Seite 1 von 1
Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Dienstag 11. Dezember 2018, 16:45
von Schaumschläger
Guten Tag in die Runde.
Ich braue seit einigen Monaten öfter mal kleinere Sude, inzwischen auch mit dem Grainfather. Anfangs war das noch ein nettes Hobby, aber inzwischen merke ich, dass ich viel mehr wissen möchte, als mein Kopf in der kurzen Zeit aufnehmen kann. Einiges erschließt sich mir aber noch nicht ganz. Dazu meine Frage:
Ich braue gerne Pils Biere nach tschechischem Vorbild. Stammwürze 11.9°P . Nach ca. 2 Wochen HG liegt das ganze meist so bei 4° P und ich fülle mit ca. 7,5% Speise ab. Spritzigkeit ist sehr angenehm. 40 Min. Maltoserast.
Bei meinem aktuellen Sud habe ich mich aber etwas bei der Speisenahme vertan. Da fehlten mir nun fast 0.5ltr. auf 20 liter. Nun war meine Idee, einen Moment früher abzufüllen, damit es spritzig genug bleibt. Habe nun bei 5°P abgefüllt. Zwei Tage vorher hatte ich die Kräusendecke abgeschöpft um besser sehen zu können, was sich da noch tut. Es kam noch eine ganz dünne Decke zurück. Ganz dünne große Bläschen. Sah aber nicht mehr sehr aktiv aus, so dass ich abgefült habe. Kann das Bier im geschlossenen Zustand nun überhaupt noch an die angepeilten 3,5-4°P Restextrakt runtergären? Entsteht dabei denn auch noch der Alkohol? Wenn das Bier am Ende im Glas ist, kann ich doch erst wirklich sehen, wieviel Alkoholgehalt das Bier hat, wenn ich spindle, richtig? Habe Angst, dass ich jetzt ein Bier mit 3.8 % Alkohol bekomme. Ich bin mir da nicht ganz sicher.
Ich habe übrigens 10 der 20 Liter in zwei NC Kegs abgefüllt, bei denen ich den Druck überwachen kann.
Kann mich mit kurzen Worten jemand aufklären, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege?
Ich danke euch im Voraus.
Gruß Dennis
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Dienstag 11. Dezember 2018, 16:55
von stefan78h
Das Bier vergärt normal.
Durch die Speise erhöht sich dein Alk. gehalt nicht.
Was aber passieren kann ist das der Druck in deinen Flaschen durch das Grünschlauchen zu hoch wird! Hast du ein Manometer an einer Flasche? (oder nur am Fass)
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Dienstag 11. Dezember 2018, 17:12
von cyme
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Freitag 14. Dezember 2018, 10:56
von Schaumschläger
Vielen Dank für die Antworten. Ja, dass sich durch die Speise der Alkoholgehalt nicht mehr signifikant verändert, glaube ich wohl. Das steht ja kaum im Verhältnis. Der Druck in den Fässern liegt nun bei ca. 1 bar. Ich hoffe, dabei bleibt es ungefähr.
Der Thread ist sehr interessant und erklärt viel. Aber ob nun in der Nachgärung der Plato-Wert noch weit fallen kann und ob dabei noch Alkohol entsteht, wird darin nun auch nicht angesprochen. Vielleicht ist es selbst erklärend und ich schnalle es nur nicht... wer weiß

Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Freitag 14. Dezember 2018, 13:02
von coyote77
Alkohol entsteht bei der Gärung (ebenso wie das CO2) aus dem verfügbaren Zucker (in dem Fall aus der zugefügten Speise). Solange noch Zucker da sind, die die Hefe verstoffwechseln kann, entstehen also Alkohol und CO2, und Zucker wird abgebaut (d.h. der Platowert sinkt).
Dadurch dass du durch die Speisezugabe das Jungbier gleichzeitig verdünnst, steigt jedoch der Gesamtalkoholgehalt des fertigen Bieres nicht. Anders wäre es, würdest du reinen Zucker für die Nachgärung benutzen.
Generell kann es gefährlich sein, zur Nachgärung in Flaschen abzufüllen, solange die Hauptgärung noch nicht abgeschlossen ist, da Du nie genau sagen kannst, wieviel vergärbarer Extrakt noch drin ist. Im ungünstigsten Fall zerreißt es die Flaschen mit einer hohen Verletzungsgefahr.
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Freitag 14. Dezember 2018, 14:59
von §11
Vielen Dank für die Antworten. Ja, dass sich durch die Speise der Alkoholgehalt nicht mehr signifikant verändert, glaube ich wohl.
So lange die Speise/ Zuckerlösung die gleiche StW hat wie dein Bier ändert sich der Alkoholgehalt gar nicht, nicht nur nicht signifikant
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Freitag 14. Dezember 2018, 15:02
von Boludo
Wenn ihr bei 5% abfüllt und das Bier wirklich bis auf 4% oder noch weiter gärt, dann könnt ihr Euch die Speise auch sparen.
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Freitag 14. Dezember 2018, 15:06
von §11
Boludo hat geschrieben: ↑Freitag 14. Dezember 2018, 15:02
Wenn ihr bei 5% abfüllt und das Bier wirklich bis auf 4% oder noch weiter gärt, dann könnt ihr Euch die Speise auch sparen.
Wenn es bis auf 2% runtergeht kann man sich auch das Abfüllen sparen

Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Freitag 14. Dezember 2018, 16:07
von Felix83
4 Grad P sind aber sicher nicht endvergoren bei einem normalen Lager mit 12 Grad P. Das geht mit Sicherheit auf 3 runter, wenn nicht sogar 2,5.
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Samstag 15. Dezember 2018, 16:49
von olibaer
§11 hat geschrieben: ↑Freitag 14. Dezember 2018, 14:59
So lange die Speise/ Zuckerlösung die gleiche StW hat wie dein Bier ändert sich der Alkoholgehalt gar nicht, nicht nur nicht signifikant
Nicht ganz richtig bzw. vollständig. Es fehlt: "
... und den gleichen Endvergärungsgrad" ;-)
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Samstag 15. Dezember 2018, 17:27
von §11
olibaer hat geschrieben: ↑Samstag 15. Dezember 2018, 16:49
§11 hat geschrieben: ↑Freitag 14. Dezember 2018, 14:59
So lange die Speise/ Zuckerlösung die gleiche StW hat wie dein Bier ändert sich der Alkoholgehalt gar nicht, nicht nur nicht signifikant
Nicht ganz richtig bzw. vollständig. Es fehlt: "
... und den gleichen Endvergärungsgrad" ;-)
Das stimmt natürlich. In Theorie müsste man sich eine Zuckerlösung mit der Extraktdifferenz basteln
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Montag 17. Dezember 2018, 19:12
von olibaer
§11 hat geschrieben: ↑Samstag 15. Dezember 2018, 17:27
olibaer hat geschrieben: ↑Samstag 15. Dezember 2018, 16:49
§11 hat geschrieben: ↑Freitag 14. Dezember 2018, 14:59
So lange die Speise/ Zuckerlösung die gleiche StW hat wie dein Bier ändert sich der Alkoholgehalt gar nicht, nicht nur nicht signifikant
Nicht ganz richtig bzw. vollständig. Es fehlt: "
... und den gleichen Endvergärungsgrad" ;-)
Das stimmt natürlich. In Theorie müsste man sich eine Zuckerlösung mit der Extraktdifferenz basteln
So umständlich müsste es gar nicht sein.
Eine Zuckergabe, die es durchaus vermag das Endprodukt nochmals in seiner gesamten Zusammensetzung zu verändern, wird vom Hobbybrauer überhaupt nicht kommuniziert.
Interessant schon alleine deshalb, weil z.B. 7 g/l Zuckerdosage wesentlich mehr Durchschlagskraft ins Endprodukt besitzt als z.B. die Entscheidung, ob ich 90% Pilsner- und 10 % Wiener-, oder doch lieber 90% Wiener- und 10% Pilsner-Malz in Einsatz bringe - mal abgesehen von der Würzefarbe.
Schlussendlich müsste man jede veröffentlichte Rezeptur, die mit bieranalytischen Größen wie Stammwürze, Vergärungsgrad und Alkoholgehalt daher kommt, die Zuckergabe aber nicht als Rezepturkomponente ausweist, erst mal in die Tonne treten - sie sind falsch, nicht richtig oder unvollständig.
Im direkten Vergleich: die Menge an "
Stopfhopfen" wird ja auch nicht unterschlagen, nur weil sie im Nachgang dosiert wird.
Überdeutlich dürften die Unterschiede zum Vorschein kommen, wenn ein "
Zwangskarbonisierer" und ein "
Speisegeber" nach der selben Rezeptur und mit identischen Rohstoffen ein Bier brauen. Das Ergebnis wird analytisch und sensorisch zwei ganz unterschiedliche Biere zum Vorschein bringen, obwohl nach dem selben Rezept gebraut. Dem lässt sich schon im "Plan" Abhilfe schaffen.
Allgemein gilt zu Berechnung einer Hopfengabe folgendes:
Gabemenge x Wertstoffgehalt x Ausbeute
Für Extraktlieferanten darf ähnliches gelten - erweitert um "Vergärbarkeit":
Gabemenge x Wertstoffgehalt x Ausbeute x Vergärbarkeit
Findet sich das gesamte Gefüge ausmultipliziert in einer Rezeptur, muss ich nichts mehr "
basteln" - es ergibt sich zwangsläufig ;-)
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Montag 17. Dezember 2018, 19:47
von Sebasstian
olibaer hat geschrieben: ↑Montag 17. Dezember 2018, 19:12
Überdeutlich dürften die Unterschiede zum Vorschein kommen, wenn ein "
Zwangskarbonisierer" und ein "
Speisegeber" nach der selben Rezeptur und mit identischen Rohstoffen ein Bier brauen. Das Ergebnis wird analytisch und sensorisch zwei ganz unterschiedliche Biere zum Vorschein bringen, obwohl nach dem selben Rezept gebraut.
Hi Oli,
genau darüber mache ich mir auch grade Gedanken und versuche das besser zu verstehen. Was sind den da so, sensorisch, Erfahrungswerte beim Unterschied zwischen Zwangskarbonisierung und Speisegabe bzw. Zucker? Ich habe sowohl Zwangskarbo als auch schon Zuckergabe in Flasche und auch im Keg gemacht. Aber eben nie mit dem gleichen Rezept und nie im direkten Vergleich.
Wie wirkt sichs jeweils aus?
Gruß,
Seb.
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Montag 17. Dezember 2018, 21:35
von olibaer
Sebasstian hat geschrieben: ↑Montag 17. Dezember 2018, 19:47
Wie wirkt sichs jeweils aus?
Nicht nur jeweils. Durch eine nachträgliche Zuckergabe verschiebt sich immer die
- ursprünglich festgestelle Stammwürze
- der ursprünglich festgestelle Endvergärungsgrad/Vergärungsgrad
- ein resultierender Restextrakt
- der Alkoholgehalt
Das gesamte Gefüge entrückt dadurch einem ursprünglich geplanten oder einem während der Herstellung festgestellten Zustand.
Nüchtern ausformuliert hat "
Braurezept" einfach nicht auf dem Zettel, was den Unterschied zwischen "
Gebrautem" und "
Fertigbier" ausmacht.
Erkenntnis:
Rezepte immer auf "
Fertigbier" rechnen, nicht nur auf "
Gebrautes" oder "
Endvergorenes".
Würzegewinnung und Vergärung der Selben beschreibt "
Bierbereitung" keineswegs in Gänze.
Der Hobbybrauer mit seinen Varianten für alleine "
Aufkarbonisierung", ist das beste Beispiel dafür.
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Montag 17. Dezember 2018, 21:47
von Boludo
Dass Zucker alles durcheinander wirft, verstehe ich.
Was ist aber der Unterschied von Speise zu Zwangscarbonisierung?
Stefan
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Montag 17. Dezember 2018, 22:53
von olibaer
Boludo hat geschrieben: ↑Montag 17. Dezember 2018, 21:47
Was ist aber der Unterschied von Speise zu Zwangscarbonisiedung?
Speise ist ein Halbfertigprodukt, das in seiner Zusammensetzung nicht festgelegt ist. So kann Speise u.a. sein:
- Vorderwürze
- Anstellwürze unvergoren
- Restextrakt (grün schlauchen)
- Antellwürze teilvergoren(Kräusen/Jungbier)
- Würze/Jungbier aus "diesem Sud" oder aus "anderen Suden"
- Zuckerlösung in beliebigen Konzentrationen
- Zucker ungelöst
- ... einfach nur vergärbarer Extrakt
Im Sinne von "
Karbonisierung" ist der vergärbare Extraktanteil von "
Speise" interessant. Er bestimmt "
Menge", die "
Ziel" in Zusammensetzung verändert.
Zwangscarbonisierung dagegen ändert an ursprünglicher "
Würzezusammensetzung" nichts. "
Endprodukt" bleibt in seiner Zusammensetzung nahezu unberührt, bis auf den gewollt zugesetzten Gasanteil.
Speise dosiert ein "
CO2-Potential" auf einer Trägersubstanz, wohingegen Zwangscarbonisierung CO2 in seiner reinen Form dosiert.
Re: Wieviel gärt noch nach?
Verfasst: Montag 17. Dezember 2018, 23:01
von Boludo
Ah ok, alles klar. Ich dachte, man geht bei Speise automatisch von Anstellwürze unvergoren aus.
Wieder was dazu gelernt!
Stefan