wirbelt die vorgelagerten Berechnung ein wenig durcheinander. Die Wassermengen passen nicht mehr zu den
Konzentrationen, die Zielmenge zu erreichen gestaltet sich mitunter auch ein wenig schwierig und an der
Ausbeute muss man zusätzlich rumknobeln. Eine für den Normalfall berechnet Nachgussmenge einfach auf
den Hauptguss draufsatteln hat auch Grenzen, da u.a. die Maischgefäße zu klein dafür sind. Weiter ist so mancher
Rezeptrechner nicht einig damit, die Nachgussmenge einfach auf 0 zu setzen.
Hauptursache für die Ungereimtheiten ist die gängige Formel die man zur Berechnung des Hauptgusses verwendet.
Man findet sie u.a. in dem weit verbreiteten und in etlichen Varianten verfügbarem Dokument hier, in Lehrmaterial
und der Vollständigkeit halber, auch unten in der Formelsammlung(Formel 4.2)
Zum Aufzeigen der Problematik rund um die Hauptgussmengen und zur Lösung des Problems, hier ein Beispielrezept für ein VWB:
Ziel (AW = Ausschlagwürze):
- AWkalt = 14,0 GG %(°P)
- AWkalt = 20 L
- Sudhausausbeute SAkalt = 70 %(Normalwert für die übliche Kaltwürzeausbeute)
- Vorderwürzeausbeute VWA oder VWAusbeute = 45 % (als Mittelwert aus einschlägiger Fachliteratur entnommen[2], normal sind Werte zwischen 40-50%)
- Verdampfungsziffer VZ = 9 % (Die stündliche Verdampfung in % bezogen auf die AWheiß [L])
- Kontraktionsfaktor = 0,96
- Kochdauer = 80 min
- Die Nachgussmenge ist 0
- Die Pfannevoll Menge entspricht der Vorderwürzemenge
- Die Pfannevoll Konzentration entspricht der Vorderwürzekonzentration
- Die Extraktgewinnung ist nach dem Prozessschritt "Vorderwürze abziehen" abgeschlossen
- Die Vorderwürzekonzentration liegt unter der Zielkonzentration der Ausschlagwürze(sonst deutlich darüber)
- Die Vorderwürzeausbeute fällt höher aus als gewöhnlich, da die Vorderwürzekonzentration, in Bezug zu einer identischen
Zielkonzentration der Ausschlagwürze, geringer ausfällt und so der Extrakt leichter aus den Trebern gewaschen werden kann
Schüttungsberechnung(01) VS1 mit der normal üblichen Sudhausausbeute SAkalt (Formel 7) für ein Bier mit Nachgüssen(nur zur Info)
Schüttung kg = 20 L x 14,0 GG% x 1,05489 / 70 % = 4,22 kg
Die Schüttung berechnet mit einer SAkalt von 70% dient nur zur Information, damit man einen Vergleich zur Schüttung in der Folgeberechnung hat, die mit einer
VWA [%] von 45 % berechnet wird. Zur relativen Dichte 20°C/4°C von 1,05489 siehe Bild 01 ganz unten im Beitrag oder hier und hier
Schüttungsberechnung(02) VS2 mit der Vorderwürzeausbeute VWA % - das ist der Wert mit dem wir für das VWB später weiterrechnen müssen (Formel 7)
Schüttung kg = 20 L x 14,0 GG% x 1,05489 / 45 % = 6,56 kg
Befor wir die Hauptgussmengen mit der problematischen Formel 4.2 berechnen können, brauchts für diesen Rechenweg die Vorderwürzekonzentration
VWkonz.[%]. Der Weg dort hin führt über die Extraktmasse [kg], die Pf.voll Menge[L] und die AWheiß[L].
Berechnung(03) der Extraktmasse die im Gärkeller ankommen muss(auf Basis AWkalt), um die Zielmenge und Zielkonzentration zu erreichen(Formel 3)
Extrakt [kg] = 20 L x 14,0 GG% x 1,05489 / 100 = 2,95 kg
Zu diesen 2,95 kg Extrakt sei gesagt, dass diese Menge entlang der Rezeptvorgaben(Zielmenge, Zielkonzentration) immer im Gärkeller ankommen muss(AWkalt) - ganz unabhänig davon,
ob ich ein normales(mit Nachgüssen) oder ein VWB braue.
Diese Masse an Extrakt befindet sich ab dem Prozessschritt "Pfanne voll"(Pf.voll), unabhänig von einem sich ändernden Würzevolumen, immer in der Würze. Auch die
Pf.voll Menge muss für beide Fälle(VWB / Normalbier mit Nachgüssen) identisch sein, da die Entscheidung ein VWB zu brauen nichts an der Eindampfleistung der Pfanne ändert.
Da beide Varianten (VWB / Normalbier mit Nachgüssen) ab dem Prozessschritt "Pfanne voll" so schön gleich sind, brauchts auch nur eine Variante zur Berechnung der Pf.voll heiß [L] und der AWheiß[L]
Berechnung(04) derAWheiß[L] (Formel 8)
AWheiß[L] = 20 L / 0,96 = 20,83 L
Berechnung(05) der Pf.vollheiß [L] (Formel 1)
Pf.vollheiß [L] = 20,83 [L] x ( 1 + ( 9 % x 80 min) / (60 min x 100 %) ) = 23,33 L
Weiter oben wurde für ein VWB schon folgendes gesagt:
- Die Pfanne voll Menge entspricht der Vorderwürzemenge
- Die Pfanne voll Konzentration entspricht der Vorderwürzekonzentration
Berechnung(06) der Vorderwürzekonzentration VWkonz. [GG%] für das VWB (Formel 6)
VWkonz. [GG%] = 100 x 2,95 kg / 23,33 L x 1,05489 = 11,99 % (°P)
Probe(07) (Formel 3): In der Pf.voll Würzemenge muss die gleiche Menge Extrakt vorhanden sein wie in der AWkalt Würzemenge
Extrakt [kg] = 23,33 L x 11,99 GG% x 1,05489 / 100 = 2,95 kg (siehe zum Vergleich Berechnung (03) )
Passt. Auch rechnerisch befindet sich in der AWkalt Würzemenge die selbe Menge an Extrakt(03) wie in der Pf.voll Würzemenge.
Jetzt geht es an die Hauptgussberechnung mit der kritischen Formel 4.2 .
Berechnung(08) Hauptguss HG [L] für das VWB (Formel 4.2):
HG [l] = (45 % x ( 100 - 11,99 %) x 6,56 kg) / (11,99 % x 100) = 21, 67 L
Alles schick, oder ? Leider nicht. Wer ein wenig Erfahrung hat, der wird der HG Menge von 21,67 L auf den ersten Blick ansehen, dass sie viel zu gering ist. Schließlich geht
auf dem Weg bis zur AWkalt[L] noch die beim kochen verdampfte Wassermenge und das Wasser in den Trebern verloren. Diese Mengen berechnen
wir als nächstes.
Berechnung(09) verd.Wassermenge [L] für das VWB (Formel 1.1):
verd.Wassermenge [L] = 9 % x 80 min x 20,83 L / 60 min x 100 % = 2,499 L
Die Pf.vollheiß [L] minus die AWheiß[L] muss ebenfalls die verd.Wassermenge [L] ergeben. Damit machen wir die Probe(10):
verd.Wassermenge [L] = 23,33 L - 20,83 L = 2,5 L
Passt.
Berechnung(11) der Wasser in den Trebern [L] für das VWB (Formel 2)
Wasser in den Trebern [L] = 6,56 kg x 0,96 = 6,3 L
Aus den berechneten Eckdaten lässt sich jetzt die gesuchte(richtige) Hauptgussmenge HG [L] berechnen. In der Formelsammlung bieten sich mehrere Formeln dazu an.
Berechnung(12) der Hautgussmenge HG [L] für das VWB. Finale Version (Formel 4.3)
Hauptgussmenge HGVWB [L] = 20 L + 2,5 L + 6,3 L = 28,8 L
Die Unterschiede in den berechneten Hauptgussmengen sind für diese Kleinsmengen schon recht beachtlich. Die Differenz der beiden Mengen beträgt rund 7 L (siehe Berechnung (12) und (8) ).
Worin besteht jetzt der Kern des Problems ?
Die weit verbreiteten Formeln 4.1 und 4.2[1] oder Varianten davon bilanzieren ganz nüchtern Extraktmengen aus. Ein gewichtsprozentige Lösung enthält für eine bestimmte Extraktkonzentration[GG%] immer eine bestimmte Masse an Wasser und eine bestimmte Masse an Extrakt und je nach dem was davon bekannt ist, lässt sich das Eine aus dem Anderen berechnen. Ein schönes Beispiel dazu findet sich in [1].
Zum Problem kommt es, wenn in solche einer Berechnung der Massenanteil des Wassers ohne Rücksicht auf Verluste als Hauptgussmenge[L] bezeichnet wird. Nicht so sehr deswegen, weil ein 1 L Wasser nicht ganz genau 1 kg wiegt(20°C), sondern eher deshalb, weil der Wasseranteil in solch einem Formelwerk nichts von den Wasserlusten beim Brauen weiß. Die benannten Formeln sind deshalb nicht falsch, ganz im Gegenteil, sie sind richtig - woran es scheitert ist die Bezeichnung der Ergebniswerte(Hauptguss). Wie immer kommen solche Abweichungen erst unter extremen Bedingungen transparent zum Vorschein - eben bei der Berechnung eines VWB ohne Nachgüsse, gepaart mit einer niederen Vorderwürzekonzentration, schlechten Ausbeuten und das bei hohen Schüttmengen.
In solche einem Umfeld bietet sich eher an, ausgehend von bekannten Größen(AWkalt [GG%] und [L]) und entlang der vorgelagerten Prozessschritte, rückwertig zu rechnen, da auf diese Art und Weise Mengen- und Konzentrationsänderungen berücksichtigt werden können(siehe Berechnungen oben) und in der Folge die Extrakt- und Mengenbilanz wieder sauber aufgeht.
Zum Abschluß der gesamte Rechenweg für einen Hauptguss HGVWB [L] in einer Formel:
HGVWB [L] = AWkalt[L] + VZ [%] x Kochdauer [min] x AWkalt[L] / ( Kontraktionsfaktor x 6000 ) + AWkalt[L] x AWkalt[GG%] x Dichte20/4 / VWAusbeute [%] x 0,96
Was hier so mächtig daher kommt, entspricht diesem recht einfachen Zusammenhang:
HGVWB [L] = AWkalt [L] + verdampfte Wassermenge [L] + Wasser in den Trebern [L]
Wer möchte kann sich ja den Formelwurm für HGVWB mit ein paar mathematischen Kunstgriffen zurechtstutzen und das Ergebnis hier posten
Noch ein kleiner Hinweis:
Das Wasser in den Trebern oder Treberwasser das wir in (11) mit 6,3 L berechnet haben, ist natürlich im Falle von VWB kein Wasser, sondern pure Vorderwürze.
Ich denke es ist auch im Sinne eines VWB durchaus legitim, wenn man versucht zumindest einen kleinen Teil davon als Vorderwürze zu gewinnen. Eine Idee dazu wäre einen Teil von den 6,3 L, von
mir aus 5 L, als zusätzlichen Nachguss zu bereiten und kurz vor dem Trockenlauf des Treberkuchens zuzugeben. Damit könnte man noch einen Teil der Vorderwürze aus dem Treberkuchen
und dem Läuteresystem ausschieben. Wem trotzdem nicht wohl bei der Sache ist und einen Refraktometer hat, kann die VW ja bei diesem Vorgang immer mal wieder messen und das
Abläutern beenden, wenn die Konzentration der VW merklich abfällt.
Viel Spaß damit
Gruß
Oli
QUELLEN:
[1]Ludwig Narziß und Werner Back, Die Bierbrauerei Band 2, Technologie der Würzebereitung, 8. Auflage, S.309, Wiley-Vch, 2009
[2]Ludwig Narziß und Werner Back, Die Bierbrauerei Band 2, Technologie der Würzebereitung, 8. Auflage, S.421, Wiley-Vch, 2009
FORMELSAMMLUNG:
Formel 1:Formel für die Verdampfungsziffer VZ [%] aufgelöst nach Pfanne voll heiß [L] (AW = Ausschlagwürze)
Code: Alles auswählen
1 + VZ [%] x Kochdauer [min]
Pf.voll heiß [L] = AW heiß [L] x ----------------------------
60 [min] x 100 [%]
Code: Alles auswählen
VZ [%] x Kochdauer [min] x AW heiß [L]
verd.Wassermenge [L] = --------------------------------------
60 [min] x 100 [%]
Code: Alles auswählen
Wasser in den Trebern [L] = Schüttung [kg] x 0,96
Code: Alles auswählen
KW [L] x GG [%] x rel. Dichte 20/4
Extrakt [kg] = ---------------------------------
100
Code: Alles auswählen
Hauptguss [L] = Pf.voll [L] + Wasser in den Trebern [L]
Code: Alles auswählen
100 x Extrakt [kg]
Hauptguss [L] = ------------------ - Extrakt [kg]
VW konz. [GG%]
Code: Alles auswählen
Ausbeute [%] x (100 - VW konz. [GG%]) x Schüttung [kg]
Hauptguss [L] = ----------------------------------------------------------
VW konz. [GG%] x 100 [%]
Code: Alles auswählen
Hauptguss [L] = AWkalt [L] + verd.Wasserermenge [L] + Wasser in den Trebern [L]
Code: Alles auswählen
Gesamtmaische [L] = Hauptguss [L] + ( Schüttung [kg] x 0,7 [L/kg] )
Code: Alles auswählen
100 x Extrakt [kg]
GG [%] = -------------------
Gesamtmasse [kg] ( L x Dichte)
Code: Alles auswählen
Kaltwürze [L] x Extrakt [GG%] x Dichte 20/4
Schüttung [kg] = ---------------------------------------------
SA kalt [%]
Code: Alles auswählen
AW kalt [L]
AW heiß [L] = ------------------
Kontraktionsfaktor
Code: Alles auswählen
VW [L] x VW Extrakt [GG%] x Dichte 20/4
VWA [%] = -----------------------------------------
Schüttung [kg]
Bild 01: Ausschnitt Platotabelle