Frage zur Chemie die Reifung

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notensafe
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Frage zur Chemie die Reifung

#1

Beitrag von notensafe »

Guten Abend liebe Leut!

Nach drei Suden schließen sich so langsam die gröbsten und dringendsten Wissenslücken um die Kunst des Brauens. Eine ist allerdings noch offen: ich habe noch keine richtige Vorstellung davon, was bei der Reifung passiert. Kann mir also keinen Reim darauf machen, weshalb Weizenbiere nur zwei Wochen lagern müssen, IPA oder so hingegen mehrere Monate. Was passiert also in den Flaschen nach der Carbonisierung noch so?

Konkret habe ich dazu auch eine aktuelle Frage, denn ich habe am Wochenende ein Bier gebraut - 3kg Pale Ale Malz, 1 kg Roggenmalz, und 0,5 kg Röstmalz (nur für die Farbe), dazu Kölsch Hefe (obergärig) und 6% Alpha Säure Hopfen - und ich würde das gerne schon zu Weihnachten servieren. Bin damit aber ein wenig spät dran und würde deswegen wahrscheinlich die Reifung verkürzen müssen (sonst warte ich mind. 2 Wochen). Mit welchen Einbußen muss ich geschmacklich rechnen? Mit einer Stammwürze kann ich nicht dienen, falls die für die Antwort relevant ist.

Und wenn wir schonmal dabei sind ein paar Fragen am Rande: 1. wie lange lasst ihr nachgären? 2. Ist eine Reifung auch bei Temperaturen um die 10°C sinnvoll? Will nicht wieder alles zu meinem Bruder in die Kühlung seiner Bar schleppen, auch wenn das mega praktisch für meine Belange ist.

Jetzt erst mal Feierabend. Ich freue mich auf eure Antworten
Alex
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afri
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Re: Frage zur Chemie die Reifung

#2

Beitrag von afri »

Nachgärung dauert so lange wie die Hauptgärung, reifen lassen kannst du auch bei um 10°C, aber bitte beide Begriffe nicht verwechseln.

Ansonsten bist du doch gut unterwegs mit OG, die Gärung dürfte heute schon fast durch sein, wenn du Sonntag angestellt hast. Bis zum Wochenende könnte also auch die Nachgärung durch sein, aber sicherheitshalber solltest du noch ein paar Tage draufschlagen. Hier kommt es darauf an, wie du das Gärende bestimmst. Da du die STW nicht messen zu können scheinst, ist hier eine konkrete Angabe nicht möglich. Wenn sich der Extrakt drei Tage in Folge nicht mehr ändert, kann die Gärung als beendet erklärt werden, aber das kannst du ohne Messung nicht sagen.

Ach ja, wenn du obergärige Hefe genommen hast, dann ist die Gärungsumgebung hoffentlich nicht dein 10°-Keller, denn dann bist du bis Weihnachten 2015 fertig, sicher aber nicht mehr dieses Jahr.
Achim
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hoggel1
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Re: Frage zur Chemie die Reifung

#3

Beitrag von hoggel1 »

Tja Alex,

es kommt halt auf das Bier drauf an. Durch die Reife ändert sich der Geschmack. Je nachdem wie lange man die Reifung durchführt.

Zum Beispiel bei einem Samba Pale Ale kann man nach der Nachgärung das Bier schon genießen, es ist eh süß und wenig gehopft.

Ein Barley Wine oder einem Bier mit viel Hopfen und Röstmalzen wird mit der Zeit harmonischer.

Ich hatte mich Anfang der Jahres an einem Killkenny-Klon versucht. Leider habe ich vergessen die Nachisometrierung mit zu berechnen. Nach 6 Wochen Lagerung haben es nur ein paar Kumpels gemocht, da es sehr bitter war. Meine Frau hat schon mit Brauverbot gedroht !! Ich hab das 2. Fass im Keller vergessen und letzte Woche dann mal angeschlagen. Was soll ich sagen: Ich hab den nächsten Anpfiff bekommen, weil ich "nur" 10 Liter von diesem leckeren Bier hatte. :puzz

Das Reifen ist eine Sache für sich: Hopfenbittere und Röstmalz bauen sich ab, nach einer gewissen Zeit kommen Sherrynoten dazu.

MfG
Thomas
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Ladeberger
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Re: Frage zur Chemie die Reifung

#4

Beitrag von Ladeberger »

Bieralterung ist ein komplexes Thema und in weiten Teilen noch nicht erforscht. Vereinfacht gesagt gilt ein Bier immer dann als fertig gereift, wenn es die vom Verbraucher erwarteten Abbauprozesse durchschritten hat. Weißbier kann man frisch trinken, weil die Jungbier-Noten in Form fruchtiger Ester und bisweilen sogar schwefelige Noten zur Erwartung gehören. Trüb darf es auch sein. Bei Pils erwartet man ein von Gärungsnebenprodukten weitgehend befreites und gut geklärtes Produkt.

Du hast jetzt 11% Röstmalz im Bier. Empfohlen sind für Schwarzbier 1-3%. Ob das bis Weihnachten fertig wird... ich tippe vorischtig auf Nein. Wenn du jetzt am Wochende ein helles Pale Ale mit Nottingham braust, stünden dafür die Chancen höher.

Sicher, man kann auch Bittere, Röstaromen oder unangenehme Ester herausreifen. Bleibt für mich aber jeweils die Frage, warum man nicht weniger Hopfen und Röstmalz nimmt bzw. in Bezug auf die Ester günstigere Gärungsbedingungen schafft. Ich erkläre mir das so: Der Hobbybrauer ist vom Typ her oft jemand, der will eigentlich graue Schuhe, besorgt sich dann aber schwarze und lässt sie in der Sonne ausbleichen bis sie grau sind.

Gruß
Andy
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