Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

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Silbereule
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Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#1

Beitrag von Silbereule »

Hallo liebe Hobbybrauer,

ich habe bisher nur OG gebraut und nun zu Weihnachten eine Maibock Malzmischung von Hopfen und mehr geschenkt bekommen. Somit wird dies mein erster UG Sud. Habe mich hierzu nun schon viele Stunden eingelesen und bin äußerst frustriert ob der vielen Widersprüche auf die ich hierbei stoße. Temperatur ist grundsätzlich kein Problem (Kühlschrank mit Inkbird vorhanden), aber die Hefe bereitet mir Kopfzerbrechen. Die Malzmischung soll zu fertigem Bier von ca. 17l und einer Stammwürze von ca. 17°P führen. Sämtliche notwendigen Zutaten sind laut Angabe enthalten. Als Hefe kam ein Päckchen Wyeast 2206, mit dem Hinweis auf der Anleitung, dass die Herstellerangaben zu beachten sind.

Also steht nun zunächst auf der einen Seite:
Das Päckchen bei Zimmertemperatur aufblähen und der Würze bei Temperatur von 18-22°C zugeben, sobald angekommen - herunterkühlen.

Auf dem Päckchen steht aber auch, dass die Hefemenge ausreicht, um 5 Gallonen (ca. 19 Liter) bei 1.060 OG anzustellen. Dies entspricht nach dem Umrechner im Hobbybrauer-Wiki einer Stammwürze von 14,7°P, die vorliegend aber überschritten wird. Hier ist der erste Widerspruch in sich, zwischen 1 Päckchen Hefe reicht ("sämtliche Zutaten enthalten") und über 14,7°P braucht man mehr Hefe ("Herstellerangeben der Hefe beachten").
Dafür spricht aber, dass dieses Vorgehen auch in den Rezepten im mir vorliegenden Buch von Udo Krause so angegeben wird. Der will sogar einen Urbock mit 22°P mit nur einem Päckchen Wyeast 2278 bei 23°C anstellen und nach einem Tag auf 10-14°C runterkühlen.

Auf der anderen Seite:
stehen die vielen Beiträge hier im Forum, die davon abraten UG bei höherer Temperatur anzustellen und stattdessen einen Starter zu machen und diesen in die auf Gärtemperatur (oder sogar leicht darunter) gekühlte Würze zu geben.

Nun stehe ich vor der Herausforderung als Anfänger entscheiden zu müssen, welche der komplett entgegengesetzten Ansätze ich wähle. Beide Ansätze kommen von Leuten, die sich alle deutlich besser damit auskennen sollten als ich. Aufgrund des geringeren Aufwands würde ich natürlich die erste Variante bevorzugen...

Dies war nun schon öfters Thema hier - ohne jemals hinreichend abgeschlossen worden zu sein. Ich habe nicht die Erwartung, dass jetzt einer mit der Erleuchtung um die Ecke kommt, die dieses kontroverse Thema endlich auflöst. Aber irgendwie entscheiden muss ich mich ja trotzdem, und um mir dabei zu helfen, habe ich noch die folgenden konkreten Fragen, die ich in diesem Zusammenhang noch nicht verstanden habe:

1. Den Starter würde ich ja grundsätzlich bei Zimmertemperatur machen (so der Artikel im Braumagazin) und erst später abkühlen, um auf Würzetemperatur anzugleichen. Wieso entstehen hierbei nicht dieselben ungewünschten Nebenprodukte, als wenn ich in die Würze bei Zimmertemperatur kippe?
2. Kann bei ca. 17°P das anstellen mit nur einem Päckchen selbst bei Zimmertemperatur überhaupt funktionieren? Hat das jemand schon mal versucht?

Vielen Dank vorab für jeden der bis hier gelesen hat und versucht zu unterstützen.

Guten Rutsch,
Steffen
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Johnny H
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Re: Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#2

Beitrag von Johnny H »

Silbereule hat geschrieben: Montag 30. Dezember 2019, 13:35 [...]
Auf der anderen Seite:
stehen die vielen Beiträge hier im Forum, die davon abraten UG bei höherer Temperatur anzustellen und stattdessen einen Starter zu machen und diesen in die auf Gärtemperatur (oder sogar leicht darunter) gekühlte Würze zu geben.
[...]
Dazu würde ich raten! Die Herstellerangaben machen durchaus Sinn, weil man sich mit einem Starter ein Kontaminationsrisiko ins Haus holt, wogegen ein paar Fehlaromen wegen Underpitching und suboptimaler Temperaturführung als kleineres Problem erscheinen. Eine stehengebliebene Gärung ist jedoch nochmal was anderes, und das Kontaminationsrisiko kann man mit etwas Erfahrung gut einhegen.
Silbereule hat geschrieben: Montag 30. Dezember 2019, 13:35 1. Den Starter würde ich ja grundsätzlich bei Zimmertemperatur machen (so der Artikel im Braumagazin) und erst später abkühlen, um auf Würzetemperatur anzugleichen. Wieso entstehen hierbei nicht dieselben ungewünschten Nebenprodukte, als wenn ich in die Würze bei Zimmertemperatur kippe?
2. Kann bei ca. 17°P das anstellen mit nur einem Päckchen selbst bei Zimmertemperatur überhaupt funktionieren? Hat das jemand schon mal versucht?
[...]
Zu Frage 1: viele (mich eingeschlossen) sind der Meinung, dass die Fehlaromen im Starter kein Problem darstellen. Sie werden teilweise während der Gärung wieder abgebaut oder zumindest so weit verdünnt, dass sie kein Problem mehr darstellen. Andere wiederum lassen ihre Starter ausgären, absitzen und dekantieren dann den Überstand - auch dazu findest Du hier viele Ratschläge.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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DerDerDasBierBraut
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Re: Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#3

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Silbereule hat geschrieben: Montag 30. Dezember 2019, 13:35 Der will sogar einen Urbock mit 22°P mit nur einem Päckchen Wyeast 2278 bei 23°C anstellen und nach einem Tag auf 10-14°C runterkühlen.
Das warme Anstellen produziert verstärkt höhere Alkohole. Das Bier wird sprittig, macht Kopfschmerzen, schmeckt tendenziell übel (Fusel) und bekommt mit Pech noch Fehlaromen Richtung Lösungsmittel / Chemie dazu.

Beim Anstellen solch hoher Stammwürzen sterben viele Zellen durch die schlagartige Änderung des osmotischen Drucks ab. Die überlebenden Zellen vermehren sich aufgrund des Nahrungsangebotes und der hohen Temperatur wie Guppys auf Speed. Das führt zu einer starken Esterbildung durch Underpitching und nachfolgender unkontrolliert hoher Zellvermehrung.

Reichen die Nährstoffe / Zellbaumaterial bei dieser Aktion nicht aus, dann kommen noch Schwefel und andere Fehlaromen mit ins Bier.

Vergiss den Tipp aus diesem Buch!

Silbereule hat geschrieben: Montag 30. Dezember 2019, 13:35 Auf der anderen Seite:
stehen die vielen Beiträge hier im Forum, die davon abraten UG bei höherer Temperatur anzustellen und stattdessen einen Starter zu machen und diesen in die auf Gärtemperatur (oder sogar leicht darunter) gekühlte Würze zu geben.
Genau so. Den Starter propagierst du dreistufig in 1:10 Schritten und gewöhnst die Hefe in jedem Propagationsschritt langsam an die Zielstammwürze. Zum Beispiel 12°P -> 14°P -> 17°P.

Silbereule hat geschrieben: Montag 30. Dezember 2019, 13:35 1. Den Starter würde ich ja grundsätzlich bei Zimmertemperatur machen (so der Artikel im Braumagazin) und erst später abkühlen, um auf Würzetemperatur anzugleichen. Wieso entstehen hierbei nicht dieselben ungewünschten Nebenprodukte, als wenn ich in die Würze bei Zimmertemperatur kippe?
2. Kann bei ca. 17°P das anstellen mit nur einem Päckchen selbst bei Zimmertemperatur überhaupt funktionieren? Hat das jemand schon mal versucht?
1. Ja, im Starter entstehen die gleichen Fehlaromen. Eigentlich sogar noch mehr durch die initiale Belüftung und die daraus resultierende Zellvermehrung (Ester).
Während der Gärung baut die Hefe die meisten dieser Fehlaromen wieder ab. Höhere Alkohole und Ester des Starters bleiben erhalten, liegen im fertigen Bier aber unter der Wahrnehmungsschwelle (falls die Gärung sauber geführt wird).
Das schonende Runterkühlen des Starters vor dem Pitchen machst du, damit die Hefe keinen "negativen Temperaturschock" bekommt. Hefe mag keine fallenden Temperaturen. Schon gar nicht schlagartig.

2. Ja, das funktioniert, mit den o.a. Nachteilen.

PS:
Wenn man den Starter dekantieren möchte, dann muss man dafür Zeit einplanen, damit die Hefe vor dem Abgießen weitgehend vollständig sedimentiert. Sonst gießt mal zu viel aktive Hefe mit weg und erreicht die Anstellrate nicht.

Den letzten UG Sud habe ich geteilt vergoren. Eine Hälfte mit dekantiertem Starter, die andere mit undekantiertem Starter.
Das Bier mit dem dekantierten Starter schmeckt "zu clean" und etwas langweilig. Die andere Hälfte finde ich perfekt gelungen (Das undekantierte Bier wird mein Wettbewerbsbier für Romrod, falls es während der Lagerung so bleibt).
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Jens
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Re: Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#4

Beitrag von reib »

Möchtest du denn unbedingt ein Bockbier ?. Du könntest aus dem Brauset auch ein Bier mit weniger Stammwürze brauen.
Das Alter der Flüssighefe spielt auch noch eine Rolle ob man einen Starter braucht oder nicht.
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Silbereule
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Re: Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#5

Beitrag von Silbereule »

Vielen Dank für die Erklärungen!!! Das ist wirklich sehr hilfreich!

reib hat geschrieben: Montag 30. Dezember 2019, 14:36 Möchtest du denn unbedingt ein Bockbier ?. Du könntest aus dem Brauset auch ein Bier mit weniger Stammwürze brauen.
Das wäre schon eine Idee, bin jetzt nicht auf einen Bock fixiert. Aber was wäre der Vorteil? Einen Starter müsste ich doch trotzdem machen, wenn ich nicht bei Zimmertemperatur anstellen will. Oder würde die Hefe-Menge in einem Päckchen ausreichen, um bei ~10-12°C anzustellen? Stehe gerade auf dem Schlauch... :Waa
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Re: Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#6

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Ohne Starter und mit kaltem Anstellen wirst du etwas fertige Würze entsorgen müssen.
Das SmackPack reicht für 20 Liter Vollbier, vorausgesetzt es ist frisch. Richtung 15°P wird es bei 20 Litern schon eng.
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Re: Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#7

Beitrag von Silbereule »

Nur um sicher zu gehen, dass ich es richtig verstehe, wenn ich aus der Malzmischung jetzt ein Vollbier mache (sagen wir 20 Liter Würze bei 12°P) und das aufgeblähte Hefe-Päckchen in die auf ~10°C gekühlte Würze kippe, dann reicht das aus, ohne dass sich die
DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Montag 30. Dezember 2019, 14:09 Zellen vermehren sich aufgrund des Nahrungsangebotes und der hohen Temperatur wie Guppys auf Speed. Das führt zu einer starken Esterbildung durch Underpitching und nachfolgender unkontrolliert hoher Zellvermehrung.
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Re: Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#8

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Ja das reicht. Das Smackpack solltest du möglichst schonend auf Anstelltemperatur runterkühlen. Vielleicht im Wasserbad in den Kühlschrank stellen?! Oder mit abgekühlter Anstellwürze runterkühlen. >> https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... 57#p361857
Nach dem Anstellen mit Flüssighefe wird die Würze einmal kräftig belüftet.
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Re: Umgang eines Anfängers mit Widersprüchen zur UG Hefe

#9

Beitrag von Silbereule »

Super! Danke dir vielmals!!! :Greets
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