FAQ & Anfragen zu Problemen rund um den Gärungsverlauf
Verfasst: Montag 31. Oktober 2016, 12:45
Problem: Hefe kommt nicht an / stockende Gärung / hoher Restextrakt / niedriger Vergärungsgrad
Zur allgemeinen Rezeptberatung bitte hier entlang: viewtopic.php?f=17&t=10974
Bezüglichen Abfüllen bitte hier entlang: viewtopic.php?f=7&t=212
Vor dem Posten: Die häufigsten Fragen
Bis wann sollte Hefe ankommen? Wie sieht das aus?
Obergärige Hefe sollte < 6h bis max 8h nach Zugabe ankommen. Untergärige Hefe (und <16°C angestellte Obergärige) optimal <8h und max. 12h. Vertretbar ist in beiden Fällen alles < 24h. Bis hier hin ist noch kein Grund zur Panik geboten. In dieser sog. Lag-Phase bereitet sie sich durch Aufnahme von Nährstoffen auf die anschließende Vermehrungsphase vor. Das Ankommen äußerst sich zunächst durch kleine Schauminseln, die dann binnen weniger Stunden eine flächendeckende, weiße Schicht bilden.
Was sind die Ursachen für spät ankommende Hefe und was kann man dagegen unternehmen?
Kommt Hefe später als in den vorgenannten Zeiträumen an, kann dies liegen an:
- zu wenig aktive Hefe
- Kälteschock (zB.: nach Hefegabe wird noch gekühlt, Hefetemperatur mehr als 3°C wärmer als Würzetemperatur)
- zu niedrige Anstelltemperatur für diesen Hefestamm
- extrem saure Würze (pH: <3,6)
- extrem hohe Stammwürze verbunden mit osmotischen Druck-empfindlichen Hefen.
- zu geringe Belüftung (<4,5ppm O2)
Rettungsmaßnahmen:
Wiederholtes, kräftiges Belüften des Sudes, sofern
- der Sud nach 24h noch nicht angekommen ist, d.h. noch keine Gäranzeichen erkennbar sind
- eine Infektion duch die Belüftung unwahrscheinlich ist (z.B. saubere Räumlichkeiten, Pumpe mit Sterilluftfilter, O2 aus der Flasche)
- nach 24h der VGs noch < 5 % ist
Bis wann sollte der Sud durchgegoren sein?
Da die Zutaten und Rahmenbedingungen im Hobbybrauen so unterschiedlich sind, kann man hier keine pauschale Aussage machen. Skeptisch werden sollte man wohl bei Suden, die über zwei Wochen für die Hauptgärung eines Vollbieres benötigen oder "Turbo-Gärungen", bei bereits nach < 48h ab Anstellen abgeschlossen sind. In beiden Situationen hat man wohl die Hefegabe in die eine oder andere Richtung überreizt.
Was ist der Endvergärungsgrad (EVG)?
Der Endvergärungsgrad (EVG) einer Normalwürze liegt bei etwa 80-85 % Vergärungsgrad scheinbar (VGs). Er ist bereits durch den Anteil vergärbarer Zucker festgelegt und damit von der Gärung unabhängig. Der EVG lässt sich durch die Rohstoffauswahl (z.B. Karamellmalze ↓, Zucker ↑) und durch die Sudhausarbeit, hier mit Einschränkungen v.a. die Maischearbeit/Rastenführung, beeinflussen. Möchte man den EVG der eigenen Würze kennen, muss eine Schnellvergärungsprobe (SVP) mit dem selben Hefestamm angefertigt werden. Ansonsten ist der EVG unbekannt.
Es gibt einige wenige Hefen, die den Dreifachzucker Maltotriose nicht verstoffwechseln können und auch solche, die keine Maltose verwerten können (S. ludwigii). Diese haben daher einen um ca. 10 % niedrigeren Vergärungsgrad oder im Falle der S. ludwigii einen VGs von 12-15 %.
Welchen Restextrakt / Vergärungsgrad sollte mein Bier haben?
Vom EVG abzugrenzen ist der Vergärungsgrad, den mein Bier de facto am Ende der Gärung hat und damit von der Gärung durch die Hefe abhängt. Dieser wird auch als Ausstoßvergärungsgrad (AVG) bezeichnet. Im Idealfall sind EVG und AVG gleich. Jede Abweichung hiervon bedeutet, dass Zucker nicht vergoren wurden, die der eingesetzte Hefestamm eigentlich hätte vergären können und müssen. Dies weist auf einen suboptimalen Verlauf der Gärung hin. Wer eine derartige Abweichung feststellt, kann sich umgehend den Prozessen rund um die Gärung zuwenden.
Die meisten werden insbesondere bei obergärigen Bieren mangels SVP keinen EVG bestimmen können. Schauen wir uns daher als grobe Orientierung direkt den AVG / VGs zum Ende der Gärung an:
≥ 80 %: Alles richtig gemacht!
75-79 %: Wenn über Rohstoffe/Maischearbeit angepeilt und nicht mehr sensorisch süß: Alles i.O.
70-74 %: Werden bestenfalls erklärbar, wenn mit > 10 % Karamellmalz gearbeitet wurde und es eine auf Dextrine betonte Rastenführung beim Maischen gab. Ansonsten ein Hinweis daruaf, dass die Hefe nicht an die letzten vergärbaren Zucker kommt.
< 70 %: Wahrscheinlich Probleme bei der Umstellung auf schwieriger zu vergärende Zucker (v.a. bei gut 50 % VGs).
Ich habe wohl eine Gärstockung, an was liegt das?
Dies soll kein Hefemanagement-Thread werden, daher nur in Kürze. Die Ursachen liegen wahlweise in:
- Zu wenig aktive Hefe
-- Trocken obergärig min. 0,5 g/l, UG 1-1,5 g/l;
-- Flüssig siehe: http://braumagazin.de/article/hefebank-weihenstephan/ oder http://www.mrmalty.com/calc/calc.html oder http://www.brewersfriend.com/yeast-pitc ... alculator/
- Hefe in schlechter Qualität (alt, oxidiert, ausgezehrt, Temperaturschock, kein/ungeeigneter Starter)
- Für den Stamm ungünstige Gärungsbedingungen (Temperatur, Nährstoffangebot, Hemmstoffe)
- Generell Umstellungsphasen auf komplizierter Zucker, klassische Stockungen bei 50-52 %VGs und bei 70-75 % VGs
- Zu große Temperaturschankungen während der Gärung
- Zu geringe Konvektion
Die genaue Ursache lässt sich besser im Einzelfall klären, hierfür bitte unten aufgeführten Leitfaden verwenden.
Ich stelle gleich eine Anfrage. Ist vor dem Eintrudeln der ersten Antworten schon etwas zu tun?
Im Grunde sind wir hier sehr fix und eine gezielte Hilfe ist immer am besten. Aber grundsätzlich ist es bei Gärstockungen nie verkehrt, die Hefe zunächst mal wieder in Schwebe zu bringen (Aufrühren, Schütteln des Gärbottichs). Außerdem das Wärmerstellen des Gärbottichs, falls die Raumtemperatur/Gärtemperatur am unteren Ende der Herstellerangaben liegt. Auch etwas Traubenzucker soll Gärungen schon wieder in Schwung gebracht haben. Generell kann man für solche Notfälle auch ein Päckchen Trockenhefe bereithalten oder ggf. bestellen.
Schnelle und gezielte Hilfe
Zur Diagnosestellung benötigen wir mindestens folgende Angaben:
- Datum der Hefegabe
- Ausschlag (Liter Kaltwürze)
- Stammwürze
- Verwendeter Hefestamm
- Bei Trockenhefe: Wurde nach Packungsanleitung rehydriert?
- Bei Flüssighefe:
-- Bitte MHD der Flüssighefe (White Labs) bzw. Produktionsdatum (Wyeast) angeben
-- Wurde ein Starter gemacht? Wenn ja: mit wieviel Würze, bei welcher Konzentration? Gerührt, gelegentlich geschüttelt oder komplett unbewegt?
-- Wurde die Würze kräftig belüftet?
- Verwendete Hefemenge: Anzahl Päckchen, Smackpacks, Röhrchen, etc.
- Anstelltemperatur: Temperatur der Würze (nicht: Raum) zum Zeitpunkt der Hefegabe
-- Falls zutreffend: Differenz zwischen Hefetemperatur und Würzetemperatur bei Anstellen (Temperaturschock)
- Aktuelle Raumtemperatur oder bei aktiver Kühlung die Gärtemperatur
Bei Gärstockungen zusätzlich:
- Aktueller Restextrakt und verwendetes Messinstrument. Bitte Werte "wie abgelesen" angeben, um Rechenfehler auszuschließen. Auf korrekte Temperatur der Messung (meist 20 °C) und Kalibrierung achten (Refraktometer mit Wasser auf 0%Brix).
- Verwendete Schüttung
- Rastenführung beim Maischen
EDIT (31.10.): Korrektur der empfehlenswerten Zeiten für das Ankommen und neue Frage/Antwort "Was sind die Ursachen für spät ankommende Hefe?". Danke an Ulrich für diese Ergänzungen!
EDIT (03.11.): Weitere Ergänzungen durch Ulrich!
Gruß
Andy
Zur allgemeinen Rezeptberatung bitte hier entlang: viewtopic.php?f=17&t=10974
Bezüglichen Abfüllen bitte hier entlang: viewtopic.php?f=7&t=212
Vor dem Posten: Die häufigsten Fragen
Bis wann sollte Hefe ankommen? Wie sieht das aus?
Obergärige Hefe sollte < 6h bis max 8h nach Zugabe ankommen. Untergärige Hefe (und <16°C angestellte Obergärige) optimal <8h und max. 12h. Vertretbar ist in beiden Fällen alles < 24h. Bis hier hin ist noch kein Grund zur Panik geboten. In dieser sog. Lag-Phase bereitet sie sich durch Aufnahme von Nährstoffen auf die anschließende Vermehrungsphase vor. Das Ankommen äußerst sich zunächst durch kleine Schauminseln, die dann binnen weniger Stunden eine flächendeckende, weiße Schicht bilden.
Was sind die Ursachen für spät ankommende Hefe und was kann man dagegen unternehmen?
Kommt Hefe später als in den vorgenannten Zeiträumen an, kann dies liegen an:
- zu wenig aktive Hefe
- Kälteschock (zB.: nach Hefegabe wird noch gekühlt, Hefetemperatur mehr als 3°C wärmer als Würzetemperatur)
- zu niedrige Anstelltemperatur für diesen Hefestamm
- extrem saure Würze (pH: <3,6)
- extrem hohe Stammwürze verbunden mit osmotischen Druck-empfindlichen Hefen.
- zu geringe Belüftung (<4,5ppm O2)
Rettungsmaßnahmen:
Wiederholtes, kräftiges Belüften des Sudes, sofern
- der Sud nach 24h noch nicht angekommen ist, d.h. noch keine Gäranzeichen erkennbar sind
- eine Infektion duch die Belüftung unwahrscheinlich ist (z.B. saubere Räumlichkeiten, Pumpe mit Sterilluftfilter, O2 aus der Flasche)
- nach 24h der VGs noch < 5 % ist
Bis wann sollte der Sud durchgegoren sein?
Da die Zutaten und Rahmenbedingungen im Hobbybrauen so unterschiedlich sind, kann man hier keine pauschale Aussage machen. Skeptisch werden sollte man wohl bei Suden, die über zwei Wochen für die Hauptgärung eines Vollbieres benötigen oder "Turbo-Gärungen", bei bereits nach < 48h ab Anstellen abgeschlossen sind. In beiden Situationen hat man wohl die Hefegabe in die eine oder andere Richtung überreizt.
Was ist der Endvergärungsgrad (EVG)?
Der Endvergärungsgrad (EVG) einer Normalwürze liegt bei etwa 80-85 % Vergärungsgrad scheinbar (VGs). Er ist bereits durch den Anteil vergärbarer Zucker festgelegt und damit von der Gärung unabhängig. Der EVG lässt sich durch die Rohstoffauswahl (z.B. Karamellmalze ↓, Zucker ↑) und durch die Sudhausarbeit, hier mit Einschränkungen v.a. die Maischearbeit/Rastenführung, beeinflussen. Möchte man den EVG der eigenen Würze kennen, muss eine Schnellvergärungsprobe (SVP) mit dem selben Hefestamm angefertigt werden. Ansonsten ist der EVG unbekannt.
Es gibt einige wenige Hefen, die den Dreifachzucker Maltotriose nicht verstoffwechseln können und auch solche, die keine Maltose verwerten können (S. ludwigii). Diese haben daher einen um ca. 10 % niedrigeren Vergärungsgrad oder im Falle der S. ludwigii einen VGs von 12-15 %.
Welchen Restextrakt / Vergärungsgrad sollte mein Bier haben?
Vom EVG abzugrenzen ist der Vergärungsgrad, den mein Bier de facto am Ende der Gärung hat und damit von der Gärung durch die Hefe abhängt. Dieser wird auch als Ausstoßvergärungsgrad (AVG) bezeichnet. Im Idealfall sind EVG und AVG gleich. Jede Abweichung hiervon bedeutet, dass Zucker nicht vergoren wurden, die der eingesetzte Hefestamm eigentlich hätte vergären können und müssen. Dies weist auf einen suboptimalen Verlauf der Gärung hin. Wer eine derartige Abweichung feststellt, kann sich umgehend den Prozessen rund um die Gärung zuwenden.
Die meisten werden insbesondere bei obergärigen Bieren mangels SVP keinen EVG bestimmen können. Schauen wir uns daher als grobe Orientierung direkt den AVG / VGs zum Ende der Gärung an:
≥ 80 %: Alles richtig gemacht!
75-79 %: Wenn über Rohstoffe/Maischearbeit angepeilt und nicht mehr sensorisch süß: Alles i.O.
70-74 %: Werden bestenfalls erklärbar, wenn mit > 10 % Karamellmalz gearbeitet wurde und es eine auf Dextrine betonte Rastenführung beim Maischen gab. Ansonsten ein Hinweis daruaf, dass die Hefe nicht an die letzten vergärbaren Zucker kommt.
< 70 %: Wahrscheinlich Probleme bei der Umstellung auf schwieriger zu vergärende Zucker (v.a. bei gut 50 % VGs).
Ich habe wohl eine Gärstockung, an was liegt das?
Dies soll kein Hefemanagement-Thread werden, daher nur in Kürze. Die Ursachen liegen wahlweise in:
- Zu wenig aktive Hefe
-- Trocken obergärig min. 0,5 g/l, UG 1-1,5 g/l;
-- Flüssig siehe: http://braumagazin.de/article/hefebank-weihenstephan/ oder http://www.mrmalty.com/calc/calc.html oder http://www.brewersfriend.com/yeast-pitc ... alculator/
- Hefe in schlechter Qualität (alt, oxidiert, ausgezehrt, Temperaturschock, kein/ungeeigneter Starter)
- Für den Stamm ungünstige Gärungsbedingungen (Temperatur, Nährstoffangebot, Hemmstoffe)
- Generell Umstellungsphasen auf komplizierter Zucker, klassische Stockungen bei 50-52 %VGs und bei 70-75 % VGs
- Zu große Temperaturschankungen während der Gärung
- Zu geringe Konvektion
Die genaue Ursache lässt sich besser im Einzelfall klären, hierfür bitte unten aufgeführten Leitfaden verwenden.
Ich stelle gleich eine Anfrage. Ist vor dem Eintrudeln der ersten Antworten schon etwas zu tun?
Im Grunde sind wir hier sehr fix und eine gezielte Hilfe ist immer am besten. Aber grundsätzlich ist es bei Gärstockungen nie verkehrt, die Hefe zunächst mal wieder in Schwebe zu bringen (Aufrühren, Schütteln des Gärbottichs). Außerdem das Wärmerstellen des Gärbottichs, falls die Raumtemperatur/Gärtemperatur am unteren Ende der Herstellerangaben liegt. Auch etwas Traubenzucker soll Gärungen schon wieder in Schwung gebracht haben. Generell kann man für solche Notfälle auch ein Päckchen Trockenhefe bereithalten oder ggf. bestellen.
Schnelle und gezielte Hilfe
Zur Diagnosestellung benötigen wir mindestens folgende Angaben:
- Datum der Hefegabe
- Ausschlag (Liter Kaltwürze)
- Stammwürze
- Verwendeter Hefestamm
- Bei Trockenhefe: Wurde nach Packungsanleitung rehydriert?
- Bei Flüssighefe:
-- Bitte MHD der Flüssighefe (White Labs) bzw. Produktionsdatum (Wyeast) angeben
-- Wurde ein Starter gemacht? Wenn ja: mit wieviel Würze, bei welcher Konzentration? Gerührt, gelegentlich geschüttelt oder komplett unbewegt?
-- Wurde die Würze kräftig belüftet?
- Verwendete Hefemenge: Anzahl Päckchen, Smackpacks, Röhrchen, etc.
- Anstelltemperatur: Temperatur der Würze (nicht: Raum) zum Zeitpunkt der Hefegabe
-- Falls zutreffend: Differenz zwischen Hefetemperatur und Würzetemperatur bei Anstellen (Temperaturschock)
- Aktuelle Raumtemperatur oder bei aktiver Kühlung die Gärtemperatur
Bei Gärstockungen zusätzlich:
- Aktueller Restextrakt und verwendetes Messinstrument. Bitte Werte "wie abgelesen" angeben, um Rechenfehler auszuschließen. Auf korrekte Temperatur der Messung (meist 20 °C) und Kalibrierung achten (Refraktometer mit Wasser auf 0%Brix).
- Verwendete Schüttung
- Rastenführung beim Maischen
EDIT (31.10.): Korrektur der empfehlenswerten Zeiten für das Ankommen und neue Frage/Antwort "Was sind die Ursachen für spät ankommende Hefe?". Danke an Ulrich für diese Ergänzungen!
EDIT (03.11.): Weitere Ergänzungen durch Ulrich!
Gruß
Andy