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Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 10:51
von chaos-black
Hallo liebe Community,
ich bin in der Vergangenheit gelegentlich darüber gestolpert, dass Hobbybrauer die Position vertraten, auf keinen Fall Sauerbiere zuhause zu brauen, da man sich sonst alles damit sonst die Braugerätschaften infizieren könne, was man, auch bei ordentlicher Reinigung, nur schwierig wieder los würde.
Was ist da dran? Was muss man beachten? Ich würde nämlich gern mal Sauerbier ausprobieren, möchte aber mir danach nicht neues Equipment zulegen müssen.

Danke schonmal!

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 11:23
von flying
Knall immer reichlich Hopfen rein. Da haben die bösen Laktos kaum eine Chance mehr.. :Smile

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 11:26
von Ladeberger
Das Hauptrisiko bei Sour/Wild ist sowieso, dass einem danach die meisten Biere aus sauberen Gärungen langweilig vorkommen :Wink

Ansonsten kommt es drauf an. Ich halte Lactobacillen z.B. für unproblematisch. Mir sind schon Hobbybrauerberichte zu Ohren gekommen, da ist ein ganzes Päckchen Wyeast Lactobacillus nicht in der Würze "ankommen", weil sie an der geringfügig zu hohen Hopfung gescheitert sind. Also wenn du nun erstmal milchsaure Biere wie Gose, Berliner Weisse & Co. brauen willst, würde ich mir da garkeinen Kopf machen. Ich denke (pferde-)haariger wird es erst mit Brett, Pediococcen und den zig anderen Mikroben, die bei den eher belgischen Geschichten dann eine Rolle spielen. Hierfür kann es wohl als gute Praxis gelten, für den Kaltbereich seperate Utensilien für die beiden Gärtypen anzuschaffen. Nicht so sehr, weil man es nicht auch so sauber bekäme, sondern eher damit man es nicht sauber bekommen muss. Das schont Umwelt und Nerven. Kostet auch garnicht so viel, da die Gärgefäße bei Sour/Wild sowieso sehr lange gebunden sind und man in der Zeit ja noch was anderes brauen will...

Am besten gelingt die Trennung durch seperate Räume/Ecken oder zumindest Beschriftung. So wird das auch im sehr empfehlenswerten Buch "American Sour Beers" beschrieben.

Gruß
Andy

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 13:18
von Ulrich
Wenn man ein wenig umsichtig das Sauerbier plant und durchführt, ist das schon realistisch.
Auf jeden Fall würde ich Dir raten bei der Wahl der zu verwendenden Milchsäure, umsichtig zu sein. ZB die Milchsäuren, die wir verwenden (für Kwas, Milchsäurepropagatin fürs Sudhaus) sind extrem Hopfenempfindlich und lieben relativ hohe Temperaturen für die Vermehrung.(45 - 48*C)=> die wachsen in keiner "normalem Anstell-Würze an"
Ich empfehle immer das Basisfermentat (oder Sauergut) separat herzustellen und später auszumischen. Wenn man so einen Lakto- Propagator richtig verwendet, kann man die Lactobac. Ewig führen.

Aber die Gefahren sollten auch nicht unterschätzt werden.

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 13:20
von Ulrich
Dadurch, dass man entsprechend bei hohen Temperaturen vergärt, Schaft man auch optimale Bedingungen für ungewünschte Mikroorganismen.

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 14:31
von olibaer
Ich halte Aussagen in dieser Form für gefährlich:
flying hat geschrieben:Knall immer reichlich Hopfen rein. Da haben die bösen Laktos kaum eine Chance mehr...
Ladeberger hat geschrieben:Ich halte Lactobacillen z.B. für unproblematisch...
Die meisten der Laktos(Familie der Lactobacillaceae -> Milchsäurebakterien) die wir in der Brauerei oder im Produkt finden, werden nach wie vor als obligate Bierschädlinge gehandelt. Ca. 70% aller Reklamationen die der Endverbraucher als "sauer werden" oder "verdorben" wahr nimmt, kommen genau aus dieser Ecke.

In dieser Familie(Laktobazillen) gibt es homofermentative Arten(produzieren Milchsäure UND Gas, meist CO2), die sich weder vom Alkoholgehalt noch vom Bitterstoffgehalt beeindruckt zeigen. Sie repräsentieren Klassiker aus dem Bereich der Primärkontamination(Hefe, Würze, Unfiltat, Filtrat) und sie haben vorzugsweise IN der Brauerei und vor der Abfüllung ihr Zuhause.

In Vertretung sei hier Lactobacillus lindneri genannt der sich zu dem noch schwer nachweisen lässt, keine Alkohol- oder Bitterstoffintoleranz aufweist, sehr klein ist und sich auch erst ab 15 PE(Pasteureinheiten) von Hitze beeindrucken lässt. L.lindnerei alleine bringt es in manchen Jahren auf 50% der Reklamationen - ein Haudegen unter den Lactos.


Gruß
Oli


Quellen:
Back, Werner, "Farbatlas und Handbuch der Getränkebilogie", Band 1
Brauwelt Nr.3/2013, S.58
Vorliegende Massendaten aus dem QS-Umfeld - gestreut über Jahre und Werke

EDITH: Rechtschreibung

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 14:43
von Ulrich
Der Lindneri und der Brevis sind schon zwei böse Buben. ich hätte mir eher gedacht den amylovorus oder amylolytikus zu verwenden. Meinet wegen auch den Acidofilus, aber von Caseii, Lindnerei oder Brevis würde ich schön die Finger davon lassen, das ist ganz und gar keine gute Idee.

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 14:50
von olibaer
Hallo Ulrich,
Ulrich hat geschrieben:Der Lindneri und der Brevis sind schon zwei böse Buben. ich hätte mir eher gedacht den amylovorus oder amylolytikus zu verwenden. Meinet wegen auch den Acidofilus, aber von Caseii, Lindnerei oder Brevis würde ich schön die Finger davon lassen, das ist ganz und gar keine gute Idee.
:goodpost:
Ganz genau - die Art macht den Unterschied. :Smile

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 15:20
von flying
Wo soll er denn den Lindneri und Brevis erwerben? Das sind schon sehr brauereitypische Schädlinge. Die bietet wohl nicht mal Weihenstephan an aber man kann ja nie wissen... :Greets Sortenrein wird wohl meistens der Amylolytikus verkauft. Der macht unter CO2-Wäsche eine sehr reine Säure.

Echte Spontangärung bei Bier ist ein reines Glücksspiel. Selbst in traditionellen Lambic-Brauereien haben sie Angst irgendwas zu verändern oder gar zu putzen. Da wurden bis zu 80 verschiedene Mikroorganismen nachgewiesen.

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 15:32
von Ladeberger
Ich bezog mich hier auch auf die üblichen Lacto-Kulturen, z.B. die von Wyeast mit L. buchneri oder entsprechenden Verfahren (z.B. als Art von Sauergut mit L. amylolyticus). Zudem säuern L. brevis zu schnell und geschmacklich sehr aggressiv, das ist kaum vernünftig steuerbar. Ein Gärgefäß, das später wieder für "saubere Gärungen" verwendet werden soll auf Gut Glück mit allerei bierschädlichen MOs zu beeimpfen ist in der Tat keine gute Idee, da stimme ich allen Vorschreibern zu.

Gruß
Andy

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 16:58
von GutGrut
L. brevis gibt es von White Labs und Wyeast.
Funktionieren aber ziemlich gut.

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Freitag 1. Mai 2015, 17:01
von Seed7
Ulrich hat geschrieben:Ich empfehle immer das Basisfermentat (oder Sauergut) separat herzustellen und später auszumischen. Wenn man so einen Lakto- Propagator richtig verwendet, kann man die Lactobac. Ewig führen.
Das ist die methode die ich moment nueze fuer einige Biere, das "Sauergut" mache ich mit der L.Brevis. Bei dem mischen der zwei Bieren gebe ich immer Brettanomyces dazu, sonst wird es ein langweiliges Bier. Daswichtigste an Sauerbieren ist nich die Sauere an sich sondern die ester die damit gemacht werden koennen. Bacterien die ein breites spectrum an saueren machen sind eigentlich interessanter als die Lacto's.

Meine gearfasser, Schläuche, abfuellroehrchen usw. benutze ich für alles durch ein ander und habe damit noch keine probleme empfunden.

@Ulrich, kann ich die L.brevis genau so wie die hefe einfrieren?

Ingo

Re: Sauerbier: Ein Risiko für Hobbybrauer?

Verfasst: Samstag 2. Mai 2015, 10:05
von Ulrich
Seed7 hat geschrieben:@Ulrich, kann ich die L.brevis genau so wie die hefe einfrieren?Ingo
Wie ich geschrieben habe, vertrete ich die Ansicht, daß es nicht ungefährlich ist, den Brevis zu kultivieren.
Aber im Algemeinen ist die Einlagerung von Laktos ein wenig anders zu handhaben.
Wir lagern auf Kryo Pearls sowohl die Hefe, wie auch die MS-B bei -70*C ein.
Bei Lakto.-B sollte man aber wissen, dass die viel empfindlicher auf niedrigen pH reagieren, bzw die Milchsäure toxisch für sie selber ist. Lakto. B lange Lagern bei niedrigem pH/ höherer Konzentration an MS (von Stamm zu Stamm unterschiedlich empfindlich) ist nicht Ziel-führend.