Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

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olibaer
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Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#1

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

die Restsüße ist so ein Ding.

In Beiträgen zur Beschreibung von Geschmackseindrücken vielfach verwendet und wechselweise mal mit positiven, mal mit negativen Eindrücken behaftet. Meistens geht es um drinkability und darum, ob sich die Restsüße harmonisch einfügt oder eher auffällig, gerne mit Attributen wie "breit, mastig, süß" versehen, daher kommt.

Tückisch an der Restsüße ist: Sie ist nicht greifbar und sie ist mächtig!
Jeder darf/soll/kann Restsüße als Begrifflichkeit in beliebigen Kontexten verwenden, sie ist weder immer positiv noch immer negativ, sie lässt sich nicht messen und sie ist da, auch wenn man sie nicht wahrnimmt. In Summe sämtlicher Faktoren, die einen Einfluss auf den Körper eines Bieres haben können, verliert sie sich dann gänzlich in ihrer Wirkung und in ihrer Qualifizierung.

Es herrscht eine gewisse Einigkeit darüber, dass die beste Restsüße diejenige ist, die nie auffällig in Erscheinung tritt, sondern sich stets als underdog irgendwie harmonisch einfügt und im Hintergrund als Macher für eine angestrebte drinkability sorgt.
Das liest sich stimmig, macht es aber auch schwierig, wenn die Restsüße in ihrer Wirkung aus dem Ruder läuft. An welcher Schraube drehe ich dann?

An dieser Stelle haken die für uns messbaren und/oder berechenbaren Größen Stammwürze, Restextrakt, Alkoholgehalt und Vergärungsgrad ein.
In diesem Umfeld, so scheint es derzeit, lässt sich die Hauptursache und Wirkung einer "Restsüße" finden.

Wie tückisch selbst diese Einschätzung sein kann, erfinde ich saisongerecht entlang eines Maibocks:

Brauer xy braut in KW 2 zwei Chargen Maibock ein. Beide auf den Punkt mit 16°P. In KW 14 steht das Produkt im Markt und ich kaufe mir eine Kiste.
Genau mein Ding denke ich mir - lecker.
In KW 17 gehe ich wieder in den Markt und sichere mir vor Saisonende eine 2. Kiste. Die 1. Flasche aus der 2. Kiste ist eine Enttäuschung:
breit, mastig, viel zu süß ... so der erste Eindruck und kein Vergleich zur 1. Kiste.

Gut, ich kann mich täuschen, also lass' ich meine Kumpels verkosten. Auch hier: "ein 2. pack' ich nicht - ich bin schon nach dem 1. satt"
Hmm, denk' ich mir, ich bin ja Hobbybrauer. Ich schnapp' mir mein Refraktor/meine Spindel und vermesse die beiden Chargen ... vielleicht ist da ja was. Ergebnis: kein Unterschied - exakt identisch.

Wieder und wieder verkoste ich die beiden Chargen und denke mir, das kann doch nicht sein. So angefixt von dem Drama schicke ich beide Proben nach xy - zur Bieranalyse, natürlich verbunden mit der Hoffnung, dass sich die unschöne Restsüße aus der 2. Charge so aufklären lässt.


Hier die Ergebnisse für die Charge A und B (natürlich berechnet, nicht wirklich analysiert). Bild 01:
restsuesse01.PNG
restsuesse01.PNG (30.21 KiB) 2496 mal betrachtet
Keine Bange, man muss die Parameterauflistung für das Beispiel nicht verstehen. Es genügt völlig zur erkennen, dass es zwischen der 1. guten Charge (A) und der 2. schlechten Charge (B) analytisch keinen Unterschied gibt. Weder in der Stammwürze, noch im Restextrakt noch im Vergärungsgrad - nirgendwo.

Offensichtlich ist der Ballon, der behauptet, dass eine unangenehme/ungewollte Restsüße etwas mit dem Vergärungsgrad, der Stammwürze und/oder dem Restextrakt zu tun hätte, gerade geplatzt.

Und jetzt?
Wir haben ein stimmiges Ergebnis aus der Verkostung und ein stimmiges Ergebnis aus der Analyse. Legt man beides nebeneinander, passt genau nichts zusammen. Herzlichen Glückwunsch "Restsüße", du hast uns komplett ausgeknockt!

Spooky, spooky Walpurgisnacht?
Nein. Keine Besen, keine Hexen, keine Zaubersprüche. Wie so oft ist es das, was wir nicht sehen.
Licht ins Dunkel bringt der Endvergärunsgrad für die Chargen A und B. Bild 02:
restsuesse02.PNG
Charge A hat einen Endvergärungsgrad(EVG/Laborwert) von 70 %(E030) und hat diesen auch erreicht(D030). Charge B hingegen hat einen Endvergärungsgrad(EVG/Laborwert) von 80 %(G030), ist aber bei einem Ausstossvergärungsgrad von 70 %(F030) hängen geblieben.

Die Charge B trägt je 100 g Bier noch 1,3 g vergärbare(G200), aber nicht vergorene Extraktmenge ein. Diese noch vergärbare Extraktmenge besteht zumeist aus Einfach-, Zweifach und ggf. aus Dreifachzuckern und diese Fraktion schmeckt deutlich süßer als die Dextrin-Pendanten, die für gewöhnlich den nicht vergärbaren Extraktanteil ausbilden.

Hex'/Hex' ;-)
Gruss
Oli
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Proximus
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#2

Beitrag von Proximus »

Hallo Oli,

vielen Dank erstmal! :thumbup

Hieße das, dass der Brauer in Charge B bei gleicher Stammwürze mehr vergärbaren Extrakt erzeugt hat, demnach beim Maischeprozess etwas „anders“ gelaufen sein muss?
Ferner würde das heißen, dass zudem bei der Gärung ein Folgefehler eingetreten ist (zu wenig Hefe, suboptimale Führung), die den verbliebenen (eigentlich noch vergärbaren) Extrakt zur Folge hat?

Viele Grüße
Heiko
Plankton
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#3

Beitrag von Plankton »

Ich hatte bei meinem zweiten Hobbybrau-Versuch vor gut 10 Jahren folgendes Erlebnis: ich versuchte, ein "Kölsch"-Rezept (na ja...) mit der Nottingham Ale Hefe zu brauen. Aufgrund eines kaputten Thermometers war die Temperatur meiner Kombirast durchgängig ein paar Grad zu hoch. Trotzdem wurde der Sud nach einiger Zeit jodnormal.

Der scheinbare Endvergärgrad war dann erwartungsgemäß recht mittelmäßig, so knapp unter 70%. Erstaunlicherweise schmeckte das Bier aber komplett leer und trocken! Dabei waren Stammwürze und Ausbeute im Normbereich. Overpitching lag auch nicht vor. Ich konnte mir das zuerst nicht erklären.

Ich habe damals dazu recherchiert und im "alten Forum" dazu als mögliche Erklärung gefunden, dass eine Reihe von "unvergärbaren" Zuckern überhaupt nicht oder nur wenig süß schmecken.

Wenn ich das richtig interpretiert habe, zeigt dieses Beispiel den Einfluss der ZuckerARTEN im Restextrakt auf die wahrnehmbare Restsüße.
Colindo
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#4

Beitrag von Colindo »

Hallo Oli,

dann wäre der richtige Test anstatt eines Nachmessens des Restextrakt eine Schnellvergärprobe mit einer ordentlichen Menge Hefe gewesen? Das hätte gezeigt, dass die Biere unterschiedlich weit vergären können.

Wie Proximus sagt liegt es eben an der größeren Menge an Einfach- und Zweifachzuckern.

Hätte man das Bier also "fixen" können, indem man die Kohlensäure ablässt, es mit einer Flaschengärhefe wie der CBC-1 nachvergärt und dann erneut karbonisiert? Wahrscheinlich zu aufwendig für ein Kaufbier...
Plankton hat geschrieben: Montag 1. Mai 2023, 21:45 Ich habe damals dazu recherchiert und im "alten Forum" dazu als mögliche Erklärung gefunden, dass eine Reihe von "unvergärbaren" Zuckern überhaupt nicht oder nur wenig süß schmecken.
Völlig richtig. Maltotriose, die von einigen Hefen nicht vergoren werden kann, schmeckt süß. Noch langkettigere Zucker allerdings immer weniger, die tragen hauptsächlich zum Körper bei.
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olibaer
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#5

Beitrag von olibaer »

Hallo Heiko, hallo zusammen,
Proximus hat geschrieben: Montag 1. Mai 2023, 18:50 Hieße das, dass der Brauer in Charge B bei gleicher Stammwürze mehr vergärbaren Extrakt erzeugt hat, demnach beim Maischeprozess etwas „anders“ gelaufen sein muss?
Ferner würde das heißen, dass zudem bei der Gärung ein Folgefehler eingetreten ist (zu wenig Hefe, suboptimale Führung), die den verbliebenen (eigentlich noch vergärbaren) Extrakt zur Folge hat?
Das beschreibt es auf den Punkt.
Gruss
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#6

Beitrag von stahlsau »

schön erklärt und zusammengefasst, danke dafür!
Genau das was Plankton beschreibt, hatte ich auch schon mal. Komplett (geschmacklich) leeres Bier, trotz normaler Stammwürze und Vergärgrad.
Kann durchaus sein, dass ich zu hoch ge-kombi-rastet habe.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#7

Beitrag von jkb »

Hallo,

Ich klinke mich hier mal mit einigen Nachfragen ein. Vorab vielen Dank an alle für Beispiel und Erklärungen. Beim Lesen des Threads werden ja zwei für mich gegensätzliche Geschmacksergebnisse deutlich. Auf der einen Seite das „mastige“, zu süße Bier und auf der anderen der „leere“ Geschmack trotz niedrigem AVG.

Das „mastige“ Bier macht für mich Sinn, bei Problemen mit der Gärung und damit ordentlich unvergärten Ein- bis Dreifachzuckern schmeckt es zu süß.

Weniger klar finde ich den Fall des leer schmeckenden Bieres. Dafür brauche ich doch deutlich mehr Grenzdextrine als andere Zuckerarten, da diese weniger süß schmecken. Wenn ich da mit der Kombirast auf ca 72 Grad hochrutsche, habe ich laut Diagramm in diesem Post ca 30% unvergärbare Grenzdextrine, was ja dann bei einem angenommenen EVG/AVG von 70% recht leer schmecken sollte. Passt das schon als Erklärung oder lasse ich etwas aus?

Aus gegebenem Anlass dann aber der Fall, bei dem ich einen AVG von 60% habe, mit der Temperatur bei maximal 68/69 Grad bei der Kombirast war und es trotzdem leer schmeckt. Ziel waren 67 Grad, aber es war ein neues Thermometer das ein bis zwei Grad zu wenig anzeigt. Eingemaischt wurde (thermometerkorrigiert) bei 62 Grad und dann langsam hochgefahren auf die 68/69 Grad und für 60 Minuten gerastet (Ziel war es im Vorbeifahren noch Beta-Amylase Aktivität abzugreifen, über Sinn und Unsinn kann man da sicherlich diskutieren). Die einzige Erklärung, die ich mir zusammenreimen konnte, hat mit den pH- und Temperaturbereichen der Grenzdextrinase zu tun, aber damit bin ich glaube ich auf dem Holzweg. Hättet ihr eine Erklärung dafür? Oder kann es eigentlich doch nur mit Messfehlern oder Sensorik zu tun haben?

Vielen Dank,
Jan
Malzwurm
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#8

Beitrag von Malzwurm »

Ich lese hier mal mit. Ich habe hin und wieder auch das Problem, dass ich leere Biere raus bekomme. Also geschmacklich gut, aber irgendwie kein Mundgefühl.
jkb
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#9

Beitrag von jkb »

Malzwurm hat geschrieben: Freitag 21. Juli 2023, 15:08 Ich lese hier mal mit. Ich habe hin und wieder auch das Problem, dass ich leere Biere raus bekomme. Also geschmacklich gut, aber irgendwie kein Mundgefühl.
Bei mir wurde der „leere“ Geschmack von anderen nicht bestätigt, also war es wohl persönliches Empfinden. Mundgefühl könnte man je nach Bierstil ja auch mit Weizen oder Haferflocken in der Schüttung unterstützen?
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rakader
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#10

Beitrag von rakader »

olibaer hat geschrieben: Mittwoch 3. Mai 2023, 08:02 Hallo Heiko, hallo zusammen,
Proximus hat geschrieben: Montag 1. Mai 2023, 18:50 Hieße das, dass der Brauer in Charge B bei gleicher Stammwürze mehr vergärbaren Extrakt erzeugt hat, demnach beim Maischeprozess etwas „anders“ gelaufen sein muss?
Ferner würde das heißen, dass zudem bei der Gärung ein Folgefehler eingetreten ist (zu wenig Hefe, suboptimale Führung), die den verbliebenen (eigentlich noch vergärbaren) Extrakt zur Folge hat?
Das beschreibt es auf den Punkt.
Interessant. Lese hier sehr interessiert mit und würde mich noch über weitere Beiträge freuen.

Es gibt noch einen Aspekt, der bisher nicht angesprochen wurde: Da mein Gashändler weit weg ist, muss ich Gas sparen und zuckere meine Kegs immer öfter zur Karbonisierung auf. Bei den ersten Kegs fand ich vor allem bei den erste Gläsern die Restsüße unanagenehm. Mittlerweile habe ich das besser im Griff, aber immer ist noch Luft nach oben.
Selbst bei einem Sud aus einer Charge können da in der Nachgärung unterschiedliche Restsüßen herrühren, so meine Beobachtung.

Zuerst: Eine unangenehme Restsüße rührt bei mir fast ausschließlich von einer Karbonisierung mit Zucker her. Mit Zwangskarbonisierung passiert das weniger und ist daher meiner Meinung nach geschmacklich vorzuziehen.

Also versuche ich den Punkt Karbonisierung mit Zucker zu optimieren. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Nachgärungstemperatur ein wichtiger Faktor ist. Nachgärung im Keller bindet die Restsüße besser ein als wenn man das Fass in der Garage stehen hat. (Gerade mit zwei Fässern meines Pumpkin Ales ausprobiert.)

Und noch etwas: Ich splitte meinen Starter immer, da nur kleine Fermenter in den Gärschrank passen. Das mache ich immer nach Augenmaß. Wenn ich hier die Beiträge lese, sollte ich das nicht machen und besser genau abmessen - denn genau die Unterschiede in der Hefemenge, auch wenn nur klein, bewirken Ausschläge im Vergärungsgrad mit Unterschieden bis zu 3 %. Geschmacklich deutlich wahrnehmbar.

Ich bin in den letzten Suden daher dazu übergegangen, etwas mehr an Hefe zu produzieren. Wenn der Heferechner 1,4 l empfiehlt, mache ich 1,8 l. Meine Beobachtung ist, das tut dem Ankommen und letztlich der Restsüße sehr gut (trinke gerade so ein Bier, das die vormaligen Male an der Restsüße krankte und jetzt bei 10 °C optimal ist). Meist kommt die Hefe innerhalb 6 - 8 Stunden an, statt sonst 12 - 16. Fazit: Ein bisschen Overpitching schadet nicht, das Gegenteil ist eher der Fall. Hilfreich ist auch, das Jungbier ein paar Tage länger auf der Hefe zu lassen. Letzthin habe ich dafür die Temperatur nach dem letzten Gärschritt mit Absicht abgesenkt, die zusätzlichen Tage haben trotzdem noch 1 % VG ergeben.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#11

Beitrag von jkb »

rakader hat geschrieben: Samstag 19. August 2023, 23:04 Ich bin in den letzten Suden daher dazu übergegangen, etwas mehr an Hefe zu produzieren. Wenn der Heferechner 1,4 l empfiehlt, mache ich 1,8 l. Meine Beobachtung ist, das tut dem Ankommen und letztlich der Restsüße sehr gut (trinke gerade so ein Bier, das die vormaligen Male an der Restsüße krankte und jetzt bei 10 °C optimal ist). Meist kommt die Hefe innerhalb 6 - 8 Stunden an, statt sonst 12 - 16. Fazit: Ein bisschen Overpitching schadet nicht, das Gegenteil ist eher der Fall.
Hm, wenn man es dann weiter denkt ist vielleicht einfach nur gnadenloses Overpitching der Grund für den leeren Geschmack. Und nicht der Maischeprozess.
rakader hat geschrieben: Samstag 19. August 2023, 23:04 Wenn ich hier die Beiträge lese, sollte ich das nicht machen und besser genau abmessen - denn genau die Unterschiede in der Hefemenge, auch wenn nur klein, bewirken Ausschläge im Vergärungsgrad mit Unterschieden bis zu 3 %.
Das finde ich dann doch erstaunlich, bei kleinen Mengenunterschieden hätte ich einen Unterschied in der Dauer des Erreichens des AVGs erwartet, aber nicht des AVGs selber. Zumindest nicht 3%..
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#12

Beitrag von rakader »

jkb hat geschrieben: Samstag 19. August 2023, 23:38
Hm, wenn man es dann weiter denkt ist vielleicht einfach nur gnadenloses Overpitching der Grund für den leeren Geschmack. Und nicht der Maischeprozess.
Nein. Was ich hier beschreibe, ist ein Overpitching von max 20 %. Da ich keine Zählkammer habe, kann es sogar die eigentlich richtige Menge sein. Die Bestimmung der Hefezellen ist ja eine üble Schätzerei.

Du müsstest definieren, was Du unter gnadenlosem Overpitching verstehst und wie Du den Zusammenhang zwischen Overpitching und leerem Geschmack herstellst? Hat meines Erachtens nichts miteinander zu tun. Ein Bier mit einem Supervergärer schmeckt nicht automatisch leer; das sind andere Faktoren.

Edit: Ich habe gerade nochmal im Gärprotokoll geschaut: Der Unterschied war sogar 7 % - allerdings lag dem auch ein Versuch mit unterschiedlicher Gärführung ab der 2. Hälfte der Gärung zugrunde. Ursprünglich ging es dabei um Erfahrungen mit den Estern der Hefe. Die Hälfte des Wertes kann ich auf die Hefe zurückführen, die andere auf die Temperatur. Ich trinke gerade die zweite Charge mit 81 % VG (zu 74 % der ersten Charge). Das deckt sich auch mit den beschriebenen Unterschieden von 10 % oben im Thread.

Sie, die 2. Charge, schmeckt leicht alkoholisch, aber deutlich runder und mit optimal eingebundener Restsüße. Als Pumpkin Ale nichts für einen Pils-Liebhaber, aber zu Ragú Bolognese mit Tomaten und Kräutern aus dem Garten optimal.

Mitglieder einer Band, die hier probt, haben die Chargen während 2 Wochen verkostet. Die Chargen wurden nicht als unterschiedliche Biere wahrgenommen, aber die 2. war deutlich mehr nachgefragt. Restsüße ist für mich gerade Thema Nr. 1. Dank auch an Oli das aufs Tableau gebracht zu haben.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#13

Beitrag von jkb »

rakader hat geschrieben: Samstag 19. August 2023, 23:43
jkb hat geschrieben: Samstag 19. August 2023, 23:38
Hm, wenn man es dann weiter denkt ist vielleicht einfach nur gnadenloses Overpitching der Grund für den leeren Geschmack. Und nicht der Maischeprozess.
Nein. Was ich hier beschreibe, ist ein Overpitching von max 20 %. Da ich keine Zählkammer habe, kann es sogar die eigentlich richtige Menge sein. Die Bestimmung der Hefezellen ist ja eine üble Schätzerei.

Du müsstest definieren, was Du unter gnadenlosem Overpitching verstehst und wie Du den Zusammenhang zwischen Overpitching und leerem Geschmack herstellst? Hat meines Erachtens nichts miteinander zu tun. Ein Bier mit einem Supervergärer schmeckt nicht automatisch leer; das sind andere Faktoren.
So wie ich dich verstanden habe, hattest du zuviel Restsüße im Bier, was durch leichtes Overpitching besser wurde, ergo das Bier wurde relativ gesehen leerer ( was aber ja gewünscht war). Folgt für mich, wenn ich noch stärkeres Overpitching habe (eine Definition bei welchen Zellzahlen/°Plato/ml das anfängt habe ich nicht, geht ja erstmal ums Grundprinzip), kann mein Bier noch leerer schmecken. Bis es dann irgendwann zuviel ist und ich in einem Hobbybrauforum meiner Wahl poste und frage was schief gelaufen ist.

Den Zusammenhang zuviel Overpitching -> geschmacklich leere Biere habe ich in Posts in anderen Fäden gelesen, aber eine Erklärung wieso das so ist habe ich nicht. Habe hier „Yeast“ rumliegen und werde nochmal ein bisschen lesen ob ich was finde. Meine Ursprungsproblem war es, die gegensätzlichen Geschmacksempfindungen (zu mastig vs zu leer) bei gleichem Maischverhalten (Rasttemperatur etwas zu hoch) zu verstehen. Deswegen dachte ich mit dem Overpitching eine mögliche, andere Erklärung gefunden zu haben. Allerdings schreibt plankton oben dass kein Overpitching vorlag, daher heißt das wohl zurück auf Los.

Achso, und mein Verständnis ist weiterhin, dass unterschiedliche Pitch Rates (vorausgesetzt es ist nicht viel zu wenig Hefe) keinen Einfluss auf den erreichten Vergärgrad haben, daher wollte ich auch nicht gesagt haben, dass ein Supervergärer automatisch leer schmeckt. Du schreibst ja auch, dass bei deinem Split Batch mit unterschiedlichen Pitch Rates die Gärführung anders war. Aber ich lasse mich da auch gerne vom Gegenteil überzeugen.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#14

Beitrag von olibaer »

jkb hat geschrieben: Sonntag 20. August 2023, 07:35 Den Zusammenhang zuviel Overpitching -> geschmacklich leere Biere habe ich in Posts in anderen Fäden gelesen, aber eine Erklärung wieso das so ist habe ich nicht.
Den gibt es auch nicht.
jkb hat geschrieben: Sonntag 20. August 2023, 07:35 Achso, und mein Verständnis ist weiterhin, dass unterschiedliche Pitch Rates (vorausgesetzt es ist nicht viel zu wenig Hefe) keinen Einfluss auf den erreichten Vergärgrad haben
Korrekt.

Beispiel aus Sicht eines Hefestamms:
Der gewählte "Hefestamm" findet in 100 g Würze/Jungbier noch 1 g Extrakt vor, dass er vergären kann.
Ob sich in den 100 g Würze/Jungbier 100 Hefezellen dieses Stamms befinden oder sich 1000 Milliarden Hefezellen dieses Stamms befinden, das ändert daran genau gar nichts. Die noch vergärbare Extraktmenge bleibt unverändert bei 1 g.

Fakt 1:
Auch ein overpitch kann nur das vergären, was aus Sicht des Hefestamms vergärbar ist.

Fakt 2:
Auch ein underpitch kann nur das vergären, was aus Sicht des Hefestamms vergärbar ist.
Im Abgleich zum overpitch brauchts' mehr Zeit dazu und wenns' dumm läuft, dann macht die kleine Hefemenge schlapp und/oder sedimentiert, bevor die "eigentlich noch vergärbare Extraktmenge" vergoren wurde(-> ungeplante/ungewollte Restsüße, Probleme bei der Speiseberechnung[Überkarbonisierung])

Fazit:
Entscheidet alleine eine Pitch-Rate (zufällig) darüber, ob ein Bier "leer, mastig oder restsüß" wird, dann ist der Gärprozess außer Kontrolle.
Findet sich ein "so gewollt" schon in der Rezeptur, dann ist das eine andere Sache. Das sehe ich aber im Threadkontext nicht.
Gruss
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#15

Beitrag von hattorihanspeter »

olibaer hat geschrieben: Montag 21. August 2023, 20:15
jkb hat geschrieben: Sonntag 20. August 2023, 07:35 Den Zusammenhang zuviel Overpitching -> geschmacklich leere Biere habe ich in Posts in anderen Fäden gelesen, aber eine Erklärung wieso das so ist habe ich nicht.
Den gibt es auch nicht.
Mit der 3068 hatte ich das schon, ein leeres Bier. Hatte das eigentlich im Wesentlichen dem overpitching zugeschrieben.
Gerade im Weizenbier magste ja auch die Bananen- und Nelkenester und die lassen sich u.A. auch über Anstellrate und Gärtemp. beeinflussen. In meinem Fall hatte ich da frische Erntehefe von Braupartner/ Zymoferm genommen. Die zugeschickte Menge war schlichtweg zu viel für meine 16L mit 13°P. Zudem hatte ich mit stellenweise >22° zu warm vergoren. In Summe hatte das dann ein für mich "leeres" Bier ergeben. Damit meine ich jetzt nicht ausschließlich eindimensional, da die Ester nicht wie gewünscht vorhanden waren. Das war einfach irgendwie ein leeres Bier... hatte so nichts von einem Weizenbier... abgesehen von der Karbonisierung.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#16

Beitrag von rakader »

Nur als kleiner Zwischenruf zum Überdenken: "Leer" wird mir in dieser Diskussion gefühlt (!!) zu inflationär verwendet. Dann müsste jedes Pils "leer" sein. Kann es sein, dass anstatt "leer" oftmals "trocken" gemeint ist; und wenn ja: wie unterscheidet ihr diese beiden Begriffe?
Beispiel: Ein sehr trockenes Saison mit Hochvergärer habe ich noch nie als "leer" geschmeckt, sondern einfach nur staubtrocken (Belle Saison), ein Bier, das zu viel High Gravity erfahren hat, schon.

Ist für mich wirklich eine Leerstelle.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#17

Beitrag von Till »

rakader hat geschrieben: Dienstag 22. August 2023, 09:42 Nur als kleiner Zwischenruf zum Überdenken: "Leer" wird mir in dieser Diskussion gefühlt (!!) zu inflationär verwendet. Dann müsste jedes Pils "leer" sein. Kann es sein, dass anstatt "leer" oftmals "trocken" gemeint ist; und wenn ja: wie unterscheidet ihr diese beiden Begriffe?
Beispiel: Ein sehr trockenes Saison mit Hochvergärer habe ich noch nie als "leer" geschmeckt, sondern einfach nur staubtrocken (Belle Saison), ein Bier, das zu viel High Gravity erfahren hat, schon.

Ist für mich wirklich eine Leerstelle.
Interessanter Einwand. "Leer" beinhaltet für mich mehr als "Trocken", beides korrelliert aber häufig. "Trocken" ist aus meiner Sicht eine sehr spezifische Eigenschaft, (mit Einschränkungen) messbar und wertungsneutral während "Leer" eher subjektiv, bewertend und Ergebnis eines Gesamteindrucks ist.

Relevant ist zum einen der Bierstil, d.h. der geschmackliche Kontext (wie beim von Dir genannten Saison). Die "Trocknheit" von Pils und Saison wird durch die stiltypische Bittere oder die Hefenoten i.d.R. nicht als "Leere" wahrgenommen

Außerdem spielt die subjektive Erwartungshaltung oder die Situation in der man ein Bier trinkt eine Rolle. Das selbe leichte Lager würde man vermutlich im Winter am Kamin negativ-wertend als "leer" und nach dem Rasenmähen im Sommer positiv als "erfrischend" charakterisieren.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#18

Beitrag von rakader »

Till hat geschrieben: Dienstag 22. August 2023, 11:16
rakader hat geschrieben: Dienstag 22. August 2023, 09:42 Nur als kleiner Zwischenruf zum Überdenken: "Leer" wird mir in dieser Diskussion gefühlt (!!) zu inflationär verwendet. Dann müsste jedes Pils "leer" sein. Kann es sein, dass anstatt "leer" oftmals "trocken" gemeint ist; und wenn ja: wie unterscheidet ihr diese beiden Begriffe?
Beispiel: Ein sehr trockenes Saison mit Hochvergärer habe ich noch nie als "leer" geschmeckt, sondern einfach nur staubtrocken (Belle Saison), ein Bier, das zu viel High Gravity erfahren hat, schon.

Ist für mich wirklich eine Leerstelle.
Interessanter Einwand. "Leer" beinhaltet für mich mehr als "Trocken", beides korrelliert aber häufig. "Trocken" ist aus meiner Sicht eine sehr spezifische Eigenschaft, (mit Einschränkungen) messbar und wertungsneutral während "Leer" eher subjektiv, bewertend und Ergebnis eines Gesamteindrucks ist.

Relevant ist zum einen der Bierstil, d.h. der geschmackliche Kontext (wie beim von Dir genannten Saison). Die "Trocknheit" von Pils und Saison wird durch die stiltypische Bittere oder die Hefenoten i.d.R. nicht als "Leere" wahrgenommen

Außerdem spielt die subjektive Erwartungshaltung oder die Situation in der man ein Bier trinkt eine Rolle. Das selbe leichte Lager würde man vermutlich im Winter am Kamin negativ-wertend als "leer" und nach dem Rasenmähen im Sommer positiv als "erfrischend" charakterisieren.
:goodpost:

Nur als nachgeschobene Idee: Vielleicht kann "leer" durch das Verhältnis Malzextrakt zu Wasser charakterisiert werden? Kellerbiere et al müssten da besonders auffallen. Vielleicht gibt es Untersuchungen dazu?
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#19

Beitrag von Colindo »

- "Leer durch Overpitching" würde ich auf fehlendes Aroma der Hefe umdeuten. So wie von hattorihanspeter beim Weizen beschrieben. Biere, wod die diese Aromen unwichtig oder gar unerwünscht sind, haben das Problem natürlich nicht.

- Leer im Sinne von Trocken, wie von euch schon ausgeführt, ist dann ein sehr geringer Restextrakt.

- Leer im Sinne von wenig Malzgeschmack kann passieren, wenn man viel Malz durch Zucker ersetzt, was aber im deutschen Raume eher selten vorkommt. Dann fehlen die Aromen des Malzes trotz ausreichend Alkohol.
rakader hat geschrieben: Samstag 19. August 2023, 23:04 Nachgärung im Keller bindet die Restsüße besser ein als wenn man das Fass in der Garage stehen hat.
Mal als Schuss ins Blaue, kann es sein, dass du bei der wärmeren Nachgärung eine kleine Menge Fuselalkohole ins Bier bekommst? Die können süßlich schmecken. Das würde zumindest die Abhängigkeit von der Karbonisierungsart und deren Temperatur erklären. Das müsste dann vom Hefestamm abhängen und ob die Temperatur während der Nachgärung im Bereich war, wo diese fuselt.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#20

Beitrag von rakader »

Colindo hat geschrieben: Mittwoch 23. August 2023, 08:37
rakader hat geschrieben: Samstag 19. August 2023, 23:04 Nachgärung im Keller bindet die Restsüße besser ein als wenn man das Fass in der Garage stehen hat.
Mal als Schuss ins Blaue, kann es sein, dass du bei der wärmeren Nachgärung eine kleine Menge Fuselalkohole ins Bier bekommst? Die können süßlich schmecken. Das würde zumindest die Abhängigkeit von der Karbonisierungsart und deren Temperatur erklären. Das müsste dann vom Hefestamm abhängen und ob die Temperatur während der Nachgärung im Bereich war, wo diese fuselt.
Exzellente Frage. Das ist sogar naheliegend. Ist so etwas bei der Düsseldorfer Alt von WLP bekannt, bzw. der American Ale II von Wyeast? Die WLP Düsseldorfer habe ich aus der Not genommen, weil ich meine Stammhefe Weihenstephan W165 Altbier nicht mehr bekommen habe. Bei der American Ale II bin ich mir sicher, dass dem so ist. Ich halte bei dieser Hefe die Herstellerangaben zu hoch angesetzt.

Ich tendiere seit einiger Zeit dazu auch obergärige bei niedrigeren Temperatur dafür cum tempore nachgären zu lassen. Sonst heißt es ja immer man soll bei Zuckergabe die höchste Gärtemperatur zur Berechnung heranziehen.

Nur als Idee: Was wäre denn von einer Mischform der Karbonisierung zu halten: Grundkarbonisierung mit Zucker und endgültig durch Gas auf gewünschte Rezenz?
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#21

Beitrag von Colindo »

rakader hat geschrieben: Mittwoch 23. August 2023, 11:20 Ist so etwas bei der Düsseldorfer Alt von WLP bekannt, bzw. der American Ale II von Wyeast?
Das kann ich dir leider nicht sagen, da ich beide Hefen nicht kenne.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#22

Beitrag von jkb »

olibaer hat geschrieben: Montag 21. August 2023, 20:15
jkb hat geschrieben: Sonntag 20. August 2023, 07:35 Den Zusammenhang zuviel Overpitching -> geschmacklich leere Biere habe ich in Posts in anderen Fäden gelesen, aber eine Erklärung wieso das so ist habe ich nicht.
Den gibt es auch nicht.
jkb hat geschrieben: Sonntag 20. August 2023, 07:35 Achso, und mein Verständnis ist weiterhin, dass unterschiedliche Pitch Rates (vorausgesetzt es ist nicht viel zu wenig Hefe) keinen Einfluss auf den erreichten Vergärgrad haben
Korrekt.

Beispiel aus Sicht eines Hefestamms:
Der gewählte "Hefestamm" findet in 100 g Würze/Jungbier noch 1 g Extrakt vor, dass er vergären kann.
Ob sich in den 100 g Würze/Jungbier 100 Hefezellen dieses Stamms befinden oder sich 1000 Milliarden Hefezellen dieses Stamms befinden, das ändert daran genau gar nichts. Die noch vergärbare Extraktmenge bleibt unverändert bei 1 g.

Fakt 1:
Auch ein overpitch kann nur das vergären, was aus Sicht des Hefestamms vergärbar ist.

Fakt 2:
Auch ein underpitch kann nur das vergären, was aus Sicht des Hefestamms vergärbar ist.
Im Abgleich zum overpitch brauchts' mehr Zeit dazu und wenns' dumm läuft, dann macht die kleine Hefemenge schlapp und/oder sedimentiert, bevor die "eigentlich noch vergärbare Extraktmenge" vergoren wurde(-> ungeplante/ungewollte Restsüße, Probleme bei der Speiseberechnung[Überkarbonisierung])

Fazit:
Entscheidet alleine eine Pitch-Rate (zufällig) darüber, ob ein Bier "leer, mastig oder restsüß" wird, dann ist der Gärprozess außer Kontrolle.
Findet sich ein "so gewollt" schon in der Rezeptur, dann ist das eine andere Sache. Das sehe ich aber im Threadkontext nicht.
Danke, so in etwa hatte ich mir das vorgestellt.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#23

Beitrag von rakader »

Colindo hat geschrieben: Mittwoch 23. August 2023, 16:25
rakader hat geschrieben: Mittwoch 23. August 2023, 11:20 Ist so etwas bei der Düsseldorfer Alt von WLP bekannt, bzw. der American Ale II von Wyeast?
Das kann ich dir leider nicht sagen, da ich beide Hefen nicht kenne.
Ich habe gerade an einem Vergleichsfass gekostet, auch ein Double IPA double dry hopped, das ich mit der angesprochenen Hefe American II konsequent bei 17,4 °C habe gären und nachgären lassen, dann 2 Monate in der Kühlung zur Reife: Es ist furztrocken, hat den angepeilten Restextrakt auf den Punkt erreicht. Keine Spur einer übermäßigen Restsüße - und das bei einer ähnlichen Schüttung, Stammwürze wie oben beim anderen Bier angesprochen.

Heißt: Du hast so etwas von recht mit den Fuselalkoholen. Man darf wohl hinzfügen: Gilt auch für zuviel Ester? Mein Tipp noch dazu: Der Vergärungsgrad sollte bei Starkbieren/Platobomben mindestens beim Mittel der Herstellerangaben angesetzt werden. In meinem Fall war ich jetzt 1 % darüber.
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Re: Spurensuche: Der Restsüße auf den Zahn gefühlt

#24

Beitrag von Colindo »

Es gibt halt Fusel, die süßlich schmecken und die kannst du mit jeder Hefe erzeugen, solange du sie nur warm genug betreibst. Bei Estern ist das eher selten, da gibt es nur wenige Hefen die süßliche Aromen hervorrufen. Ich kenne zum Beispiel Wyeast 1768 von Young's als so eine.
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