Das Gluten Experiment
Verfasst: Mittwoch 17. Februar 2021, 21:05
Hallo Zusammen,
das Ergebnis ist zwar nicht mehr das neueste, aber ich will es trotzdem teilen.
Ich war neugierig auf ein Produkt, was in der Presse [DZG-Aktuell, Brew Your Own, CraftBeer and Brewing] besprochen wurde. Der Stoff heißt „Clarity Ferm WLE4000“ von „Wyeast labs“ und verspricht klares Bier mit reduziertem Gluten Anteil. Es wurde hier im Forum schon manchmal angesprochen, aber meines Wissens nach noch nicht dokumentiert getestet.
Clarity Ferm wird laut [CB&B 2015] aus „Aspergillus niger“ gewonnen. Nach einem großen Onlinelexikon ist das der gewöhnliche Gießkannenschimmel. Das Wirkprinzip soll ein Abbau des Glutens während der Gährung sein. Ein geschmacklicher Einfluss sei aber nachgewiesen nicht erkennbar. Im selben Artikel werden der Glutengehalt einiger standard Biere aufgelistet. Unter anderem „Corona Extra“ mit unter 10 mg/L, und Standard Lager Biere (Heineken, Hofbräu Original Lager und Kilkenny Irish Red Ale) mit zwischen 70 und 100 mg/L Glutengehalt. Weizenbiere gehen natürlich deutlich höher (Erdinger Weissbier, >3500 mg/L).
Ein Nahrungsmittel wird im allgemeinen als „glutenfrei“ anerkannt, wenn ein Gehalt von unter 20 mg/L (bzw 20 ppm) nachgewiesen werden kann.
In meinem Haushalt gibt es ein mehr oder weniger striktes Gluten-Verbot, da ein viertel der Bewohner betroffen von Glutenunverträglichkeit ist (i.a. Zöliakie). Daher ist das Hausbier aus Neumarkt. Dieses wird (laut Inhaltsstoffeverzeichnis) jedoch auch mit Gerstenmalz gebraut. Nach Zertifizierung durch durchgestrichene Ähre, muss jedoch das Gluten abgebaut worden sein.
Die bisherigen Gegenkandidaten als Hausbier, die aus vollständig glutenfreien Inhaltsstoffen gebraut wurden, fielen bisher beim Geschmackstest durch. Hoffnung bietet ein Artikel in „Brew Your Own“ [BYO 2019], der diverse Rezepte und Hinweise gibt. Auch hier im Forum gab es einige Braudokumentationen.
Was mich jedoch vollständig im dunklen lässt, ist wo die Rohstoffe dafür herkommen sollen. In [BYO 2019] ist von „millet“, „buckwheat“, „oat“ und „sorghum“ die Rede, also von Rispenhirse, Buchweizen, Hafer und Mohrenhirse. Als Malze sind das so überhaupt keine standard Produkte. Das Wiki [WIKI] gibt einen versteckten Hinweis auf einen Versandhandel in Österreich, nachgegangen bin ich dem aber noch nicht. Aber: ein Hopfenversand aus Neukirch hat „Clarity Ferm“ im Sortiment. Also habe ich es getestet:
Brautag, 15.8.2020
Rezept:
5.1 kg Pilsener Malz, BIO, 100 %
20 L Hauptguss, 21 L Nachguss; Restalkalität mit Milchsäure auf -0.9 °dH eingestellt
75 Minuten Rast bei 68 °C, nach Jod-Normal heizen auf 78 °C
Pfannevoll:31,5 L, 9 °P
Hopfengaben
„Hallertauer Gold“, 60 Minuten kochen
„Zeus“, 8 Minuten kochen
Da die Charge während dem Vergären vom Gluten befreit werden sollte, wurde auf Kontamination keine außerordentliche Priorität gelegt. Die „branchenüblichen Standards“ wurden als hinreichend erachtet.
Ausschlag: 25 L, 9,2 °P, angestellt mit Danstar Nottingham und Clarity Ferm WLE4000-10ML
Vergoren (17 Tage), kalt gehopft mit 90 g Zeus (3 Tage) und ge-cold-crashed (14 Tage)
Flaschengärung für Karbonisierung auf ca. 4 g/L aufgefüllt (2.5 g/L Zucker zugefüttert)
Eine fertige Flasche wurde dann den Göttern der Analytik geopfert. In diesem Fall, wurde sie nach Freiburg geschickt zu einem Analyse-Haus namens „SGS Fresenius“. Dort wurde die Probe hausintern weiter geleitet in ein Labor in Taunusstein, wo ein „kompetetiver ELISA Schnelltest“ durchgeführt wurde. Einige Details zur Funktion finden sich in [DZG 2015]. Ein Antigen, also das „Schloss“ zum „Schlüssel“ Gluten, das auf einen Träger aufgebracht wurde, wird mit einer Lösung benetzt, die sowohl die Probe als auch „Detektionsantikörper“ beinhaltet. Das Gluten, setzt sich nun kompetetiv mit den Detektionsantkörpern auf dem Substrat ab. Das heisst: das Gluten und der Marker-Antikörper streiten sich um Andock-Stellen. Nach hinreichender Einwirkzeit wird die Probelösung abgewaschen und kann photometrisch ausgewertet werden. Der Artikel gibt auch einen Hinweis, dass sich die Messergebnisse für die vier gängigsten monoklonalen Antikörper deutlich unterscheiden. Auf deutsch: wie gut man diesem Messergebnis trauen kann muss man sich genau überlegen.
Das Testergebnis fiel leider relativ ernüchternd aus. Der Bericht diagnostiziert 41 mg/L Gluten. Damit ist es im Glutengehalt deutlich unter herkömlichen Lager Bieren, jedoch um einen satten Faktor zwei über der Glutenfrei Grenze. Hoffnung bietet, dass ein kompetetiver ELISA eine Obergrenze feststellt, und die Messgenauigkeit anscheinend fehlerbehaftet ist [DZG 2015]. Allerdings sind die Kosten von 80 € pro Prüfung deutlich zu hoch um sich iterativ zu nähern.
Rein rechnerisch wäre ein Radler aus dem Bier als glutenfrei zu werten. Argumentativ entlastet es mich in meinem Haushalt, und die Kosten von rund 5 € mehr für das „Clarity Ferm“ nehme ich für meine angehörige gerne in Kauf. Trinken kann Sie das Bier trotzdem nicht.
Das Bier ist übrigens alles andere als klar geworden. Ich vermute, es liegt am Hopfen.
Folgerungen bzw. Anschlussfragen:
Dieser Test kann leider nicht mehr als eine Schätzung liefern, da der ursprüngliche Glutengehalt meines spezifischen Bieres unbekannt ist. Ich denke aber die Größenordnung ist realistisch.
Wenn man nun die Anfangsdosis des Glutens im Bier reduziert, in welchem Maße würde das Clarity-Ferm dann das Gluten weiter reduzieren? Ich denke eine anteilige Reduktion wäre durchaus realistisch, wenn das Gluten also um einen Faktor 1/2 reduziert wird, wäre man mit 50 % Gerstenmalz und 50 % glutenfreien Malzen ja schon fast am Ziel.
Was ich mich aber auch frage, ist ob man durch „überdosieren“ von Clarity-Ferm eventuell den Spiegel auch noch weiter drücken kann.
Und zu guter Letzt: Mein Bier ist weder glutenfrei noch klar geworden. Ich habe nicht bewusst gegen die Packungsbeilage verstoßen, aber vielleicht kam es zu unbeabsichtigten Fehlern und in einer strenger geführten Gärung oder kälterer Führung klappt der Abbau besser?
Quellen:
[BYO 2019] „Hold the Gluten“, May-June 2019, Vol.25, No.3, Brew Your Own
[CB&B 2015] „Free Your Beer“, April-May 2015, Craft Beer & Brewing Magazine
[WIKI] https://hobbybrauer.de/forum/wiki/doku. ... s[]=gluten
[DZG 2015] Spezifität von ELISA-Kits zur Glutenbestimmung, 3/2015, Dr. rer. nat. Katharina Scherf, DZG-Aktuell
das Ergebnis ist zwar nicht mehr das neueste, aber ich will es trotzdem teilen.
Ich war neugierig auf ein Produkt, was in der Presse [DZG-Aktuell, Brew Your Own, CraftBeer and Brewing] besprochen wurde. Der Stoff heißt „Clarity Ferm WLE4000“ von „Wyeast labs“ und verspricht klares Bier mit reduziertem Gluten Anteil. Es wurde hier im Forum schon manchmal angesprochen, aber meines Wissens nach noch nicht dokumentiert getestet.
Clarity Ferm wird laut [CB&B 2015] aus „Aspergillus niger“ gewonnen. Nach einem großen Onlinelexikon ist das der gewöhnliche Gießkannenschimmel. Das Wirkprinzip soll ein Abbau des Glutens während der Gährung sein. Ein geschmacklicher Einfluss sei aber nachgewiesen nicht erkennbar. Im selben Artikel werden der Glutengehalt einiger standard Biere aufgelistet. Unter anderem „Corona Extra“ mit unter 10 mg/L, und Standard Lager Biere (Heineken, Hofbräu Original Lager und Kilkenny Irish Red Ale) mit zwischen 70 und 100 mg/L Glutengehalt. Weizenbiere gehen natürlich deutlich höher (Erdinger Weissbier, >3500 mg/L).
Ein Nahrungsmittel wird im allgemeinen als „glutenfrei“ anerkannt, wenn ein Gehalt von unter 20 mg/L (bzw 20 ppm) nachgewiesen werden kann.
In meinem Haushalt gibt es ein mehr oder weniger striktes Gluten-Verbot, da ein viertel der Bewohner betroffen von Glutenunverträglichkeit ist (i.a. Zöliakie). Daher ist das Hausbier aus Neumarkt. Dieses wird (laut Inhaltsstoffeverzeichnis) jedoch auch mit Gerstenmalz gebraut. Nach Zertifizierung durch durchgestrichene Ähre, muss jedoch das Gluten abgebaut worden sein.
Die bisherigen Gegenkandidaten als Hausbier, die aus vollständig glutenfreien Inhaltsstoffen gebraut wurden, fielen bisher beim Geschmackstest durch. Hoffnung bietet ein Artikel in „Brew Your Own“ [BYO 2019], der diverse Rezepte und Hinweise gibt. Auch hier im Forum gab es einige Braudokumentationen.
Was mich jedoch vollständig im dunklen lässt, ist wo die Rohstoffe dafür herkommen sollen. In [BYO 2019] ist von „millet“, „buckwheat“, „oat“ und „sorghum“ die Rede, also von Rispenhirse, Buchweizen, Hafer und Mohrenhirse. Als Malze sind das so überhaupt keine standard Produkte. Das Wiki [WIKI] gibt einen versteckten Hinweis auf einen Versandhandel in Österreich, nachgegangen bin ich dem aber noch nicht. Aber: ein Hopfenversand aus Neukirch hat „Clarity Ferm“ im Sortiment. Also habe ich es getestet:
Brautag, 15.8.2020
Rezept:
5.1 kg Pilsener Malz, BIO, 100 %
20 L Hauptguss, 21 L Nachguss; Restalkalität mit Milchsäure auf -0.9 °dH eingestellt
75 Minuten Rast bei 68 °C, nach Jod-Normal heizen auf 78 °C
Pfannevoll:31,5 L, 9 °P
Hopfengaben
„Hallertauer Gold“, 60 Minuten kochen
„Zeus“, 8 Minuten kochen
Da die Charge während dem Vergären vom Gluten befreit werden sollte, wurde auf Kontamination keine außerordentliche Priorität gelegt. Die „branchenüblichen Standards“ wurden als hinreichend erachtet.
Ausschlag: 25 L, 9,2 °P, angestellt mit Danstar Nottingham und Clarity Ferm WLE4000-10ML
Vergoren (17 Tage), kalt gehopft mit 90 g Zeus (3 Tage) und ge-cold-crashed (14 Tage)
Flaschengärung für Karbonisierung auf ca. 4 g/L aufgefüllt (2.5 g/L Zucker zugefüttert)
Eine fertige Flasche wurde dann den Göttern der Analytik geopfert. In diesem Fall, wurde sie nach Freiburg geschickt zu einem Analyse-Haus namens „SGS Fresenius“. Dort wurde die Probe hausintern weiter geleitet in ein Labor in Taunusstein, wo ein „kompetetiver ELISA Schnelltest“ durchgeführt wurde. Einige Details zur Funktion finden sich in [DZG 2015]. Ein Antigen, also das „Schloss“ zum „Schlüssel“ Gluten, das auf einen Träger aufgebracht wurde, wird mit einer Lösung benetzt, die sowohl die Probe als auch „Detektionsantikörper“ beinhaltet. Das Gluten, setzt sich nun kompetetiv mit den Detektionsantkörpern auf dem Substrat ab. Das heisst: das Gluten und der Marker-Antikörper streiten sich um Andock-Stellen. Nach hinreichender Einwirkzeit wird die Probelösung abgewaschen und kann photometrisch ausgewertet werden. Der Artikel gibt auch einen Hinweis, dass sich die Messergebnisse für die vier gängigsten monoklonalen Antikörper deutlich unterscheiden. Auf deutsch: wie gut man diesem Messergebnis trauen kann muss man sich genau überlegen.
Das Testergebnis fiel leider relativ ernüchternd aus. Der Bericht diagnostiziert 41 mg/L Gluten. Damit ist es im Glutengehalt deutlich unter herkömlichen Lager Bieren, jedoch um einen satten Faktor zwei über der Glutenfrei Grenze. Hoffnung bietet, dass ein kompetetiver ELISA eine Obergrenze feststellt, und die Messgenauigkeit anscheinend fehlerbehaftet ist [DZG 2015]. Allerdings sind die Kosten von 80 € pro Prüfung deutlich zu hoch um sich iterativ zu nähern.
Rein rechnerisch wäre ein Radler aus dem Bier als glutenfrei zu werten. Argumentativ entlastet es mich in meinem Haushalt, und die Kosten von rund 5 € mehr für das „Clarity Ferm“ nehme ich für meine angehörige gerne in Kauf. Trinken kann Sie das Bier trotzdem nicht.
Das Bier ist übrigens alles andere als klar geworden. Ich vermute, es liegt am Hopfen.
Folgerungen bzw. Anschlussfragen:
Dieser Test kann leider nicht mehr als eine Schätzung liefern, da der ursprüngliche Glutengehalt meines spezifischen Bieres unbekannt ist. Ich denke aber die Größenordnung ist realistisch.
Wenn man nun die Anfangsdosis des Glutens im Bier reduziert, in welchem Maße würde das Clarity-Ferm dann das Gluten weiter reduzieren? Ich denke eine anteilige Reduktion wäre durchaus realistisch, wenn das Gluten also um einen Faktor 1/2 reduziert wird, wäre man mit 50 % Gerstenmalz und 50 % glutenfreien Malzen ja schon fast am Ziel.
Was ich mich aber auch frage, ist ob man durch „überdosieren“ von Clarity-Ferm eventuell den Spiegel auch noch weiter drücken kann.
Und zu guter Letzt: Mein Bier ist weder glutenfrei noch klar geworden. Ich habe nicht bewusst gegen die Packungsbeilage verstoßen, aber vielleicht kam es zu unbeabsichtigten Fehlern und in einer strenger geführten Gärung oder kälterer Führung klappt der Abbau besser?
Quellen:
[BYO 2019] „Hold the Gluten“, May-June 2019, Vol.25, No.3, Brew Your Own
[CB&B 2015] „Free Your Beer“, April-May 2015, Craft Beer & Brewing Magazine
[WIKI] https://hobbybrauer.de/forum/wiki/doku. ... s[]=gluten
[DZG 2015] Spezifität von ELISA-Kits zur Glutenbestimmung, 3/2015, Dr. rer. nat. Katharina Scherf, DZG-Aktuell