Recherche zu historischem Münsterschen Alt und Experimente mit Zwischenergebnissen
Verfasst: Donnerstag 22. September 2022, 14:16
Hallo liebes Forum,
nachdem ich nun seit ca. zwei Jahren nicht mehr in der Hobbybrauer-Facebookgruppe aktiv bin, da ich mein Konto verloren habe, dachte ich, ich bringe mich mal proaktiv übers Forum ein, was ich bis dato nie aktiv betrieben habe. Möglicherweise findet ja der/die ein oder andere gefallen an meinen Vorhaben:
Bereits vor Corona hatte ich die Idee mich im Stadtarchiv in Münster nach traditionellen Altbierrezepten umzusehen, vor einigen Tagen habe ich es endlich geschafft. Noch im 19 Jhd. hatte Münster immerhin 54 Altbierküchen und viele weitere Brauereien, die „bairisches“ Bier herstellten. Der Mitarbeiter des Archivs war super hilfsbereit und hat in kürzester Zeit etliches an Material aus den Archiven in den Lesesaal bestellt. Ein traditionelles Altbierrezept habe ich dabei leider nicht entdeckt, allerdings spannende Anhaltspunkte, an denen ich in den nächsten Monaten in der Stadt anknüpfen werde.
Unter den Materialien befand sich viel aus dem Nachlass von Walter Werland, der u.a. einiges zur Bier- und Kneipenkultur in Münster geschrieben und zusammengetragen hat. In dem Konvolut habe ich ein altes Keut-Rezept entdeckt, welches immerhin bis 1865 in Münster gebraut wurde. Dies überschneidet sich zeitlich ungefähr mit dem Höhepunkt des Altbiers in Münster. Das Keut-Rezept bleibt generisch, in Bezug auf spezifische Zutaten, der Brau-Prozess ist hinreichend genau beschrieben. (Die ursprünglichen Malz und Hopfensorten würde man sowieso nicht mehr erhalten).
Das Rezept beschreibt einen Kaltmaische-Prozess gefolgt von einem vierstündigen Koch-vorgang der Maische.
Die Altbiere wurden ziemlich sicher nicht wie ein Keut hergestellt, da sie eine helle Farbe hatten. Heftiges Maische-Kochen oder ein intensives Dekoktionsverfahren kann man damit nahezu ausschließen. Ob damals ein reproduzierbarer Infusionsprozess abbildbar gewesen ist, kann ich mit dem jetzigen Kenntnisstand nicht genau sagen, gehe aber Stand jetzt davon aus und werde mich in den nächsten Wochen genauer informieren. Möglicherweise wurde in einigen Altbierküchen, statt der Infusion, auch ein Kaltmaischprozess gefolgt vom Hopfenkochen der reinen Würze und nicht der Maische praktiziert.
Als Anhaltspunkte für Münsteraner-Alt habe ich Folgendes recherchiert: Alte Analysen der Altbierküchen Appels, Brüggemann, Fiehe und Mühlenhoff zeigen einen hohen Lactobacillus Gehalt, ähnlich wie Berliner-Weisse, einen CO2 Gehalt von circa 1 g/l, einen Alkoholgehalt von 3,5 - 4,5 % und einen Restextrakt von 2,5 - 5 %. Stammwürze dürfte demnach bei 7 bis knappe 11 P gelegen haben. Das Alt wurde pur getrunken oder mit Himbeersaft, Frischbier oder „bairischem“ Bier verschnitten.
Auch wenn es historisch nicht korrekt ist, habe ich, als erstes Experiment der Recherchen, eine Kreuzung des übermittelten Keut-Rezeptes mit einigen möglichen Zutaten eines Münsteraner-Altbieres geplant.
Hier das Rezept und Definitionen, die auf eigenen Annahmen beruhen, da das Keut-Rezept diese nicht determiniert. Die genauen Mengenbedeutungen kann man über Recherchen bestimmt präziser herausfinden. Ziel dieses ersten Versuchs ist aber auch nicht ein Bier nachzubrauen sondern sich für einen modernen Ansatz Inspiration zu holen.
1 Krug = 750 g
1 Eimer = 5 Liter
1 Handvoll = 50 g
Über Nacht = 12 Stunden
- Es werden 7 Krüge Malz (1 Krug Pilsener, 3 Krüge Roggen, 3 Krüge Weizen), 4 Eimer Wasser und eine Handvoll Weizen-Vollkornmehl vermengt. Die Maische ruht über Nacht bei Raumtemperatur. Am nächsten Morgen wird die Maische vier Stunden gekocht, sodass circa ein Eimer übrigbleibt. Im Original wird der Sud über einem Strohkarren und Laken geläutert, ich greife auf modernes Equipment in Form einer Läuterhexe zurück. Nach dem Läutern wird die Würze mit 4 Eimern Wasser bzw. auf 11 P verdünnt, an-schließend 10 min gekocht.
- Danach wird der Sud in zwei Teile (50/50) aufgeteilt.
- Teil Eins wird auf 25 Grad heruntergekühlt und mit den Lactos 5335 angestellt.
- Zu Teil Zwei wird eine halbe Handvoll Hopfen (Hallertauer Tradition) geben und 90 min gekocht. Nach 20 Minuten erfolgt eine weitere Hopfengabe, im selben Maße.
- Nach dem Kochen wird Teil Zwei auf 15 Grad gekühlt und mit der 1007 angestellt.
- Fünf Tage später wird Teil Eins erneut 10 min gekocht und ebenfalls auf 15 Grad gekühlt. Sämtliche Parameter werden so eingestellt, dass 11 P erhalten bleiben. Nun wer-den Teil Eins und Zwei zusammengeführt, die Gärtemperatur wird auf 20 Grad angehoben und bis Gärende gehalten.
- Karbonisiert wird mit 4 g/l. Auf die Nachgärung folgt eine dreimonatige Kellerreifung.
Ich bin super gespannt was das wird. Bei Interesse halte ich Euch gerne auf dem Laufenden. Zum Brauen des Rezeptes komme ich voraussichtlich aber erst im November, da bis dahin alle Gärgefäße verplant sind.
Über einen Austausch, zu sämtlichen genannten Themen und darüber hinweg, freue ich mich sehr :)
Falls Interesse besteht, update ich diesen Beitrag, zusätzlich zu dem Brauergebnis, mit meinen Rechercheergebnissen der nächsten Monate zu Münsteraner Altrezepten.
Liebe Grüße
PS: Ich habe zusätzlich, auf Basis der genannten und weiterer recherchierter Informationen, ein modernes Braurezept für ein helles Münsteraner-Alt entwickelt, was von den Parametern (Farbe, Malzschüttung usw.) deutlich näher am Original sein sollte als die Keut-Interpretation. Sobald ich dieses ausprobiert und für gut befunden habe, veröffentliche ich es bei Interesse ebenfalls gerne :)
nachdem ich nun seit ca. zwei Jahren nicht mehr in der Hobbybrauer-Facebookgruppe aktiv bin, da ich mein Konto verloren habe, dachte ich, ich bringe mich mal proaktiv übers Forum ein, was ich bis dato nie aktiv betrieben habe. Möglicherweise findet ja der/die ein oder andere gefallen an meinen Vorhaben:
Bereits vor Corona hatte ich die Idee mich im Stadtarchiv in Münster nach traditionellen Altbierrezepten umzusehen, vor einigen Tagen habe ich es endlich geschafft. Noch im 19 Jhd. hatte Münster immerhin 54 Altbierküchen und viele weitere Brauereien, die „bairisches“ Bier herstellten. Der Mitarbeiter des Archivs war super hilfsbereit und hat in kürzester Zeit etliches an Material aus den Archiven in den Lesesaal bestellt. Ein traditionelles Altbierrezept habe ich dabei leider nicht entdeckt, allerdings spannende Anhaltspunkte, an denen ich in den nächsten Monaten in der Stadt anknüpfen werde.
Unter den Materialien befand sich viel aus dem Nachlass von Walter Werland, der u.a. einiges zur Bier- und Kneipenkultur in Münster geschrieben und zusammengetragen hat. In dem Konvolut habe ich ein altes Keut-Rezept entdeckt, welches immerhin bis 1865 in Münster gebraut wurde. Dies überschneidet sich zeitlich ungefähr mit dem Höhepunkt des Altbiers in Münster. Das Keut-Rezept bleibt generisch, in Bezug auf spezifische Zutaten, der Brau-Prozess ist hinreichend genau beschrieben. (Die ursprünglichen Malz und Hopfensorten würde man sowieso nicht mehr erhalten).
Das Rezept beschreibt einen Kaltmaische-Prozess gefolgt von einem vierstündigen Koch-vorgang der Maische.
Die Altbiere wurden ziemlich sicher nicht wie ein Keut hergestellt, da sie eine helle Farbe hatten. Heftiges Maische-Kochen oder ein intensives Dekoktionsverfahren kann man damit nahezu ausschließen. Ob damals ein reproduzierbarer Infusionsprozess abbildbar gewesen ist, kann ich mit dem jetzigen Kenntnisstand nicht genau sagen, gehe aber Stand jetzt davon aus und werde mich in den nächsten Wochen genauer informieren. Möglicherweise wurde in einigen Altbierküchen, statt der Infusion, auch ein Kaltmaischprozess gefolgt vom Hopfenkochen der reinen Würze und nicht der Maische praktiziert.
Als Anhaltspunkte für Münsteraner-Alt habe ich Folgendes recherchiert: Alte Analysen der Altbierküchen Appels, Brüggemann, Fiehe und Mühlenhoff zeigen einen hohen Lactobacillus Gehalt, ähnlich wie Berliner-Weisse, einen CO2 Gehalt von circa 1 g/l, einen Alkoholgehalt von 3,5 - 4,5 % und einen Restextrakt von 2,5 - 5 %. Stammwürze dürfte demnach bei 7 bis knappe 11 P gelegen haben. Das Alt wurde pur getrunken oder mit Himbeersaft, Frischbier oder „bairischem“ Bier verschnitten.
Auch wenn es historisch nicht korrekt ist, habe ich, als erstes Experiment der Recherchen, eine Kreuzung des übermittelten Keut-Rezeptes mit einigen möglichen Zutaten eines Münsteraner-Altbieres geplant.
Hier das Rezept und Definitionen, die auf eigenen Annahmen beruhen, da das Keut-Rezept diese nicht determiniert. Die genauen Mengenbedeutungen kann man über Recherchen bestimmt präziser herausfinden. Ziel dieses ersten Versuchs ist aber auch nicht ein Bier nachzubrauen sondern sich für einen modernen Ansatz Inspiration zu holen.
1 Krug = 750 g
1 Eimer = 5 Liter
1 Handvoll = 50 g
Über Nacht = 12 Stunden
- Es werden 7 Krüge Malz (1 Krug Pilsener, 3 Krüge Roggen, 3 Krüge Weizen), 4 Eimer Wasser und eine Handvoll Weizen-Vollkornmehl vermengt. Die Maische ruht über Nacht bei Raumtemperatur. Am nächsten Morgen wird die Maische vier Stunden gekocht, sodass circa ein Eimer übrigbleibt. Im Original wird der Sud über einem Strohkarren und Laken geläutert, ich greife auf modernes Equipment in Form einer Läuterhexe zurück. Nach dem Läutern wird die Würze mit 4 Eimern Wasser bzw. auf 11 P verdünnt, an-schließend 10 min gekocht.
- Danach wird der Sud in zwei Teile (50/50) aufgeteilt.
- Teil Eins wird auf 25 Grad heruntergekühlt und mit den Lactos 5335 angestellt.
- Zu Teil Zwei wird eine halbe Handvoll Hopfen (Hallertauer Tradition) geben und 90 min gekocht. Nach 20 Minuten erfolgt eine weitere Hopfengabe, im selben Maße.
- Nach dem Kochen wird Teil Zwei auf 15 Grad gekühlt und mit der 1007 angestellt.
- Fünf Tage später wird Teil Eins erneut 10 min gekocht und ebenfalls auf 15 Grad gekühlt. Sämtliche Parameter werden so eingestellt, dass 11 P erhalten bleiben. Nun wer-den Teil Eins und Zwei zusammengeführt, die Gärtemperatur wird auf 20 Grad angehoben und bis Gärende gehalten.
- Karbonisiert wird mit 4 g/l. Auf die Nachgärung folgt eine dreimonatige Kellerreifung.
Ich bin super gespannt was das wird. Bei Interesse halte ich Euch gerne auf dem Laufenden. Zum Brauen des Rezeptes komme ich voraussichtlich aber erst im November, da bis dahin alle Gärgefäße verplant sind.
Über einen Austausch, zu sämtlichen genannten Themen und darüber hinweg, freue ich mich sehr :)
Falls Interesse besteht, update ich diesen Beitrag, zusätzlich zu dem Brauergebnis, mit meinen Rechercheergebnissen der nächsten Monate zu Münsteraner Altrezepten.
Liebe Grüße
PS: Ich habe zusätzlich, auf Basis der genannten und weiterer recherchierter Informationen, ein modernes Braurezept für ein helles Münsteraner-Alt entwickelt, was von den Parametern (Farbe, Malzschüttung usw.) deutlich näher am Original sein sollte als die Keut-Interpretation. Sobald ich dieses ausprobiert und für gut befunden habe, veröffentliche ich es bei Interesse ebenfalls gerne :)