Malzpower 2016

Hier kommt alles rein, was woanders keinen Platz hat.
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olibaer
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Malzpower 2016

#1

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

da mich die Rohstoffqualitäten der jeweiligen Jahrgänge ganz besonders interessieren, habe ich in eigener Sache den Jahrgang 2016 hinsichtlich der Amylolyse(Stärkeabbau) aufs' Korn genommen. Das hauptsächliche Interesse galt dabei dem Endvergärungsgrad(EVG %).
Die in diesem Beitrag angeführten Rohstoffqualitäten des Jahrgangs 2016 waren ein Teil der Motivation, die mir schon vorgelagert "in etwa" bekannt waren.

Bekannt ist, dass die heutigen Malze gut gelöst sind aber wie robust "gute Malzlösung" auf widrige Umstände reagiert bleibt meist im Dunkeln - oder bleibt in Kombination mit Malzmischungen/Maischverfahren schwer einzuschätzen. Aus diesem Grund habe ich meinen letzten Sud mit allerlei Messungen begleitet. Hier das Rezept - in aller Kürze:
  • 38 l Kaltwürze mit 14,2 °P
  • 71 % Gerstenmalz, 25 % dunkles Gerstenmalz, 4 % Sauermalz (rechnerische Reduzierung der RA° auf 2°dH des sonst nicht behandelten Stadtwassers/Rohwassers)
  • 63-65 °C für 35 min, 66-68°C für 15 min, 72-73°C für 15 min, Aufheizen 77-78°C
  • Hefe og DOE479 in der 2.Führung, HG bei 18-22°C
Ein Maischverfahren also, dass zwischen "Einmaischen Ende" und "Läuterbeginn" gerade mal 90 min dauert und sich nicht wirkliche Mühe gibt, die (ß-)Amylasen gesondert zu betonen. Ganz gezielt nimmt es aber Rücksicht auf nach oben veränderte Verkleisterungstemperaturen des Jahrgangs 2016 und siedelt die Maltoserast am oberen Ende des Optimums der ß-Amylase an. Der dunkle Gerstenanteil reduziert die Amylasenaktivität um ein Weiteres, die Wasserqualitäten sind auch nicht optimal. Auf massive Karbonathärte trifft nur Sauermalz(Rohwasser RA°=9,6). Die Nachgüsse wurden nicht behandelt(HG:NG = 1 : 0,6)

Was jetzt folgt sind IST-Werte. Sie sind allesamt mit Meßautomaten bestimmt und nicht nur "gerechnet bzw. geplant".
  • Kaltwürze vor der Vergärung: 14,45°P
  • EVG % dieser Kaltwürze : 83,5 %(->Schnellgärprobe)
  • Bieranalyse nach der Hauptgärung(ohne Speise): P=14,61[°], Es[%mas]=2,29, VGs[%]=84,3, Alc [%v/v]=6,75
  • Bieranalyse nach der Nachgärung(mit Speise, vergoren): P=15,42[°], Es[%mas]=2,22, VGs[%]=85,6, Alc [%v/v]=7,16 (Speise=7 g/l Haushaltszucker)
Aus der Kombination Schüttung, Maischverfahren, Wasser und Hefestamm hätte ich für das "Fertigbier" vielleicht einen VGs von 72-78% erwartet, in keinem Fall aber ~85%.

Ein ähnliches Lösungspotential darf man sich auch für die Proteolye vorstellen. In Berührung mit Wasser lassen sich unserer derzeitigten Rohstoffqualitäten kaum mehr einbremsen. Besondere Malzmischungen haben Konjunktur und auch Dekoktionsverfahren, die neben den sonst ohnehin positiven Effekten auch Lösungs- und Enzympotentiale nutzen und ggf. einschränken. In jedem Fall ein gesichertes amyloytisches Umfeld - sofern man "Verkleisterungstemperatur" auf dem Zettel hat.

Gruß
Oli
Gruss
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Re: Malzpower 2016

#2

Beitrag von Dr.Edelherb »

Ich versteh kein Wort.. So geht's mir auch mit dem Brewrecipedeveloper.
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Re: Malzpower 2016

#3

Beitrag von Tozzi »

olibaer hat geschrieben:sofern man "Verkleisterungstemperatur" auf dem Zettel hat.
Du würdest also die optimale Verkleisterungstemperatur in Kombination mit Maltoserast bei 63-65˚C sehen? Interessant...
Das würde sich auch mit meinen kürzlichen Erfahrungen decken.
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Re: Malzpower 2016

#4

Beitrag von Sura »

... da kommt man ja schon langsam in die Bereiche der Kombirast.
Weil es für uns ja eher schwierig ist die Temperatur der gesamten Maische innerhalb eines bestimmten Bereichs von 1-2°C zu halten und damit z.b. 64°C genau zu treffen und eine Zeit da zu halten.....: Wenn die Stärke einmal verflüssigt/verkleistert ist, darf die Temperatur dann wieder absinken (innerhalb des Arbeitsbereiches der Amylase) oder wirkt sich das wieder negativ aus?

Gruß,
Kai
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Re: Malzpower 2016

#5

Beitrag von Sura »

Wobei: Die Amylasen arbeiten hier ja so fix, das es ja anscheinend fast egal ist was man wo wie lange macht....
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Re: Malzpower 2016

#6

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,
Dr.Edelherb hat geschrieben:God save the KBH.
Sehe ich auch so - eine ganz wunderbare Software.
Dr.Edelherb hat geschrieben:Ich versteh kein Wort...
Ich komm' gleich nochmal drauf.
Tozzi hat geschrieben:Du würdest also die optimale Verkleisterungstemperatur in Kombination mit Maltoserast bei 63-65°C sehen?
Ich komm' gleich nochmal drauf.
Sura hat geschrieben:... da kommt man ja schon langsam in die Bereiche der Kombirast[...] Wenn die Stärke einmal verflüssigt/verkleistert ist, darf die Temperatur dann wieder absinken (innerhalb des Arbeitsbereiches der Amylase) oder wirkt sich das wieder negativ aus?
Ich komm' gleich nochmal drauf.



... jetzt komm ich drauf:

Zu dem Thema "Verkleisterung" und "Amylolyse" gibt es eine wunderbare DIssertationsschrift von Dr.Ing.Florian Andreas Schüll[1]. Wer sich nicht das gesamte Werk antun möchte findet bereits auf den ersten 3 Seiten (Punkt 1: Einleitung und Motivation) erklärt, worum es bei "Verkleisterung" geht und welche Probleme durch erhöhte "Verkleisterungstemperaturen (VKT)" auftreten können.
Besonders gelungen ist im genannten Abschnitt Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Verkleisterungstemperatur, Stärkeangeifbarkeit und ß-Amylaseaktivität.

In Abbildung 1 werden zwei Malze mit unterschiedlicher VKT(Malz 1 mit VKT 62°C, Malz 2 mit VKT 65°C) einer ß-Amlyasenaktivität bei bestimmten Temperaturen gegenübergestellt. Wer den Blick auf Malz 2 richtet wird erkennen können, dass die Verkleisterung erst bei 65°C beginnt, während die ß-Amylase bei dieser Temperatur bereits über 50% ihrer Leistungsfähigkeit eingebüsst hat. Hat jetzt jemand für Malz 2 eine Maltoserast bei z.B. 62°C gehalten darf man davon ausgehen, dass diese Rast nahezu "für die Katz" war, da die ß-Amylase kaum Zugang zu den noch nicht gequollenden/angreifbaren Stärekörnern hatte.

Auch der Kombirastler, der z.B. bei 67-68°C eine Rast hält, ist nicht aus dem Schneider. Die Stärke verkleistert zwar, allerdings ist die ß-Amylase bis auf ~25% ihrer ursprünglichen Leistung runter und wird mit zunehmender Rasstdauer immer weiter "abbauen". Der erhoffte "Dopplereffekt" zwischen 72°C-Rast und Maltoserast wird mit zunehmender Rastdauer ad absurdum geführt, da ß-Amlyase nicht mehr "abbauen" kann, was "Verkleisterung" und a-Amylase ihr zuschustern. Hier endet dann auch die Vorstellung, dass eine nachträgliche Abkühlung der Maische und/oder eine Verlängerung der Kombirast noch etwas bringt. Wahrscheinlich schlechte Ausbeuten und sehr wahrscheinlich schlechte Endvergärungsgrade werden das Ergebnis sein. Siehe Quellenverweis[1].

Am flexibelsten wird mit dieser Situation wohl ein Dekoktionsverfahren umgehen können, da Restmaische mit einem gezielt geparktem Enzymhaushalt auf das reagieren kann, wass "Kochmaische" zurückliefert. Am wenigsten flexibel ist die Kombirast zu sehen und dazwischen werkelt das Infusionsverfahren mit stufenweisem Aufheizen. Wer einen hohen/normalen Endvergärungärungsgrad mit "Infusion" erreichen möchte, könnte z.B. so vorgehen:
  • 15 min bei 61-62°C (das "wegschaffen" was bis hier hin für ß-Amylase erreichbar war)
  • 20 min bei 64-65°C (nahe an die "Verkleisterung" ranfahren bzw. erreichen während ß-Amylase noch einigermassen fit ist)
  • 25 min bei 66-67°C (was "Verkleisterung" und a-Amylase liefert durch ß-Amylase "geduldig" abbauen)
  • 10 min bei 68-69°C (Dopplereffekt weiter ausnutzen, a-Amylase arbeite dem Rest der ß-Amylase noch kurz zu)
  • x min bei 72°C, min. bis jodnormal
Das sind in Summe 70 min "Maltoserast" und ich bin mir sicher, dass diese so "fraktioniert" gehaltene Maltoserast einen wesentlich besseren EVG liefern wird als eine Maltoserast in der gleichen Dauer bei z.B. 62°C. Ganz besonders wird das wirksam, wenn viel "Basismalz" aus "Gerstenmalz" besteht.

...nur eine Idee. Bei mir hat es so o.ä. ganz gut funktioniert.


Gruß
Oli

Quellen:
[1] Dissertationsschrift: Doktor-Ingenieur, Schüll, Florian Andreas: Einfluss spezifischer Eigenschaften der Stärke auf den Brauprozess
Zuletzt geändert von olibaer am Mittwoch 7. Dezember 2016, 21:26, insgesamt 1-mal geändert.
Gruss
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Re: Malzpower 2016

#7

Beitrag von Tozzi »

Sehr interessant. Vielen Dank für diese ausführliche Erklärung! :thumbup
Genau diese Erfahrung habe ich bei meinem letzten Sud gemacht und mich gewundert.
Die 62˚ waren für die Katz', der Sud war zwar jodnormal, der VG ist jedoch unterirdisch.
Dabei hatte ich extra die Kombirast ersetzt durch "klassische" Rasten... :Ahh
Schade, dass ich das nicht vor 3 Wochen gelesen habe... :Wink
Viele Grüße aus Fasano
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Re: Malzpower 2016

#8

Beitrag von s3b0 »

Wo erfahre ich die Malzspezifische Verkleisterungstemp. ?

Danke
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olibaer
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Re: Malzpower 2016

#9

Beitrag von olibaer »

Hallo Tozzi,
Tozzi hat geschrieben:der Sud war zwar jodnormal, der VG ist jedoch unterirdisch
das passt ins' Bild - werden wir hier so oder ähnlich bald öfter hören.
Und was stand noch gleich auf der Packung Hefe für den Vergärungsgrad ? :Wink

Gruß
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Re: Malzpower 2016

#10

Beitrag von olibaer »

s3b0 hat geschrieben:Wo erfahre ich die Malzspezifische Verkleisterungstemp. ?
In einem ersten Schritt nur hier und wenn dann auch nur, wenn ich sie ins' Forum klopfe.

Malz-Rohstoffqualitäten interessieren, abgesehen von der Farbe, niemanden wirklich. Ansonsten müsstest Du Rohstoffqualitäten im Jahrgangsbezug ganz gezielt im Internet recherchieren.

Gruß
Oli


Edith: Hat aus unschön schön gemacht
Zuletzt geändert von olibaer am Mittwoch 7. Dezember 2016, 23:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Malzpower 2016

#11

Beitrag von Tozzi »

olibaer hat geschrieben:Und was stand noch gleich auf der Packung Hefe für den Vergärungsgrad ?
71-75%. Irish Ale WY 1084.
Bei mir: knapp 60% scheinbarer VG. 17˚P, Restextrakt seit 5 Tagen bei 7% w/w.
Habe mit M07 und zuletzt mit Notti versucht nachzuhelfen, aber da ist definitiv Schicht im Schacht.
Viele Grüße aus Fasano
Stephan
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Re: Malzpower 2016

#12

Beitrag von olibaer »

Tozzi hat geschrieben:
olibaer hat geschrieben:Und was stand noch gleich auf der Packung Hefe für den Vergärungsgrad ?
71-75%. Irish Ale WY 1084.
Bei mir: knapp 60% scheinbarer VG. 17˚P, Restextrakt seit 5 Tagen bei 7% w/w.
Uhhh - hoffentlich hats' über 50 IBU - "Hipster" nimmt Teilvergorenes gerne mal als "lecker" wahr. Fürs vollkommene Seelenheil wären auch ein paar wenige Stopfaromen nicht verkehrt - bisschen "schischi" hier, bisschen "lala" da - wer möchte denn ohne feuchte Augen aus einer Verkostungsrunde gehen :Wink


..nur Spaß, du weißt worum es wirklich geht.


Grüße
Oli
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Re: Malzpower 2016

#13

Beitrag von Tozzi »

55 IBU. :Smile
...aber nicht das, was ich vorhatte... :Wink
olibaer hat geschrieben:..nur Spaß, du weißt worum es wirklich geht.
Oh ja, und das wird künftig beherzigt. Danke nochmal! :Greets
Viele Grüße aus Fasano
Stephan
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Re: Malzpower 2016

#14

Beitrag von olibaer »

Tozzi hat geschrieben:Oh ja, und das wird künftig beherzigt. Danke nochmal! :Greets
Immer gerne.

Gruß
Oli
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Re: Malzpower 2016

#15

Beitrag von morpheus_muc »

Danke Oli für die, wie immer lehrreichen Backgrounds!

Liebe Grüße von Michael,
einem bekennenden Dekoktionsfan :-)
Beer is the answer, but I don't remember the question...
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Re: Malzpower 2016

#16

Beitrag von Seed7 »

olibaer hat geschrieben:Auch der Kombirastler, der z.B. bei 67-68°C eine Rast hält, ist nicht aus dem Schneider. Die Stärke verkleistert zwar, allerdings ist die ß-Amylase bis auf ~25% ihrer ursprünglichen Leistung runter und wird mit zunehmender Rasstdauer immer weiter "abbauen". [...]
In wie weit ist die zuname der enzyme im malz da (noch) hilfreich?
Die daten, betreffen die nur den Deutschen gersten, oder auch Frankreich, England. US?
Ist es gersten-cultivar spezifisch?

Verkleisterungstemperatur is auch nicht eine temperatur, die verkleisterung findet ueber eine temperaturbandbreite statt, handruehrer bemerken das bei den schritt auf 73°C. Muesste fuer kombirast als hoch einmaischen. Und dann? Enzymbooster?

Ingo
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Re: Malzpower 2016

#17

Beitrag von olibaer »

Hallo Ingo(Seed7),
Seed7 hat geschrieben:In wie weit ist die zuname der enzyme im malz da (noch) hilfreich?
Mehr Potential hilft hier in jedem Fall.
Seed7 hat geschrieben:Die daten, betreffen die nur den Deutschen gersten, oder auch Frankreich, England. US?
Ist es gersten-cultivar spezifisch?
Das betrifft erst mal nur Gersten aus DE.
Ja, die Schwankungen ergeben sich wie immer aus dem Jahrgang, der Sorte und der Provenienz.
Seed7 hat geschrieben:Muesste fuer kombirast als hoch einmaischen. Und dann? Enzymbooster?
Dazu ein Zitat aus diesem Beitrag:
[...]da die VKT bei über zwei Drittel der Frühvermälzungsmuster 64°C überschreitet und die Gehalte im Bereich von 61,1-66,4°C schwanken. Insgesamt liegt ein Drittel aller Muster über 64 °C und ein weiteres Drittel über 65°C[...].

Wenn man Kenntnis vom Sachverhalt hat, kann man reagieren. Tendentiell die klassische Matoserast bei höheren Temperaturen halten, also besser bei 63-65°C als bei 60-62°C und/oder "fraktioniert" an die Sache herangehen - wie hier #6 beschrieben.

Weiter hilft die Kenntnis davon, dass die ß-Amylase sehr hitzeempfindlich reagiert. Dem kann man entgegensteuern, in dem man etwas tiefer einmaischt und "von unten" an das Optimum heranfährt - das mag die ß-Amylase und sie dankt es einem dadurch, dass sie am Ende des Optimums (64-65°C) nicht so schnell inaktiv wird und damit zum Zeitpunkt der Verkleisterung noch länger wirkt. Der "Kombirastler" muss dann eben vorzugsweise mit der Gußführung reagieren. Etwas dicker einmaischen und später mit dem Rest vom Hauptguß(Heißwasser) auf Rasttemperatur zubrühen.

Zusätzlich bringen sich die Dekoktionsverfahren wieder ins Spiel. Sie erlauben einen höheren Freiheitsgrad wenn es darum geht mit Enzymhaushalten zu jonglieren. Denkbar sind hier einfach durchzuführende Ansätze, die auch ohne Kochung einer Teilmaische auskommen und nur mit der a- und ß-Amylase "spielen". Z.B. so(nur angedeutet):
"Dekoktion" ohne Kochung. Warum nicht.
"Dekoktion" ohne Kochung. Warum nicht.
amylasenspiel.PNG (11.16 KiB) 6609 mal betrachtet
Ich denke es gibt genug Möglichkeiten ohne "Enzymbooster" den Endvergärungsgrad einer Würze zu lenken. Das "Fenster" allerdings, in dem ß-Amylase und Verkleiterungstemperatur optimal aufeinander wirken können, ist eben kleiner und schwieriger zu treffen geworden und das ist dann auch genau die Stelle, wo es den Hobbybrauer härter trifft als den "Industriebrauer". Man könnte das auch so formulieren:
War es lange egal ob ich die Maltoserast für 30 min bei 61°C oder bei 64°C gehalten habe, so wird sich für diesen Jahrgang zeigen, dass dem nicht mehr so ist.

Gruß
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Re: Malzpower 2016

#18

Beitrag von Fossy »

olibaer hat geschrieben:... Man könnte das auch so formulieren:
War es lange egal ob ich die Maltoserast für 30 min bei 61°C oder bei 64°C gehalten habe, so wird sich für diesen Jahrgang zeigen, dass dem nicht mehr so ist.

Gruß
Oli
Hi aber das heißt im Umkehrschluss doch auch, das es beim Kombirastler im Vergleich zu vorher keine große Änderung gibt?

Ich meine die Maltoserast haben wir ja auch in Vergangenheit nicht (in dem Sinn gemacht) und die Amylasen waren ja "schon immer" im eher suboptimalen bereich?
MfG Flo
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Re: Malzpower 2016

#19

Beitrag von Seed7 »

olibaer hat geschrieben:[...]wo es den Hobbybrauer härter trifft als den "Industriebrauer".[...]
Danke Oli,

Na, dann mal sehen wie ich meine Englische "grossanlage" auf Dekoktion trimme,

Ingo
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Re: Malzpower 2016

#20

Beitrag von Seed7 »

Fossy hat geschrieben:Hi aber das heißt im Umkehrschluss doch auch, das es beim Kombirastler im Vergleich zu vorher keine große Änderung gibt?
Nur das einen Teil vom malz nicht benuetzt wird. Mit "geschlossenen" staerke granuelen koennen die Enzyme nichts anfangen,

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Re: Malzpower 2016

#21

Beitrag von Sura »

Ich hab jetzt grade mal ein wenig rumgesucht, und Kai Tröster berichtete bereits 2010 in Bezug auf eine Veröffentlichung von 2006, daß bei Weyermann Malzen die Verkleisterungstemperatur bis zu 65°C betragen könnte.
( http://braukaiser.com/wiki/index.php?ti ... Conversion )

Versteh mich jetzt nicht falsch, vielleicht bring ich da was durcheinander, aber hätte dann das Problem die letzten Jahre nicht schon bestehen und auch hier irgendwie bemerkt werden müssen? Oder war die Verkleisterungstemperatur bei den Malzen zwischendurch wieder gesunken?

Gruß,
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Re: Malzpower 2016

#22

Beitrag von Seed7 »

Sura hat geschrieben:Versteh mich jetzt nicht falsch, vielleicht bring ich da was durcheinander, aber hätte dann das Problem die letzten Jahre nicht schon bestehen und auch hier irgendwie bemerkt
Wenn ich es richtig verstehe ist die (teils?) abhaengig vom wetter; wasser und temperatur. Eine korrelationsgraphik waere interessant,

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Re: Malzpower 2016

#23

Beitrag von Sura »

Ich hab hier nochwas gefunden, allerdings eher Dänische und Schwedisch...... aber man kann gut sehen, das die Zahlen von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich sind. Das war leider der einzige Report den ich gefunden habe, wo die Verkleisterung so ausführlich aufgeführt war.
http://www.vikingmalt.com/wp-content/up ... r-2016.pdf

edit:
Interessanterweise ist dort die Verkleisterung für 2016er Malze deutlich kühler angegeben. Scheint also große Unterschiede zwischen den Ländern zu geben.....
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Re: Malzpower 2016

#24

Beitrag von Brewtotype »

Hi, ich kann evtl. einen Teil zu diesem Thema Beitrag, da ich damals die Messmethodik/-verfahren der VKT zur Routinemessung, im Rahmen eines Projekts, am BLQ eingeführt habe.

Ich werd vorraussichtlich erst am Sonntag Zeit finden, um meine gesammelten Erfahrung niederzuschreiben.

Edit: Nur schon mal vorrab, die VKT ist stark von der Witterung (Anzahl der Regentage, Anzahl der Sonnenstunden, etc.) und dem Klima (trocken und sehr heiß vs. mild und eher feucht) abhängig , dies beeinflusst wie kompakt das Stärkekorn aufgebaut ist. Allgemein gilt je trockner und wärmer, desto kompakter ist die Aufbaustruktur des Stärkekorns und desto höher die VKT des Malzes.
Gruß Daniel
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Re: Malzpower 2016

#25

Beitrag von Sura »

Das ist sehr interessant! Eventuell kann man daraus schliessen, aus welchen Gebieten/Ländern/Mälzereien was zu erwarten ist. ich finde das ziemlich interessant.
(Auch in geschichtlichem Hinblick .... wenn es in Englang eher feuchter und kühler ist, dann ist die Verkleisterungstemperatur niedriger und Infusion vielleicht auch deshalb dort verbreiteter als Dekoktion... aber das ist vielleicht eine etwas weit hergeholte Idee....)
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Re: Malzpower 2016

#26

Beitrag von Brewtotype »

Man kann auf das Anbaugebiet nur bedingt schließen.
Was jedoch sehr wohl möglich ist, ist eine Abschätzung.

Ich hatte damals Gersten-Rückstellproben des gleichen Anbaugebietes aus unterschiedlich Erntejahren zur Verfügung. Es war möglich Prognose für die VKT auf Basis der klimatischen Bedingungen, des jeweiligen Erntejahres abzugeben, die durch spätere Messungen bestätigt worden sind.
Gruß Daniel
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Re: Malzpower 2016

#27

Beitrag von cars10 »

Immer wieder klasse zu sehen, in welcher fachlichen Tiefe hier diskutiert wird.
Ich verstehe noch nicht alles davon, aber doch immerhin ein wenig.
Zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin :Bigsmile

Was mich irgendwie nachdenklich an der Sache macht ist folgendes:
Ich würde eigentlich durch meine Entscheidungen zum Brauvorgang gerne Einfluss auf den Geschmack des Bieres nehmen.
Nun wird darüber eh schon wenig gesprochen, meist geht es um Kenngrößen wie hier VGs.
Natürlich sind diese Werte einfacher zu bestimmen, oder überhaupt messbar, was bei Geschmack nur subjektiv zu schmecken ist.
Ich braue doch aber nicht, um z.B. eine Sudhausausbeute zu erreichen, ich braue ja Bier und das soll in erster Linie Schmecken.

Wenn nun alles von so grundlegenden Voraussetzungen wie den Wachstumsbedingungen der Gerste abhängt wie will man dann mit dem Maischverfahren auf den Geschmack Einfluss nehmen, wenn man gar nicht weiß, woher die Gerste für das Malz kam?
Auf der anderen Seite scheint das Brauen auch wieder ein recht robuster Prozess zu sein.
Mein bisher bestes Weizen war mein zweiter Sud. Die Steuerung stieg aus und ich habs erst gemerkt als die Temperatur schon auf 90°C geklettert war.
Vergleichsweise langsam, weil mein Einkocher eher gemütlich ist.
Wie gesagt, Bier war lecker, leider nicht reproduzierbar, und da kommen halt dann die Messwerte wieder ins Spiel.

Nur mal so die Gedanken eines Anfängers, der sich grad mehr in die Thematik einarbeitet.
Brauen ist super spannend, so viele Aspekte, einfach klasse.
Ich vergleiche das gern mit Musik. Musik ist etwas sehr emotionales, das aber auf fast mathematischen Regeln basiert.
Man kann Musik machen, ohne die Regeln formal zu kennen, nach Gefühl.
Um aber gute Musik zu machen muss man zumindest einen Teil der Regeln kennen, wenn auch nur intuitiv.
Um richtig gute Musik zu machen muss dann wissen, wo man die Regeln brechen kann.

Sorry, das war jetzt ziemlich off topic, Gedanken zum Sonntag Morgen :Bigsmile

Grüße,

cars10
"Malz hat das Bestreben Bier zu werden." Drew Beechum (sinngemäß)
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Re: Malzpower 2016

#28

Beitrag von olibaer »

Hallo Sura,
Sura hat geschrieben:Ich hab jetzt grade mal ein wenig rumgesucht, und Kai Tröster berichtete bereits 2010 in Bezug auf eine Veröffentlichung von 2006, daß bei Weyermann Malzen die Verkleisterungstemperatur bis zu 65°C betragen könnte. ( http://braukaiser.com/wiki/index.php?ti ... Conversion )
Versteh mich jetzt nicht falsch, vielleicht bring ich da was durcheinander, aber hätte dann das Problem die letzten Jahre nicht schon bestehen und auch hier irgendwie bemerkt werden müssen?
Dem Hobbybrauer wird der Vergärungsgrad mit dem Hefestamm in Tüten verkauft - da gibt es nichts zu "merken".


Nachtrag:
Der Jahrgang 2006 war die "Initialzündung" in Richtung VKT. Nachfolgende Promotionsarbeiten rund um dieses Thema belegen das - eine davon ist hier benannt. Danach wurde es wieder ruhiger, Narziß dagegen hatte das Thema ohne Unterlass auf dem Schirm und lässt es aktuell immer wieder anklingen.

Gruß
Oli
Zuletzt geändert von olibaer am Montag 12. Dezember 2016, 13:01, insgesamt 1-mal geändert.
Gruss
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Re: Malzpower 2016

#29

Beitrag von olibaer »

Hallo cars10
cars10 hat geschrieben: Wenn nun alles von so grundlegenden Voraussetzungen wie den Wachstumsbedingungen der Gerste abhängt wie will man dann mit dem Maischverfahren auf den Geschmack Einfluss nehmen, wenn man gar nicht weiß, woher die Gerste für das Malz kam?
Guter Einwand.

Der Hobbybrauer kennt seine Rohstoffe nicht. Er geht immer von normierten Zutaten aus und vertraut meist auf einen "Rezeptkontext". Hat sich so eingebürgert, ist aber auch das Mittel der Wahl. Drumherum wird halt philosophiert. Hobby eben.

Gruß
Oli
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