Hallo Zusammen,
wir betreiben ein Gästehaus an der Mosel. Bei dem einen oder anderen Bier kam mir irgendwann die Idee einmal die rechtlichen Hürden für das Anmelden einer Kleinstbrauerei zu checken um eventuell Brauseminare über unser Gästehaus vermarkten zu können bzw und auch das Bier anbieten zu können. Die Sache mit dem Zoll erschien mir nicht sehr problematisch, weil wir den wegen unserer Weingutes sowieso öfter im Haus haben zur Sektsteuerprüfung. Ich habe daraufhin die Kreisverwaltung in Wittlich angeschrieben und versucht herauszubekommen welche Institution dafür zuständig ist. Einige Stunden später meldete sich prompt ein freundlicher Herr vom Gesundheitsamt der mich an die Lebensmittelkontrolle verwiesen hat und meinte ich würde eine Email mit nötigen Auflagen bekommen. Blauäugig dachte ich dass dies schon zu erfüllen sein wird,... bis das hier kam :-) :
Eine Brauerei egal welcher Größe unterliegt dem Lebensmittelrecht.
Die Gesetzgebung ist äußerst umfangreich.
Einen ersten Überblick bekommen Sie sicherlich durch die Homepage des Brauerbundes und/oder den Verband der Privaten Brauereien Deutschland e.V.
http://www.brauer-bund.de/shop/fachliteratur.html
https://private-brauereien.de/de/privat ... chland.php
Empfehlenswert ist hier die Anschaffung der Leitlinie „Gute Hygienepraxis und HACCP“ des Deutschen Brauer-Bundes oder der Leitlinie „Hygiene und HACCP in kleinen und mittelständischen Brauereien“ des Verbandes der Privaten Brauereien Deutschland e. V.
Hier sind die wichtigsten Aspekte des Lebensmittelrechts speziell auf den Brauereibetrieb zusammengefasst. Diese sind leider nicht frei verfügbar können bei Bedarf über die Verbände erworben werden.
Gesetzlich geregelt sind die baulichen Anforderungen an Lebensmittelbetriebe allgemein in der Verordnung VO/EG)852/2004 speziell im Anhang II.
Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:
Betriebsstätten allgemein:
Umkleide/ Sozial- Toilettenräume
- Genügend be-/entlüftete Toilettenräume (Anzahl nach BG-Vorschriften), Handwaschbecken mit Warm- und Kaltwasser, Seifenspender und hygienische Händetrocknung (z.B. Einmalhandtücher)
- Umkleidemöglichkeit (Trennung rein/unreine Kleidung) je nach Bedarf.
Wichtig: Toilettenräume dürfen nicht unmittelbar in Räume öffnen in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird. (Produktionsräume, Lager..)
In Kleinstbetrieben, die evtl. an die privaten Wohnbereiche angrenzen und nur durch den Betreiber selbst betrieben werden, würde die private Toilette ausreichen. Im Rahmen der vorgeschriebenen lebensmittelrechtlichen Kontrollen würden diese Toiletten aber zur Betriebsstätte gehören und werden daher mit überprüft. (Das Betretungsrecht der Überwachungsbehörden für die Betriebsstätten wird damit auf den in diesen Fall privaten Wohnraum ausgeweitet).
Produktionsräume:
- Böden und Wände, abwaschbar, wasserundurchlässig, leicht zu reinigen. (BG-Norm beachten)
- Bodenablauf (Gully mit Geruchsverschluss, leicht zu reinigen).
- Decken/Deckenkonstruktionen möglichst glatt beschaffen, auf jeden Fall ohne Ablösung von Materialteilchen, Schimmelbefall, Kondensation.
- Beleuchtung, möglichst Splitterschutzlampen (zumindest in Räumen in denen offen Lebensmittel behandelt werden)
- Leicht erreichbare Handwaschbecken mit Warm- und Kaltwasser, Seifenspender und hygienische Händetrocknung (z.B. Einmalhandtücher) in den Produktionsräumen.
- vom Handwaschbecken getrenntes Spülbecken mit Warm+ Kaltwasser (je nachdem welche Gerätschaften evtl. gereinigt werden müssen).
- Belüftung, (Frischluft) z.B. Fenster zum Öffnen, mit Insektenschutzgitter ausgestattet oder falls Fenster nicht möglich eine entsprechende Zwangsbelüftung mit Wechselfilter.
- Fenster, Türen, Tore aus leicht zu reinigenden Materialien. Türen/Tore die ins Freie führen müssen dichtschließend sein. Ansonsten Vorkehrungen gegen Eindringen von Schadnagern installieren (z.B. Bürstenleiste)
- Ausreichende Lagerkapazitäten, ggf. separate Räumlichkeiten für (Rohwaren/Malz, Verpackung, Flaschen/Fässer…)
- Separate Aufbewahrung von Reinigungsgerätschaften und Reinigungs-/Desinfektionsmitteln (z.B. Putzmittelraum, Schrank)
- Zur Reinigung der Anlagen, Trinkwasser, Trinkwassergeeignete Schläuche, Armaturen.
Anlagen:
z.B. Braukessel, Sudpfanne, Getränkerohre, Tanks, Armaturen, Abfüllanlagen.
Alle Teile die mit Lebensmitteln in Berührung kommen müssen aus lebensmittelechten Materialien bestehen. Alle Anlagen und Gerätschaften müssen leicht zu reinigen und ggf. zu desinfizieren sein.
Bei speziellen Anlagen sind ggf. Din-Normen zu beachten.
Wenn dann der Bau abgeschlossen ist und die Anlagen funktionieren, kommen noch weitere Gesetzliche Vorgaben zum Tragen.
VO (EG) 178/2002 (hier sind Grundsätze zur Lebensmittelsicherheit festgelegt)
Ganz besonders wichtig sind folgende Artikel:
Artikel 14 (nur sichere Lebensmittel dürfen in Verkehr gebracht werden),
Artikel 18 (Rückverfolgbarkeit)
Artikel 19 (Verantwortung für Lebensmittel)
VO(EG) 852/2004
Artikel 4 (2) (Allgemeine und spezifische Hygienevorschriften) hier ist dann auch die Verknüpfung zum o.g. Anhang II festgelegt.
Artikel 5 (Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte) Erstellung eines Eigenkontrollsystems/ HACCP.
Kennzeichnung des Lebensmittels:
VO(EGU) 1169/2011 Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV)
Produktspezifische Gesetze (hier geht es um Reinheitsgebot, Bierbezeichnung)
Vorläufiges Biergesetz,
Verordnung zur Durchführung des Vorläufigen Biergesetzes
Bierverordnung
Grundsätzlich muss der Unternehmer durch eigene Überprüfungen und Kontrollen sicherstellen, dass das Lebensmitteln „verkehrsfähig“ und „sicher“ ist.
Dazu müssen die Lebensmittel von einem Labor (z.B. Internet, Liste der Gegenprobensachverständigen) untersucht und beurteilt werden.
(Kennzeichnung, Verkehrsfähigkeit, Mikrobiologie). Dann sind eigene Eigenkontrollkonzepte einzurichten.
Alle oben genannten Themen werden in den beiden genannten Leitlinien ausführlich erklärt.
Vorab wäre ggf. zu klären ob unter Umständen eine Baugenehmigung oder Nutzungsäderung beantragt werden muss.
Wenn dann das Vorhaben startbereit ist wäre noch ein Gewerbe bei der Verbandsgemeindeverwaltung anzumelden. Diese Daten werden uns dann weitergeleitet und Sie automatisch als Lebensmittelunternehmer bei der Lebensmittelüberwachung registriert.
Und das alles für ein paar Brauseminare und ein paar hundert Flaschen Bier im Jahr? Ehrlich gesagt fand ich das ziemlich vernichtend. Die Deutsche Gründlichkeit und Perfektion... der Wahnsinn! Ich vermute mal ich werde diese Idee begraben!
Viele Grüße, Markus