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Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 11:46
von chaos-black
Hallo liebe Leute,
da ich mit diesem reisserischen Titel hoffentlich die Aufmerksamkeit einiger erfahrener Sauerbierbrauer erlangt habe, möchte ich nun eine Frage stellen.
Ich hab schon oft von diesen merkwürdigen verschiedensten Säurebakterien gehört und dass man für eine gute Weisse auf mehrere Stämme Lactos und Brettanomyces zurückgreifen muss. Aber ich habe auch hin und wieder gelesen, dass Leute, die sich mal eine Infektion eingefangen haben, die zu Säure im Bier geführt hat, diese nicht wieder losgeworden sind. Ich selbst musste aus diesem Grund einen Plastikgäreimer (der wahrscheinlich feinste Putzrillen hatten) entsorgen. Manche dieser Organismen sollen sich über irgendwelche Schleimhüllen vor Putzmitteln schützen.
Ich würde mich freuen, wenn ihr bei mir für Klarheit in diesem Feld der Unsicherheit sorgen könntet: Kann ich eine Berliner Weisse mit den entsprechenden Stämmen ansetzen und sie auch wieder loswerden, oder sind dann alle meine Folgesude in dem Gärgefäß dazu verdammt Sauerbiere zu werden?
Meine konkreten Gegebenheiten sind folgende. Ich habe eine Gärkanne, die so aussieht:
https://data.polsinelli.it/imgprodotto/ ... -l_676.jpg . In der Mitte gibt es, auch von Außen sichtbar, soetwas wie eine Metallnaht. Ich befürchte nun, dass diese, ähnlich wie die Kratzer im Plastikeimer, die Stämme beherbergen und vor mir schützen könnten. Außerdem frage ich mich ob meine Reinigung auch für diese Organismen ausreicht: Ich spritze die Kanne mit etwa 60°C heissem Wasser aus und putze mit der weichen Seite eines Schwammes alle Verschmutzungen weg und gehe auch über Stellen, an denen keine sichtbar sind. Abschließend wird das ganze noch mit Isopropanol oder neuerdings Starsan eingesprüht. Vor der neuen Nutzung des Gärgefäßes wird es wieder ausgespühlt und mit dem genannten Mittel eingesprüht.
Würde mich freuen, wenn ihr mir helfen könntet. Bisher habe ich alle Sauerbiere aus den genannten Befürchtungen kategorisch ausgeschlossen, aber so eine richtige Berliner Weisse reizt mich doch...
Beste Grüße,
Alex
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 12:03
von Seed7
Alex,
ich gaere alles dureinander in kunsstoff und habe keine probleme.
Da du in metall gaerst gibt es dort noch weniger probleme. Richtig sauber machen, dan einen liter wasser in den topf und eine weile kochen. Trocknen! Kurtz vor den naechsten sub desifizieren.
Gefaerlich sind abfuellroehrchen die schlecht zu reinigen sind. Die gehen bei mir in warme lauge ~50°C und bleiben eine woche da drin stehen biss ich sie wieder brauche. Spuehlen, desinfizieren fertig.
Ingo
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 12:04
von Ladeberger
In den Staaten haben Brauereien die normale UND saure/wilde Biere produzieren oft zwei räumlich getrennte Kaltbereiche mit separatem Equipment. Selbst wenn ein gemeinsamer Kaltbereich genutzt wird und sogar gleiche Tanks, wird häufig das kritische Equipment (Pumpen, Armaturen, Schläuche, etc.) doppelt oder sogar dreifach ("clean"; nur Brett; Brett + Bakterien) angeschafft und eingesetzt.
Wie immer ist das alles natürlich eher im Bereich "best practice". Wenn 50 hl Bier einen Knacks haben - womöglich erst auf der Flasche beim Kunden - ist das im Profibereich einfach nicht akzeptabel. Denn theoretisch bekommt man alles auch so sauber. Es finden sich sicherlich auch neben Ingo weitere Beispiele für Brauereien, die das alles über dasselbe Equipment laufen lassen. Im Hobbybereich würde ich mir diesen Stress aber nicht antun und das Equipment im Kaltbereich konsequent duplizieren und am besten einen roten Sticker draufkleben.
Gruß
Andy
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 12:06
von Bierjunge
Brettanomyces ist das eine (ich erinnere mich an eine hartnäckig verschleppte Brett-Infektion, die Erlenmeyer beim Domens-Treffen dabeihatte, und die iirc nur mit konzentrierter Phosphorsäure und Wasserstoffperoxid eingedämmt werden konnte); gewiss Lacto-Stämme das andere. Hier ist mir Ulis Zitat im Gedächtnis:
Ulrich hat geschrieben:
ja, brevis, lindneri, casei und Konsorten sind die üblichen Verdächtigen. Die sind überall auf der Welt berühmt berüchtigt (ausser in meinem Labor, da haben die Hausverbot)
das die zur Produktion von Sauerbieren verwendet weden können (ob als Reinzucht oder in Kombi) steht ausser Frage, aber ich habe vor diesen Brüdern 5 x mehr Respekt, als vor allen Brettanomyces Stämmen zusammen. Eingeladen oder nicht, die kommen zu Besuch und bleiben sehr gerne n bissel länger, als erwünscht!

Ich glaube daher kommt der Spruch: "der letzte macht das Licht aus!"

Letztlich musst Du es selber wissen. Dein Vorgehen hört sich für mich zwar vernünftig an, und es gibt viele, die das erfolgreich so oder so ähnlich handhaben. Was natürlich keine Garantie dafür ist, dass es immer gutgehen muss. Grundsätzlich könnte es aber eine gute Idee sein, sämtliches im Kaltbereich verwendetes Equipment zu doppeln. Oder bei Übervorsicht sogar in einem anderen Raum, einer Art Quarantänebaracke zu vergären und abzufüllen
Moritz
Edit: Andy war schneller

Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 12:31
von jemo
Ich setze gelegentlich auch Brett-Stämme ein und desinfiziere das Gärfass hinterher mit Danklorix - bislang immer gut gegangen.
Evtl. käme für Dich eine Kesselsäuerung infrage, so würde ich das zumindest machen.
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 12:40
von Kurt
Grade bei berliner Weisse kann man eine Verschleppung der Lactos sehr gut durch eine getrennte Würzegärung verhindern:
Maischen und Läutern wie immer. Den Sud auf ~40°C abkühlen lassen und mit den Lactos anstellen (ich verwende dafür den Thermoport). Deckel drauf und mit CO2 den Sauerstoff verdrängen (Aerobe Keime unterdrücken!). Den TP noch ordentlich mit Decken einpacken und nach 24h mal den Säurungsgrad überprüfen. Falls noch nicht sauer genug weiter säuern lassen. Wenn sich die gewünschte Säure eingestellt hat die Würze Hopfenkochen (bei Weisse nur 5 Minuten!). Vorsicht, schäumt SEHR stark. Dann hat man die Lactos abgetötet und gibt die nun wieder sterile Würze zur normalen Hefegärung. Brettgaben (ich nehme gerne Orval Brett für Weiße) erfolgen dann ausschließlich mittels Spritze in die Flasche. So versaut man sich auch nix.
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 12:57
von Johnny H
Vor allem die Fähigkeit von Bretts, Biofilme zu entwickeln, ist wohl äußerst tückisch! Ich kenne zumindest einen Berliner Kollegen, der seit Jahren immer wieder aufflackernde Brett-Infektionen in seiner Ausrüstung mit sich rumschleppt.
Chris White (White Labs) rät diesbezüglich in einem Podcast in Bezug auf Brett, die verwendete Ausrüstung SOFORT nach Gebrauch sehr gründlich zu reinigen und auf keinen Fall zu warten!
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 19:15
von Wacke
Kurt hat geschrieben: Brettgaben (ich nehme gerne Orval Brett für Weiße) erfolgen dann ausschließlich mittels Spritze in die Flasche. So versaut man sich auch nix.
Wie berechnest du dann die Karbonisierung in der Flasche? Die Brett vergärt ja auch andere Zucker als die normale Hefe. Sprich, wenn du "normal" karbonisierst, wird es doch dann sehr spritzig oder (bzw. Flaschenbombengefahr?!). Nimmst du dann also einfach pi mal Daumen weniger Zucker zum karbonisieren in der Flasche oder wie genau?
viele Grüße
Sebastian
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Freitag 3. März 2017, 22:59
von Kurt
Meine Brett Flaschen sind die schweren von Hövels, die halten schon was aus und im Zweifel bläst der Plöppverschluss ab.Ich habe die Zuckermenge aber auch etwas verringert. Orval bekommt das ja schließlich auch hin...
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Montag 20. März 2017, 10:30
von Kurt
Ich habe mir mal die Mühe gemacht und das Rezept auf MaischeMalzundMehr eingestellt:
Berliner Weisse
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Mittwoch 22. März 2017, 17:20
von Exedus
Habe auch eine Frage zu diesem Thema und wollte keinen neuen Thread eröffnen.
Ich habe zur Zeit folgendes Desinfektionsmittel:
http://www.hobbybrauerversand.de/Sprueh ... tion-TM-70
Kann ich damit tatsächlich bedenkenlos, ohne nachzuspülen mein Abfüllröhrchen, die Spindel und den Spindelbehälter behandeln und es direkt benutzen? Alos noch Feucht?
Habe irgendwie bedenken, dass das Zeugs die Hefe angreift!?
Gleiche Frage auch nochmal für Isopropanol :)
Über etwas Klarheit würde ich mich sehr freuen

Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Mittwoch 22. März 2017, 17:30
von Bierjunge
Auch wenn die Vergällungsmittel bierkonform sein mögen, würde ich persönlich die Finger von vergällten Mitteln lassen. Nicht dass sich etwas davon geschmacklich im Bier wiederfindet (Acetalhyd kommt zwar natürlich im Bier vor, zu viel schmeckt man aber). Bezüglich der Hefe brauchst Du Dir aber keine Sorge zu machen.
Isoprop würde ich nur da verwenden, wenn sichgergestellt ist, dass es komplett abdampfen kann. Also nicht nass-in-nass.
Ich pflege mir regelmäßig aus italienischen Supermärkten unvergällten Weingeist mitzubringen (1 l dort für ca. 12 Euro; auf 70% verdünnt sind das sogar 1,35 l), das ist sogar deutlich billiger als das genannte vergällte Mittel. Damit kann man nach Herzenslust nass-in-nass herumsprühen und braucht sich keine Gedanken machen, sein Bier zu versauen.
Moritz
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Mittwoch 22. März 2017, 17:32
von Exedus
Ah, also immer erst vollständig verdampfen lassen?
Mit Leitungswasser nachspülen dürfte wohl ziemlich kontraproduktiv sein, oder?
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Mittwoch 22. März 2017, 22:44
von afri
Exedus hat geschrieben:
Mit Leitungswasser nachspülen dürfte wohl ziemlich kontraproduktiv sein, oder?
Kontraproduktiv ist hier, überhaupt Sterilität erziehlen zu wollen, wo es nicht möglich ist. Sauber muss man arbeiten, steril ist im Brauerbereich nicht möglich und m.E. nicht zielführend.
Insofern nein, mit Leitungswasser nachzuspülen bedeutet keine erneute Infektionsgefahr, die nicht auch schon vorher da war.
Achim
Re: Ist Berliner Weisse ein Gefahr für meine anderen Sude?
Verfasst: Donnerstag 23. März 2017, 00:41
von Simstex
afri hat geschrieben:Exedus hat geschrieben:
Mit Leitungswasser nachspülen dürfte wohl ziemlich kontraproduktiv sein, oder?
Kontraproduktiv ist hier, überhaupt Sterilität erziehlen zu wollen, wo es nicht möglich ist. Sauber muss man arbeiten, steril ist im Brauerbereich nicht möglich und m.E. nicht zielführend.
Insofern nein, mit Leitungswasser nachzuspülen bedeutet keine erneute Infektionsgefahr, die nicht auch schon vorher da war.
Achim
