahr auch wieder ein Fichtennadelbier brauen.

Ein paar Anmerkungen zu den hier gemachten Angaben:
1. beste Erntezeit in normalen Lagen (nicht Höhenlagen) ist Ende April bis Mitte Mai
2. pflückt nur Triebe, die nach innen gerichtet sind und sich ohnehin behindern würden
3. fragt bei Forstverwaltung oder Parkverwaltung vorab um Erlaubnis, wenn ihr nicht im eigenen Garten pflückt

Richtig kräftig schmecken Triebe von Krüppelkiefer oder Bergfichte - da ist Austrieb aber zwischen Mai und Juni.

Grüße
Radulph
Zuletzt geändert von rakader am Montag 30. Januar 2023, 20:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Viele Grüße / Regards
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#23

Beitrag von Safari-Guide »

Nur eine kurze Anmerkung: auf dem Foto sind nur Fichten zu sehen, in dem Behälter aber auch ein paar frische Tannenzweige.

Bitte beim Zupfen KEINE Triebe an den Spitzen (insbesondere nach oben!!!) verwenden - damit würde der Baum deutlich geschädigt. Weiter unten / kleinere Seitentriebe sind unkritisch…

Erik
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#24

Beitrag von Tuxmin »

Immer wieder verblüffend, was man in diesem Forum für interessante Fäden finden kann. :thumbup

Bei meiner weiteren Recherche zum Thema bin ich auf diese Doku einer kleinen schweizerischen Brauerei gestossen.
Besonders aussagekräftig das Bild zu Versuch IV mit dem kompletten Weihnachtsbaum im Sudkessel :Bigsmile
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Barney Gumble
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#25

Beitrag von Barney Gumble »

:Angel Cool hier stehen ewig viele noch auf der Straße rum, würde für einige Hekto reichen
Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich es sofort auf - das Lesen! (frei nach Henry Youngman)
Wenn ich nicht gleich antworte, liege ich unterm Zapfhahn :Bigsmile
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Re: Projekt: (Pseudo-)Mittelalterliches Fichtenbier

#26

Beitrag von Plankton »

Safari-Guide hat geschrieben: Montag 30. Januar 2023, 18:19 Nur eine kurze Anmerkung: auf dem Foto sind nur Fichten zu sehen, in dem Behälter aber auch ein paar frische Tannenzweige.

Bitte beim Zupfen KEINE Triebe an den Spitzen (insbesondere nach oben!!!) verwenden - damit würde der Baum deutlich geschädigt. Weiter unten / kleinere Seitentriebe sind unkritisch…

Erik
Dann habe ich die Bäume ja richtig bestimmt.

Die Edeltanne ist ein ohnehin sehr krüppeliges Gewächs, über dessen Triebe sich sonst die Hühner in unserem Hühnergehege hermachen.

Die Fichtentriebe habe ich teils von Fichten bei mir im Garten, teils aus dem Wald, wobei ich immer nur einige wenige Triebe von jeweils einem Baum abgenommen habe.
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