Bier Leben von Oliver Wesseloh
Verfasst: Donnerstag 14. Januar 2016, 08:51
Liebe Gemeinde,
zu meinem Geburtstag bekam ich von den Nachbarn das Buch "Bier Leben" von Oliver Wesseloh, dem ehemaligen Bier-Sommelier-Weltmeister. Aktuell habe ich es zu dreiviertel durch.
Obwohl für Buchbesprechungen unüblich, möchte ich mit dem Autor beginnen: Er sieht auf den Bildern aus wie "ein dufte Typ". Der Kumpel aus der Brauerei nebenan. Das ist wichtig, weil das Buch eigentlich bisher eine einzige Prosa aus seiner Perspektive war. Nett und flockig geschrieben, wenn auch ein bisschen der rote Faden fehlt. Von Kapitel zu Kapitel erwarte ich das Ziel des Buches, welches ich bisher nicht gefunden habe. Da gibt es Kapitel "Liebeserklärung an das Bier" (was eigentlich der Buchtitel ist, weil das, was der Autor dort schreibt, konsequent in jedem zweiten Absatz wiederholt wird). Es folgt ein kurzer Abriss der Bierhistorie, eine Beschreibung der weltweiten Bierszene, die deutsche Entwicklung (inklusive Beschreibung einiger deutschen Craft-Brauer) und nun, und da bin ich, eine Beschreibung der Bierzutaten. Gespickt ist das Buch mit vielen Interviews, z.B. mit Sabine Weyermann oder James Watt (Brewdog).
Was mich total nervt ist der Erzählstil und die heile Welt. Das Buch plätschert quasi vor sich hin. Das mag mit der "Vorbildung" zu tun haben, da man sich als Hobbybrauer ja schon ein bisschen auskennt. Allerdings wirkt es auch ein bisschen naiv dadurch, dass die Welt der Brauer extrem einfach zu sein scheint: Industrieplörre ist böse und wird von großen Braukonzernen produziert. Craft-Brauer sollte man Kreativbrauer nennen und sind die guten. Die bösen Konzerne verklagen und sind böse, Kreativbrauer hingegen helfen sich gegenseitig und es ist eine friedliche Hopfen-Hippie-Subkultur, in der sich jeder lieb hat. Sogar die Interviews wirken geschrieben und nur zur Freigabe den Interviewpartnern zugeschickt worden zu sein. Wenn Fragen und Antworten im gleichen Stil sind und sich perfekt ergänzen, hätte man auch einfach "Statements" der Personen als Brief abdrucken können.
Überhaupt sind Kreativbrauer die tollsten. Und eigentlich auch die Besten, nämlich die, die das Reinheitsgebot wirklich einhalten. Die bösen Industrieunternehmen verwenden Hopfenpellets oder gar Extrakte, und sogar Filterhilfsmittel!
Wo wir lustigerweise beim elementaren Widerspruch sind, den ich nicht verstehe: Kieselgur und Hopfenextrakt sind total böse und gehören verboten - gleichzeitig ist es aber auch unverschämt, dass Camba sein "Milk Sout"[sic!] nicht verkaufen darf. Wie wir uns erinnern, angereichert mit Lactose, und eben nicht mit natürlicher Milch. (Übrigens auch nicht auf der Insel unter dem Namen Milk Stout verkehrsfähig, aber das wäre wohl zu komplex für das Buch).
Außerdem wird komplett einseitig beleuchtet. Es ist nicht ein kontroverses Statement zu lesen. Nicht ein Industriebrauer wurde interviewt, nicht an einer Stelle ein Diskurs eröffnet. So bleibt halt ein 240 Seiten langer Monolog im Sinne von "Opa erzählt aus dem Craft-Brewer-Aufschwung".
Nunja, das liest sich jetzt schlimmer als es ist. Ich werde es noch zu Ende lesen, so nebenbei, aber einen Erkenntnisgewinn erwarte ich mir nicht mehr. Das Buch ist für die Brauerszene das, was Hackerland für den CCC und die deutsche Hackerszene war. Ein Teaser, der vieles naiv vereinfacht, aber vielleicht den "unbescholtenen" Bürger anspricht, der dadurch Durst bekommen soll.
Für bereits Hobbybrauende ist das Buch nicht geeignet. Zu oberflächlich und selektiv erscheint die Themenauswahl, zu viel Prosa, zu wenig Hintergrundwissen. Wohl ist es aber vielleicht das geeignete Buch, welches man Personen schenken kann, die man begeistern möchte. Vielleicht schenkt man es dem Gastwirt seiner Lieblingskneipe, der immer schon interessiert nach dem Hausbrau fragte. Oder dem Restaurantbesitzer, dem man zeugen möchte, dass es durchaus Lieferanten für gutes Bier in Deutschland gibt und das keine Randerscheinung ist.
Aber was denkt ihr?
zu meinem Geburtstag bekam ich von den Nachbarn das Buch "Bier Leben" von Oliver Wesseloh, dem ehemaligen Bier-Sommelier-Weltmeister. Aktuell habe ich es zu dreiviertel durch.
Obwohl für Buchbesprechungen unüblich, möchte ich mit dem Autor beginnen: Er sieht auf den Bildern aus wie "ein dufte Typ". Der Kumpel aus der Brauerei nebenan. Das ist wichtig, weil das Buch eigentlich bisher eine einzige Prosa aus seiner Perspektive war. Nett und flockig geschrieben, wenn auch ein bisschen der rote Faden fehlt. Von Kapitel zu Kapitel erwarte ich das Ziel des Buches, welches ich bisher nicht gefunden habe. Da gibt es Kapitel "Liebeserklärung an das Bier" (was eigentlich der Buchtitel ist, weil das, was der Autor dort schreibt, konsequent in jedem zweiten Absatz wiederholt wird). Es folgt ein kurzer Abriss der Bierhistorie, eine Beschreibung der weltweiten Bierszene, die deutsche Entwicklung (inklusive Beschreibung einiger deutschen Craft-Brauer) und nun, und da bin ich, eine Beschreibung der Bierzutaten. Gespickt ist das Buch mit vielen Interviews, z.B. mit Sabine Weyermann oder James Watt (Brewdog).
Was mich total nervt ist der Erzählstil und die heile Welt. Das Buch plätschert quasi vor sich hin. Das mag mit der "Vorbildung" zu tun haben, da man sich als Hobbybrauer ja schon ein bisschen auskennt. Allerdings wirkt es auch ein bisschen naiv dadurch, dass die Welt der Brauer extrem einfach zu sein scheint: Industrieplörre ist böse und wird von großen Braukonzernen produziert. Craft-Brauer sollte man Kreativbrauer nennen und sind die guten. Die bösen Konzerne verklagen und sind böse, Kreativbrauer hingegen helfen sich gegenseitig und es ist eine friedliche Hopfen-Hippie-Subkultur, in der sich jeder lieb hat. Sogar die Interviews wirken geschrieben und nur zur Freigabe den Interviewpartnern zugeschickt worden zu sein. Wenn Fragen und Antworten im gleichen Stil sind und sich perfekt ergänzen, hätte man auch einfach "Statements" der Personen als Brief abdrucken können.
Überhaupt sind Kreativbrauer die tollsten. Und eigentlich auch die Besten, nämlich die, die das Reinheitsgebot wirklich einhalten. Die bösen Industrieunternehmen verwenden Hopfenpellets oder gar Extrakte, und sogar Filterhilfsmittel!
Wo wir lustigerweise beim elementaren Widerspruch sind, den ich nicht verstehe: Kieselgur und Hopfenextrakt sind total böse und gehören verboten - gleichzeitig ist es aber auch unverschämt, dass Camba sein "Milk Sout"[sic!] nicht verkaufen darf. Wie wir uns erinnern, angereichert mit Lactose, und eben nicht mit natürlicher Milch. (Übrigens auch nicht auf der Insel unter dem Namen Milk Stout verkehrsfähig, aber das wäre wohl zu komplex für das Buch).
Außerdem wird komplett einseitig beleuchtet. Es ist nicht ein kontroverses Statement zu lesen. Nicht ein Industriebrauer wurde interviewt, nicht an einer Stelle ein Diskurs eröffnet. So bleibt halt ein 240 Seiten langer Monolog im Sinne von "Opa erzählt aus dem Craft-Brewer-Aufschwung".
Nunja, das liest sich jetzt schlimmer als es ist. Ich werde es noch zu Ende lesen, so nebenbei, aber einen Erkenntnisgewinn erwarte ich mir nicht mehr. Das Buch ist für die Brauerszene das, was Hackerland für den CCC und die deutsche Hackerszene war. Ein Teaser, der vieles naiv vereinfacht, aber vielleicht den "unbescholtenen" Bürger anspricht, der dadurch Durst bekommen soll.
Für bereits Hobbybrauende ist das Buch nicht geeignet. Zu oberflächlich und selektiv erscheint die Themenauswahl, zu viel Prosa, zu wenig Hintergrundwissen. Wohl ist es aber vielleicht das geeignete Buch, welches man Personen schenken kann, die man begeistern möchte. Vielleicht schenkt man es dem Gastwirt seiner Lieblingskneipe, der immer schon interessiert nach dem Hausbrau fragte. Oder dem Restaurantbesitzer, dem man zeugen möchte, dass es durchaus Lieferanten für gutes Bier in Deutschland gibt und das keine Randerscheinung ist.
Aber was denkt ihr?