vor ein paar Stunden habe ich meinen erster Sud in der Einkocher-Klasse durchlebt und möchte Euch an dem Brautag teilhaben lassen. Dabei möchte ich vorweg nehmen, dass ich heute von "easy... läuft" bis "waaaaaaaaahhhhhhh" so ziemlich jedes emotionale Stadium durchlaufen habe. Im Nachhinein kann ich das mit einem Schmunzeln unter lehrreich abheften und hoffe, Euch dieses Gefühl etwas rüberbringen zu können. Spart also nicht mit gutem Rat. Es kann nur besser werden!
Was bisher geschah...
Nachdem ich mich in der Wahl meiner Literatur vom Braurezept der Besserbrauer über Lauhages "Craftbeer einfach selber brauen" bis hin zu Jans "Bier brauen" gesteigert hatte, kam der Schritt von der 5-Liter-Kochtopfklasse zum Einkocher. In erster Kategorie hatten mein guter Freund Niclas und ich schon seit zwei Jahren gewerkelt und einige durchaus trinkbare Biere nach den Rezepten der Braupakete produziert. Aber eigentlich ist der ganze Aufwand für 5 Liter unsinnig. Bei 20 Litern sieht das schon anders aus... Also flossen in den letzten Monaten viel Energie und einiges Geld in die Basisausstattung für die Einkocher-Klasse. Nachdem nun alles parat war, konnte ich es nicht erwarten und setzte für heute den ersten Brautag an. Leider ist oben bereits erwähnter Niclas noch im Urlaub, aber ich musste einfach einen Systemcheck machen. Dafür suchte ich mir aus Ferdinand Lauhages Buch das Pale Ale als Start aus. Klang einfach und kam meinem Faible für's Englische entgegen.
Gestern: Schroten
Die Schüttung hat mich schon etwas verwundert. Pale Ale ohne Pale Ale Malz? Naja... Lauhage wird schon wissen, was er tut. Also 5kg Wiener Malz und ein Pfund Caramel Hell abgewogen und durch die Malzmühle gejagt. Ich entschied mich, dass schon am Vortag zu tun, weil ich so am Sonntag beliebig früh starten konnte und weil ich in Gestalt unserer beiden Töchter zwei wissbegierige Helferlein an der Hand hatte.
Das Malz vor dem Schroten:
Meine Malzmühle und das Ergebnis unter strenger Kontrolle:
Und das Malz nach dem Schroten:
Für mich als unerfahrenen Laien sieht das gut aus. Spelzen sind weitgehend intakt und der Mehlkörper aufgebrochen. Geschrotet hatte ich mit einem Walzenabstand von 1,3mm justiert mit Fühlerlehre.
Der Brautag:
Um 08:00 Uhr ging es los. Ich brachte den Einkochen in Stellung, setzte Tee auf und scheppte 18 Liter Hauptguss in den Topf. Dabei klang unentwegt Rockys Theme in meinem Kopf (Link zu Youtube). Das musste einfach ein guter (Brau-)Tag werden!
Tatsächlich kam das alte Schätzchen, das kürzlich in Mutters Keller aufgetaucht ist, recht schnell auf die geforderten 78 °C. Gute Unterstützung leistete mir dabei die Inkbird-Steuerung, die ich bei 76 °C abregeln ließ, um das potentielle Überschwingen etwas zu kompensieren.
Zwischenfazit: Oldie but goldie. Es muss nicht immer alles neu sein!
Das Maischen und Rasten
Das Einmaischen lief weitgehend unspektakulär. Das Malz ließ sich gut einrühren und löste sich klumpenfrei auf. Allerdings fiel die Temperatur nicht wie geplant auf 66 - 67 °C ab, wie es das Rezept voraussah.
Also erstmal gerührt, bis die Temperatur einigermaßen im Plan war und dann den Inkbird neu eingestellt. Leider habe ich das Überschwingen noch nicht so richtig in den Griff bekommen, so dass die Kombirast eher im oberen Temperaturbereich lief. Jedenfalls war nach 60 Minuten Jod normal und ich fing an, die Maische in den Läuterbottich umzuschöpfen.
Zwischenfazit: Wenn's läuft, dann läuft's. Im Übermut sollte man aber keine Arbeitsschritte vergessen.
Läutern:
Nach dem Umschöpfen ließ ich die Maische erst einmal ruhen. Eine gute Gelegenheit für mich, dem Rest der Familie beim Frühstück Gesellschaft zu leisten. Beim beherzten Biss in die selbst gebackenen Heferaupen bekam ich das unbestimmte Gefühl, dass es irgendwie zu gut lief. Irgend etwas stimmte nicht... Hatte ich etwas vergessen? Abmaischen!

Also Lätergant improvisiert und los ging's. Übrigens hatte ich den Läuterbottich aka. Braueimer mit einem Rest Isomatte umwandet, damit die Maische nicht zu schnell abkühlt. Hat sich meines Erachtens gelohnt, dann das flüssige Gold erreichte die Würzepfanne mit stattlichen 62 °C. Allerdings muss ich sagen, fiel das Flüssige weit weniger goldig aus als erwartet. Die Würze lief zwar recht klar, aber deutlich dunkler als es das Foto des vermeindlichen Endprodukts in Lauhages Buch vermuten ließ. Vermutlich ist das dem Wiener Malz geschuldet, dass per se eine dunklere Farbe verleiht als es eine Pale Ale oder Pilsener Malz getan hätte...
Zwischenfazit: Läutern klappt. Auch nach dem Trockenlaufen am Ende war der Treberkuchen locker. Ich werde bei 1,3mm zwischen den Walzen bleiben.
Würze kochen:
Pfanne voll hatte ich bei stattlichen 14 °Plato. Etwas über der Vorgabe im Rezept, aber ich wollte erst einmal sehen, wie es weitergeht. Also Tauchsieder rein, Einkocher auf Maximum und los!
Hopfengabe: 31g Bramling Cross zu Beginn des Kochens.
Und tatsächlich, das alte Schätzchen kam mit etwas Unterstützung durch einen 1,4 kw Tauchsieder auf Touren und erzeugte ein schönes, wallendes Kochen.
Würze kühlen:
Nach einigen Versuchen, habe ich neulich eine kleine Tauschpumpe erworben. Mein Plan ist es, einen 30 Liter Behälter mit viel Eis uns etwas Wasser aufzufüllen und diese Kühlflüssigkeit dann zirkulieren zu lassen, bis die Würze auf Anstelltemperatur ist.
Hopfen seien
Ja, liebe Leser, bisher lief es eigentlich zu rund. Nun, im keimkritischen Kaltbereich angekommen, wähnte ich mich schon (fast) in Sicherheit und konstruierte eine Leitung, um die Würze durch einen Monofilamentfilter in den Gärbottisch zu bekommen:
Jedenfalls erreichen wir nun den Punkt, an dem eins zum anderen kam. In der Familie brach zwischen den drei weiblichen Mitgliedern ein lautstarker Streit aus, der mir jegliche Entspannung nahm. Gleichzeitig verzweifelte ich daran, wie lange abgekochtes Wasser braucht, um auf 30 °C abzukühlen, damit ich die Hefe rehydrieren konnte. Zudem versuchte ich natürlich, so keimarm wie möglich zu arbeiten...
In dieser Melange verschiedenster Stressfaktoren entschloss sich mein Filterkonstrukt schließlich, sich gegen mich zu wenden. Aus unerfindlichen Gründen löste sich nämlich die Klammer, welche das ganze fixierte. Dadurch haltlos geworden gab der Kochlöffel dem Gewicht des Hopfenfilters nach, wodurch die strukturelle Integrität des Konstrukts nachhaltig und unwiederbringlich gestört wurde. Es sackte also der (hinreichend sterilisierte) Hopfenfilter in den Gärbottich. Ihm folgte der - natürlich nicht entkeimte - Holzkochlöffel ebenso wie die zuvor alles haltende Klammer. Um den größten anzunehmenden Unfall abzurunden, entglitt der würzeführende Schlauch dem Eimer und es ergoss sich ein Schwall des ebenso kostbaren wie klebrigen Sudes auf unseren Balkonboden.

Es entfuhr mir also ein Fluch, den ich mit Rücksicht auf die werte Leserschaft hier nicht wiedergeben möchte, und ich klaubte mit der behandschuhten und desinfizierten Rechten die Klammer und den Löffel aus dem Gärbottich. Quasi in einer Bewegung riss ich den Schlauch an mich und richtete ihn wieder auf den Eimer aus.
Zwischenfazit: Improvisation ist Mist!
Bekanntermaßen neigen erregte Menschen zu einer gewissen Resistenz gegenüber rationaler Einsicht. Davon will ich mich selbst nicht ganz ausnehmen, denn ich errichtete die o.g. Konstruktion abermals. Diesmal hielt sich leidlich, ließ mich aber mit stetem Misstrauen immer wieder nach ihr sehen, was das Stresslevel nicht wesentlich sinken ließ.
Gleichzeit wurde ich Gewahr, dass die Hefe, welche ich inzwischen rehydriert hatte, offensichtlich voll überschäumende Begeisterung war. Vielleicht hing dies auch damit zusammen, dass ich dem abgekühlten Nass gleich zwei Päckchen Nottinghamer Hefe zugeführt hatte. In einem Moment spontaner Rechenschwäche muss ich zu der Auffassung gelangt sein, dass 22g näher an der Anweisung 0,5 - 1 g/l wären als 11g.
In dem Moment warf ich alle guten Vorsätze über Bord. Dieser Sud hatte mich nun genug getriezt - nicht alles Sticheleien habe ich oben aufgeführt - und nun würde ich es ihm schon zeigen. Also die restliche Würze schwungvoll durch den größeren Filter passiert und schnell zum Schneebesen gegriffen. Mit zornigen Schlägen Sauerstoff eingebracht und schließlich die Hefe reingehauen. Sie zu, dass Du klar kommst, Germ!
Jetzt noch den Gärspund aus dem Starsan und den Gärbottich verschlossen. Passt!
Doch wer mein, er sei an Schmitz Backes vorbei, wenn der Gärspund steckt, der irrt. Beim Anheben dies Gäreimers bildete sich ein Unterdruck - logisch eigentlich - und sog' einen erheblichen Teil des Starsans in die Würze...

Die Gärung:
Schließlich schaffte ich die 19 Liter Würze in den Keller und platzierte sie im Kühlschrank. Dass mir dabei noch die darin liegende Glasplatte an einer Ecke sprang, ist kaum noch erwähnenswert. Jedenfalls schloss ich den Inkbird an, um der Hefe vorzugaukeln, sich hätte es mit einer Umgebungstemperatur von 16 °C zu tun. 21 °C im Keller erschien mir etwas zu warm.
So kam dann schließlich auch mein Brautag zuende. Immerhin ohne körperliche Schäden. Was sich für ein Bier ergibt, will ich jetzt wirklich wissen, aber ebenso nehme ich einige Anhaltspunkte mit, um es beim nächsten Mal besser zu machen. In den nächsten Wochen werde ich berichten, wie sich der Sud entwickelt. Schauen wir mal...
Cheers
Stefan