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Gärung wieder anregen

Verfasst: Montag 24. April 2023, 11:28
von MarcoE
Hallo,

da dies mein erster Thread ist möchte ich mich kurz vorstellen. Ich heiße Marco und komme aus dem westfälischen Hamm. Als Hobbybrauer bin ich seit ungefähr 6 Jahren aktiv mit ca. 2-3 Suden in der Einkocherklasse und einem Sud mit 1hl im Jahr. Von den Kleinsuden waren 4 untergärige dabei, die ohne größere Probleme verliefen. Seit diesem Jahr braue ich auf einer 40l Anlage.

Nun zu meinem Problem:
Am 31.3 wurde ein Maibock gebraut (Rezept Hanghofer, stumpf umgestellt auf Infusion). Dummerweise habe ich mich im KBH mit der Ausbeute vertan, weshalb die angepeilte Stammwürze nicht erreicht wurde.
4,6 kg WiMa, 5,5 kg PiMa 550g Carahell, 330g Sauermalz, Hauptguss 30L, Nachguss 26L
Einmaischen 52°
57° 10 min
63° 30 min
71° 30 min
76° 10 min - Abmaischen
Kochdauer 80 min

Daraus wurden 39l mit 15,7°P und hinterher 34l Anstellwürze.
Ein frisches Paket Wyeast 2206 habe ich zur hälfte konserviert und zur anderen Hälfte mit einem selbstgemachten Starter auf 2l mit hoher Gäraktivität gezogen (ständiges Rühren mit Magnetrührer).
Würze auf ca. 8°C gekühlt, Hefe bei 8°C Außentemperatur rausgestellt und abkühlen lassen, mit Schaumkelle belüftet und angestellt. Dann bei 10°C mit Inkbird vergoren.
10.4. - 9,7°P
14.4. - 7,8°P langsame Temperaturerhöhung auf 12,5°C
19.4. - 6,2°P
22.4. - 6,2°P mit 60,5% sEVG

Ich habe dann am 22.4. aufgerührt und anschließend eine nachträgliche SVP entnommen. Diese war heute morgen bei 77% sEVG mit 3,6°P. Die Würze in der Kühltruhe steht immer noch bei 6,2°P.

Jetzt bin ich mit meinem Latein am Ende, wie soll ich weiter vorgehen? Wäre super wenn ihr mir ein paar Tips geben könntet.

Gruß Marco

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Montag 24. April 2023, 11:36
von gulp
Wärmer stellen. ~16°.

Gruß
Peter

Edith sagt: Das war viel zu wenig Hefe und du hättest schon vor zwei Wochen handeln müssen.

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Montag 24. April 2023, 11:44
von Commander8x
Ein Bockbier muss keinen hohen EVG haben. Hast du eine Schnellvergärprobe gemacht?

Gruß Matthias

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Montag 24. April 2023, 12:38
von MarcoE
Hallo und danke für die schnellen Antworten.
Edith sagt: Das war viel zu wenig Hefe und du hättest schon vor zwei Wochen handeln müssen.
Ja das ist mir bewusst, hat halt bisher trotzdem geklappt. Zweiter Magnetrührer mit Erlenmeyerkolben steht schon auf der Einkaufsliste.
Wärmer stellen. ~16°
Habe ich jetzt getan, mal abwarten.
Ein Bockbier muss keinen hohen EVG haben. Hast du eine Schnellvergärprobe gemacht?
s. Eingangspost:
Ich habe dann am 22.4. aufgerührt und anschließend eine nachträgliche SVP entnommen. Diese war heute morgen bei 77% sEVG mit 3,6°P. Die Würze in der Kühltruhe steht immer noch bei 6,2°P.
Gruß Marco

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Montag 24. April 2023, 13:11
von rakader
Bei 34 l und 10 °C Gärtempartur mit 2 l Starter ist der Sud eindeutig underpitched.


Ich konkretisiere mal Peters Aussage:
Ich habe das mal überschlägig durch einen Heferechner durchgejagt:
Im halben Beutel waren, wenn wir ein Alter der Hefe von 2 Monaten annehmen, 60 Milliarden Zellen. Benötigt wurden für Dein starkes Lager 930 Milliarden Zellen.

Du hättest bei angenommener 10 °P Stammwürze Starter mindestens einen Starter mit 5 l benötigt, den Du in drei Schritten propagiert hast. Bei der niedrigen Anstelltemperatur tippe ich sogar auf eine höhere Zellzahl.

Ich kenne die Hefe nicht, aber nach 12 Tagen Gärung und 60% sEVG springt manche Hefe bei höherer Temperatur nochmal an. Nehme es einfach als Diacetylrast an. Es kann aber schon sein, dass durch das Underpitching in der Zwischenzeit Fehlaromen entstanden sind (Hefestress).

Ich empfehle Dir fürs nächste Mal einen Heferechner (Yeast Calculator) zu verwenden.

Gruß
Radulph

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Sonntag 30. April 2023, 10:18
von MarcoE
Hallo,

nach dem Wärmerstellen und Aufziehen stieg die Aktivität erst wieder an.
Leider stagniert der Extraktabbau seit 4 Tagen in dem einem Gärbottich bei 5,5°P und in dem anderen Bottich bei 4,4°P. Die Hefe setzt sich schön ab und das Bier ist total klar.
Die SVP blieb bei 77% / 3,6°P.
Habt ihr noch einen Tipp wie ich das ganze noch retten kann? noch wärmer stellen wie die SVP? Oder kommt da nur Murx bei rum? Ich habe noch einmal aufgezogen, vielleicht bringt das ja was.
Ich wusste ja das ich underpitche, werde ich definitiv nicht mehr machen und mir mehr Starterequipment anschaffen, nach dem ich damit jetzt aufs Maul geflogen bin.

Gruß Marco

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Sonntag 30. April 2023, 10:42
von rakader
Es ist doch alles gesagt
Radulph

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Sonntag 30. April 2023, 14:31
von olibaer
Hallo Marco, hallo zusammen.
MarcoE hat geschrieben: Sonntag 30. April 2023, 10:18 Leider stagniert der Extraktabbau seit 4 Tagen in dem einem Gärbottich bei 5,5°P und in dem anderen Bottich bei 4,4°P. Die Hefe setzt sich schön ab und das Bier ist total klar. Die SVP blieb bei 77% / 3,6°P.
Habt ihr noch einen Tipp wie ich das ganze noch retten kann?
Wenn ich es bis hier hin richtig verstanden habe, dann geht es um die Extraktdifferenzen, die lt. SVG vergärbar sein müssten, aber bislang nicht vergoren werden konnten.
Zur Disposition stehen einmal (A) 1,9 Extraktprozente (5,5 - 3,6) und einmal (B) 0,8 Extraktprozente (4,4 - 3,6). Weiter scheint klar, dass die bisherigen Bemühungen (wärmer, aufrühren, warten, nachmessen, streicheln, hoffen, ...) für den aktuellen Zustand keine Verbesserung gebracht haben.

Das Bier ist aber deswegen nicht "schlecht", es ist nur nicht endvergoren.
Vielmehr gilt es die unvergorene Extraktdifferenz für den nächsten Schritt, für die Nachgärung/Karbonisierung, auf dem Zettel zu haben. Nach Balling gilt:

0,1 %mas Extrakt "vergärbar" erzeugen 0,46 g/L CO2.

Für die Fälle A und B lässt sich daraus berechnen, welches CO2-Potential in der unvergorenen Extraktmenge steckt:

A: 1,9 / 0,1 x 0,46 = 8,7 g/L CO2
B: 0,8 / 0,1 * 0,46 = 3,68 g/L CO2

Das sind ganz schöne Kaliber und sie können im Umfeld einer Flaschengärung für gehörigen Schluckauf sorgen. Im Umfeld einer Fassgärung hingegen, mit der Möglichkeit verbunden, unerwünschten Überdruck ablassen zu können, bedarf die Situation keiner besonderen Aufregung - sie bleibt kontrollierbar.

Du müsstest zur weiteren Klärung kurz nachfassen, wie dein Prozess nach der Hauptgärung für gewöhnlich ausschaut und welche Möglichkeiten du hast.

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Sonntag 30. April 2023, 14:44
von rakader
Das Problem ist, dass @MarcoE die Ergebnisse der SVP nicht auf den Fermenter übertragen bekommt. Ich führe das auf das Underpitching zurück. Das Jungbier ist jetzt über 4 Wochen auf dem Fermenter - da stellt sich nicht nur die Frage nach dem Restextrakt, sondern auch nach Fehlgeschmäckern aufgrund letaler Hefe und damit letztlich, welchen Tod man sterben will.

Soviel ist wohl festzuhalten: Optimal wird es nicht mehr. Oben hat es schon wichtige Hinweise gegeben, dass einem Bock ein gewisser Grad an Restsüße nicht schadet. Bei einem anderen Bierstil würde der Gärfehler stärker ins Gewicht fallen. Somit: Glück im Unglück.

Nun stellt sich die Frage für den Brauer: Geht es ihm um die optimalen Zahlenwerte oder den Geschmack? Die Entscheidung muss er treffen.
Ich selbst rate ab jetzt 2-3 Tage zuwarten. Und wenn sich dann nichts an der Gärung ändert, abfüllen und den Restextrakt einen guten Mann sein lassen. Ab da kommen dann @olibaers Berechnungen ins Spiel.

Gruß
Radulph

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Montag 1. Mai 2023, 14:56
von MarcoE
Hallo und danke für eure Antworten. Ich bin leider noch an Flaschengärung gebunden weshalb ich jetzt noch 1-2 Tage warte und dann beide Fermenter verschneide und ohne zusätzlichen Zucker abfüllen werde, sofern die Werte so stehen bleiben. Ich habe einmal Flaschenbomben gebaut weil die vorgelegte zuckerlösung nicht gut vermischt war, brauche ich nicht noch einmal.

Gruß Marco

Re: Gärung wieder anregen

Verfasst: Freitag 12. Mai 2023, 14:09
von MarcoE
Hallo,

ich wollte euch noch kurz berichten wie es weiter gegangen ist. Nach dem Wärmerstellen auf ca. 20°C hat der Fermenter mit 5,5 GG% die Arbeit wieder aufgenommen und ist auf 3,6 GG% runter. Diesen habe ich ganz normal mit Zucker letzten Sonntag abgefüllt. Der andere mit 4,4 GG% wollte nicht mehr.
Da die Hefe hier bei Raumtemperatur nicht weiterarbeitet habe ich dann ein Bier mit 1,6 g/l CO2 wenn ich ohne Zucker abfüllen würde. Wenn ich ein wenig Zucker dazugebe, vieleicht 0,5 GG% und die Hefe nur diesen Verstoffwechselt liege ich bei evtl. noch trinkbaren 1,6+0,5/0,1*0,46 = 3,9g/l CO2. Sollte die Hefe jedoch angeregt durch den Zucker wieder loslegen und alles verstoffwechseln reden wir über 1,6+(0,5+0,8)/0,1*0,46 = 7,6 g/l CO2 wenn ich mich nicht verrechnet habe. Soll ich das Risiko ohne Spundapparat oder Flaschenmanometer eingehen und am Sonntag abfüllen oder alles entsorgen, sind ja zwischenzeitlich dann auch schon 6 Wochen vergangen. Es riecht zumindest nicht kontaminiert oder so.

Gruß Marco