Mein 1. Sud - Samba Pale Ale
Verfasst: Mittwoch 7. Oktober 2015, 22:01
Erstens kommt es anders und ... so weiter
Nach langer Überlegung stelle ich meinen Bericht vom ersten Sud doch online.
Vorwort: Als eifriger Leser des Forums und natürlich auch der bebilderten Braudokumentation war mir die Vorgehensweise bei meinem ersten Sud glasklar, wo sollten denn da noch Probleme auftauchen?
Alles war gut geplant, die Zutaten komplett vorhanden, die Hardware (Brauereisoftware + computergesteuerte Kochplatte) hatte einen Probelauf von 10 min mit Wasser fehlerfrei gemeistert - also frisch ans Werk.
Die vorgesehene Zeit war von 9:00 Uhr - 16.00 Uhr - gaaaaanz entspannt. Die Berichte, dass so ein Sud, und gerade der Erste, einen ganzen Tag dauern können waren doch bestimmt nur auf eine unzureichende Planung und Anfängerfehler zurückzuführen. Mir passiert doch so etwas bestimmt nicht.
... und los ging es:
Der nagelneue Topf mit Ablasshahn von Amihopfen wurde gereinigt und am morgen vor dem Brauen zusammengebaut, Läuterhexe auch noch schnell mit rein - das 1. Problem trat auf.
Der Hahn war mit der mitgelieferten Dichtung nicht dicht zu bekommen, der Dichtring schnippte beim Anziehen immer wieder über den zu kleinen Rand am Hahn. Eine Scheibe mit größerem Durchmesser half auch nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich endlich einen schmalen passenden Dichtring gefunden und nach feinfühligem Festziehen des Hahnes war der Topf dicht. Leider stand auch das T-Stück für die Läuterhexe jetzt quer. Also noch einmal von vorn. Bei meinen Abdichtungsversuchen musste ich feststellen, das weder das T-Stück noch der Ablasshahn zur Zusammarbeit bereit waren, eines von beiden war immer in der falschen Stellung. Die aufmunternden Worte der besten Ehefrau von allen spornten mich aber zu immer neuen Versuchen an (Sisyphos hätte bestimmt aufgegeben) und letztendlich klappte alles zu meiner Zufriedenheit - Topf dicht, Hahn senkrecht, T-Stück gerade.
Jetzt noch schnell die Läuterhexe reingeschraubt und es konnte los gehen...
Wie ich feststellen musste, war auch die Hexe auf Widerstand gebürstet. Das sich das eine Ende der Hexe wieder aus dem T-Stück dreht, wenn man das andere Ende hineindreht, habe ich ja dann sofort bemerkt. Also mussten beide Enden gegeneinander verdreht werden, was eine Spannung innerhalb der Läuterhexe hervorrief. Wieder mit Feingefühl an die Sache herangegangen, die Hexe hielt. Jetzt schlugen aber die Naturgesetze erbarmungslos zu und die Spannung verdrehte die Läuterhexe im Topf sehr künstlerisch, ich würde sagen, fast abstrakt spiralförmig. Ein schöner Anblick, den ich bei wiederholtem Eindrehen der Hexe in das T-Stück noch mehrfach bewundern konnte. Meine Komentare zu diesem Problem veranlassten die beste Ehefrau von Allen, mir weiteren Mut zuzusprechen und dann hatte ich den Widerstand der Hexe gebrochen. Welch ein Triumph!!!
Zeitverlust: ca. 1 Stunde
... aber jetzt geht´s richtig los:
Schnell den alten Gartentisch geholt und alle Gerätschaften aufgebaut - welch ein Anblick! Leider war der Impellerrührer noch nicht fertig, aber der lange, selbstgelochte Kochlöffel macht auch was her. Und er erfüllte seinen Zweck!
Während des Aufheizens wurden die Zutaten abgewogen ... ... und eingemaischt. Die Software tat ihre Arbeit. Die erste und einzige Rast begann. Die Heizung wurde regelmäßig ein- und ausgeschaltet. Alles wird gut. Ein zufriedenes Lächeln umspielte das Gesicht des Brauers (fast hätte ich Braumeisters geschrieben). Mitglieder der Familie kamen vorbei, es wurde etwas gefachsimpelt (also von mir) und erstaunt in den Topf geschaut. Der Einsatz des großen Kochlöffels machte besonders den Kindern Spaß. Und die Heizung der Herdplatte ging an und aus und an und aus - sehr regelmäßig, zu regelmäßig! Das 2. Problem trat auf.
Eine kleine Datei auf dem Computer hatte in der Zwischenzeit irgendwann ihre Arbeit eingestellt, ohne das es auffiel. Einzig die angezeigte Temperatur auf dem Bildschirm änderte sich nicht, die Temperatur im Topf aber sehr wohl. Das etwas nicht stimmte bemerkte ich am beginnenden Wallen der Maische. Leichte Panik machte sich breit.
Ein Neustart des Programms behob den Fehler. Die Rastzeit wurde gefühlsmäßig (der erste Schritt zum Chaos, wie ich jetzt weiss) verkürzt.
Mit Argusaugen beobachtete ich die Hardware und wieder geschah das, mittlerweile, Vorhersehbare. Immer wenn die Herdplatte über die USB-Schnittstelle eingeschaltet wurde stürtzte an der anderen USB-Schnittstelle die Temperaturmessung ab. Neu gestartet - das gleiche Bild.
Nur wenige Dutzend Neustarts später, denn die Hoffnung stirbt zuletzt, wurde die Thermometerhardware an einen anderen USP-Port gesteckt und - it works.
Leider hatte ich bei der Vielzahl der Versuche die Rastzeit völlig aus den Augen verloren, Macht nichts, die Jodprobe hilft.
Was mir bis dato nicht bekannt war, war die Tatsache, dass sich so logisch aufgebaute Geräte wie, z.B. ein Computer, sich nicht immer logisch verhalten. Meine Gutgläubigkeit ausnutzend, dass jetzt alles gut gehen würde, fiel die Thermometerhardware jetzt unvorhersehbar unregelmäßig aus.
Zum Glück hatte ich auf mein Bauchgefühl gehört und am Freitag noch ein Ersatzthermometer (Flüssigkeitsthermometer) besorgt. Also auf die Technik gepfiffen und alles manuell geregelt. Diese Methode hat sowieso mehr mit dem ursprünglichen Brauen zu Tun. Aber wo hatte ich dieses verdammte Ding nur hingelegt, fragte ich mich nach mehrminütiger erfolgloser Suche, die am Ende eher einem Amoklauf ähnelte als einer gezielten Recherche. (Ich fand das Thermometer am Montag morgen auf meinem Schreibtisch an meiner Arbeitsstätte)
Die Panik wurde ein bisschen größer, erste Schweißperlen fanden ihren Weg auf meine Stirn.
Inzwischen hatte die beste Ehefrau (... und so weiter) ihr Bratenthermometer geholt und mir zur Verfügung gestellt. Das muss Liebe sein. Erleichtert wurde der Einschaltknopf am Thermometer gedrückt und ... nicht geschah. Wieder einmal stellte ich fest, das Batterien auch entladen werden, wenn sie keinerlei Aufgabe zu erfüllen haben. In diesem Moment schoss mir die Idee für ein wärmegetriebenes Thermometer durch den Kopf, was ja bei heißem Essen und Getränken auch sehr sinnvoll ist. Einzig, es half mir in diesem Moment recht wenig. Zum Glück habe ich in unserem Haushalt immer viele verschiedene Batterien vorrätig. Wie ich zu meinem Erstaunen feststellen musste, benutzen die niederträchtigen Produzenten von Bratenthermometern leider unübliche Batteriegrößen - jetzt machte sich wirklich PANIK breit. Der Schweiß floss in Strömen und das Brauerbier im Kühlschrank wurde vergessen.
Also wurde das Computerprogramm neu gestartet, um wenigstens die Temperatur ablesen zu können. Jetzt zeigte sich ganze Niedertracht der Technik. Alles funktionierte, kein Ausfall mehr.
Eine erste Jodprobe zeigte an - weiter kochen.
Eine zweite Jodprobe, 20 Minuten später, zeigte an - weiter kochen.
Ein dritte Jodprobe, 15 Minuten später, zeigte an - weiter kochen.
Ja, so könnte ich jetzt diese ganze Seite füllen. Es ist mir nicht gelungen ein jodnormal zu sichten. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich seit meiner Schulzeit mit der Chemie auf kriegsfuß stehe. Die Chemie hat das wohl nicht vergessen.
Kurzentschlossen habe ich dann nach zweistündiger Rast, sicher ist sicher, abgeläutert. Zwei Stunden nach dem Disaster. Wie lange die Rasttemperatur davor gehalten wurde wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben.
... Jetzt aber:
20 Minuten Läuterruhe, Würze vorschießen lassen und ... so richtig klar wurde die Würze auch nach 6-maligen Vorschießen nicht. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass ein grüner Messbecher beim Erkennen des Klarlaufens nicht sehr vorteilhaft ist.
Egal, Vorderhopfen in den Eimer, Hahn ein Viertel aufgedreht und siehe da, alles klar. Just in diesem Moment fiel der von mir angebrachte zusätzliche Lüfter an der Kochplatte aus. Ich hoffte, die Hendi überlebt das Brauen. Wenig später stellte der Computer seine Arbeit ein und lies sich nicht mehr einschalten. Das waren wohl die ersten Opfer meines Hobbies, ärgerlich, aber nicht zu ändern. Zum Hopfenkochen braucht man keinen Rechner!
Mittlerweile war es 15:00 Uhr, Zeit zum Kaffeetrinken mit der Familie.
Während des gemütlichen Beisammenseins im Kreise der Lieben überkam mich ein ungutes Gefühl und ich musste mal nach dem Topf sehen. Welche Überraschung, aus dem Hahn tröpfelte es nur noch. Ein Blick in den Topf, der Treber war noch nicht zu sehen und gut mit Flüssigkeit bedeckt. Also den Hahn etwas größer aufgedreht, na geht doch.
Um mich nicht zu wiederholen, bei jedem Kontrollgang das Gleiche. Ich hatte das Gefühl, an einer versiegenden Quelle zu stehen. Mittlerweile bedauerte ich, dass ich den Hahn nicht noch größer aufdrehen konnte, das Maximum war erreicht.
Endlich war es soweit, die Nachgüsse konnten beginnen, auch bei tröpfelndem Hahn.
Die Familie hatte das Kaffeetrinken inzwischen ohne mich beendet, manchmal muss man auch Prioritäten setzen.
Ich habe an diesem Tag sehr viel gelernt. Auch, dass eine Läuterhexe bei den Nachgüssen verstopfen kann. Denn nach einiger Zeit entsprang dem Hahn kein Tröpfchen mehr. Ein Ankippen des Topfes brachte kurzzeit ein trügerisches Gefühl der Hoffnung.
In diesem Moment wurde mir klar, dass es ein sehr langer Tag für mich werden würde. Ich entschloss mich, den Treber in einem Haushaltssieb auszuquetschen und die Würze durch einen Hopfenfilter zu klären. Leider sind Haushaltssiebe in der Regel recht klein und auch der Treber gibt seine Feuchtigkeit nur unter großen Zwang ab. Aber mit Geduld und Spucke kommt man schließlich zum Ziel ... wenn sich der Hopfenfilter kooperativ gezeigt hätte. Zu meinem Unglück hatte ich einen recht kleinen Filter gekauft der demzufolge sehr schnell verstopfte. Der Filter sah dann immer so aus wie eine Blutkonserve für grüne Männchen, haha Spaß muss sein, jetzt schon gegen 18:00 Uhr.
Die Familie hatte sich mittlerweile in die Wohnung zurück gezogen, es wurde auch etwas kühler. Die Nachbarn macht jetzt schon lustige Bemerkungen beim Blick über den Zaun, wer will es ihnen verübeln.
Aber da war doch noch was, ja der Hopfen. Der konnte die ganze Zeit das tun, wofür er da war, seine Bittere der Flüssigkeit überantworten. Bei der Verkostung werde ich wohl dann von einer Bitterbombe freudig überrascht werden, na wer´s mag - ich nicht.
Der Rest ist schnell erzählt, 90 Minuten Hopfenkochen (mit Sitzkissenisolation, ich wusste, ich habe etwas vergessen zu kaufen), dabei ein Treberbrot gebacken. Die völlig überraschend einbrechende Dunkelheit zwang mich in unsere offene Küche, was bei der Familie Begeisterungsstürme auslöste. Der Whirlpool hat auch funktioniert (hier mit Tortenring). Leider kamen nur 20 Liter Ausschlagmenge raus. Angepeilt waren 25 Liter. Der Rest steckt wohl im Treber.
Die Hefe ist gut gestartet ... ... und der selbstgebaute Würzekühler hat ganze Arbeit verrichtet. Um 22:30 Uhr wurde die Hefe zugegeben und am nächsten morgen gegen 8:00 Uhr war schon Revolution im Gäreimer.
Beim Aufräumen und säubern der Gerätschaften in der Nacht stellte ich dann noch fest, dass weder der Lüfter noch der Computer kaputt waren. Ein interessierter Beobachter meiner Brautätigkeit (ich nenne es einfach mal so) ist mit seinem Fuß unbemerkt an die Stromversorgung gekommen und hat diese unterbrochen. Zum Glück hatte ich der Kochplatte eine eigene Steckdose spendiert, sonst wäre mir das wohl sicherlich eher aufgefallen.
Mittlerweile sind fast drei Wochen vergangen. Im Gäreimer tut sich noch immer etwas. Messungen am letzten Donnerstag und dann am Sonntag haben einen unterschiedlich Platowert angezeigt. Sehr ungewöhnlich für die Nottingham.
Das Jungbier klebt an den Fingern (ja, ich habe beim Spindeln gekleckert). Ich glaube, da ist noch viel Zucker vorhanden.
Die Kostproben der Spindelflüssigkeiten waren interessant. Am Donnerstag war es nicht so bitter wie ich erwartet habe - es war noch viel bitterer.
Am Sonntag hatte die Bitterkeit spürbar abgenommen, es schmeckt ganz gut.
Ich persönlich würde sagen, dieser Tag war ein voller Erfolg, der zur vollsten Zufriedenheit, fast wie geplant, zu Ende gegangen ist. In zwei Wochen wird wieder gebraut. Ich freue mich schon darauf.
Viele Grüße
Archie
Nach langer Überlegung stelle ich meinen Bericht vom ersten Sud doch online.
Vorwort: Als eifriger Leser des Forums und natürlich auch der bebilderten Braudokumentation war mir die Vorgehensweise bei meinem ersten Sud glasklar, wo sollten denn da noch Probleme auftauchen?
Alles war gut geplant, die Zutaten komplett vorhanden, die Hardware (Brauereisoftware + computergesteuerte Kochplatte) hatte einen Probelauf von 10 min mit Wasser fehlerfrei gemeistert - also frisch ans Werk.
Die vorgesehene Zeit war von 9:00 Uhr - 16.00 Uhr - gaaaaanz entspannt. Die Berichte, dass so ein Sud, und gerade der Erste, einen ganzen Tag dauern können waren doch bestimmt nur auf eine unzureichende Planung und Anfängerfehler zurückzuführen. Mir passiert doch so etwas bestimmt nicht.
... und los ging es:
Der nagelneue Topf mit Ablasshahn von Amihopfen wurde gereinigt und am morgen vor dem Brauen zusammengebaut, Läuterhexe auch noch schnell mit rein - das 1. Problem trat auf.
Der Hahn war mit der mitgelieferten Dichtung nicht dicht zu bekommen, der Dichtring schnippte beim Anziehen immer wieder über den zu kleinen Rand am Hahn. Eine Scheibe mit größerem Durchmesser half auch nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich endlich einen schmalen passenden Dichtring gefunden und nach feinfühligem Festziehen des Hahnes war der Topf dicht. Leider stand auch das T-Stück für die Läuterhexe jetzt quer. Also noch einmal von vorn. Bei meinen Abdichtungsversuchen musste ich feststellen, das weder das T-Stück noch der Ablasshahn zur Zusammarbeit bereit waren, eines von beiden war immer in der falschen Stellung. Die aufmunternden Worte der besten Ehefrau von allen spornten mich aber zu immer neuen Versuchen an (Sisyphos hätte bestimmt aufgegeben) und letztendlich klappte alles zu meiner Zufriedenheit - Topf dicht, Hahn senkrecht, T-Stück gerade.
Jetzt noch schnell die Läuterhexe reingeschraubt und es konnte los gehen...
Wie ich feststellen musste, war auch die Hexe auf Widerstand gebürstet. Das sich das eine Ende der Hexe wieder aus dem T-Stück dreht, wenn man das andere Ende hineindreht, habe ich ja dann sofort bemerkt. Also mussten beide Enden gegeneinander verdreht werden, was eine Spannung innerhalb der Läuterhexe hervorrief. Wieder mit Feingefühl an die Sache herangegangen, die Hexe hielt. Jetzt schlugen aber die Naturgesetze erbarmungslos zu und die Spannung verdrehte die Läuterhexe im Topf sehr künstlerisch, ich würde sagen, fast abstrakt spiralförmig. Ein schöner Anblick, den ich bei wiederholtem Eindrehen der Hexe in das T-Stück noch mehrfach bewundern konnte. Meine Komentare zu diesem Problem veranlassten die beste Ehefrau von Allen, mir weiteren Mut zuzusprechen und dann hatte ich den Widerstand der Hexe gebrochen. Welch ein Triumph!!!
Zeitverlust: ca. 1 Stunde
... aber jetzt geht´s richtig los:
Schnell den alten Gartentisch geholt und alle Gerätschaften aufgebaut - welch ein Anblick! Leider war der Impellerrührer noch nicht fertig, aber der lange, selbstgelochte Kochlöffel macht auch was her. Und er erfüllte seinen Zweck!
Während des Aufheizens wurden die Zutaten abgewogen ... ... und eingemaischt. Die Software tat ihre Arbeit. Die erste und einzige Rast begann. Die Heizung wurde regelmäßig ein- und ausgeschaltet. Alles wird gut. Ein zufriedenes Lächeln umspielte das Gesicht des Brauers (fast hätte ich Braumeisters geschrieben). Mitglieder der Familie kamen vorbei, es wurde etwas gefachsimpelt (also von mir) und erstaunt in den Topf geschaut. Der Einsatz des großen Kochlöffels machte besonders den Kindern Spaß. Und die Heizung der Herdplatte ging an und aus und an und aus - sehr regelmäßig, zu regelmäßig! Das 2. Problem trat auf.
Eine kleine Datei auf dem Computer hatte in der Zwischenzeit irgendwann ihre Arbeit eingestellt, ohne das es auffiel. Einzig die angezeigte Temperatur auf dem Bildschirm änderte sich nicht, die Temperatur im Topf aber sehr wohl. Das etwas nicht stimmte bemerkte ich am beginnenden Wallen der Maische. Leichte Panik machte sich breit.
Ein Neustart des Programms behob den Fehler. Die Rastzeit wurde gefühlsmäßig (der erste Schritt zum Chaos, wie ich jetzt weiss) verkürzt.
Mit Argusaugen beobachtete ich die Hardware und wieder geschah das, mittlerweile, Vorhersehbare. Immer wenn die Herdplatte über die USB-Schnittstelle eingeschaltet wurde stürtzte an der anderen USB-Schnittstelle die Temperaturmessung ab. Neu gestartet - das gleiche Bild.
Nur wenige Dutzend Neustarts später, denn die Hoffnung stirbt zuletzt, wurde die Thermometerhardware an einen anderen USP-Port gesteckt und - it works.
Leider hatte ich bei der Vielzahl der Versuche die Rastzeit völlig aus den Augen verloren, Macht nichts, die Jodprobe hilft.
Was mir bis dato nicht bekannt war, war die Tatsache, dass sich so logisch aufgebaute Geräte wie, z.B. ein Computer, sich nicht immer logisch verhalten. Meine Gutgläubigkeit ausnutzend, dass jetzt alles gut gehen würde, fiel die Thermometerhardware jetzt unvorhersehbar unregelmäßig aus.
Zum Glück hatte ich auf mein Bauchgefühl gehört und am Freitag noch ein Ersatzthermometer (Flüssigkeitsthermometer) besorgt. Also auf die Technik gepfiffen und alles manuell geregelt. Diese Methode hat sowieso mehr mit dem ursprünglichen Brauen zu Tun. Aber wo hatte ich dieses verdammte Ding nur hingelegt, fragte ich mich nach mehrminütiger erfolgloser Suche, die am Ende eher einem Amoklauf ähnelte als einer gezielten Recherche. (Ich fand das Thermometer am Montag morgen auf meinem Schreibtisch an meiner Arbeitsstätte)
Die Panik wurde ein bisschen größer, erste Schweißperlen fanden ihren Weg auf meine Stirn.
Inzwischen hatte die beste Ehefrau (... und so weiter) ihr Bratenthermometer geholt und mir zur Verfügung gestellt. Das muss Liebe sein. Erleichtert wurde der Einschaltknopf am Thermometer gedrückt und ... nicht geschah. Wieder einmal stellte ich fest, das Batterien auch entladen werden, wenn sie keinerlei Aufgabe zu erfüllen haben. In diesem Moment schoss mir die Idee für ein wärmegetriebenes Thermometer durch den Kopf, was ja bei heißem Essen und Getränken auch sehr sinnvoll ist. Einzig, es half mir in diesem Moment recht wenig. Zum Glück habe ich in unserem Haushalt immer viele verschiedene Batterien vorrätig. Wie ich zu meinem Erstaunen feststellen musste, benutzen die niederträchtigen Produzenten von Bratenthermometern leider unübliche Batteriegrößen - jetzt machte sich wirklich PANIK breit. Der Schweiß floss in Strömen und das Brauerbier im Kühlschrank wurde vergessen.
Also wurde das Computerprogramm neu gestartet, um wenigstens die Temperatur ablesen zu können. Jetzt zeigte sich ganze Niedertracht der Technik. Alles funktionierte, kein Ausfall mehr.
Eine erste Jodprobe zeigte an - weiter kochen.
Eine zweite Jodprobe, 20 Minuten später, zeigte an - weiter kochen.
Ein dritte Jodprobe, 15 Minuten später, zeigte an - weiter kochen.
Ja, so könnte ich jetzt diese ganze Seite füllen. Es ist mir nicht gelungen ein jodnormal zu sichten. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich seit meiner Schulzeit mit der Chemie auf kriegsfuß stehe. Die Chemie hat das wohl nicht vergessen.
Kurzentschlossen habe ich dann nach zweistündiger Rast, sicher ist sicher, abgeläutert. Zwei Stunden nach dem Disaster. Wie lange die Rasttemperatur davor gehalten wurde wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben.
... Jetzt aber:
20 Minuten Läuterruhe, Würze vorschießen lassen und ... so richtig klar wurde die Würze auch nach 6-maligen Vorschießen nicht. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass ein grüner Messbecher beim Erkennen des Klarlaufens nicht sehr vorteilhaft ist.
Egal, Vorderhopfen in den Eimer, Hahn ein Viertel aufgedreht und siehe da, alles klar. Just in diesem Moment fiel der von mir angebrachte zusätzliche Lüfter an der Kochplatte aus. Ich hoffte, die Hendi überlebt das Brauen. Wenig später stellte der Computer seine Arbeit ein und lies sich nicht mehr einschalten. Das waren wohl die ersten Opfer meines Hobbies, ärgerlich, aber nicht zu ändern. Zum Hopfenkochen braucht man keinen Rechner!
Mittlerweile war es 15:00 Uhr, Zeit zum Kaffeetrinken mit der Familie.
Während des gemütlichen Beisammenseins im Kreise der Lieben überkam mich ein ungutes Gefühl und ich musste mal nach dem Topf sehen. Welche Überraschung, aus dem Hahn tröpfelte es nur noch. Ein Blick in den Topf, der Treber war noch nicht zu sehen und gut mit Flüssigkeit bedeckt. Also den Hahn etwas größer aufgedreht, na geht doch.
Um mich nicht zu wiederholen, bei jedem Kontrollgang das Gleiche. Ich hatte das Gefühl, an einer versiegenden Quelle zu stehen. Mittlerweile bedauerte ich, dass ich den Hahn nicht noch größer aufdrehen konnte, das Maximum war erreicht.
Endlich war es soweit, die Nachgüsse konnten beginnen, auch bei tröpfelndem Hahn.
Die Familie hatte das Kaffeetrinken inzwischen ohne mich beendet, manchmal muss man auch Prioritäten setzen.
Ich habe an diesem Tag sehr viel gelernt. Auch, dass eine Läuterhexe bei den Nachgüssen verstopfen kann. Denn nach einiger Zeit entsprang dem Hahn kein Tröpfchen mehr. Ein Ankippen des Topfes brachte kurzzeit ein trügerisches Gefühl der Hoffnung.
In diesem Moment wurde mir klar, dass es ein sehr langer Tag für mich werden würde. Ich entschloss mich, den Treber in einem Haushaltssieb auszuquetschen und die Würze durch einen Hopfenfilter zu klären. Leider sind Haushaltssiebe in der Regel recht klein und auch der Treber gibt seine Feuchtigkeit nur unter großen Zwang ab. Aber mit Geduld und Spucke kommt man schließlich zum Ziel ... wenn sich der Hopfenfilter kooperativ gezeigt hätte. Zu meinem Unglück hatte ich einen recht kleinen Filter gekauft der demzufolge sehr schnell verstopfte. Der Filter sah dann immer so aus wie eine Blutkonserve für grüne Männchen, haha Spaß muss sein, jetzt schon gegen 18:00 Uhr.
Die Familie hatte sich mittlerweile in die Wohnung zurück gezogen, es wurde auch etwas kühler. Die Nachbarn macht jetzt schon lustige Bemerkungen beim Blick über den Zaun, wer will es ihnen verübeln.
Aber da war doch noch was, ja der Hopfen. Der konnte die ganze Zeit das tun, wofür er da war, seine Bittere der Flüssigkeit überantworten. Bei der Verkostung werde ich wohl dann von einer Bitterbombe freudig überrascht werden, na wer´s mag - ich nicht.
Der Rest ist schnell erzählt, 90 Minuten Hopfenkochen (mit Sitzkissenisolation, ich wusste, ich habe etwas vergessen zu kaufen), dabei ein Treberbrot gebacken. Die völlig überraschend einbrechende Dunkelheit zwang mich in unsere offene Küche, was bei der Familie Begeisterungsstürme auslöste. Der Whirlpool hat auch funktioniert (hier mit Tortenring). Leider kamen nur 20 Liter Ausschlagmenge raus. Angepeilt waren 25 Liter. Der Rest steckt wohl im Treber.
Die Hefe ist gut gestartet ... ... und der selbstgebaute Würzekühler hat ganze Arbeit verrichtet. Um 22:30 Uhr wurde die Hefe zugegeben und am nächsten morgen gegen 8:00 Uhr war schon Revolution im Gäreimer.
Beim Aufräumen und säubern der Gerätschaften in der Nacht stellte ich dann noch fest, dass weder der Lüfter noch der Computer kaputt waren. Ein interessierter Beobachter meiner Brautätigkeit (ich nenne es einfach mal so) ist mit seinem Fuß unbemerkt an die Stromversorgung gekommen und hat diese unterbrochen. Zum Glück hatte ich der Kochplatte eine eigene Steckdose spendiert, sonst wäre mir das wohl sicherlich eher aufgefallen.
Mittlerweile sind fast drei Wochen vergangen. Im Gäreimer tut sich noch immer etwas. Messungen am letzten Donnerstag und dann am Sonntag haben einen unterschiedlich Platowert angezeigt. Sehr ungewöhnlich für die Nottingham.
Das Jungbier klebt an den Fingern (ja, ich habe beim Spindeln gekleckert). Ich glaube, da ist noch viel Zucker vorhanden.
Die Kostproben der Spindelflüssigkeiten waren interessant. Am Donnerstag war es nicht so bitter wie ich erwartet habe - es war noch viel bitterer.
Am Sonntag hatte die Bitterkeit spürbar abgenommen, es schmeckt ganz gut.
Ich persönlich würde sagen, dieser Tag war ein voller Erfolg, der zur vollsten Zufriedenheit, fast wie geplant, zu Ende gegangen ist. In zwei Wochen wird wieder gebraut. Ich freue mich schon darauf.
Viele Grüße
Archie