Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

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olibaer
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Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

#1

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

für meinen letzten Weißbiersud hab ich die Hopfengabe nach Tinseth berechnet.
Geplant waren 10 IBU, die ich für das Endprodukt photometrisch überprüfen lassen konnte(MEBAK Band II; 4. Auflage von 2002, S. 114ff).

lt.Tinseth: Hopfengabe für 10 IBU in 40l kalter Würze mit 11,8°P
Taurus mit 15,3 %alpha, Isodauer in Summe=60min(Kochen + Nachiso), Pellets Typ 90, Gabe 10 g, Ausbeute lt.Tinseth: 25,9%

IBU lt. Analyse im Fertigprodukt:
Nach einer Dreifachbestimmung: 16 IBU.

Die ursprünglich von Tinseth veranschlagte Bitterstoffausbeute von 25,9% erhöht sich im Ist auf rund 41% und in Folge resultieren aus den geplanten 10 IBU ca. 16 IBU.
Zugegeben war die Hopfengabe nicht sonderlich hoch und filigran, dafür aber einfach und leicht überprüfbar.

In diesem Beispiel lande ich entlang der geplanten 10 IBU bei 16 IBU. Hätte ich 15 IBU geplant, wäre ich bei gleichen Verschiebungen der Ist/Plan-Ausbeuten bei 24 IBU gelandet, was für ein Weißbier mit 11,8°P deutlich zu viel ist.

Das hat keinerlei Bedeutung wenn Hopfengabe nach "oben offen" und ein "mehr" immer erlaubt sein darf. Für die Tüftler, die Gaben unterhalb der 30 IBU berechnen, vielleicht schon.

Mir ist bewusst, dass die oben angeführte Methode zur Bitterstoffbestimmung durchaus ihre Tücken hat - vor allem im Variationskoeffizienten - weiter ist mir bewusst, dass analytisch festgestellte IBU nicht zwangsläufig mit einem Geschmacksempfinden harmonisieren. Ich poste einfach was ich festgestellt habe.


Gruß
Oli

P.S.: Wer sich über die kurze Kochzeit von 45 min wundert. Die Gesamtverdampfung lag bei diesem Sud trotzdem über 12 %. Die Pfanne "leistet" eine VZ von über 15%.
Zuletzt geändert von olibaer am Donnerstag 25. Mai 2017, 20:10, insgesamt 1-mal geändert.
Gruss
Oli
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Boludo
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Re: Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

#2

Beitrag von Boludo »

Super interessant!
Ich vermute ja schon länger, dass die Berechnung der Bitterstoffausbeute eher eine Lotterie ist.
Kannst Du Dir aber die 41% Ausbeute erklären?
So viel hat man doch normalerweise nicht mal mit Hopfenextrakt.

Stefan
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olibaer
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Re: Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

#3

Beitrag von olibaer »

Hallo Stefan,
Boludo hat geschrieben:Kannst Du Dir aber die 41% Ausbeute erklären? So viel hat man doch normalerweise nicht mal mit Hopfenextrakt.
Stefan
41 % ist mächtig - trotzdem:
Für eine geplant geringe Gesamthopfung mit frühen Gaben ist ein Wert nahe an die 40% Ausbeute keine Seltenheit - das gelingt auch mit Pellets.

Gruß
Oli
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Boludo
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Re: Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

#4

Beitrag von Boludo »

Also je weniger Hopfen, desto mehr Ausbeute, oder?
Natürlich nicht linear, aber so ungefähr.

Stefan
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olibaer
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Re: Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

#5

Beitrag von olibaer »

Boludo hat geschrieben:Also je weniger Hopfen, desto mehr Ausbeute, oder?Stefan
So ist es - ganz klassisch den üblichen Gesetzmäßigkeiten rund um Lösungen und Löslichkeiten folgend. Der Brauer muss sich hier zwanghaft keine Besonderheit ausdenken ;-)

Gruß
Oli
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Re: Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

#6

Beitrag von tbln »

Glenn Tinseth beschreibt bei experimentalbrew.com, dass die Kalkulationen der Funktion für IBU nicht auf Hopfenpellets beruhen sondern Dolden. Entsprechend groß sind die Unterschiede in Abhängigkeit von z.B. Würzeumwälzung beim Kochen. Bei dem Experiment, das für den Podcast durchgeführt wurde, ist dann die Variation in den IBU-Ergebnissen auch relativ groß (30+/-% IBU).

Weiterer Podcast mit Tinseth beersmith.com.

Deine Pellets hast du nicht zufällig testen lassen oder? Die AA usw. sind ja auch nur gemittelte Werte. Vielleicht weiss da jemand wie hoch die Varianz sein kann.
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olibaer
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Re: Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

#7

Beitrag von olibaer »

Hallo tbln,
tbln hat geschrieben:Glenn Tinseth beschreibt bei experimentalbrew.com, dass die Kalkulationen der Funktion für IBU nicht auf Hopfenpellets beruhen sondern Dolden. Entsprechend groß sind die Unterschiede in Abhängigkeit von z.B. Würzeumwälzung beim Kochen.
Das ist mir bekannt. Die oben angegebene Gabemenge berücksicht die Abweichung Typ90/Doldenhopfen in einer Art und Weise, wie es die hier üblich verwendeten Rechenprogramme tun.
Im konkreten Beispiel wurde die Bitterstoffausbeute für Pellets Typ90 um ~3% höher angesetzt als ursprünglich von Tinseth für Doldenhopfen ermittelt. Dementsprechend fiel die Gabemenge für die geplanten IBU geringer aus.
tbln hat geschrieben:Deine Pellets hast du nicht zufällig testen lassen oder? Die AA usw. sind ja auch nur gemittelte Werte. Vielleicht weiss da jemand wie hoch die Varianz sein kann.
Nein. Der Hopfen, Jahrgang 2016, stammte direkt vom Erzeuger und war in einem 100g-Muster Vakuum verpackt und inert begast. Die Proben sind/waren vom Erzeuger mit original Barcodes und mit Klartexten zur Verwendung versehen. Bis zum Gebrauch durfte die Einsatzprobe in meinem 0°C-Fach lichtgeschützt "überwintern":
Hopfenpack.png
Hopfenpack.png (245.59 KiB) 1911 mal betrachtet
Natürlich kann ich nicht wissen, ob da nun 15,3 oder 14,4 %-alpha im Beutel waren, aber die Nähe zum Erzeuger, zum Jahrgang und zur Lagerung lassen vermuten, dass die Angaben in einer akzeptablen Abweichung zum Inhalt passen. Recht viel mehr Nähe zum eingesetzten Rohstoff kann "Hobbybrauer" im täglichen Umgang kaum erwarten.

Ich hoffe ich kann im Laufe des Jahres noch ein paar mehr Proben in dieser Art und Weise untersuchen lassen. Mir liegen vor allem die Gaben am Herzen, die geplant und gewollt unter 30 IBU liegen und die diesen +/-10 IBU-Spielraum eben nicht haben.

Gruß
Oli
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muldengold
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Re: Echtdaten zur Bitterstoffausbeute

#8

Beitrag von muldengold »

Neben der Hopfenausnutzung beeinflussen ja noch eine ganze Reihe anderer Faktoren wieviele IBUs am Ende im fertigen Bier verbleiben. Zum Beispiel schleppt die Hefe eine ganze Menge Bitterstoffe ins Hefesediment - bei einer stark flokkulierenden Hefe hat dieser Effekt natürlich einen deutlich größeren Einfluß als bei einer nur schlecht flokkulierenden Hefe. Hefeweizenstämme gehören ja eher in letzte Kategorie und ich frage mich ob dieser Effekt bei deinem Hefeweizen nicht massgeblich für die höheren IBU-Werte verantwortlich ist?

Iso-alpha-Säuren haben zu dem das penetrante Bestreben sich überall festzupappen (Plastikmaterialien, Gärbehälter, Schläuche...). Daher auch hier: je kürzer die Kontaktzeit mit der Oberfläche im Gärbehälter, um so weniger wird dies zum Tragen kommen. Ein Hefeweizen kann man gut schon nach wenigen Tagen auf Flaschen ziehen, was Du möglicherweise auch gemacht haben wirst?

Richtig interessant wäre daher mal die Vergleichsmessung IBU-"Würze" und IBU-"fertiges Bier" für verschiedene Sorten/Sude/Hefestämme. Das wäre doch mal ein tolles Projekt :Greets ?

Sandro
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Bier! :Wink
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