SZ-Artikel über Verramschung von Fernsehbier

Hier kommt alles rein, was woanders keinen Platz hat.
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Bierjunge
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SZ-Artikel über Verramschung von Fernsehbier

#1

Beitrag von Bierjunge »

Ein wie ich finde sehr aufschlussreicher und gut recherchierter Artikel in der Süddeutschen Zeitung, wieso Fernsehbier so häufig über Sonderangebote verkauft werden, wie sie sich damit (und mit der Verwechselbarkeit untereinander) die eigene Marke zerstören, und was es für Auswege aus diesem Teufelskreis geben könnte.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/b ... -1.3472663

Moritz
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afri
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Re: SZ-Artikel über Verramschung von Fernsehbier

#2

Beitrag von afri »

Die Auswege fehlten mir so ein wenig, oder ich habe nicht genau genug gelesen. Ansonsten, schöner Artikel, danke dafür.
Achim
Bier ist ein Stück Lebenskraft!
Dr.Edelherb

Re: SZ-Artikel über Verramschung von Fernsehbier

#3

Beitrag von Dr.Edelherb »

Hab vorhin einen Beitrag von 2012 entdeckt den ich bisher noch garnicht kannte.

https://youtu.be/z4mhuxXHD2M

Fand den sehr gut, passt vll. auch zum Thema.
Blancblue
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Re: SZ-Artikel über Verramschung von Fernsehbier

#4

Beitrag von Blancblue »

Dr.Edelherb hat geschrieben:Hab vorhin einen Beitrag von 2012 entdeckt den ich bisher noch garnicht kannte.

https://youtu.be/z4mhuxXHD2M

Fand den sehr gut, passt vll. auch zum Thema.
Auf jeden Fall! Finde ich sogar noch besser als den SZ Artikel.
Brauen ist zu 50% Kunst und zu 50% Handwerk. Dazu kommen noch mal 100% Erfahrung.
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olibaer
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Re: SZ-Artikel über Verramschung von Fernsehbier

#5

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

eine gelungene Beleuchtung der Zusammenhänge.

Im Artikel werden die Dinge aus Sicht des GFGH und des FGHs beleuchtet. Ganz ähnliche Mechanismen, die ebenfalls eine Verramschung von Bierprodukten andeuten, werden bei einem Gaststättenbesuch deutlich. Auf einen Literpreis bezogen ist das Bier im Wirtshaus das "billigste" Getränk auf der Karte. Das geht/ging sogar so weit, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle einschreiten musste(natürlich aus anderen Gründen). Auszug Gaststättengesetz, § 6 Ausschank alkoholfreier Getränke:

"... davon ist mindestens ein alkoholfreies Getränk nicht teurer zu verabreichen als das billigste alkoholische Getränk. Der Preisvergleich erfolgt hierbei auch auf der Grundlage des hochgerechneten Preises für einen Liter der betreffenden Getränke.."

Hier wird dem Wirt via Zwang auferlegt, dass mindestens ein Wasser/eine Schorle/ein Saft auf der Karte günstiger sein muß, als eine identische Menge Bier( ...das billigste alkoholische Getränk, § 6 <- damit ist Bier oder ein Biermischgetränk gemeint). Im Ergebnis ist, an ein Gesetz gebunden, Bier nicht das billigste Getränk auf der Getränkekarte.

Auch ganz ohne die Drehscheibe "Handel" hats' der Brauer nie verstanden sich aus der Ecke "Rausch für kleines Geld" zu lösen und eine gemeinsame Wertigkeit ohne Markenattribute dauerhaft zu etablieren. Lieber hat man sich Jahrzente lang gegenseitig in die Pfanne gehauen und war so beschäftigt damit, dass man gänzlich blind war für das was drumherum passierte. Eine ganz dumme Arroganz mit vernichtender Wirkung.

In den letzten Jahren kommt der Gesundheitsaspekt "on top", der u.a. so etwas wie einen "Wasserboom" ausgelöst hat. In Summe nichts, dass der Bierbrauerei in Wert und Ansehen zuträglich wäre.
Flankierend mussten die Brauer/Mälzer die letzten 15-20 Jahre viel Geld in die Hand nehmen. Unsummen wurden inverstiert, um entlang der Wertschöpfung alleine Primäreinsätze zu reduzieren. Hier ein paar Zahlen zum Vergleich:
  • Spezifischer Stromverbrauch in kWh/hl: Jahr 2000 = 11, Jahr 2014 = 8
  • Spezifischer Energieverbrauch in MJ/hl: Jahr 2000 = 210, Jahr 2014 = 150
  • Spezifischer Wasserverbrauch in hl Wasser/hl Bier: Jahr 2000 = 9, Jahr 2014 = 6
  • CO2-Emissionen in kg CO2/hl: Jahr 2000 = 8, Jahr 2014 = 6
  • Anzahl Unfälle pro 100 Vollzeitstellen: 2000 = 9, Jahr 2014 = 1,5
Ich kann die Wandlungen seit Jahren mitverfolgen und am Wochenende ist mir eine weitere "Wandlung" aufgefallen. Eine große Supermarktkette hat in manchen Filialen so etwas wie eine "CraftBierEcke" eingerichtet. Sie bietet so manches, aber längst nich alles - ein "Einsteiger" wird hier sicher fündig und kann sich quer durch die Bierstile bedienen und findet auch die Marken die gerade "gehypt" werden. Obwohl in geringen Mengen präsentiert ist die Staubschicht auf manchen Flaschen aktuell so dick, dass, wenn dann, nur noch der Freak zugreift.

Am Anfang war die Situation eher die, dass die Produkte die man wollte nicht verfügbar waren. Zwischen der "Ist-Situation" und meiner historischen Wahrnehmung(Produktmangel) liegen ca. 24 Monate - ein Wandel der vor allem das aktuelle Konsumverhalten unserer Gesellschaft reflektiert.

Hier "vergammelt" in Zeitlupe ein qualitativ hochwertiges und gehyptes Frischeprodukt vor aller Konsumentenaugen zur Rückstellpobe. Freilich hat der Brauer an dieser Stelle und auf Neudeutsch formuliert keinen Einfluß mehr - er ist "out of business". Die Situation ändert sich für den Braumeister erst dann wieder, wenn der Hype mit abgelaufenem MHD und als Rückbier auf dem Hof steht. Schliesslich brauchts ja einen der für eine Gutschrift verantwortlich zeichnet.

Mit Blick auf unsere Branche hat "Neugier befrieden" die klassische "Markentreue" abgelöst und nicht selten überdauert die Lagerung einer Produktvariante einen angesagten Hype. Aus Sicht eines Produzenten ein "Orkus" in dem nichts verlässlich planbar ist und innovative Weitsicht zum Reiben an der Glaskugel verkommt.

Insgesamt bitter, dass zwischen "Verramschen" und "Nische mit unsicherem Ausgang" kein Platz mehr ist.


Gruß
Oli
Gruss
Oli
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Johnny H
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Re: SZ-Artikel über Verramschung von Fernsehbier

#6

Beitrag von Johnny H »

Danke für die Hintergrundinformationen, @olibaer. Der Schlüsselsatz in Deinem Beitrag ist vermutlich der folgende:
Auch ganz ohne die Drehscheibe "Handel" hats' der Brauer nie verstanden sich aus der Ecke "Rausch für kleines Geld" zu lösen und eine gemeinsame Wertigkeit ohne Markenattribute dauerhaft zu etablieren. Lieber hat man sich Jahrzehnte lang gegenseitig in die Pfanne gehauen und war so beschäftigt damit, dass man gänzlich blind war für das was drumherum passierte. Eine ganz dumme Arroganz mit vernichtender Wirkung.
Aus diesem Dilemma müssen die Brauer wieder rauskommen! Ich glaube, sie könnten das auch, wenn sie versuchen würden, mit ihren Stärken zu punkten und auf Charakter und Eigenständigkeit setzen würden. Ich z.B. halte trotz zahlreicher Trinkexperimente meine persönlichen Trinkgewohnheiten immer noch für ziemlich ähnlich denen vor zehn oder zwanzig Jahren, d.h. ich stehe nach wie vor auf eher neutrale "Schüttbiere", von denen ich auch mal ein oder auch zwei Liter trinken kann, ohne dass ich aufgrund der hohen Drehzahlen vom Stuhl falle oder mir vor lauter IBUs die Zunge abfällt. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass ich damit im klassischen UG-Land Deutschland allein dastehe, auch wenn sich meine Sinne natürlich verfeinert haben, ich um die zu verwechselbaren Sorten einen großen Bogen mache und ich insgesamt auch weniger trinke als früher.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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Sura
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Re: SZ-Artikel über Verramschung von Fernsehbier

#7

Beitrag von Sura »

Schöner Artikel, aber auch irgendwie dünn.

Ich sehe bei dem Bitburger-Chef, wenn er die Aussagen "Dass das bislang so ist, erklärt er so: "Es gibt nur ein Produkt, mit dem der Handel Männer in den Supermarkt locken kann. Und das ist Bier." tatsächlich so meint ein grandioses Beispiel für jemanden der im letzten Jahrtausend stehengeblieben ist. Ich entscheide sicher nicht das ich in den Supermarkt mit dem billigsten Bier einkaufe, sondern welcher Supermarkt den ganzen Rest und der Qualität hat die ich haben möchte. Bier bekomme ich in jedem Supermarkt, und drei oder vier Euro auf dem Gesamteinkauf sind da nur eine Randnotiz. Wobei das "ich" halt auch als "wir" zu lesen ist.

Ansonsten ist das halt eine Art Marktbereinigung. Die Mehrzahl meiner Freunde/Bekannten/Arbeitskollegen kaufen keine der üblichen Fernsehpilse. Es wird sehr oft geschaut welche Brauerei nicht zu einem Konzern gehört, oder eben halt auch mal was anderes. Die Störtebeker Probierkiste sehe ich z.b. des öfteren mal (wieder) bei jemandem stehen. Allerdings kaufen auch die wenigsten die Spezialbiere für 2-3€ pro Buddel, bzw. ist es für den durchschnittlichen Biertrinker auch manchmal schwer erkennbar warum die 2-3 Euro kosten sollen.
"Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem."
(Karl Valentin)
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