... ihr habt meinen Beitrag noch nicht gelesen
Hallo Felix,
felix_gue hat geschrieben: ↑Montag 25. November 2019, 20:01
Grundsätzlich würd ich gern alles darüber wissen. Das ganze Prozedere, Mengen Berechnung gibts ja die Rechner ...
Schon, aber die Rechner leisten an den entscheidenden Stellen nicht immer unbedingt das, was man sich zum jeweiligen Zeitpunkt erwartet.
Der Rechner interagiert "
nüchtern" und liefert keinerlei Abstraktionsebene zwischen "
bisher habe ich in g/l Zucker gedacht, jetzt denke ich in Liter Speise". Der Anwender sitzt oft davor und grübelt ob der Parameter, die jetzt wohl einzugeben sind.
(-> kein Vorwurf an den Rechner selbst)
Ich bin kein RHG-Fanatiker, aber dennoch stört mich an der Zuckerdosage, dass es mir dadurch regelmäßig die Alkoholkonzentrationen in die Höhe treibt, die Stammwürzen nachträglich nach oben ausgelenkt werden und die Vergärungsgrade nicht mehr dem entsprechen, wie sie ursprünglich einmal geplant waren. Zusätzlich werden die Rezepte, nebst den Vergärungsgraden für die Hefestämme, nicht mehr vergleichbar.
Die Zuckerdosage ist ein regelrechter "
Verschiebebahnhof". Nichts passt mehr zusammen, nichts ist so, wie es vor der Zuckerdosage einmal war. Die gesamte Rezeptur wird in ihren Werten und in einem letzten Prozessschritt "
runtergeritten" auf eine "
doofe" Karbonisierung - schlimm !
Obwohl ich längst auf Fassgärung umgestiegen bin und dadurch zusätzliche Freiheitsgrade möglich geworden sind(Spundventil, Nachkarbonisierung, Korrekturen aller Art), bin ich trotzdem kein "
Zwangskarbonisierer". Diese Vorgehensweise gefällt mir eben so wenig wie die Zuckergabe. Schlussendlich suche ich einen Weg zwischen "
Zwangskarbonisierung" und "
Zuckergabe" und der führt IMHO über die Karbonisierung mit Speise.
Seit einigen Suden hantiere ich nur noch mit Speise und wie ich "
rechnerisch" an die Sache herangehe, zeige ich
kurz auf ;-).
-> für das Umfeld der "
Aufbewahrung und Handhabung von Speise" darf insgesamt gelten, was hier bereits kommuniziert wurde.
Zur Findung eines Rechenwerkes habe ich mir in einem ersten Ansatz
Speise als
Surrogat für Haushaltszucker vorgestellt. Die Überlegung:
"
welche Menge Speise ersetzt 1 g Haushaltszucker"
Um diese Frage beantworten zu können, muss man nicht viel wissen von seiner Würze, die später als Speise gegeben werden soll. Es genügt die Kenntnis von der Stammwürze und eine erste Annahme für den Endvergärungsgrad.
Die Stammwürze der Speise kann man messen, für den Endvergärungsgrad(EVGs) kann man ggf. sinnvolle Annahmen treffen.
Multipliziert man den EVGs mit 0,81, erhält man
nach Balling den
wirklichen Endvergärungsgrad EVGw. Dieser Wert wird benötigt, um die vergärbare Extraktmenge in einer Extraktkonzentration(Stammwürze) festzustellen.
Beispiel:
EVGs 80% x 0,81 = 64,8 % EVGw
-> der Suffix s steht für
scheinbar, der Suffix w für
wirklich
Möchte man nun wissen, welche Speisemenge in Gramm 1 Gramm Haushaltszucker entspricht, genügt eine einfache Formel zur Extraktbilanz:
100 / (°P x EVGw[%])
Beispiel:
EVGw[%] = 64,8 % ( EVG 80 % x 0,81)
°P = 12
100 / (12 x 0,648) =
12,9 [g Speise/g Zucker].
In Worte gefasst steht da zu lesen:
12,9 g Speise mit 12 °P und einem Endvergärungsgrad von 80 % ersetzen 1 g Haushaltszucker.
Mit dieser Ergebnislage zum
Surrogat Speise, lassen sich nun Folgeberechnungen in jedwede Richtung anstellen. Ein Klassiker als Beispiel wäre:
"
Ich habe bislang 7 g/L Haushaltszucker für 5,1 g/L CO2 dosiert. Welche Speisemenge mit 12 °P und einem Vergärungsgrad von 80 % muss ich entnehmen, um später 20 Liter Bier auf die gleiche Menge CO2 aufkarbonisieren zu können ?"
12,9 [g Speise/g Zucker] x 7 [g Zucker/L Bier] x 20 [L Bier] =
1800 [g Speise] (-> zu entnehmen)
***
Das sind schon nette Zahlen. Zucker hätte ich nur gebraucht:
7 [g Zucker/L Bier] x 20 [L Bier] =
140 g Zucker
Wer sich dem Thema "
Speise" nähern möchte und die Idee "
weg vom Zucker" mit sich herum trägt, dem sei die Formel
100 / (°P x EVGw[%])
zum Einstieg und für planerische Aspekte empfohlen.
Die Formel vermittelt einen ersten Eindruck davon, welche Speisemengen in Gramm nötig sind, um ein Gramm Haushaltszucker in der Dosage zu ersetzen. Die zur Berechnung nötigen Werte lassen sich feststellen oder es lassen sich sinnvolle Annahmen treffen. Und für die, die sich mit Formeln etwas lästig tun, habe ich eine Tabelle erstellt, aus der sich die Entsprechungsmengen wie oben berechnet, ganz einfach ablesen lassen:

- Für eine Karbonisierung den Haushaltszucker(HZ) durch Speise ersetzen
Mit Kenntnis des "
Speiseäquivalents" zum Haushaltszucker, sind auch die üblichen Bedenkenträger
- zu wenig Speise bzw. zu viel Bier
- zu viel Speise bzw. zu wenig Bier
kein wirkliches Problem mehr:
Bsp.: zu wenig Speise:
Aus geplanten 20 Liter Bier sind 25 Liter Bier geworden:
25 Liter Bier im Ist - 20 Liter Bier im Plan = 5 l x 7 g/l Zuckerdosage = 35 g Zucker
Die 35 g Zucker zusätzlich gebe ich in die Speise oder in das Bier und das wars.
Bsp.: zu viel Speise:
Aus geplanten 20 Liter Bier sind 15 Liter Bier geworden:
20 Liter Bier im Plan - 15 Liter im Ist = 5 l x 7 g/l Zuckerdosage x 12,9 g Speise/g Zucker = 451 g Speise, die übrig sind.
Von den 1800 g Speise die ich mir aufbewahrt habe, dosiere ich nur 1800-451 = 1349 g
Ein "
Hipster"-Beispiel darf natürlich nicht fehlen ;-)
Bsp.: "Ich nehme mir mal' 1000 g Speise weg, was ich damit mache, das überlege ich mir, wenn es so weit ist."
Herr H. hat die Stammwürze der Speise mit 13°P festgestellt und Herr H. nimmt an, dass sie mit 78% zu Ende vergärt. In der Tabelle von oben findet Herr H. mit diesen Eckdaten den Wert
12,2 [g Speise/g Haushaltszucker].
So weit so gut ... 3 Wochen später. Bart & Bier sind bereit für den letzten Prozessschritt
Herr H. hat 23 Liter im Gäreimer und sein
Lieblings-Carbo-Rechner hat ihm ausgespuckt, dass 7,9 g/l Zucker für den gewünschten CO2-Gehalt zum Einsatz kommen müssen. Wie jetzt Zuckerbedarf und Speise aufteilen ?
Zuckerbedarf Gesamt = 23 Liter Bier x 7,9 g/l Zucker =
182 g Gesamtzuckermenge
Vergärbarer Zucker verfügbar in Speise = 1000 g Speise /
12,2 [g Speise/g Haushaltszucker] =
82 g Haushaltzucker-Äquivalent in Speise
In die 23 Liter Bier werden dosiert 100 g Haushaltszucker(182 g - 82 g) und 1000 g Speise(Äquivalent zu 82 g Haushaltszucker).
Hmm, ich find das jetzt schon lässig, dass man "
Speise" & "Zucker" nach belieben und völlig stressfrei miteinander kombinieren kann. Schick.
Ein letzte Überlegung zu diesem Thema:
"
Speise" als Surrogat für Zucker zu betrachten, halte ich für einen guten Ansatz.
Jedwede Spielart, selbst in der Kombination
Speise&Haushaltszucker, lässt sich darüber abbilden. Einzig eine sinnvolle Annahme für den
Speise-EVG ist nötig, um belastbares Zahlenmaterial für Weiterverrechnungen zu erhalten. Selbst wenn man sich hierbei um ein paar wenige Prozente vertut, sind die Auswirkungen nicht so gravierend, wie man es in einem ersten Moment annehmen mag(siehe Tabelle oben).
Ich kann nur raten, sich an diesem Thema zumindest einmal zu versuchen, vielleicht auch nur für einzelne Flaschen. Das Bier gewinnt und gelangt so ins Glas, wie es ursprünglich einmal geplant war.
P.S.: Ich habe die Ausführungen und Rechenwege konsequent in der Einheit Gramm gehalten. Eine Küchenwaage mit Tara-Funktion sollte für den Einstieg genügen und die Umrechnungen
w/w in
w/v etc. mittels Massendichte, sollen den Einstieg nicht unnötig komplizieren.
P.S.S.: Egal ob "
Zucker", "
Speise" oder eine Kombination aus Beidem. Grundsätzlich gilt für alle Berechnungsgrundlagen, dass die Biere die zur Karbonisierung anstehen, vollständig endvergoren sein müssen. Insbesondere "
Flaschenvergärer" sollten an diese Stelle ganz besonders auf Zack sein !!!
Viel Spaß & Erfolg
*** Ggf. kommt die Speisemenge im Rechengang
on Top. Das hängt davon ab, ob die Speisemenge entnommen wurde und die Entnahme die gepl. Würzmenge im Sinne des Rezeptes reduziert, oder ob bewusst mehr Würze produziert wird, um nach der Entnahme der Speise trotzdem noch auf die Zielmenge im Gäreimer zu kommen.