Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

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Alchemist
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Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#1

Beitrag von Alchemist »

Ich wollte das zuerst im "Kurze Frage, kurze Antwort" einbringen. Aber ich denke, ein eigenständiges Thema ist hier sinnvoller.

Wie handhabt ihr das mit dem Sauerstoff Eintrag beim Brauen? Ich lese da kontroverse Vorschläge. Es ist bekannt, dass die Sauerstoff-Löslichkeit im Kaltbereich groß ist während sie im Heißbereich gegen Null geht.

Wie handhabt ihr das Thema Sauerstoff?

Ich habe letztens erst folgendes gelesen: Beim Läutern nahezu kein Sauerstoff reinkommen lassen (also kein Plätschern), dann Hopfenkochen, dann in den Gäreimer plätschern lassen, dass die Hefe gute Startbedingungen hat.

Meines Erachtens nach wird der Sauerstoff beim Hopfenkochen ausgetrieben, da seine Löslichkeit gegen Null geht? Ist dann die Vorsicht beim Läutern übertrieben?
Und dass man dann in den Gäreimer plätschert ist auch seltsam.


Ich würde gerne wissen, welche Erfahrungen ihr bisher gemacht habt. Sodass ich dann meinen Brauprozess dementsprechend adaptieren kann.

Danke!
Viele Grüße.
Colindo
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#2

Beitrag von Colindo »

Bei hohen Temperaturen ist zwar die Löslichkeit gering, aber durch die Wärme gehen Reaktionen schneller vonstatten. Was in der 70°C heißen Würze an Sauerstoff beim Läutern eingebracht wird, kann sofort reagieren. Glücklicherweise nicht mit Hopfenkomponenten und dadurch nicht mit Pappe und anderen Fehlaromen als Resultat. Man verliert aber Antioxidantien, die an der Stelle aufgebraucht werden und dann später nicht mehr im fertigen Bier zur Verfügung stehen.

Was die Belüftung der Hefe angeht, so hat Ulrich Peise von der Hefebank Weihenstephan im Hefeklinik-Seminar gesagt, dass es viel sinnvoller ist, den Starter vor dem Anstellen noch mal gut zu belüften, damit dort die Hefe fit ist, und dass man dann in der Würze nicht zu viel Sauerstoff mit reinbringt. Aktiv Aufziehen würde er die gesamte Menge nur, wenn die Gärung bzw. das Ankommen sichtbar stockt.
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#3

Beitrag von Alt-Phex »

Alchemist hat geschrieben: Montag 11. März 2024, 10:50 Es ist bekannt, dass die Sauerstoff-Löslichkeit im Kaltbereich groß ist während sie im Heißbereich gegen Null geht.
Wie Christoph (Colindo) schon geschrieben hat, stimmt das so nicht ganz.
Alchemist hat geschrieben: Montag 11. März 2024, 10:50 Ich habe letztens erst folgendes gelesen: Beim Läutern nahezu kein Sauerstoff reinkommen lassen (also kein Plätschern), dann Hopfenkochen, dann in den Gäreimer plätschern lassen, dass die Hefe gute Startbedingungen hat.
Das stimmt in diesem Kontext aber nur, wenn die Würze bereits gekühlt ist. Plätschert man die heisse Würze in den Gäreimer und lässt sie über Nacht abkühlen, kommt es zu Oxidation - und zusätzlichen unerwünschten Effekten wie erneuter DMS-Bildung, Nachisomerisierung usw.

Trockenhefe braucht keine Belüftung. Bei Flüssighefe ist diese durchaus sinnvoll. Übertreiben sollte man das an dieser Stelle allerdings auch nicht.
Alchemist hat geschrieben: Montag 11. März 2024, 10:50 Meines Erachtens nach wird der Sauerstoff beim Hopfenkochen ausgetrieben, da seine Löslichkeit gegen Null geht? Ist dann die Vorsicht beim Läutern übertrieben?
Ein großes Missverständnis ist: dass Oxidation das Vorhandensein von Sauerstoff in Würze oder Bier darstellt. Oxidation ist die chemische Reaktion von Sauerstofff mit Würze oder Bier. Und diese kann sehr schnell gehen. Zwischen dem Läutern und Hopfenkochen liegt mehr als genug Zeit für diese Reaktion. Und wie bereits erwähnt, wird das Reduktions-Potenzial aufgebraucht, dass man später im Kaltbereich braucht.

Sauerstoffeintrag sollte daher an jeder Stelle des Brauprozesses so gut es geht vermieden werden. Einzig und allein unmittelbar vor oder beim Anstellen der Hefe ist dies unkritisch oder sogar erwünscht.
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#4

Beitrag von Citrist »

Zwei weitere Anmerkungen/Klarstellungen dazu:
1) Die Löslichkeit im Heissbereich ist wie richtig beschrieben vernachlässigbar, ebenso richtig ist die schnelle Reaktionsgeschwindigkeit. Ergänzend dazu: die Reaktionsfläche, also die sich immer wieder erneuernde Grenzfläche Würze:Umgebungsluft ist hier das Mass. Verkleinere es und Du hast weniger Oxidation. Das geht beim Abläutern los: Ablaufen lassen in die Kochpfanne diese teilweise abdecken und direkt beginnen hochzuheizen. Effekt: der sich bildende Schwaden (H2O plus andere verdampfte Würzebestandteile) isolieren die nun heisse Würze von der Luft und damit vom Sauerstoff.

2) Belüften vs Oxidation: Belüften erfolgt, wenn es denn überhaupt vorgehen ist, *unmittelbar* vor der Hefezugabe. Idealerweise wird der zugefügte Sauerstoff sofort metabolisiert. Praktisch dauert dies ein paar Stunden. Und auch hier kommt wieder die temperaturabhängige Reaktionsgeschwindigkeit ins Spiel: die Oxidation ist bei Kellertemp langsamer als bei RT. Zwar ist auch der Metabolismus der Hefe im Keller langsamer, aber im Vergleich schneller. Bei RT hingegen ist der Metabolismus der Hefe hingegen langsamer als der abiotische Oxidationsprozess.
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#5

Beitrag von Michu »

Bei mir besteht wohl auch während des Läuterns das grösste Oxidationsrisiko (zu wenig heiss und zu wenig kalt).

Einerseits versuche ich mittels Trichter und Schlauch das Plätschern zu vermeiden.

Anderseits läuft ja dann die Würze auf der Innenseite des Schlauchs entlang und vergrössert halt schon die Oberfläche und damit die Kontaktfläche zu der Luft im Schlauch.

Ich weiss allerdings noch nicht, wie man das weiter reduzieren könnte.

Ist halt auch die Frage in wie weit die Luft im Schlauch ausgetauscht wird (vor allem wenn das Ende in der Würze drin ist).
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#6

Beitrag von baeckus »

Hallo,
was mich bei der ganzen Oxidationsdiskussion immer verwundert, wenn ich Brauvideos von alten, aber professionellen Brauereien anschaue, in denen zu sehen ist, wie aus unzähligen Hähnen beim Läutern die Flüssigkeit lautplätschernd in eine Art Waschbecken läuft und hier hat man Angst das im geschlossenen Schlauch zuviel Sauerstoff eingebracht wird.
Ciao baeckus
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#7

Beitrag von Malzwurm »

Ich sehe bei mir auch das größte Potential beim Läutern. Ich habe auch einen Trichter unter dem Hahn, an welchem ein Schlauch befestigt ist. Ich schlauch bildet sich regelmäßig etwas Schaum.

Wie verhindert Ihr das? Ich habe mal ein Video gesehen, wo statt Schlauch ein Edelstahlblech verwendet wird. Da denke ich aber, dass das bezüglich der großen Oberfläche nicht sehr Sinnvoll ist.
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#8

Beitrag von Alt-Phex »

baeckus hat geschrieben: Donnerstag 11. April 2024, 16:32 Hallo,
was mich bei der ganzen Oxidationsdiskussion immer verwundert, wenn ich Brauvideos von alten, aber professionellen Brauereien anschaue, in denen zu sehen ist, wie aus unzähligen Hähnen beim Läutern die Flüssigkeit lautplätschernd in eine Art Waschbecken läuft und hier hat man Angst das im geschlossenen Schlauch zuviel Sauerstoff eingebracht wird.
Ciao baeckus
In den ganzen Videos wird halt gerne genau das gezeigt, der plätschernde und schäumende Läutergrant. Sieht eben spektakulär aus. Normalerweise stellt der Brauer das aber so ein, dass nach einigen Litern ein konstanter Durchfluss entsteht. Dann plätschert und es schäumt es auch nicht mehr. Bezogen auf die Menge, ist der Sauerstoffeintrag dann auch zu vernachlässigen. Bei unseren Kleinmengen sieht das schon anders aus.

Zum anderen ist es natürlich auch nicht auszuschließen, dass das Bier dieser Brauereien Oxidation aufweist. Das lässt sich anhand eines Videos schlecht beurteilen.
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#9

Beitrag von renzbräu »

Und, ergänzend, Brauereien die mit Läutergrant und Rieselkühler arbeiten sind auch nicht unbedingt die, die viele IPAs brauen.
Grüße Johannes

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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#10

Beitrag von Andlix »

Ich würde Mal behaupten Oxidation im Warmbereich ist ausnahmsweise beim IPA nicht so schlimm wie bei einem Pils oder Helles.
Das hat vor allem einen Einfluss auf die Haltbarkeit, ein IPA wird nicht besonders lang gelagert bevor es getrunken wird.
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#11

Beitrag von PabloNop »

Dafür hast Du aber jede Menge Hopfen drin, der anfällig ist. Nicht umsonst sind ja NEIPAs besonders kritisch.
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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#12

Beitrag von renzbräu »

Und wenn das Oxidationspotential der vorhandenen Reduktone vorher, im Heißbereich, aufgebraucht ist, wird es bei einem Bier mit viel Hopfen "hinten raus", also im Keller, schwierig.
Grüße Johannes

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Re: Oxidation - Sauerstoffeintrag - wie (nicht) Vorgehen?

#13

Beitrag von Andlix »

Ist das Oxidationspotential beim Bierbrauen wirklich eine messbare Größe oder pi mal Daumen: wenn so viel oxidiert dann schmeckt man es später?

Mit der Fermentation sollte die Oxidation auch erst mal gestoppt/gebremst sein, das Problem sind dann dennoch Stoffe die sich bereits gebildet haben.
Im LODO achtet man glaube ich sogar darauf, dass möglichst wenig Stoffe vorhanden sind, die zu unerwünschten Stoffen oxidieren können, bzw. nur so viele vorhanden sind wie nötig.

Aber was ich eigentlich sagen wollte, unabhängig von IPA: gerade bei Hellen Lager macht Oxidation im Heißbereich etwas aus.
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