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Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2017, 23:40
von Reisburn Brewery
Hallo zusammen,

ich hätte mal eine Frage in die Menge, die vielleicht weniger von praktischer Bedeutung für Hobbybrauer ist, die mich aber schon länger interessiert:
Wie züchtet man eigentlich Bierhefen mit bestimmten Eigenschaften, die es noch nicht gibt? Bzw. wie wurden die Hefen, mit all den spezifischen Eigenschaften, gezüchtet, die uns zur Verfügung stehen? Werden da so lange aus wilden Hefen Zellen vereinzelt und ausprobiert, bis man mal eine erwischt, die gerade die gewünschten Eigenschaften hat, oder kann man auch eine Hefe tatsächlich nach und nach irgendwie konditionieren, dass sie später die gewünschten Eigenschaften hat?

Vielleicht hat ja Ulrich eine Antwort darauf..?

Viele Grüße,
Max

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 00:00
von Yeffie
Man nimmt eine sterile Pipette und nimmt eine winzige (0.1 gr.) Probe auf/unter der Fruchthaut. Diese verdünnt man mit destilliertem Wasser und streicht sie dünn auf eine Petrischale. Die Petrischale steril und mit Nährmedium gefüllt. Nach ein paar Tagen im Brutkasten ist aus einer Hefezelle eine Kolonienbildende Einheit geworden. Die Hefekolonien kann man hochzüchten und vergorene Würzen damit beurteilen. Die Forschung hat jedenfalls noch viel mehr Tricks auf Lager (Mikroskopie, Gen-Malipulation)

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 00:10
von Braumal
Ich habe kürzlich von sogenannten Hefejägern gelesen, die in den Gemäuern von alten Brauereien und Backstuben Proben nehmen, um daraus neue Hefestämme zu züchten.
Bestimmt kann man aber auch durch Selektion gewisse Eigenschaften der Hefen beeinflussen.

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 00:13
von §11
Das gezielte Suchen und Züchten kommt erst langsam. Die meisten Stämme die wir heute kennen sind durch einfaches weiterführen einer Hefe gekommen die bestimmte Eigenschaften hatte. Bis zur Entdeckung der Reinzucht durch Hansen 1883 kann man eigentlich davon ausgehen das alle Betriebshefen mehr oder weniger Gemische aus verschiedene Stämmen waren.

Jan

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 09:10
von Johnny H
§11 hat geschrieben:Das gezielte Suchen und Züchten kommt erst langsam. Die meisten Stämme die wir heute kennen sind durch einfaches weiterführen einer Hefe gekommen die bestimmte Eigenschaften hatte. Bis zur Entdeckung der Reinzucht durch Hansen 1883 kann man eigentlich davon ausgehen das alle Betriebshefen mehr oder weniger Gemische aus verschiedene Stämmen waren.[...]
... und vermutlich leider oft genug mit Milchsäurebakterien verunreinigt.

Edit: Hier auch zwei tolle Quellen zur Geschichte der Hefeforschung im 19. Jahrhundert: Link 1, Link 2. Die können auch als pdf runtergeladen werden.

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 10:08
von Stoppel
Hut ab, ich bin von den diversen Antworten beeindruckt.
Ich habe das erste Mal Hefe weitergeführt, also ein 2. Mal verwendet.
Verwendet habe ich die W34/70, jetzt habe ich die Hefe vom 2. Sud abgezogen, als Gefäß verwende ich ein steriles Gurkenglas ( neu gekauft ) mit Verschluß.
Das Glas habe ich in den Kühlschrank gestellt die Hefe hat sich am Boden abgesetzt und oben ist eine braune Flüssigkeit.
Wie gehe ich weiter vor ?
Wie lange kann ich die Hefe im Kühlschrank 8°C lagern ?
Und meine eigentliche Frage, was verwendet man als Nährlösung für Hefe ?

Danke für eure Antworten und sorry, wenn ich dumm gefragt haben sollte !

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 10:14
von Bierjunge
Stoppel hat geschrieben:Wie lange kann ich die Hefe im Kühlschrank 8°C lagern ?
Hängt ganz davon ab, was Du damit vorhast:
Wenn Du direkt mit der Erntehefe wieder anstellen willst, ein paar Tage. Auch wenn es hier stark abweichende Meinungen gibt (sowohl nach oben als auch nach unten), ich persönlich würde nicht über 2 Wochen hinausgehen.
Wenn Du daraus einen neuen Starter hochziehen möchtest, ein paar Wochen. Auch wenn es hier stark abweichende Meinungen gibt (sowohl nach oben als auch nach unten), ich persönlich würde nicht über 2 Monate hinausgehen.
Für Langzeitarchivierung darüber hinaus gibt es bessere Möglichkeiten (Salzlösung, Kryoperlen, Schrägagar, Glycerin).

Moritz

PS: Sorry, ganz übersehen:
Stoppel hat geschrieben:Und meine eigentliche Frage, was verwendet man als Nährlösung für Hefe ?
Am liebsten mag sie Bierwürze :Smile. Es gibt zwar auch zusätzliche Nährstoff-Präparate, aber in Würze sollte eigentlich alles drin sein, was sie braucht.

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 10:27
von Johnny H
Das ist keine dumme Frage, ganz im Gegenteil.

Moritz hat ja schon geantwortet. Noch ergänzen möchte ich, dass wohl die beste Aufbewahrung für Erntehefe unter Jungbier ist. Zumindest ist das die Empfehlung von Michael Zepf (Doemens). Nährlösung während der Lagerung sollte man m.E. nicht geben (die Hefe soll ja ruhen und nicht arbeiten d.h. gären), aber für meine Starter und für meine Sude verwende ich Hefenahrung von Wyeast. Seit ich das tue, ist zumindest gefühlt die H2S-Bildung bei der häufig von mir verwendeten W34/70 stark zurückgegangen.

Darüber hinaus gibt es diverse Waschanleitungen für Erntehefe im Netz, aber die Praxis ist stark umstritten. Ich wasche meist nur einmal bei der Ernte mit etwas abgekochtem Leitungswasser, um wenigstens die sich meist schnell unten absetzenden Brandhefe- und Hopfenpartikel abzutrennen.

Edit: Moritz war auch beim Editieren schneller :)

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 10:31
von Stoppel
Herzlichen Dank für eure Antworten.

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Mittwoch 8. Februar 2017, 11:28
von Reisburn Brewery
Hallo zusammen,

danke auch für Eure Antworten auf die ursprüngliche Frage. Insb. auch für die beiden Links zur Geschichte der Hefeforschung, in die ich gerne mal reinlesen werde.

Viele Grüße,
Max

Re: Ursprung unserer Bierhefen

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2017, 12:01
von Johnny H
Johnny H hat geschrieben:Hier auch zwei tolle Quellen zur Geschichte der Hefeforschung im 19. Jahrhundert: Link 1, Link 2. Die können auch als pdf runtergeladen werden.
Ich sehe gerade: das ist eine ganze Veröffentlichungsreihe zur Hefeforschung mit mindestens 14 Teilen:

Teil 3 (A history of research on yeasts 3: Emil Fischer,Eduard Buchner and their contemporaries,1880-1900)
Teil 4 pt1 (A history of research on yeasts 4: cytology part I,1890–1950)
Teil 4 pt2 (A history of research on yeasts 4: cytology part II,1950–1990)
Teil 5 (A history of research on yeasts 5: the fermentation pathway)
Teil 6 (A history of research on yeasts 6: the main respiratory pathway)
Teil 7 (A history of research on yeasts 7: enzymic adaptation and regulation)
Teil 8 (A history of research on yeasts 8: taxonomy)
Teil 9 (A history of research on yeasts 9: regulation of sugarmetabolism)
Teil 10 (A history of research on yeasts 10: foundations ofyeast genetics)
Teil 11 (A history of research on yeasts 11. The study of solute transport: the first 90 years, simple and facilitated diffusion)
Teil 12 (A history of research on yeasts 12: medical yeasts part 1, Candida albicans)
Teil 13 (A history of research on yeasts 13. Active transport and the uptake of various metabolites)
Teil 14 (A history of research on yeasts 14: medical yeasts part 2, Cryptococcus neoformans

Nicht alle davon sind unmittelbar für uns Hobbybrauer relevant, aber für die akademisch Geneigten unter uns ist das auf jeden Fall ein schöner Quellenschatz. Ich habe jetzt alles nur ganz schnell überflogen: in Teil 3 wird z.B. näher auf Hansen (auch auf Fischer und Buchner)eingegangen und dazu noch auf die Ginger Beer Plant und Sake, Teil 4 befasst sich mit der Zytologie, Teil 5 mit den einzelnen Schritten der Fermentation etc.

Edit: Titel hinzugefügt