Würze belüften vs. Hefe belüften

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Sebasstian
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Würze belüften vs. Hefe belüften

#1

Beitrag von Sebasstian »

In diesem schönen Video , ich schaue es mir immermal wieder gerne an, wird bei ca. 9m30s vor dem Anstellen die Hefe aufgezogen, d.h. belüftet, in dem zwischen zwei Eimern hin und her gegossen wird.
Ich frage mich, ob das tatsächlich ausreichend ist und ein adäquater Ersatz für das Belüften der kompletten Würze sein kann.
Es gibt ja gewisse Richtwerte für den empfohlenen Sauerstoffgehalt der Würze beim Anstellen (zB in "Yeast: The Practical Guide to Beer Fermentation").
Kommt man mit dieser Methode annähernd in diesen Bereich?
Gibt es allgemein Anregungen, Meinungen, Gedanken zum Thema Würze belüften vs. Hefe aufziehen/belüften?


20221030_215131.jpg
Grüße,
Sebastian
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Sebasstian
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#2

Beitrag von Sebasstian »

Wenn man sich das Video im ganzen anschaut, dann sieht man, dass die Würze durch das Plätschern in den Setzbottich und dann nach dem Abkühlen erneut durch Plätschern in den Gärbottich doch zusätzlich auch belüftet wird. Es ist hier also nicht allen das Aufziehen der Hefe im Eimer, das Sauerstoffeintrag vor'm Anstellen bringt.
Grüße,
Sebastian
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hiasl
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#3

Beitrag von hiasl »

Ich belüfte meine Würze nicht, da das bei mir gar nicht mehr machbar ist. Allerdings dauert es eh bis zum nächsten Tag, bis ich für Untergärung auf 8 °C Anstelltemperatur bin. Da hat sich schon ein guter Teil des Gleichgewichts wieder eingestellt. Mehr Sauerstoff geht eh nicht in Lösung. Ich verwende i.d.R. frische, dickbreiige Brauereihefe, welche ich dann mit einem kräftigen Schluck Würze etwas verdünne. Dann wird mehrmals aufgezogen. Gärung ist bisher super angekommen und verlaufen.
Gruß
Matthias
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Colindo
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#4

Beitrag von Colindo »

Kann es sein, dass das Aufziehen vor allem die Hefemischung homogenisiert und dicke Hefebrocken aufbricht? Die Zellen sollen ja nicht total verklumpt in die Würze kommen.
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hiasl
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#5

Beitrag von hiasl »

Beides. Natürlich sind die zusätzlichen Sauerstoffmengen, die ggf. in die Würze eingebracht werden, nicht übermäßig groß. Die Homogenisierung der Hefe birgt hier sicherlich die größere Wirkung.
Gruß
Matthias
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Seed7
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#6

Beitrag von Seed7 »

belueften het eigentlich nur sinn wen die hefe deutlich aktiv ist. Also wen die ueberweissung da ist. Und waerend die ersten stunden von der starterbereitung. Mit einem frischen starter ist es nicht notwendig wuerze zu belueften, es sei denn man braut ein sehr starkes.

ingo
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Sebasstian
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#7

Beitrag von Sebasstian »

Colindo hat geschrieben: Montag 31. Oktober 2022, 10:48 Kann es sein, dass das Aufziehen vor allem die Hefemischung homogenisiert und dicke Hefebrocken aufbricht? Die Zellen sollen ja nicht total verklumpt in die Würze kommen.
Ja, das kann tatsächlich sein. Vielleicht hab ich mich hier in die Irre führen lassen und es geht beim Aufziehen gar nicht in erster Linie ums Belüften.
Grüße,
Sebastian
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#8

Beitrag von Colindo »

Sebasstian hat geschrieben: Montag 31. Oktober 2022, 12:12
Colindo hat geschrieben: Montag 31. Oktober 2022, 10:48 Kann es sein, dass das Aufziehen vor allem die Hefemischung homogenisiert und dicke Hefebrocken aufbricht? Die Zellen sollen ja nicht total verklumpt in die Würze kommen.
Ja, das kann tatsächlich sein. Vielleicht hab ich mich hier in die Irre führen lassen und es geht beim Aufziehen gar nicht in erster Linie ums Belüften.
Ich hab's mir eben angeschaut und beim Anstellen sieht es trotzdem so aus, als würde die Hefe ein unwilliger Bodensatz sein, der nicht richtig mitgeschüttet werden kann. Also vielleicht ist es auch keins von beidem? :Wink
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§11
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#9

Beitrag von §11 »

Im Grunde braucht Hefe keinen Sauerstoff. Die Belüftung dient ausschliesslich der Hefevermehrung. Hier braucht die Hefe, vor allem bei der Lipidsynthese für die Zellmembrane, Sauerstoff als Reaktionspartner. Das ist nicht zu verwechseln mit der Zellatmung, die die Hefe, neben der Gärung, ebenfalls beherrscht und die eigentlich, aus energetischer Sicht, für die Hefe auch vorteilhafter ist (für den Brauer allerdings nicht, weil kein Alkohol dabei entsteht). Auch dieser "Energieüberschuss" ist bei der Zellvermehrung vorteilhaft.

Folgerichtig ist die Belüftung entsprechend wichtig wenn, wie normalerweise üblich, mit Zellzahlen angestellt wird, die nicht ausreichen, d.h. die Hefe sich noch vermehren muss. D.h. nicht das auch eine geringere Zellzahl nicht zum Erfolg führt, nur eben mit den bekannten Nebenwirkungen (höhere Konzentration Gärungsnebenprodukte, die vor allem beim Baustoffwechsel unter sub-optimalen Bedingungen enstehen können; Schleppende Gärung; niedriger VG).

Übrigens auch der Grund warum Trockenhefe nicht belüftet werden muss, da sie ausreichend Sterole und ungesätigte FS mitbringen.

Gruss

Jan
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Sven Schönenberg; 2010; Der physiologische Zustand und der Sauerstoffbedarf von Bierhefen unter brautechnologischen Bedingungen; Optimierung der Propagations- und Anstelltechnologie in Hinblick auf die Gäreigenschaften und die Bierqualität
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#10

Beitrag von jaulinho »

Wie Jan schreibt: Würze braucht keinen Sauerstoff, aber Hefe braucht für die Propagation (aka Vermehrung) Sauerstoff und Nährstoffe. Daher genügt es, die Hefe a) mit Sauerstoff und b) mit Nährstoffen zu versorgen, bevor man sie anstellt. D.h. man muss zuerst einmal wissen, ob Vermehrung notwendig ist - Stichworte Underpitching und Overpitching. In den meisten Hobbybrauer Use Cases ist es eher Underpitching. Hier die Hefe mit ausreichend Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen, ist sinnvoll. Ein Erlmeyer mit Magnetrüher und etwas Würze (oder Malzextrakt, zur Not Malzbier) bewirkt hier Wunder. Nach 60-120 Minuten verdoppelt sich die Menge an Hefezellen (unter optimalen Bedingungen).

Konkret: am Vorabend des Brautages nehme ich die Hefe aus dem Kühlschrank und lagere sie bei Zimmertemperatur. Zu Beginn des Brauens stelle ich sie in einem Erlmeyer bei ca. 30°C an und gebe die 10fache Menge an Würze/Malzlösung bei 10% Extrakt dazu und lasse sie auf dem Magnetrührer laufen. Nach 5h Brautag stelle ich damit bei ca. der 4fachen Hefemenge an, die ich ursprünglich hatte.

Lg
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#11

Beitrag von Sebasstian »

Hallo Danke für eure Antworten.
Würze braucht keinen Sauerstoff, aber Hefe braucht für die Propagation (aka Vermehrung) Sauerstoff und Nährstoffe.
Das ist soweit klar und steht außer Frage. Natürlich bezog sich meine Frage auf den Fall, dass eine Vermehrung erzielt werden soll und damit Sauerstoff benötigt wird. Das ist ja in den meisten Fällen auch so vermute ich (wenn nicht mit Trockenhefe gearbeitet wird).
Jan schrieb es ja auch bereits:
Folgerichtig ist die Belüftung entsprechend wichtig wenn, wie normalerweise üblich, mit Zellzahlen angestellt wird, die nicht ausreichen, d.h. die Hefe sich noch vermehren muss.
Mit diesen Annahmen (es soll Sauerstoff in den Prozess um eine Hefevermehrung zu forcieren) hatte ich eben überlegt ob man
a) genausogut die Hefe direkt vor dem Anstellen so weit mit Sauerstoff versorgt und dann in die unbelüftete Würze gibt, wie man
b) im Gegensatz, wie meist üblich bei größeren Suden, die Würze direkt vor dem Anstellen belüftet um die Hefe mit dem nötigen Sauerstoff zu versorgen.
Grüße,
Sebastian
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§11
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#12

Beitrag von §11 »

Es gibt dazu ein paar Arbeiten, die ich gerade nicht vor Augen habe (bei mir ist es 5:45 morgens und ich trinke meinen ersten Kaffee). D.h. folgende Aussage mache ich aus dem Gedächtnis ohne Recherche. Aber ich meine mich zu erinnern das die Sauerstoffmenge zu gering ist, wenn nur die Hefe belüftet wird. Stellen wir bei 10°C an, ist die maximale Sauerstoffmenge 11.7 mg/l, die aber mit bloßem Belüften nie erreicht wird.

Gruß

Jan
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#13

Beitrag von jaulinho »

Hi Jan,

Hast du netterweise Quellen dazu? Mit Pi x Daumen komme ich auf ca. 2.0-2.2g/l Sättigung bei 10°C. Bei 21% Sauerstoff wären das ca 0,4g O2 pro Liter, also weit mehr als die 11.7 mg/l. Würde das wirklich gerne verstehen.

Abgesehen davon ist mein Verfahren eher auf kontinuierliche Sauerstoffversorgung über einen längeren Zeitraum ausgelegt, daher nicht zu vergleichen.

Lg
Tom
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#14

Beitrag von §11 »

jaulinho hat geschrieben: Dienstag 1. November 2022, 23:37 Hi Jan,

Hast du netterweise Quellen dazu? Mit Pi x Daumen komme ich auf ca. 2.0-2.2g/l Sättigung bei 10°C. Bei 21% Sauerstoff wären das ca 0,4g O2 pro Liter, also weit mehr als die 11.7 mg/l. Würde das wirklich gerne verstehen.

Abgesehen davon ist mein Verfahren eher auf kontinuierliche Sauerstoffversorgung über einen längeren Zeitraum ausgelegt, daher nicht zu vergleichen.

Lg
Tom
Hi Tom,

Klar doch
Beispiele für 100 % O2-Sättigung von Süßwasser unter Luft bei Normaldruck:

0 °C: 14,6 mg/l
10 °C: 11,3 mg/l
20 °C: 9,1 mg/l
Wikipedia https://de.m.wikipedia.org/wiki/Sauerst ... g_(Umwelt)

Aber dafür gibt es auch Tabellen, ähnlich der Spundungstabelle, also CO2 im Wasser z.B. hier https://www.researchgate.net/figure/Abb ... 637331/amp

Cheers

Jan
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Re: Würze belüften vs. Hefe belüften

#15

Beitrag von jaulinho »

Vielen Dank, Jan!
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