Hallo highii,
highii hat geschrieben: Samstag 25. April 2020, 08:15
Ich lese immer, dass bei obergärigen Bieren die Speise 10% (und bei untergärigen 7-8%) betragen soll.
Aber was heißt das nun ganz konkret? Heißt das, wenn ich 20l Würze habe, dass ich dann davon 2l Speise (obergäriges Bier) entnehme? Also 18l Würze zum Gären anstelle.
Oder heißt es, dass wenn ich 20l Würze zum Gären anstelle, dass ich am Ende der Gärung 2l Speise hinzugeben muss? (Also hätte ich vorher 22l haben müssen)
Bezüglich der %-Regeln schließe ich mich meinen Vorrednern weitestgehend an, allerdings lohnt ein differenzierter Blick hinter die Kulissen:
Diese %-Regeln sind als
Planzahlen zu verstehen, die sich auf eine zu entnehmende Würzemenge beziehen sollten und nicht auf eine finale
Speise-Dosagemenge. Letztere gehört immer und für jeden Einzelfall berechnet !!!
Tückisch ist im Umfeld
Speise die Chronologie der Abläufe. Möchte, oder muß man, chargenrein Speise dosieren, weiß man zum Zeitpunkt der Entnahme noch nicht, welche Mengen an Speise zur Karbonisierung benötigt werden. Hier liefern die
%-Regeln eine erste Idee. Mehr aber auch nicht. Die Spielarten "
ich hab zu viel", "
ich hab zu wenig", gehören mit zum Deal, der rund um eine Speisegabe ausgemacht ist.
Grundsätzlich darf aber gelten, egal ob Zucker oder Speise, dass sich eine berechnete Dosagemenge an vergärbaren Extrakt immer auf eine resultierende Gesamtmenge bezieht. Das sind die 100%, das ist das was wir in der Flasche oder im Fass haben.
Nehmen wir an du hast 10 Liter Bier gebraut, die du von 1,7 g/l CO2 auf 5,2 g/l CO2 aufkarbonisieren möchtest.
Dein
Speiserechner wird berechnen, dass dazu eine Haushaltszuckerdosage von ~ 7,2 g/l nötig ist.
Zur Aufkarbonisierung der Gesamtmenge benötigst du demnach: 10 Liter Bier x 7,2 g/l =
72 g Haushaltszucker.
Über zahlreiche Tools die hier im Umlauf sind, lässt sich in Abhängkeitkeit von Stammwürze, Endvergärungsgrad und Menge
ein allgemeiner Ansatz finden, welche Menge vergärbarer Extrakt in einem Liter Würze/Speise steckt:
1 Liter Speise mit 1°P und einem VGsEND von 75% enthält rund 6 g vergärbaren Extrakt.
Da die Abhängkeitkeiten zwischen vergärbarer Extraktmenge, Vergärungsgrad und ursprünglicher Extraktkonzentration(Stammwürze)
linear sind, kann es in klassischer Brauermanier mit Drei- und Vielsätzen für Folgeberechnungen weiter gehen.
Beispiel:
Nehmen wir an du hast 10 L Würze mit 12°P und einem VGsEND von 75% hergestellt und du möchtest die 72 g Haushaltszucker
komplett durch Speise ersetzen. Du hälst dich an die 10%-Regel und entnimmst deshalb 1 L Speise:
1 Liter Speise mit 1°P und einem VGsEND von 75% enthält rund 6 g vergärbaren Extrakt
1 Liter Speise mit 12°P und einem VGsEND von 75% enthält rund X g vergärbaren Extrakt
6 g Extrakt x 1 Liter x 75 VGsEND% x 12 °P
===================================== = 72 g vergärbarer Extrakt
1 Liter x 75 VGsEND% x 1 °P
Punktlandung:
Aus 10 L hergestellter Würze wird 1 L Speise entnommen. 9 L werden endvergoren und zur Nachgärung wird 1 L Speisemenge wieder zugesetzt.
Die in der Speise enthaltene vergärbare Extraktmenge ersetzt genau die berechnete Menge an Haushaltszucker(72 g).
Für diesen Fall scheint zu gelten, dass eine %-Regel zur Wirklichkeit passt.
Anderes Beispiel:
Nehmen wir an du hast 10 L Würze mit 15°P und einem VGsEND von 85% hergestellt und du möchtest die 72 g Haushaltszucker
komplett durch Speise ersetzen. Du hälst dich an die 10%-Regel und entnimmst deshalb 1 L Speise:
1 Liter Speise mit 1°P und einem VGsEND von 75% enthält rund 6 g vergärbaren Extrakt
1 Liter Speise mit 15°P und einem VGsEND von 85% enthält rund X g vergärbaren Extrakt
6 g Extrakt x 1 Liter x 85 VGsEND% x 15 °P
==================================== = 102 g vergärbarer Extrakt
1 Liter x 75 VGsEND% x 1 °P
Wenn Du jetzt, wie im Beispiel zuvor, die 1 L Speise zur Aufkarbonisierung der 9 L Bier verwendest und dich bei der Speisedosage weiter an die 10%-Regel hälst, wird dein Bier um 1,5 g/l CO2 überkarbonisiert sein(geplant 5,2 g/l CO2, ist 6,7 g/l CO2).
Ergo:
Zitat Moritz(Bierjunge): "
Solche Pauschalwerte sind absoluter Murks".
Im Umfeld Speisegabe diese
%-Regeln im besten Fall als
Planzahl für eine zu entnehmende Speisemenge verstehen. Niemals aber als finale Angabe zur Dosagemenge.