So Leute, es ist so weit.
Stefan, Phillip und Jens haben sich mit dem fehlerhaften Bier beschäftigt und berichtet.
Vielen herzlichen Dank euch Dreien für eure Mühe!
Zusammengefasst hier die Berichte (Namen in Zitaten habe ich durch xxxx usw. ersetzt.
BILBOBRÄU:
Hallo Dieter,
wir haben soeben Deine Lola verkostet.
Optik: sehr trüb, schlechte Schaumstabilität, für Pils etwas zu dunkel
Geruch: lösemittelartig, einer meinte wie Eddingstifte, daneben leicht fruchtig in Richtung Birne
Geschmack: lösemittelartig, sehr stupfes Gefühl auf der Zunge (Zungenmitte)
Einschätzung: Wir sind einhellig bei Ethylacetat.
KARLM:
Ach so, mein Tipp, ganz klar: Infektion. Die Anstelltemperatur ist es nicht. Und das Gushing spricht auch für Infektion. Vielleicht nach der 3. Führung doch was eingefangen. Hat da mal einer mit dem Mikroskop geguckt?
Wie du am Sheet siehst, möchte ich Chlorophenol nicht ausschließen. Für mich war es weniger stechender Lösungsmittelgeruch, Aceton oder so, als eher auch was süssliches, gemüsiges, pflanzliches. Bin echt gespannt, was die anderen gefunden haben.
DERDERDASBIERBRAUT:
Ich hatte dein Bier mit in Lübeck beim Hobbybrauerstammtisch. An dem Abend waren 10-12 Leute da. Darunter auch sehr erfahrene Hobbybrauer, die schon über 30 Jahre brauen und von denen einer sogar Doemens Sommelier ist.
Beim Öffnen der Flasche kam mir aus dem Kopfraum ein richtig stechender lösungsmittelartiger Geruch entgegen, der beim Einschenken der 10-12 Gläser schon weniger wurde und sich beim Schwenken des Glases recht gut verflüchtigt hat.
In dem Bier sind also recht hohe Mengen Acetat
Ester drin (Ethylacetat, Isoamylacetat).
Isoamylacetat riecht nach Banane und wird in höheren Konzentrationen "in der Nase stechend fruchtig").
Ethylacetat riecht nach überreifem Obst und wird in höheren Konzentrationen stechend fruchtig bis lösungsmittelartig.
Isoamylacetat verflüchtigt sich schon relativ schnell, aber Ethylacetat verflüchtigt sich verglichen damit nochmal deutlich schneller.
Einige von den Jungs haben Banane neben dem vielen Ethylacetat wahrgenommen (ich auch), andere wiederum nicht. Höhere Alkohole (Fusel) haben viele unterschwellig wahrgenommen. So, als wenn jemand ein ganz kleines Schlückchen Obstler in das Bier geschüttet hätte.
Nach dem Auslüften fanden die meisten das Bier übrigens ganz lecker, nur eben weit weg von Pils :-).
Unsere sensorischen Eindrücke habe ich danach noch mit xxxxx, schriftlich abgeglichen. Er konnte das Bier zwar nicht probieren, meint aber, dass wir von der Beschreibung her mit den Acetatestern (vor allem Ethylacetat) richtig liegen und sich alles schlüssig anhört.
Ester entstehen von der Mitte bis zum Ende der Gärung (EVG 20-80%), wenn das Verhältnis von absterbender Hefe und Zellvermehrung etwa konstant ist. Für die Entstehung braucht es organische Säuren und Alkohol (höhere Alkohole (Fusel) und Ethanol). Der Grundstein für die Menge an Fusel und organischen Säuren, die verestern können, wird neben den Rohstoffen und der Maischarbeit vor allem am Beginn der Gärung gelegt.
Rein aus dem Blickwinkel "Hefe" würde ich vermuten, dass am Anfang gut
belüftet wurde, eine starke Vermehrung stattgefunden hat (Underpitching oder wenig vitale Hefe), die Anstelltemperatur recht hoch war (viel höhere Alkohole), die Gärtemperatur bis zum Ende der Gärung recht kühl gehalten wurde (flüchtige
Ester werden nicht durch Gärungskohlensäure mitgerissen), recht früh abgefüllt wurde und dass vielleicht die Flaschengärung mit Traubenzucker gemacht wurde (hoher Glucosegehalt fördert Acetatester).
Soweit erstmal unsere gesammelten Erkenntnisse und Vermutungen.
Naja, fast. Kommen wir zu den "Verschwörungstheorien"
yyyyy meint, dass es sich um einen Blausud gehandelt haben könnte.
Das könntest du mit einer Jodprobe im fertigen Bier heute noch gegenprüfen.
xxxxx und ich haben wegen des hohen Acetatestergehaltes auf eine Kontamination mit Weißbierhefe oder auf eine Verwechslung der UG Hefe mit Weißbierhefe getippt.
Uli Peise meinte damals in einem anderen Zusammenhang auch mal, dass Acetatester bei UG Hefen in der Regel immer unter der Wahrnehmungsschwelle liegen.
Gegen eine Mischhefe (Kontamination) spricht, dass sich beim Ausstreichen in der Petrischale (auf Würzeagar) selbst unter dem Auflicht Mikroskop keine Kolonien mit unterschiedlichem Erscheinungsbild gezeigt haben. Die Kolonien unterschiedlicher Hefen sehen oft leicht unterschiedlich aus.
Gegen eine Verwechslung mit einer reinen Weißbierhefe spricht, dass sich unter dem Durchlichtmikroskop keine Sprossverbände finden ließen (die für OG Hefe typisch wären).
Bakterien sind auf dem Würzeagar übrigens auch nicht gewachsen.
Wegen der Esterbildung kannst du hier nochmal weiter lesen und vielleicht noch ein paar Ideen daraus mit deinem Brauprotokoll abgleichen:
Seite 5 (Kapitel 1.1.1 Esterbildung (bis Seite 12), Fachchinesisch einfach überlesen :-) )
https://d-nb.info/978186087/34
Danke für die Bierprobe.
Das war ein interessantes Erlebnis
Hier noch ein paar Kommentare von mir:
Dass vor nach dem Anstellen gut
belüftet wurde, stimmt.
Die Anstelltemperatur war mit 14 Gr.C. wirklich recht hoch.
Die Temperatur bei der Hauptgärung lag in den ersten 1 1/2 Wochen bei 10 Gr.C.
Blausud kann ich ausschliessen, siehe anhängendes Foto, heute gemacht mit Bier im Glas im Hinterfrund wegen Farbvergleich.
Verwechslung der ug Hefe mit einer obergärigen kann ich auch ausschliessen, da ich die verwendete Hefe aus NaCl hochgepäppelt habe und noch nie og Hefe in NaCl hatte.
Auffallend war, dass bie beiden Gärbottiche in der Gefriertruhe bei 10 Gr.C. fast 4 Wochen lang geblubbert haben. Erst nach 3,5 Wochen habe ich gespindelt, Temp. um 2 Gr.C. erhöht und dann nach 4 Wochen abgefüllt. Daraus habe ich gelernt, dass man auch bei ug ruhig nach 2 Wochen mal spindeln sollte.
Während ich das hier zusammenstelle trinke ich eins davon, nachem ich nun 6 Wochen lang keins mehr angerührt habe. Der widerliche Pattex-Geruch ist am Anfang beim Einschenken noch vorhanden. Aber wie es Jens beschreibt, verliert sich der und ist mit äussersten Einschränkungen (bedingt) trinkbar.
Vielen Dank nochmal an alle, die sich so super mit diesem Fall beschäftigt haben.
Beim nächsten Kontakt mit euch hoffe ich dass es mehr um positives zum Thema Nr. 1 gibt.
Vielen Dank
Grüßle Dieter
Brau, schau wem.