Bierwisch hat geschrieben:[...]ich habe es selbst ausproBIERt. Meine Flaschen werden so karbonisiert, wie oben beschrieben. Nur ein einziges Mal habe ich vergessen, das ganze nochmal umzurühren und hatte damit eine Kiste totel überkarbonisiertes und eine Kiste schales Bier, der Kasten dazwischen war größtenteils in Ordnung.
Zum Glück standen die Kisten übereinander im Nebengelaß, als es plötzlich einen ordentlichen Schlag gab - eine Bügelflasche hatte nichts von Deiner Theorie gewußt und war ob des zu hohen Drucks zerplatzt (atomisiert wäre nur unwesentlich übertrieben). Dabei hat sie noch zwei Nachbarn in den Untergang mitgerissen.
Meine Vermutung - es gab am Glas keine offensichtlichen Schwachstellen und abblasen hat nicht funktioniert, da war der Druck auf den Flaschenkörper überall gleich und so war kein Splitter größer als ein Sandkorn.
Darum kann ich allen, die nach diesem Schema karbonisieren nur empfehlen, immer sehr viel Sorgfalt auf eine gleichmäßige Durchmischung von Jungbier und Speise zu achten. Meine Ferndiagnose wäre auch in dem geschilderten Fall, daß es aus irgendeinem Grund zu einer zu hohen Speisegabe gekommen ist. Das Schadensbild spricht jedenfalls dafür.[...]
Bierwisch,
vielen Dank für Deine Schilderung, sehr interessant.
Trotzdem halte ich es in meinem Fall bisher für recht unwahrscheinlich, dass eine Überkarbonisierung aufgrund schlechter bzw. ungenügender Vermischung vorlag. Dafür gibt es die folgenden Gründe:
- ich mache es so, wie oben geschildert, seit geraumer Zeit und hatte, seit ich das so mache, noch nie ein Problem mit ungleichmäßiger Karbonisierung. Vorbehaltlich der Möglichkeit, dass ich in nächster Zeit diesbezüglich noch was an dem Sud feststelle, gilt für mich im Moment: die Vermischung war einwandfrei. Dafür (und für das im nächsten Punkt folgende) spricht übrigens auch, dass mir neulich schon eine Flasche geplatzt ist bei einem gleichmäßig karbonisiertem Sud.
- die Beobachtungen bzw. festgestellten scharfen Kanten an den Zentrierscheiben meiner Greta deuten m.E. eher darauf hin, dass hier die Ursache liegt (Probleme mit der Greta bzw. Mikrorisse am Flaschenhals oder -wulst als Ursache für das Platzen von Flaschen werden ja außerdem auch von anderen und in der Literatur geschildert)
- die Stärke der Explosion ist in meinem Fall vermutlich darauf zurückzuführen (wie von Philipp ganz oben schon angemerkt), dass die Flasche nur teilbefüllt war. Dadurch konnte eine relativ hohe Gasmenge schlagartig expandieren, was in diesem Fall auch zwei andere Flaschen mitgenommen hat
Zu letzterem ein paar Zahlen: angenommen, ich hatte in der fraglichen Flasche einen Leerraum von etwa 0,15l, die berechnete Karbonisierung von 5 g CO2/l und eine Temperatur von 21°C, dann lagen lt. Spundungstabelle etwa 2,1 bar vor (vermutlich etwas weniger, da sich das durch NG entstandene CO2 tw. im Kopfraum bzw. Leervolumen verteilt). Bei Versagen der Flasche fällt der Druck naturgemäß auf Atmosphärendruck, und somit (da p.V = konstant) expandiert das Gasvolumen in der Flasche von 0,15l schlagartig auf etwa das Doppelte, also
0,3l. Leicht verzögerte Entgasung bzw. Gasentbindung aus dem Bier kommt noch hinzu (bei 0,2l Bier und geplanten 5 g CO2/l näherungsweise nochmal 0,2l - habe hier das im Kopfraum verteilte CO2 bereits abgezogen). Das ist zwar nicht ganz genau gerechnet, aber insgesamt entstehen so schlagartig etwa 0,3l Gas auf engstem Raum und dann nochmals 0,2l. Die Flüssigkeit selbst expandiert hingegen kaum.
In Deinem Fall (bei Deinen überkarbonisierten Flaschen nehme ich jetzt mal 8 g CO2/l an, lt. Spundungstabelle entspricht das
3,9 bar bei 20°C) expandiert dagegen nur wenig Kopfraum (0,05l?). Bei schlagartiger Expansion dessen entstehen so etwa 0,05l x 3,9 Bar =
0,2l, also unmittelbar sogar weniger als in meinem Fall. Dazu kommt dann natürlich das sich vermutlich schnell entbindende Gas aus der Flüssigkeit - das sind bei 8 g CO2/l (0,5l Flasche) 4g CO2, was wiederum etwa 2 Litern (!!) Gas entspricht, was wiederum deutlich mehr ist als bei mir.
Bei so einem Druck ist es auch für mich eher nachvollziehbar, dass eine doch recht viel dickere Bügelflasche platzt.
Hier wird übrigens behauptet, Bierflaschen müssten 4,0 bar Innendruck aushalten (ich weiß aber nicht, ob diese Behauptung stimmt, Alt-Phex hat glaube ich mal was zu Materialspezifikationen geschrieben). Bei Wikipedia ist die Rede von über 10 bar.
Aus dem Bruchmuster kann man m.E. nicht allzu viel herleiten, bis auf die Tatsache, dass "catastrophic material failure" (ich weiß nicht, ob es den wörtlich übersetzten Begriff "katastrophales Materialversagen" im Deutschen so gibt) vorlag. Das kann man schlecht vorhersagen. Sto Lat hat weiter oben geschrieben, Glasflaschen hätten Sollbruchstellen am Boden.
Das steht hier auch. So gesehen vermute ich auch, dass in Deinem Fall Mikrorisse vorlagen, die schon weit vor dem Erreichen des Limits an der Sollbruchstelle ausgelöst haben.
Hier übrigens ein Gerichtsurteil zu den Folgen einer Flaschenexplosion aufgrund von Mikrorissen.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)