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Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2022, 19:50
von maecki-maecki
Hallo zusammen,

ich frage mich, warum in den Staaten neue Biersorten und besonders IPA Varianten wie Pilze aus dem Boden spriessen (Black, Hazy, White, Red, Rye,…) aber die mir bekannten Hobby-Brauer in Deutschland eher an existierenden Sorten feilen.

Was denkt Ihr?
Und wäre diese Art von Innovation auch bei uns wünschenswert?

Und mich würde interessieren, wie das in anderen Ländern ist…

Gruß
Mäcki

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2022, 20:47
von Räuber Hopfenstopf
Wahrscheinlich, weil das Marketing der Brauereien etwas heftiger rotiert und immer eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden muss. Ich kriege ja bei „Black IPA“ schon Völlegefühle. Black Imperial Pale, alles klar. Hazy gibt es schon im Neipa, White ist wohl gehopftes mit Weizen. Wenn die den Dingern schneller neue Namen geben als sie sie brauen können, ist das auch nicht so gut. Ich bin eher ein Freund dezenter Weiterentwicklung der Bierstile.

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2022, 21:52
von Frommersbraeu
Bin da ganz bei Björn, dieser Marketing getrieben Zwang sich immer neue "Biersorten" aus den Fingern saugen zu müssen führt dann doch des öfteren zu untrinkbaren Gebräuen die auch schnell wieder in der Versenkung verschwinden.
Dezentes weiterentwickeln ist da oftmals zielführender, auch wenn die deutschen Brauereien und eben deren Kunden vielleicht manchmal etwas zu träge sind, weshalb ja aktuell z.B. Ariana Hopfen verschenkt wird...

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2022, 22:05
von schlupf
Ich möchte daran erinnern, dass wir hier im Forum ziemlich vorne dabei waren, als die Sache mit Kveik losgegangen ist. DerDerDasBierBraut hatte die Kulturen direkt aus Norwegen organisiert (meine ich) und hier intern verteilt.

Das ganze ist mittlerweile etabliert. Ich denke, das ist ein bisschen mehr wert, als sich den nächsten Eintagsfliegen-IPA-Stil aus den Fingern zu saugen.

Apropos: denkt ihr, dass sich 2024 noch irgendwer für Cold IPA interessiert?

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2022, 22:06
von afri
Räuber Hopfenstopf hat geschrieben: Donnerstag 6. Oktober 2022, 20:47Ich kriege ja bei „Black IPA“ schon Völlegefühle
Muss uns als Hobbyisten nicht kümmern, was deren Etikettierer ausgeben. Wenn man weiß was IPA abgekürzt bedeutet stellt sich nicht die Frage, ob man black IPA als Name gut finden muss; wenn's schmeckt ist es eben irgendwas anderes in irgendeiner Schublade. Ich könnte meine Biere keinem Stil zuordnen und finde das wenig dramatisch.

Um die Ausgangsfrage zu beantworten: wir feilen mit Recht an unseren Rezepten, weil sie erprobt sind und im idealen Fall noch besser gemacht werden könnten (ohne ein neues Etikett drucken zu müssen). Irgendwas dranschreiben zu müssen ist für uns keine Pflicht und auch keine Notwendigkeit.

BTW: ich bekomme den Newsletter von Beyond Beer und dort übertreffen sich inzwischen die "Angebote" von zumeist starken Bieren mit absurden Literpreisen. Unter IPA geht's offenbar gar nicht mehr, das finde ich bedenklich. Fernsehbier zu brauen ist also offenbar nicht so ganz einfach, denn keins der Biere hat sich mir deutlich als positiv eingeprägt, die ich während eines halben Jahres jeden Monat von dort bekam (im Rahmen eines Abos).
Achim

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2022, 22:14
von rauchbier
Frommersbraeu hat geschrieben: Donnerstag 6. Oktober 2022, 21:52 Bin da ganz bei Björn, dieser Marketing getrieben Zwang sich immer neue "Biersorten" aus den Fingern saugen zu müssen
Manchmal wird man diesbezüglich auch den Eindruck, dass dieser Zwang dazu führt, sprichwörtlich alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Aktuelles Beispiel ist für mich Cold IPA, das geschmacklich keinen Unterschied zu einem herkömmlichen IPA bietet.

Ich denke auch, dass der Kostendruck inzwischen so intensiv ist, dass die Brauereien auf dem deutschen Markt wenig Spielraum für wirklich Neues haben. Dafür sind dann der amerikanische und deutsche Markt auch zu unterschiedlich.

Was das Hobbybrauen betrifft, sehe ich das Feilen an bekannten Sorten eher als Königsdisziplin, um einzelne Facetten am Bier noch zu optimieren. Und wahrscheinlich neigen wir weniger zum Selbstmarketing. Ich muss dem Kind nicht gleich einen neuen Namen geben, nur weil ich beim aktuellen Sud jetzt zusätzlich noch etwas Hafermalz mit in den Kessel schmeiße.

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2022, 22:51
von maecki-maecki
Natürlich ist nicht alles was machbar ist auch gut, aber ohne probieren kommt halt auch nix Neues zustande.
Aber aus irren Versuchen à la Hoppy Hell oder Black Gruit Kölsch könnten doch auch hierzulande Trends entstehen, die es wert sind, sie weiterzuentwickeln weil sie vielleicht den Geschmack von einigen Menschen treffen…
Und besonders untergärige Bierarten sind in meinen Augen bei weitem (noch) nicht so vielfältig wie die obergärigen.

Was den kommerziellen Zwang angeht, immer was Neues zu präsentieren ist doch die Brauereilandschaft in den USA nicht soo anders als bei uns: diese mittelständischen Craft-Brauereien, die sich eben abseits des Fernsehbiers definieren haben wir doch inzwischen auch in Deutschland.


Mäcki

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2022, 06:43
von rauchbier
Natürlich sind Innovationen eminent wichtig. Da geb ich dir völlig recht. Ein Pilsener Urquell und das Wiener Lager waren ja auch mal die innovativen neuen Biere. Da dachten wahrscheinlich auch viele erstmal "Was soll das denn?"

Was ich meine, lässt sich schön am "Hoppy Hell" beschreiben. Jeff Maisel erzählte vor kurzem in einem Podcast, dass er mit dem Namen unzufrieden ist, weil ihn die Kunden mit diesen "hopfigen US-Bieren" verbinden und deshalb falsch verstehen. Was er meinte ist, dass das meiste Bier im Deutschland im Supermarkt verkauft wird, wahrscheinlich 98%. Um dort Kunden für neue Innovative Biere zu gewinnen, müsstest theoretisch einen Vertreter der Brauerei neben das Regal stellen und den Kunden das Bier erklären. Sonst versteht das keiner und greift zu Altbekanntem.

Der Weg für deutsche Brauereien ist aus meiner Sicht aber in der Tat die etablierten Bierstile behutsam weiterzuentwickeln.

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2022, 07:09
von emjay2812
Ich finde die Kaufkultur ist auch anders. In USA wird Bier selten in Kâsten verkauft, auch scheint es dort keine reinen Getränkemärkte zu geben. Zumindest wenn ich die Bilder hier im Forum und aus dem Fernsehen heranziehe. Der "deutsche Biertrinker" möchte halt am Abend seine drei Halben, und nicht 4 experimentelle Biere. Da ist es schwierig, ihm Bier schmackhaft zu machen, wo zwei 0,33L Flaschen soviel kosten wie 5 Halbe.

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2022, 07:29
von Beerkenauer
schlupf hat geschrieben: Donnerstag 6. Oktober 2022, 22:05 Ich möchte daran erinnern, dass wir hier im Forum ziemlich vorne dabei waren, als die Sache mit Kveik losgegangen ist. DerDerDasBierBraut hatte die Kulturen direkt aus Norwegen organisiert (meine ich) und hier intern verteilt.

Das ganze ist mittlerweile etabliert. Ich denke, das ist ein bisschen mehr wert, als sich den nächsten Eintagsfliegen-IPA-Stil aus den Fingern zu saugen.

Apropos: denkt ihr, dass sich 2024 noch irgendwer für Cold IPA interessiert?
das vielleicht nicht.
Aber genauso ist das NEIPA ja auch mal aufgetaucht und hat sich mittlerweile etabliert.
Ich denke die Amis sind von Grund her offener für Neues und weniger traditionell eingefahren. Das ist halt ne gute Mischung, dass sich die Brauereien immer was neues einfallen lassen müssen um auf einem schier endlosen Craft Bier Regal aufzufallen. Da wird es zwangsläufig zu einer Auslese kommen. Das Eine bleibt und ganz viel Anderes verschwindet wieder. Aber da ist die Craft Bier Szene nicht anders als andere Bereiche, wer erinnert sich den noch an He-Man, Walkman oder YPS-Hefte.

My 2 cents.

Stefan

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2022, 07:53
von DevilsHole82
Beerkenauer hat geschrieben: Freitag 7. Oktober 2022, 07:29 ...wer erinnert sich den noch an He-Man, Walkman oder YPS-Hefte.
Ich. Und zwar sehr gerne. Die Neuauflage von He-Man, bzw. Masters of the Universe auf Netflix finde ich phänomenal gut.

Aber zum Thema: So langsam höre ich mich an wie mein Vater: "Diesen ganzen neumodischen Mist brauche ich nicht." Wobei ich als Neumodisch diese Neu- bzw. Weiterentwicklungen von Craft Beer Stilen, wie Black-, Cold-, White-, Red-, Blue- oder Weiß-der-Geier-IPA meine. Es gibt durchaus interessante neue Stile wovon man mal eins trinken kann, aber trotzdem lande ich immer wieder bei den soliden US-Bierstilen, die namhafte Brauereien, wie Sierra Nevada, Brooklyn Brewing, Russian River, Firestone Walker, Goose Island, Dogfish Head, Elysian, Sam Adams o.ä. im Programm haben. Und damit meine ich deren all-year-round Biere, wie Pale Ale, Torpedo, Brooklyn Lager, Boston Lager oder wie sie heißen. Das sind Biere, die ich mir auch mal den ganzen Abend über gönnen kann.

Edit: Ich denke, dass es bei diesen Bieren einer hohen drinkability bedarf, damit sie sich etablieren. Und ich finde genau das fehlt einigen deutschen Interpretationen. Man wird erschlagen von Aromen und hat nach einem Glas keinen Bock mehr auf ein weiteres. Die Balance zwischen zu viel und zu wenig haben die Amis in oben genannten Beispielen besser gefunden.

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2022, 08:27
von Colindo
Ich denke man muss hier ganz deutlich zwischen erzwungenen Innovationen, die größtenteils am Etikettierer entstehen, und natürlichen Evolutionen, weil sich die Rahmenbedingungen im Markt ändern, unterscheiden. IPA kam ja deswegen so prominent auf, weil der Geschmack vieler Biertrinker in den USA nicht mehr getroffen wurde und sie deswegen empfänglich für Neues waren.
rauchbier hat geschrieben: Donnerstag 6. Oktober 2022, 22:14 Ich muss dem Kind nicht gleich einen neuen Namen geben, nur weil ich beim aktuellen Sud jetzt zusätzlich noch etwas Hafermalz mit in den Kessel schmeiße.
Die englische Oatmeal Stouts im 19. Jahrhundert enthielten oft grandiose 0,5% Hafer in der Schüttung. Die ganzen Stout-Varianten waren so ziemlich die erste massenhafte Ettikettenschwindelaktion.
rauchbier hat geschrieben: Freitag 7. Oktober 2022, 06:43 Da dachten wahrscheinlich auch viele erstmal "Was soll das denn?"
Es gibt Schriften aus ca. 1800 wo sich Porter-Trinker beschweren, dass das neue Bier mit hohem Pale-Malz-Anteil statt 100% Brown Malt einfach nicht mehr so schmeckt wie früher...

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2022, 08:50
von renzbräu
Zum Thema Innovation bei deutschen Brauereien fällt mir ein Spagat zwischen Innovation und Werbe-Tradition auf. Da wird ein topmodernes, energiesparendes Sudhaus eingeweiht und der Versuch sich als innovatives Unternehmen zu präsentieren wird ein Eiertanz zwischen Fortschritt, Traditionsbeschwörung ("wir brauen wie vor hundert Jahren der Uropa") und Reinheitsgebot-Mythos ("...seit 1516..."). Der Kunde will (?) letzteres hören. Klassische Frage von Ei und Henne; die Branche steht sich ein Stück weit seiner im Weg.

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2022, 08:52
von Juergen_Mueller
Ich frage mich gerade, ab wann ist eine Variation eines Stiles bereits ein neuer Stil? Und wer "darf" einen neuen Stil definieren?

Re: Innovation: Neue US Biersorten vs. Deutschland

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2022, 09:29
von maecki-maecki
Juergen_Mueller hat geschrieben: Freitag 7. Oktober 2022, 08:52 Ich frage mich gerade, ab wann ist eine Variation eines Stiles bereits ein neuer Stil? Und wer "darf" einen neuen Stil definieren?
„Dürfen“ ist natürlich relativ aber eine Aufnahme in die BJCP ist in meinen Augen irgendwie die „Adelung“. Auch wenn ich deren Auswahl nicht perfekt finde und die einzelnen Stile auch nicht immer historisch sicher getroffen sind ist das trotzdem irgendwie der ‚Kanon‘.

Mäcki