hkpdererste hat geschrieben: ↑Samstag 25. Januar 2020, 15:26
[...] Um bei dem Beispiel aus dem Artikel zu bleiben, wenn jetzt Veltins sein super innovatives Bier im "hellen Pülleken" rausbringt ist das doch auch nur innovativ wenn man in einer Gegend mit maximal 3 verschiedenen Pilssorten wohnt. [...]
Ich habe mir das jetzt angeschaut: 0,33l-Flaschen, kleines Euroformat!
https://www.meininger.de/de/getraenke-z ... rodukt-vor
„Wir glauben, dass Spezialitäten ein eigenes Produkt- / Markenkonzept brauchen. Wir denken, das haben wir hier entwickelt“, erklärt Marketingdirektor Herbert Sollich der GETRÄNKE ZEITUNG.[...]Das Etikett an sich ist angelehnt an eine Veltins-Kampagne aus den 1970er-Jahren. „Der Markt der Hellbiere wächst, daran wollen wir partizipieren“, sagt Sollich, der den Erfolg dieses Produktes fest einplant – immerhin sei es in Bochum, Düsseldorf, Berlin und Hannover mit großem Erfolg auf Optik und Geschmack getestet worden. „Ein unkompliziertes, mild-süffiges Hellbier mit einem humorvollen Charakter“, so beschreibt der Marketingdirektor das neue Produkt.
Also ein weiteres Flaschenformat, ein weiteres helles Bier und nur eine kleine 0,33l-Flasche... aber "humorvoll" muss es offenbar sein?!
Längerer Nachtrag: genaugenommen fasst dieser Artikel bei Meininger (unfreiwillig) genau das zusammen, was mich an der deutschen Bierindustrie stört, und wo sie sich m.E. auf einem schweren Irrweg befindet:
Zum einen sollte die Brauindustrie m.E. wieder dahin kommen, dass bei der Neuvorstellung nicht irgendein "Marketingdirektor" (womöglich noch in Schlips und Kragen) ein "humorvolles" Bier mit neuem Etikett und in neuem Flaschenformat vorstellt, sondern es sollte der
Braumeister selbst sein, der erzählt, was dieses neue Bier jetzt auszeichnet und abhebt. Bei vielen heute als "wertig" vertriebenen Produkten geht es auch beim Marketing
um das Produkt selbst, seinen Ursprung, die Rohstoffe etc. - ein gutes Beispiel dafür ist z.B. Pilsner Urquell, bei der der Chefbraumeister Vaclav Berka (oder mittlerweile vielleicht auch jemand anders) als Gesicht in der Öffentlichkeit sehr präsent ist. Oder hat z.B. schon mal jemand den regionalen Biofleischer oder Weinhersteller seine neueste Sorte als "humorvoll" beschreiben hören mit einem zusätzlichen Vortrag über die Flaschenform bzw. das Etikett?
Bestimmt ist auch bei "wertigen" Biofleischern oder Weinherstellern immer mal wieder Chi-Chi dabei (in Berlin gibt es da viele Beispiele), und natürlich ist auch gutes Marketing sehr, sehr wichtig, aber dass in der deutschen Bierindustrie das
Produkt selbst nicht in den Mittelpunkt gestellt wird (oder wenn, dann oft genug "fake" wie z.B. über das RHG, "Felsquellwasser" oder weizentrübe Zwickelbiere), und dass man offenbar auch weiterhin wenig Anlass sieht, das zu tun, ist aus meiner Sicht ein schwerer Fehler!!
Und noch ein Nachtrag:
Ich war neulich in "Carls Brauhaus" in Stuttgart am Schlossplatz und muss sagen, dass mir das Dinkelacker CD-Pils vom Fass zum Essen richtig gut geschmeckt hat: weich, schöne dezente Hopfenblume und stilsicher im Sinne von "süddeutschem Pils". Auch das Essen war lecker! Dinkelacker aus der Flasche fand ich früher eigentlich eher mies, aber offenbar geht es doch, wenn das Gesamtpaket stimmt und auf Wertigkeit und Authentizität abzielt.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)