Jan schrieb:
Dazu kommt das das Lebensmittelrecht nicht für Laien geschrieben ist, d.h. sehr oft enthält es eben keine konkreten Angaben. Basis der Verantwortlichkeit ist die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Basis-Verordnung) und die sagt die primäre Verantwortung des Lebensmittelunternehmers umfasst:
• die Sicherheit der Lebensmittel (Artikel 14 und 15), einschließlich der Verantwortung hierfür
• die Rückverfolgbarkeit (Artikel 18)
• Transparenz und Sofortmaßnahmen (Artikel 19)
• die Prävention (HACCP) sowie
• die Zusammenarbeit mit den Behörden (Artikel 19 Absatz 4).
Auf nationaler Ebene findet man noch das Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) mit Verpflichtungen für den Betreiber wodurch die o.g. Verpflichtungen noch ergänzt werden (z.B. §44 Duldungs-, Mitwirkungs- und Übermittlungspflichten).
Die VO (EU) 1333/2008 regelt die Zulassung und Verwendung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln. Dies führte dazu, dass im Juni 2021 die nationale Zusatzstoffzulassungsverordnung in Deutschland außer Kraft trat und von der Lebensmittelzusatzstoff-Durchführungsverordnung (schönstes Amtsdeutsch) abgelöst wurde. Für Brauer könnte der §3 in dieser DV interessant sein.
Jan schrieb:
Nur geht der Gesetzgeber davon aus das der Lebensmittelunternehmer in seiner Fachkompetenz diese Punkte konkretisieren kann und versteht was damit gemeint ist.
Nur hier ergibt sich eben die Schierigkeit. Zum einen lassen sich viele Punkte und Risiken nicht pauschalisieren. Als Beispiel, wird ein HACCP Konzept verlangt, so ergeben sich die CP (control point) und ob diese kritisch sind, sehr oft aus dem individuellen Herstellungsprozess, aus den Zutaten oder der Anlage. Zum anderen fehlt halt dem Laien hier oft das fachverständnis eben die Vorgaben der Verantwortlichkeit, die sich aus den Verordnungen ergeben, auf die individuelle Situations umzulegen und zu konkretisieren.
Das wäre das klassiche Betätigungsfeld eine unabhängigen Beraters.
Deshalb mein Vorschlag mit der Leitlinie des deutschen Brauerbundes (Bitte nicht falsch verstehen, ich gehöre dem Brauerbund nicht an, ich finde die Leitlinie einfach gut). Die Leitlinie wurde von der EU notifiziert und enthält alle notwendigen Grundlagen einfach erklärt. Darin enthalten sind die Basishygiene wie Arbeits-, Produktions- und persönliche Hygiene. Darauf aufbauend der gesamte Bereich der Eigenkontrolle, Rückverfolgbarkeit und Schulungen des Personals und last but not least ein grundlegendes HACCP-Konzept welches auf den Betrieb nur noch zugeschnitten werden muss. Das hilft auch dem Laien, denn schließlich hat nicht jeder den Codex Alimentarius oder das Deutsche Lebensmittelbuch im Schrank.
Der Grund weshalb die EU keine konkreten Vorschriften erlässt liegt darin begründet, dass Lebensmittelbetriebe flexibel arbeiten müssen und auch sollen. Es werden im Gesetz nur noch Ziele definiert, und jeder Lebensmittelunternehmer legt selber fest wie er die Ziele erreicht. Ein Beispiel: In der alten Bäckereihygieneverordnung stand, dass die Wände in der Backstube 2m hoch gefliest sein müssen. Das war eindeutig und jeder wusste was er machen muss. Hat nun ein Bäcker nur 1,95m hoch gefliest, weil die Fliesen eben kleiner waren und für die 2m nicht reichten, hat dies der Hygiene im Betrieb keinen Abbruch getan, jedoch begann der Bäcker damit einen Verstoß gegen die Verordnung. Die Lebensmittelunternehmer intervenierten, dass der Staat alles bis ins kleinste regelt und das alles viel flexibler gehandhabt werden muss, was ja auch stimmte. Aus diesem Grund definiert der Gesetzgeber jetzt nur noch Ziele, was irgendwie auch wieder nicht recht ist.
Noch ein kleiner Ausflug bezüglich HACCP. Für die kleinen Betriebe in Bayern (in anderen Bundesländern evtl. ähnlich) gibt es seit 2020 eine Dokumentationserleichterung durch die auf ein schriftliches HACCP verzichtet werden kann. Vermutlich hat der Lebensmittelkontrolleur, nachdem er beim Frommersbräu einen 57l Kochtopf gesehen hatte, deshalb auch nicht nach einem Konzept gefragt (eine durchschnittliche kleine Brauerei auf dem Land hat eine ca. 100-150hl große Sudpfanne und einen Jahresausstoß von 30.000 - 50.000hl). Wie bekommt der Lebensmittelunternehmer die Erleichterung? Jeder Betrieb wird durch die Lebensmittelüberwachung
nach einer planmäßigen Kontrolle bezüglich seines Betriebsrisikos eingestuft. Die Einstufung kann der Lebensmittelunternehmer bei der Überwachung abfragen. Unterschreitet diese Einstufung eine vorgegebene Punktezahl kann die Lebensmittelüberwachung von der Verpflichtung eines schriftlichen HACCP-Konzeptes absehen. Liegt aber immer im Ermessen der Behörde, denn die gesetzliche Verpflichtung zum Erstellen eines Konzeptes besteht für
jeden Betrieb! Bei den meisten Kleinstbetrieben sollte es jedoch möglich sein. Bitte das HACCP nicht verwechseln mit den Eigenkontrolle (z.B. Wareneingang, Temperaturüberwachung, Reinigungspläne, Schulungen und Schädlingsmonitoring). Diese Kontrollen des Unternehmers müssen immer durchgeführt und dokumentiert werden.
Am besten, finde ich, immer den Kontakt mit den Behörden suchen und sich befragen. Das hat schon viele Probleme aus der Welt geschafft. Gibt ja noch andere Behörden wie Finanzamt, Berufsgenossenschaft, Sozialversicherung, Zoll usw. die alle Ihren Teil der Vorschriften bei Unternehmern prüfen. Und ganz ehrlich, nicht jeder Beamte ist ein Sesselpupser oder will euch nur böses.
Gruß
Rainer