Schön, wenns' so einfach wäre - ist es aber leider nicht. Die Vorstellungen was Vorderwürzebiere(VWB) sind oder sein sollten, sind doch recht unterschiedlich.
Versuch einer Zusammenfassung in Form von Varianten:
Die klassische Vorstellung ist wohl die, dass man einfach den Nachguss weglässt und im weiteren Verlauf der Würzegewinnung "gewisse" Anpassungen so vornimmt, dass sich daraus Ziel-IBU, Zielmenge und Zielkonzentration wie geplant ergeben.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird "Vorderwürze" als eine konzentrierte, besonders reine Extraktlösung(Edelextrakt) wahrgenommen, die kurz vor dem 1. Nachguss meist in einer Extraktkonzentration von > 16 [%mas] vorliegt. Dieser "Edelextrakt" sollte dann wie gewonnen und unverändert weiterverarbeitet werden und es muss in der Folge ein Bier daraus resultieren, dass min. die Stammwürze der ursprünglich festgestellten Vorderwürzekonzentration hat. Nur dann ist es ein VWB. Verdünnungen jeglicher Art und egal welcher Natur(durch Nachguss oder durch Brauwasser) sind nicht erlaubt. So mancher Brauer kokettiert ganz bewusst mit dieser Brauart ( -> Variante I.).
Eine zweite Variante wäre die, die der Variante I. in weiten Teilen folgt, allerdings ist eine Verdünnung mit (Brau)Wasser zu jedem Zeitpunkt erlaubt. Es wird gebraut wie gehabt, der Nachguss bleibt aus und die Vorderwürze wird zu einem beliebigen Zeitpunkt mit Brauwasser verdünnt, um "Zielkonzentration" zu erreichen, z.B. 13 °P. So würde man u.U. vorgehen, wenn man ein "Normalrezept" in einer "Vorderwürzevariante" brauen möchte ( -> Variante II.).
Eine dritte Variante könnte so aussehen, dass die Hauptgussmenge so großzügig gewählt wird, dass sich ohne Nachguss und ohne Brauwasserverdünnung eine Pfanne-Voll-Würzekonzentration einstellt, die nach der Kochung "Zielkonzentration" ergibt, z.B. 13 °P. Hier findet die Manipulation über die Wahl der Hauptgussmenge statt und so etwas wie "Vorderwürze" taucht weder in Konzentration noch in Menge im Brauprozess auf. Die Besonderheit dieser Variante ist in der Tatsache zu finden, dass man ein "Vorderwürzebier" braut, ohne dass jemals "Vorderwürze" im klassischen Sinne vohanden war. Hier dürften die "Malzrohranlagenbesitzer" ein alltägliches Zuhause finden.( -> Variante III.).
Versuch einer inhaltlichen Klärung
Die benannten Varianten kommen allesamt ohne Nachguss aus und sie sind dem allgemeinen Verständnis nach: "Vorderwürzebiere". Selbst kleine Nachgussmengen sind in Spielarten dieser Varianten erlaubt - sofern es nur darum geht, mit einer kleinen Nachgussmenge eine Restmenge an Vorderwürze aus dem Treberkuchen auszuscheiben(-> lässt sich über eine Stammwürzemessung sauber abgrenzen).
Sehr wahrscheinlich werden sich aus den benannten Varianten I.-III. ganz unterschiedliche Biere entwickeln, obwohl der "Rezepturrahmen" identisch ist. Drumherum wird es allerdings schwieriger werden die allgemein positiv wahrgenommene Merkmalsausprägung "Vorderwürzebier" einzusortieren, wenn erst einmal offen bleiben muss, was "Vorderwürzebier" überhaupt ist.
Die zunächst philosophisch anmutenden Ansätze oben(Variante I-III.) gewinnen eine nüchterne Natur, wenn es darum geht ein Rezept neu zu rechnen/zu entwerfen oder ein bestehendes (Standard)Rezept an ein VWB-Rezept zu adaptieren. Im Anlagenkontext wird nicht ausbleiben, dass man sich im Grobziel für eine der hier formulierten Varianten entscheiden muss. Mit einer im Anlagenkontext ausgewählten Variante(u.a. Maische und Würze muss in die Töpfe passen) legt man zusätzlich den "Rechenweg" für das Rezept fest und gemeinhin auch, was VWB ist - schliesslich braut man ja eines.
Hier nochmals ein Überblick über die Varianten und mich würde interessieren, welche davon in Eurer Wahrnehmung noch als VWB durchgehen. Ein- oder zwei Punkte aus der Liste unten darf man wählen(z.B. A+D). Welche wären das ?
- Ein VWB hat keinen Nachguss und darf grundsätzlich nicht verdünnt werden - auch nicht mit (Brau)Wasser. (Variante I.)
- Ein VWB hat keinen Nachguss und darf grundsätzlich nur mit (Brau)Wasser verdünnt werden. (Variante II.)
- Ein VWB hat keinen Nachguss, die Hauptgussmenge darf aber so groß bemessen sein, dass im klassischen Sinne nie eine Vorderwürze entsteht. (Variante III.)
- Ein VWB ist auch dann ein VWB, wenn kleine Nachgussmengen die VW nicht verdünnen(vom Nachguss gelangt nichts in die VW. VW wird nur aus den Trebern ausgeschoben)
Also. WIe seht Ihr das ? A, B, C und/oder D ?
PfingstenSchlechtWetterAnhang
Kleine Denksportaufgabe für die verregneten Pfingsttage:
Angenommen ich finde das Rezept unten im Internet und möchte es in einer VWB-Variante brauen. Jetzt bin ich jemand der nach Variante I. bzw. nach A. brauen möchte und ich frage mich wie das Rezept abzuändern ist, damit das gelingt. Viel Spaß beim Rezeptknobeln und Ergebnisse gerne hier posten.
Standardrezept aus dem ein Vorderwürzebier nach Variante I. bzw. nach A. werden soll
- Stammwürze: 13,0 %mas
- Menge Kaltwürze: 20,0 l
- Schüttung: 4,2 kg
- Sudhausausbeute(Kaltwürze): 65 %
- Kontraktionsfaktor : 0,94
- Hauptguss HG: 14 l
- Nachguss NG: 14 l
- HG:NG: 1:1
- Schrot:HG: 1:3,4
- Vorderwürze: 16,0 %mas
- Vorderwürze: 10 l
- Vorderwürzeausbeute: 40 %
- Pfanne voll: 11 %mas
- Pfanne voll: 24 l
- Kochdauer: 60 min
- Verdampfungsziffer VZ: 12 %
Gruß
Oli