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Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Samstag 27. Februar 2016, 23:28
von Tozzi
Servus zusammen,

ich hätte da noch eine Frage an die Experten hier.
Für meinen ersten Brauversuch werde ich ganz einfach Irish Moss benutzen.
Der eigentlich interessante Bestandteil daran ist ja Carrageen/Carrageenan (E407).

Das ist ja in der "modernistischen" Küche ein recht verbreitetes Hydrokolloid zur Stabilisierung vom Emulsionen, zur Verdickung und Gelbildung.
Ich nehme an, zum Brauen wird man eher das Iota Carrageen verwenden wollen, da es in Anwesenheit von Kalzium kein ausgeprägtes Gel produziert.
Irish Moss dürfte Kappa, Iota und Lambda Carrageen enthalten, in welchen Anteilen, konnte ich aber nirgends wirklich finden.

Ist wie gesagt nicht so wichtig, da ja Irish Moss leicht erhältlich ist und wohl seinen Zweck gut erfüllt, aber für's Verständnis würde mich das mal interessieren, falls sich jemand auskennt mit der Thematik...
(Und ich hab die Sorten alle in meinem Küchenregal vorrätig).

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 00:02
von tauroplu
Hallo, Stephan,

im Falles des Irish Moss geht es nicht um die Gelbildungsfähigkeit der darin enthaltenen Carrageene, sondern um die elektrische Oberflächenladung dieser Kolloide. Sie bilden den Gegenpol zur Ladung der Trubteilchen im Jungbier und führen dazu, dass die Trubteilchen sich absetzen. Das ist schon alles.

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 00:08
von Tozzi
Hallo Michael,

ahaaaa, danke, damit wird die Sache schon ein wenig klarer für mich!
Bei den verwendeten Mengen wird ja sowieso keine echte Gelbildung stattfinden, die wäre ja auch nicht förderlich, es sei denn man will Gummibärchen mit Malzgeschmack herstellen... :Bigsmile
Damit dürfte es dann wohl auch völlig egal sein, ob Kappa, Iota oder Lambda.
Ich kannte das wie gesagt bisher nur als Stabilisator in der Schlagsahne oder halt als Geliermittel.

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 00:25
von El Gordo
Nimm maximal 20g auf 100 liter egal was auf der Packung steht.
Sonst gibt es Hefeklumpen.

Stefan

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 00:31
von tauroplu
Stimmt, Stephan, ich arbeite u.a. in einem Labor, in dem auch Emulsionen hergestellt werden. Da wird Carrageen zur Stabilisierung von Cremes und Lotionen verwendet (Erhöhung der Viskosität), allerdings - wie schon richtig erwähnt - hat man bei der Emulsionsstabilisierung mit völlig anderen Konzentrationsverhältnissen zu tun als bei der Klärung von Jungbier.

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 00:42
von Tozzi
Ja, man kann mit dem Zeug echt interessante Sachen anstellen.
Ist eine wirklich vielseitige Zutat für alles Mögliche. Aber das geht dann eher in Richtung chefkoch.de. :Bigsmile

Dass die Ladung entscheidend ist für die Klärungseigenschaften war mir völlig neu, macht aber absolut Sinn und jetzt verstehe ich auch warum das so gerne gemacht wird.
Danke für die Erklärung! Ich verstehe halt immer ganz gerne, warum ich etwas so mache, wie man es eben so macht... :Grübel

@Stefan:
Ich gehe von 5 Gramm Irish Moss für 23 Liter Ausschlagwürze aus, das käme dann in etwa hin.
Steht ja bei den meisten Rezepten mit dabei. 4 Gramm sollten dann aber eigentlich auch reichen.
Nimmt man reines Carrageen (z.B. das "Iota" von Ferran Adrià), sollte das dann wohl nochmal deutlich weniger sein. Muss ich mal ausrechnen, wenn ich irgendwo mal exakte Daten finde.
Aber da mag ich jetzt gar nicht experimentieren, das Irish Moss kostet ja nicht viel und ist leicht erhältlich.
Mir ging's wie gesagt primär um's Verständnis.

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 12:19
von Rainer
Tozzi hat geschrieben:Ja, man kann mit dem Zeug echt interessante Sachen anstellen.
Ist eine wirklich vielseitige Zutat für alles Mögliche. Aber das geht dann eher in Richtung chefkoch.de. :Bigsmile
Warum möchte man das im Bier haben?

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 12:56
von flying
Irish Moss wird seit 600 Jahren (wahrscheinlich länger) als Nahrungs- und Futtermittel genutzt..

Die als Schönungsmittel wirksame Komponente in den Algen ist das k- Carragenaan. k- Carragenaan ist erst im Heißbereich über 60° wasserlöslich. Deshalb ist es auch als Verstärker der Whirlpoolabscheidung ziemlich unbrauchbar, wird aber von vermutlich 90% der Hobbybrauer so (falsch) angewandt.

Der Abscheideeffekt kommt beim Abkühlen deutlich unter 60° C. Dann fallen die k- Carragenaan- Eiweiß- Verbindungen aus und sedimentieren. In einem Kühlschiff z. B. ist der Einsatz von Irish Moos super. Bei dem Whirlpool hat man den ganzen Schmodder jedenfalls im Gärfass. Dort sedimentiert es zwar auch irgendwann aber gelegentlich gibt es Verklumpungen mit der Hefe, die dann oben schwimmen...

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 14:54
von Sto Lat
@flying
Verstehe ich jetzt nicht ganz:
Anwendung also erst im Gärfass und nicht zur kochenden Würze zugeben? Eiweis fällt doch über 60° aus, oder?
Kannst du mir das bitte erklären?

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 15:07
von flying
Erst im Gärfass ist Irish Moss wirkungslos, weil es sich nicht löst. Die Algen wurden ja traditionell schon lange bei Ales eingesetzt, nur eben traditionell. Da wurde die Würze noch in Kühlschiffen abgekühlt. In der heißen Würze von knapp 100° ist das k-Carragenaan gelöst und bindet kein Eiweiß. Erst beim Abkühlen verändert sich irgendwie die Molekülstruktur, rollt sich irgendwie in Spiralform oder so..? Dabei binden sich Eiweiße über Sulfatbrücken an das Molekül. Es wächst, wird riesig und es bilden sich Agglomerate. Ist schon eine Weile her das ich mich damit beschäftigt habe, dehalb kann ein besser Informierter mich gerne korrigieren.
Kurzum, Irish Moos muss beim Kochen zugegeben werden und entfaltet seine Wirkung beim Abkühlen. Man sollte erst nach dem Abkühlen, wenn es vollständig am Boden sedimentiert ist, im zweifelsfall am nächsten Tag, über dem Sediment oder von oben abziehend ins Gärfass schlauchen.

m.f.g
René

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 15:12
von Bierwisch
Als Alternative zur Klärung des durchgegorenen Jungbieres verwendet man einen Tag vor dem Abfüllen Gelatine (ähnliche Mengen wie IM in warmem Wasser auflösen und ins Gärfass geben).
Das Ergenis ist ein fast klares Jungbier und ein sehr stabiles Sediment in den Flaschen. Das Bier ist dann aber nicht mehr vegan...

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 15:13
von Sto Lat
Danke!

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 19:18
von Flothe
@flying
Ist es denn im Zweifel nicht egal, ob die durch IM aggregierten Proteine im Trubkegel oder im Hefeschlamm landen? Wer ein klareres Bier möchte wird doch ohnehin nach der HG umschlauchen und ggf. noch weitere Schönungsmethoden (Cold Crash, Gelatine, etc.) anwenden.

LG Florian

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 21:37
von chaos-black
Bierwisch hat geschrieben:[...] Gelatine [...] Das Bier ist dann aber nicht mehr vegan...
Das Bier ist dann nichtmal mehr vegetarisch, Gelatine beinhaltet Teile von Tierkörpern, nicht bloß Milch oder Ei oder so, sondern Haut und Knochen und sowas.

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 21:47
von Tozzi
Nun ja, das klingt alles recht eklig, aber letztlich ist Gelatine halt Kollagen.
Kommt in Knochen, Bindegewebe etc. vor und wird durch Auskochen gelöst.
Wein wird sehr oft mit Eiklar geklärt, auch das ist nicht vegan oder streng vegetarisch.
Man nimmt aber letztlich gar nichts davon zu sich, denn es fällt ja aus. Deshalb ist das auch alles nicht deklarationspflichtig (so weit ich weiß)...

Ich bin zwar Karnivore, aber das Irish Moss scheint seine "Arbeit" gut zu machen, also nehm' ich's her.
Noch weiter klären muss ich persönlich die Biersorten, die ich mir vorgenommen habe, erst mal nicht.

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 21:49
von Cpt_Dirk
Wer sagt denn, dass Bier vegan sein muss ? :Bigsmile

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-31968827.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Cock_ale

Das Rezept zum Cock Ale sollte man mal ausprobieren.

Aber im Ernst, wenn man Gelantine, Katze oder Huhn einsetzt, sollte man das dem Konsumenten schon mitteilen.

Dirk

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 22:21
von chaos-black
Jo, finde auch dass dabei die Konsumierenden wissen sollten was sie da zu sich nehmen. Hab ma in Dublin ein merkwürdig schmeckenden Porter probiert, das war dann am Ende ein Oyster Porter, mit Austern gebraut. Fand ich als Vegetarier auch eher medium witzig, das erst hinterher zu erfahren.

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 22:29
von Flothe
chaos-black hat geschrieben:Jo, finde auch dass dabei die Konsumierenden wissen sollten was sie da zu sich nehmen. Hab ma in Dublin ein merkwürdig schmeckenden Porter probiert, das war dann am Ende ein Oyster Porter, mit Austern gebraut. Fand ich als Vegetarier auch eher medium witzig, das erst hinterher zu erfahren.
Dem stimme ich zu. Aber es geht ja hier um Irish Moss, und das sollte ja 100% vegan sein, oder? :Drink

LG Florian

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 22:29
von Tozzi
Wahnsinn, was es alles gibt!
Cock Ale. Oyster Porter. Und ALF Bier mit Katzensaft. :Shocked
Klar sollten die Konsumenten das wissen.
Interessanterweise ist aber gerade das vegane Carrageen deklarationspflichtig, Eiweiß im Wein aber nicht...

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 22:35
von Flothe
Tozzi hat geschrieben: Interessanterweise ist aber gerade das vegane Carrageen deklarationspflichtig, Eiweiß im Wein aber nicht...
Carageen steht ja scheinbar im Verdacht krebserregend zu sein und hat eine E-Nummer.
Eiweiß ist dagegen ein weiter Begriff und kommt ja auch von Natur aus in Bier und Wein vor. Interessant ist halt vor allem für Vegetarier und Veganer zu wissen, ob auch tierisches Eiweiß zur Herstellung eingesetzt wurde.

LG Florian

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 22:40
von Tozzi
Da wird definitiv tierisches Eiweiß benutzt. Hühnereiklar.
Besonders in Bordeaux ist das gängige Praxis. Die Hühner werden oft auf dem Weingut gehalten, um zu verhindern, dass Fischmehlfütterung das ganze Faß verdirbt.

Carrageen ist übrigens in fast jedem Becher Schlagsahne enthalten (gaaaaaanz kleingedruckt).
In der "Molekularküche" (blödes Wort) ist es ebenfalls beliebt.

Aber beim Einsatz zur Klärung von Bier oder Wein würde ich persönlich das alles nicht so eng sehen. Wie gesagt, idealerweise fällt das ja alles aus und bleibt beim Umschlauchen im Bodensatz, ist also in wohl kaum meßbarer Konzentration im Endprodukt vorhanden, egal ob Carrageen, Gelatine oder Eiklar...
Im Bio Brot sind sicher auch ein paar Mikrogramm geschredderte Insekten mit drin...

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 22:45
von Flothe
Tozzi hat geschrieben:Da wird definitiv tierisches Eiweiß benutzt. Hühnereiklar.
Besonders in Bordeaux ist das gängige Praxis. Die Hühner werden oft auf dem Weingut gehalten, um zu verhindern, dass Fischmehlfütterung das ganze Faß verdirbt.
Vielleicht hat denen ja noch keiner was von Irish Moss erzählt :Bigsmile
Leider funktioniert das beim Wein wohl nicht, weil der ja nicht gekocht wird, dann löst sich ja das Carageen nicht :thumbdown

LG Florian

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 22:52
von El Gordo
Wenn das Carrageen in der Kälte unlöslich ist, warum verklumpt dann die Hefe bei Überdosierung?
Der Grund, warum man das in Deutschland nicht nehmen darf liegt meines Wissens nach darin, dass man es eben nicht vollständig entfernen kann wie PVPP zb.

Stefan

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 23:01
von Tozzi
Wenn ich das hier richtig verstanden habe:
tauroplu hat geschrieben:im Falles des Irish Moss geht es nicht um die Gelbildungsfähigkeit der darin enthaltenen Carrageene, sondern um die elektrische Oberflächenladung dieser Kolloide. Sie bilden den Gegenpol zur Ladung der Trubteilchen im Jungbier und führen dazu, dass die Trubteilchen sich absetzen.
Dann wird bei geringfügiger Überdosierung eben nicht nur der Trub, sondern auch gleich noch Hefe mit ausgefällt. Die enthält ja auch eine Menge Proteine.
Diese Klumpen befinden sich dann aber auch nicht mehr in Lösung. Beeinträchtigt halt die Gärung, aber deshalb ist noch kein Carrageen im fertigen Bier.
Wenn man es natürlich gänzlich übertreibt, dann werden (vegane) Gummibärchen mit Marmite-Malzgeschmack draus werden...

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 23:11
von El Gordo
Ja aber die Hefe kommt ja in der Kälte rein wenn das Carrageen gar nicht mehr gelöst ist.

Stefan

Re: Carrageen / Irish Moss

Verfasst: Sonntag 28. Februar 2016, 23:32
von Tozzi
Ich lehne mich da jetzt nochmal etwas aus dem Fenster, aber so wie ich es verstanden habe, benötigt das Carrageen (je nach Typ, also Kappa, Iota oder Lambda) eine bestimmte Calcium Konzentration und eine bestimmte Temperatur, bei der es in wässrige Lösung geht.
Es bleibt dann auch bei Abkühlung in Lösung, wenn es eben nicht durch Proteine ausgefällt wird, und geliert.
Bis 11 Gramm Hefe komplett ausgefällt sind, wird man aber schon recht deutlich überdosieren müssen.
Alles darüber wird dann gelieren. Wird ein schön stabiler Schaum, aber halt ohne Alkohol...

Mit Gelatine ist das ähnlich, sie löst sich erst bei wärmeren Temperaturen (wird allerdings bei über 70 Grad instabil) und bleibt dann aber bei Abkühlung in Lösung, wobei sie dann geliert, also die eigentliche Hydrokolloidwirkung entfaltet und bei Wärmeeinwirkung (Mund) wieder "schmilzt" (siehe Panna Cotta)...