Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

Antworten
Benutzeravatar
Kobi
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 705
Registriert: Donnerstag 11. August 2016, 09:59
Wohnort: Kiel

Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#1

Beitrag von Kobi »

Moin zusammen,
in vielen Beiträgen stoße ich immer wieder auf die Begriffe Hauptgärung in dem Sinne, dass hiermit die komplette Gärung vor der Flaschenfüllung und anschließenden Flaschengärung gemeint ist, und Nachgärung für alles, was dann in der Flasche passiert. Auch die Brauanleitung geht in diese Richtung.
Meine Frage: Ist das eigentlich begrifflich richtig? Bequem, da ziemlich gut verständlich, ist das allemal - gerade auch für Anfänger. Aber ich habe bisher als Hauptgärung nur die erste, deutliche Gärphase bis zum Verschwinden der Hochkräusen verstanden, alles danach wäre demnach schon die Nachgärung. Das was dann in der Flasche passiert, wäre dann die Flaschengärung - natürlich auch eine wieder angelaufene Nachgärung durch neu zugesetzten Extrakt, aber eben nicht die eine. (BTW: Dann gäbe es ja bei Grünschlauchern eigentlich keine Nachgärung...)
Ich meine das mal so in meinem alten Hanghofer gelesen und gelernt zu haben. Da dieser gerade langzeitverliehen :puzz ist, kann ich das gerade nicht nachschlagen...
Viele Grüße
Andreas
Das Leben ist zu kurz, um schlechtes Bier zu trinken! :Drink

>> double dry hopped and triple vaccinated <<
inem
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1178
Registriert: Dienstag 28. Januar 2014, 08:48

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#2

Beitrag von inem »

Die erste Variante ist die Richtige, wobei es sich dabei sowieso um Konventionen handelt. Will man einzelne Teile benennen, etwa den wilden Teil drer Hauptgärung gibt es Begrifflichkeiten wie eben Hochkräusen die es präzisieren.
Es gibt aber auch andere Konventionen, zb im englischen Primary & Secondary, Primary bezeichnet dabei ähnliches was bei uns als Hauptgärung bekannt ist, und dann die Klärungsphase als Secondary. Dort ist dann auch eher von Flaschengärung die Rede - vielleicht verwechselst du es damit?
Benutzeravatar
Laaerbrauer
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 14
Registriert: Mittwoch 11. Januar 2017, 20:44

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#3

Beitrag von Laaerbrauer »

Hi,

ich bin noch nicht so lange am Brauen, deshalb keine Gewähr ;) Aber ich war auch sehr lange sehr verwirrt mit den Begriffen und glaube mittlerweile Klarheit zu haben. Ich würde es so beschreiben:

Hauptgärung: Der Prozess von Gärungsbeginn bis Abfüllen (Also was im Gärtank passiert und normalerweise bis es durchgegärt ist)
Nachgärung: Gärung nach Abfüllung (egal ob Grünschlauchen, mit Speise etc. bzw. in welchem Gebinde)
Flaschengärung: Beschreibt nur die Tatsache, dass tatsächlich noch in der Flasche eine Gärung stattfindet (z.B. im Vergleich zu Karbonisieren mit extern zugeführtem CO2). Ist also mehr die verwendete Technik, als die Bezeichnung für einen Gärschritt.

Weitere Begriffe die sehr schwammig genutzt werden, sind "Reifung" und "Kaltlagerung". Hierzu empfehle ich folgenden Post: viewtopic.php?f=7&t=9365&p=142088&hilit ... ng#p142088
Mein Verständnis derzeit:

Reifung: Reifung des Bieres im abgefüllten Gebinde bei Gärtemperatur(!) der Hefe. Hefe arbeitet weiter und baut diverse ungewollte (auch manche gewollte) Aromen ab. Die Reifung ist es auch, die in den meisten Rezepten mit X Wochen empfohlen wird.
Kaltlagerung: Lagerung im Kühlschrank. Dies hat so wie ich das verstehe verschiedene Effekte, u.a. Absenkung diverser Sedimente (Heißtrub) und Hefereste, bessere Bindung von CO2 in der Flüssigkeit und leichten positiven Effekt auf die Schaumstabilität. Auf den Geschmack von OG Bieren wirkt sich das glaube ich nicht wirklich aus. Aber hier der Kniff: Nachdem untergärige Hefen bei kühlen Temperaturen arbeiten, ist die Kaltlagerung in manchen Fällen für UG Biere auch die Reifung.

Wie gesagt, so verstehe ich das derzeit ;) Obiger Post schwer empfohlen.

LG Jakob
Benutzeravatar
Kobi
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 705
Registriert: Donnerstag 11. August 2016, 09:59
Wohnort: Kiel

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#4

Beitrag von Kobi »

Die Ähnlichkeit zu den englischen Begriffen ist offensichtlich. Aber diesem Gedanken folgend, gäbe es bei einem grün in die Flasche geschlauchten Bier keine Nachgärung...
Ich gebe zu, wichtige Fragen und Klärungen sehen anders aus, Hauptsache, das Bier schmeckt...! Aber auch das Drumherumphilosophieren macht ja einen gewissen Reiz dieses Hobbys aus.
Viele Grüße
Andreas

Edit: Der vorige Beitrag hat sich offensichtlich mit diesem zeitlich überschnitten... Mit dieser begrifflichen Unterteilung könnte ich gut leben.
Das Leben ist zu kurz, um schlechtes Bier zu trinken! :Drink

>> double dry hopped and triple vaccinated <<
Benutzeravatar
Enfield
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 782
Registriert: Freitag 5. Februar 2016, 14:48

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#5

Beitrag von Enfield »

Deine Frage ist sogar sehr berechtigt. Auch ich war am Anfang meiner Brauerkarriere bezüglich der Begriffe komplett verwirrt.

Genaugenommen werden die Begriffe bei uns falsch verwendet.
Hier im deutschsprachigen Hobbybrauerbereich ist die Hauptgärung bis zum Abfüllen, dannach ist Nachgärung, die in einem geschlossenen Behältnis zum Druckaufbau (Co2) stattfindet. Fertig.
Daneben gibt es dann noch die oft völlig falsch gebrauchten Begriff Reifung und Lagerung. Das ging mir auch so. Wo dir viele nicht mal richtig sagen können, was was ist.

Richtig ist:
Hauptgärung (the attenuative phase): bis zum kompletten Zusammenfallen der Kräusen --> die Hefe "frisst" den Zucker.

Nachgärung (the conditioning phase, auch Reifung): nach dem Zusammenfallen der Kräusen --> Zucker ist großteils vertilgt, Nahrung wird knapp. Die Hefe stellt den Stoffwechsel um und "frisst" bei der Gärung entstandene Nebenprodukte, Eiweiße, manche langkettige Zucker, Diacetyl, Acetaldehyd, etc. Also Dinge, die sie während der Hauptgärung (wo noch genug Zucker da war), nicht mal mit der Kneifzange angefasst hätte. Das Bier klärt sich, die Hefe sinkt vollständig ab, das Bier bekommt einen "runden" Geschmack, die Jungbierbukettstoffe verschwinden.

Karbonisierung (carbonisation): in einem Geschlossenen Behältnis wird nach Ende der Gärung Zucker oder Speise zugegeben, um Druck aufzubauen und Co2 im späteren Bier zu haben. Darunter fällt auch Grünschlauchen.

Bei uns im deutschsprachigen wird die Hauptgärung gemacht, Nachgärung und Karbonisierung passieren meist zur gleichen Zeit in der Flasche oder im KEG. Wenn Du grünschlauchst, wird sogar schon gegen Ende der Hauptgärung abgefüllt.

Wenn Du des englischen mächtig bist, lies diesen Artikel, der schafft dir Klarheit:
https://www.morebeer.com/articles/conditioning

Ich zitiere mal draus einen für das Verständis wichtigen Teil:
Conditioning Fundamentals

Conditioning can take place in either the primary fermentor, a secondary fermentor, or the bottle, but each method produces different results. Debates over the benefits of each abound within the home brewing community.
Die Nachgärung/Reifung kann also im Hauptgärbehälter (primary) oder in einem umgeschlauchten zweiten Gärbehälter (secondary) oder in der Flasche (bottle) stattfinden!

Bei uns wird das amerikanische "secondary" oft als Nachgärung übersetzt, ist aber auch falsch, da hier genau genommen nur der Behälter (also das Umschlauchen vom Hauptgärbehälter in einen Behälter für die Nachgärung) gemeint ist, wo das Bier dann nachgärt (also "conditioning)

Ich hoffe, das war jetzt nicht allzu verwirrend :Greets

lg

Max
Benutzeravatar
Kobi
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 705
Registriert: Donnerstag 11. August 2016, 09:59
Wohnort: Kiel

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#6

Beitrag von Kobi »

Enfield hat geschrieben:
Ich hoffe, das war jetzt nicht allzu verwirrend :Greets

lg

Max
Nein, überhaupt nicht :thumbsup !
Diese Erklärung passt auch zu dem, was ich - deutlich kürzer und nicht so gut erklärt - aus dem Hanghofer in Erinnerung habe. Danke! :goodpost:
Viele Grüße
Andreas
Das Leben ist zu kurz, um schlechtes Bier zu trinken! :Drink

>> double dry hopped and triple vaccinated <<
inem
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1178
Registriert: Dienstag 28. Januar 2014, 08:48

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#7

Beitrag von inem »

[quote="Enfield"]Genaugenommen werden die Begriffe bei uns falsch verwendet.
/quote]
Wieso sollte es bei uns falsch sein und die englische Konvention richtiger sein?
Benutzeravatar
Alt-Phex
Moderator
Moderator
Beiträge: 9926
Registriert: Mittwoch 1. Februar 2012, 01:05
Wohnort: Düsseldorf

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#8

Beitrag von Alt-Phex »

Ist doch ganz einfach.

Hauptgärung:
Beschreibt den Vorgang der eigentlichen Gärung vom Anstellen bis zum abfüllen.

Nachgärung:
ist gleich zu setzen mit Flaschengärung wobei das Gefäß egal ist. Hier wird der
Druck (Karbonisierung) im Bier aufgebaut. In den meisten Fällen durch Zucker/Speise.
Da das ganze bei Raumtemperatur abläuft (auch UG !) passieren hier schon die
Reifeprozesse um Gärungs Nebenprodukte abzubauen (z.b. Diacetyl).

Auch Grünschlauchen passt hier rein, denn es wird ja Druck aufgebaut.
Besser wäre es natürlich hier nicht von "Nachgärung" sondern von "Karbonisierung"
zu reden. Der Begriff hat sich aber nunmal so manifestiert.

Reifung/Kaltreifung:
Wenn die Nachgärung beendet ist kommt das Bier in die Kühlung und reift dort nach.
Dadurch wird das Bier geschmacklich runder, Hopfen und Malzkörper passen sich an
und die Hefe sedimentiert (im besten Fall) am Boden des Gefäßes.


Dieses Primary und Secondary ist was anderes. Die schlauchen das Bier gerne nochmal
von der Hefe in ein zweites Gefäß damit es sich besser klärt. Oft wird dann auch erst
der Stopfhopfen hinzugefügt. Das wäre für unsere Begrifflichkeiten aber keine "Nachgärung"
und auch keine "zweite Gärung", sondern lediglich eine "Klärung".
>>Impfung rettet Leben und Kultur!<<

"Viele Biere werden am Etikettierer gemacht"
Benutzeravatar
braukumpel
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 13
Registriert: Freitag 16. Dezember 2016, 10:26
Wohnort: Essen

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#9

Beitrag von braukumpel »

inem hat geschrieben:
Enfield hat geschrieben:Genaugenommen werden die Begriffe bei uns falsch verwendet.
/quote]
Wieso sollte es bei uns falsch sein und die englische Konvention richtiger sein?
Das seh´ich ganz genauso. In unserem Sprachgebrauch bzw. Sprachraum wird es halt so gebraucht wie z.B. Alt-Phex es umschreibt. Im Englischen oder Amerikanischen eben etwas anders.
Richtig oder falsch ist doch zweitrangig.
"Bier entsteht nicht einfach so von alleine. Dazu gehören auch ein Quäntchen Zauberei und gewisse Dinge, die niemand so recht versteht."
F. L. Maytag
Benutzeravatar
Enfield
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 782
Registriert: Freitag 5. Februar 2016, 14:48

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#10

Beitrag von Enfield »

Für mich macht es so bedeutend mehr Sinn, wie es die Amerikaner bezeichnen. Ansonsten würde es nicht so viele Anfänger (mich damals eingeschlossen) verwirren.
Ich finde es falsch, dass die Nachgärung bei uns nur mit Co2 Bildung gleichgesetzt wird.

Mal angenommen ich brauen ein Bier, die HG ist nach fünf Tagen durch (flotte Hefe), dann füll ich ab mit Zucker. Das Manometer steigt nach drei Tagen nicht mehr, die Nachgärung ist damit vorbei, also ab in den Kühlschrank.
Resultat: ich habe wochenlang Jungbieraromen die sich schwer bei der Kälte abbauen im Bier. Trinkreife ist irgendwann. Trockenhefe ist da in erster Führung nicht fit genug um rasch hinter sich aufzuräumen.
Damit habe ich einen frustrierten Brauer, der doch"alles richtig gemacht hat", das Bier aber trotzdem nicht schmeckt.

Edit:
Einfach zu sagen, wenn HG durch, abfüllen, NG bis genügend Druck vorhanden, dann in die Kalt"reife", finde ich nicht korrekt. Darum sagen viele Brauer, dass ihr Bier erst nach ein paar Monaten RICHTIG GUT wurde, weil dann erst die Jungbieraromen vollständig abgebaut wurden. Das sollte es aber bereits nach einer Woche in der Kälte sein.

Das Thema hatten wir mal in einem von mir eröffneten Thread, als ich noch blutjunger Anfänger war. Mein Bier hat dadurch auch immer lange nicht so geschmeckt, wie ich es mir vorgestellt habe.

Ich weiß, das Argument "Brauereien machen auch in zwei Wochen perfekt trinkreifes Bier, da reift auch keiner warm (bzw. macht eine Nachgärung)" ist durchaus schlüssig. Nur dürfen wir uns hier in vielen Fällen nicht mit professionellen Brauereien vergleichen.
Brauereien haben:
+ hochvitale Hefe, die relativ rasch hinter sich wieder aufräumt und oft hintereinander geführt wird
+ Hefen die an das Medium Bier gewöhnt sind (anders als unsere auf Melasse vermehrten Trockenhefen, die bei uns zum ersten Mal Bier sehen)
+ Brauereien geben zur Nachgärung dem Bier, das grade die HG durchlaufen hat, nochmal Würze/Speise, die sich im Hochkräusenstadium befindet. Die dort hochaktive Hefe räumt im Tank dann die Jungbieraromen auf und das Bier ist schneller trinkreif.

Das alles machen wir normalerweise nicht, daher ist eine Begriffsdefinition meiner Meinung nach sehr sinnvoll. So weiß man auch, wann was genau stattfindet.

Leider scheinen viele Hobbybrauer diese Jungbieraromen kaum bewusst wahrzunehmen. Das Bier schmeckt halt anders und erst nach ein paar Monaten ist es richtig lecker, weil es dann reif ist. Ja, warum bloß?
Ich habe sehr lange über dieses Thema recherchiert und auch lange mit Ulrich gesprochen, der mir das ganze auch nochmal so erklärt hat.
Einfach aus dem Grund, weil ich extrem empflindlich auf diese Jungbieraromen bin und diese sehr schnell schmecke (und das Bier dann nicht trinken kann).

So hat jeder seine Probleme... :Drink

lg

Max
inem
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1178
Registriert: Dienstag 28. Januar 2014, 08:48

Re: Begriffe Hauptgärung - Nachgärung - Flaschengärung

#11

Beitrag von inem »

Es ist für mich kein gutes Argument zu sagen, weil ich einen Fehler im Prozess mache, ist die Begrifflichkeit nicht passend. Das eine Reifung parallel zur Nachgärung laufen kann ist ja eine andere Sache. Genauso wie ich theoretisch auch während der Hauptgärung stopfen kann. Jedenfalls wird man, wenn man sich an die amerikanischen Begriffe haltet im deutschsprachigenRaum immer wiederf ür Missverständnisse sorgen.
Antworten