Es geht nun doch weiter: Ich habe meine Ernte vermälzt und möchte meine Erfahrungen teilen.
Beim Vorgehen habe ich mich an Wolfgang Kunze orientiert und versucht, das dort Beschriebene umzusetzen:
"Beispiel eines Weichverfahrens (nach Prof. Narziss)"
Nassweiche 4h bei 12°C -> 32% Feuchtigkeit
Luftrast 20h bei 17°C -> 34%
Nassweiche 4h bei 12°C -> 38%
Luftrast 20h bis 21°C -> 40%
Nassweiche 2h bei 15°C -> 44%
Das sollte ganz gut in einen Tagesablauf passen, wenn ich jeweils 18:00 einweiche. Die Feuchtigkeitsaufnahme wollte ich eigentlich durch Wiegen, ausgehend von angenommenen 12% Feuchtigkeit in der Gerste, kontrollieren. Da das Getreide jedoch perfekt ankeimte und ich so genau ohnehin nicht messen kann (es bleibt immer Wasser an den Körnern "kleben"), verzichtete ich vollständig darauf.
Weichen der Gerste
- Setup
Meine "Weiche" bestand aus einem Edelstahl - Obstkorb, der in eine entsprechend große Plastikbox passte.
Ich ging also damit und mit meinen 1300 g Gerste an den Start.
Beim ersten Einweichen erlebte ich bereits die erste Überraschung:
- Schwimmgerste
Im Kunze steht, dass etwa 0,1% - 0,2% des Getreides taube Körner sind, die als
"Schwimmgerste" anfallen. Diese Körner sind nicht keimfähig und werden ausgesondert. Wie bereits auf dem Bild zu sehen, war das bei meiner selbsterzeugten Braugerste wesentlich mehr - insgesamt 100g, also fast 8%.
Das machte mich neugierig und ich wollte wissen, was es mit diesen Körnern auf sich hat.
- Körner der Schwimmgerste
- 2021 03 SchwimmgersteInnen.JPG (40.33 KiB) 4961 mal betrachtet
Tatsächlich sind diese Körner innen hohl oder auch schwarz, teilweise sah es auch nach etwas Schimmel unter den Samenschalen aus.
Hier würde mich wirklich interessieren, was die Ursache für diesen großen Schwund ist
- falsche Düngung / Bewässerung beim Gerstenanbau
- falsche Behandlung beim Ernten / Dreschen / Lagern
- zu späte Vermälzung
Vielleicht hat jemand einen Tipp für mich.
Nach dem Entfernen der Schwimmgerste mit einem Schaumlöffel sah die Nassweiche dann ganz manierlich aus
- 8 % Verlust
Nun ging das eingangs beschriebene Programm los. Nach dem ersten Tag konnte man schon gut den typischen Geruch nach grünen Gurken wahrnehmen. Am zweiten Tag, also nach ca. 48h begann sich das Getreide zu regen, die erste Keimspitzen der Wurzelkeime brachen hervor:
- Brechhaufen
Keimen der Gerste
Ab jetzt ging es alles ganz schnell. Beruflich bedingt konnte ich nicht mehr die vorgegebenen Zeiten genau einhalten und so waren insbesondere die Luftweichen meist länger als angegeben. Nach 72h begannen die Wurzeln sich zu gabeln, auf dem Bild ist es leider nur vereinzelt zu sehen.
- Früher Gabelhaufen
In der Folge übergoss ich den "Haufen" jeweils Morgens und Abends einmal mit kaltem Wasser um ihn feucht zu halten. Durch das Sieb konnte alles gut abtropfen. Je länger die Keime wurden, umso wärmer wurde es im Getreide. Normalerweise hätte ich das mehrmals täglich umschütten sollen um die Wärme auszutragen - aber ich war tagsüber ja nicht zuhause und lies der Natur ihren freien Lauf.
Bereits am nächsten Tag -96h- griffen die Wurzelkeime ineinander.
- Greifhaufen
Und weitere 24 h später war bereits alles zu spät. Kunze schreibt "... solche verfilzten Grünmalzklumpen heißen Spatzen". Nun, bei mir hat es ganz schön gezwitschert.
- Spatzen
Jetzt wollte ich schnell abdarren, aber vorher noch eine Erkenntnis, die ich zu spät gemacht habe. Ich hatte nicht aufmerksam genug gelesen.
Bisher habe ich mich immer nur an den Wurzelkeimen orientiert. Das eigentlich Interessante sind aber die Blattkeime:
- für Pilsener Malz 2/3 bis 3/4 der Kornlänge
- für dunkles Malz 3/4 bis 1/1 der Kornlänge
Und dann muss man dazu eben auch wissen, dass sich diese Blattkeime komplett unter der Samenschale entwickeln. Dort gibt es eine entsprechende Wulst und wenn man sie sehen möchte, muss man die Spelze abpulen. Sobald man den Keim oben aus dem Korn herausschauen sieht, ist es eigentlich schon zu spät und die Keimung ist zu weit fortgeschritten ("Husaren").
Man sollte also nicht warten, bis der sichtbare Keim die oben beschriebenen Längen erreicht - dann ist er nämlich bereits doppelt so lang.
Ich las das leider erst in dem Moment, in dem die Husaren schon weitestehend aufgesessen waren.
Darren des Malzes
Also ging es sofort ans Schwelken, wozu ich den Haufen auf 2 Backbleche ausbreitete und auf das Fensterbrett in die Sonne zum sanften Trocknen stellte. Im Büro habe ich leider keinen Backofen. Nun, die schöne warme Sonne und die noch vorhandene Feuchtigkeit sorgten erste einmal für einen kräftigen Wachstumsschub und nahezu alle Blattkeime waren nun deutlich sichtbar.
Am Abend ging es dann endlich in den Backofen, wo ich bei ca. 40° Umluft mit Kochlöffel in der Tür das Malz in ca. 5 Stunden auf eine fühlbare Trockenheit brachte. Man sollte jedenfalls auch die Menge nicht unterschätzen: ein gutes kg Getreide füllt 2 Bleche locker aus:
- 1 kg Getreide auf 2 Blechen
Bei größeren Mengen wird es schnell eng im häuslichen Herd und wie beschrieben - wenn der Keimprozess erst einmal im Gange ist, dann läuft einem die Zeit davon.
Am nächsten Tag (das Malz war derweil bei Zimmertemperatur geparkt) habe ich es zum Darren für trocken genug befunden.
- Beim Trocknen / Schwelken
Ihr wisst das - nur der Vollständigkeit halber - erhitzt man zu nasses Malz zu früh, verklumpt die feuchte Stärke und ich erhalte unbrauchbares Glasmalz. Die Enzyme sterben ab und das Korn wird glasig - hart.
- Malz nach dem Darren
Ich habe bei ca. 100°C ca. 3h gedarrt und dabei ca. die letzte Stunde den Backofen komplett geschlossen.
Putzen des Malzes
Nun musste ich noch die bei mir viel zu üppigen Wurzelkeime entfernen. Aus der Erfahrung meines letzten Mälzversuches vor vielen Jahren wusste ich, dass man das am besten sofort mit dem frisch gedarrten Malz macht. Hier sind die Keime noch knochentrocken und spröde. Etwas später ziehen sie Luftfeuchtigkeit, werden dadurch weicher und biegsam und lassen sich ungleich schwerer entfernen.
Mein Obstkorb leistete auch hier gute Dienste - ich konnte das Malz einfach ein paar mal hin - und her bewegen und so die Keime abrubbeln:
- Putzen des Malzes
So, und am Ende hielt ich dann endlich 970g Malz in den Händen. Durch die deutlich zu lange Keimung und die viele Schwimmgerste liegt die Ausbeute deutlich unter den angegebenen ca. 80%.
Das Malz ist angenehm mürbe und schmeckt bereits recht süsslich. Ich denke, durch mein langes "Schwelken" in Sonne und Backofen habe ich unfreiwillig Caramalz hergestellt.
- Meine Ausbeute
Nun bin ich wieder am Überlegen, ob ich damit 4 Liter Bier braue oder ob sich die Arbeit nicht lohnt und ich nur mit einer Kongressmaische mal schaue, wie sich das Malz verhält.
Wahrscheinlich werde ich schon noch brauen ... Jetzt sind aber ja ohnehin erst einmal 4 Wochen Ruhe für die Enzyme.
Zusammenfassend noch meine persönlichen Erkenntnisse für Selbstmälzer
1. es lohnt sich überhaupt nicht und dient nur zur Beobachtung und zum Verständnis des Prozesses (es sei denn ich habe exotische Getreide)
2. man sollte zu einer Zeit mälzen, in der man die Gelegenheit ca. alle 4-8 Stunden nachzuschauen. Es geht alles sehr schnell
3. die Größe der Gefäße richtig einschätzen - aus 1kg Gerste werden fast 1,5 kg ausgeweichte Gerste, das Malz incl. Keime hat locker das 2,5 fache Volumen des Getreides
4. Schwelken sofort im Backofen und so schnell wie möglich (niedrige Schütthöhe, häufiges Wenden). Auf gleichmäßige Wärmeverteilung achten
5. Wurzelkeime sofort entfernen.
In diesem Sinne danke fürs Lesen und viel Spaß beim Nachmachen wenn ihr Lust darauf habt!
Schönes Wochenende
Tino